2.4 Entgiftung und genetische Disposition
Die Schadenswirkung von Quecksilber ist individuell unterschiedlich und hängt von mehreren Faktoren ab: von den genetischen Bedingungen, von der Anwesenheit anderer toxischer Belastungen (z.B. Blei), von der Wirksamkeit der körpereigenen Zellentgiftung und der Ausscheidungsorgane und von der Immunsystembelastung.
Bei amalgamsensiblen Personen ist offenbar die genetische Ausstattung, d.h. ob im Körper bestimmte für die Entgiftung wichtige Enzyme gebildet werden, von besonderer Bedeutung:
das Enzym Apolipoprotein-E [5] tritt in den Polymorphismen ε2, ε3 und ε4 auf, die sich hinsichtlich der Quecksilber-Entgiftungsleistung unterscheiden, abhängig von der Zahl der
Sulfhydryl-(SH-)gruppen des Proteins. Nur bei Variante ε2 funktioniert die körpereigene Schwermetallentgiftung gut, bei ε3 weniger gut, bei ε4 gar nicht.
Das Gehirn-Liquor weist die zweithöchste ApoE-Konzentration im Körper auf. Damit wird das Gehirn schon außerhalb der Gehirnzellen vor Schwermetallen geschützt. ApoE-ε4 ist der bedeutsamste genetische Risikofaktor für die Alzheimerkrankheit. ApoE-ε4-Träger reagieren auch empfindlicher auf Blei-Belastung.
GSTM1 (GST = Glutathion-S-Transferase) ist ein wichtiges Enzym bei der intrazellulären Entgiftung einer großen Anzahl von Umweltschadstoffen und Schwermetallen; zudem bietet es einen wichtigen Schutz vor oxidativem Stress.
Das Enzym GSTT1 wirkt insbesondere bei der Entgiftung elektrophiler und hydrophober Substanzen, zu denen eine große Anzahl von Umweltschadstoffen und Schwermetallen, insbesondere Karzinogenen, zählt.
Die deutsche Bevölkerung weist 46% GSTM1-Positive und 82% GSTT1-Positive auf. ("Positiv" bedeutet: das Gen ist vorhanden, das Enzym wird gebildet, Entgiftung ist möglich.)
Quelle: Thomas Brüning, Ricarda Thier und Hermann M. Bolt: "Zur Frage einer kanzerogenen Wirkung von Dinitrotoluol im Mansfelder Kupferschiefer-Bergbau der ehemaligen DDR". Siehe auch [12]
Das MDR1-Gen produziert, wenn vorhanden, das p-Glycoprotein, das einen aktiven Transporter bildet, der an Blut-Gewebe-Schranken das Gewebe vor dem Eindringen von Toxinen und anderen Fremdstoffen (Xenobiotika) schützt und unter ATP-Verbrauch zelltoxische Stoffe - hauptsächlich lipophile Substanzen und Antibiotika - aus der Zelle pumpt (PGP-Pumpe).
Im Darm begrenzt MDR1 die Absorption von Fremdstoffen, in der Leber und den Nieren unterstützt es die Ausscheidung bestimmter Substanzen.
Bei homozygoter Mutation des MDR1 können Medikamente und andere Substanzen verstärkt auf die Zellen einwirken und ungehindert durch die Blut-Hirn-Schranke passieren, wodurch zwar die Wirksamkeit der Medikamente verbessert, jedoch der Schutz vor Fremdstoffen geschwächt wird.
Neuere Erkenntnisse aus der Veterinärmedizin zeigen, dass Hunde mit einem homozygot positiven Befund im MDR1-Gen - bei Verabreichung spezifischer Medikamente - sofort neurotoxische Symptome zeigen, die bis zum Tode des Hundes in relativ kurzer Zeit führen können.
Hypomethylation: die durch Quecksilber bedingte Abnahme der Methylation.
Bei Anwesenheit von Quecksilber wird die Methininsynthetase gehemmt, was dazu führt, dass Homocystein nicht gut wieder in Methionin und S-Adenosylmethionin (SAM) umgewandelt wird. Dadurch verarmen die Methylgruppen bzw. es finden weniger Methylierungsreaktionen statt. Diese sind aber notwendig, damit Carnitin, Neurotransmitter und Melatonin gebildet werden und damit Wachstum und die Glutathionsynthese überhaupt stattfinden können.
CPOX4-Polymorphismus N272H:
Der Polymorphismus von Coproporphyrinoxidase (CPOX) führt zu
erhöhter Empfindlichkeit gegenüber Hg und zur Hemmung der Synthese des Proteins Häm. Dieses ist als Bestandteil aller P450-Enzyme wichtig für die Entgiftung; es hat die Fähigkeit, Alzheimer-typische β-Amyloid-Ablagerungen aus dem Gehirn zu entfernen.
"Die meisten Menschen (ca. 85%) reagieren auf Quecksilberbelastung mit dosisabhängiger Änderung der Porphyrin-Ausscheidung.
Ein Polymorphismus, CPOX4, entspricht hoher Ausscheidung eines atypischen Porphyrins (KICP) und erhöhter Neurotoxizität, wie unter etwa 15% der Hg-belasteten Personen beobachtet.
Precopro (KICP) mag als metabolischer Biomarker einer besonderen Empfindlichkeit auf Belastung durch Quecksilber dienen. CPOX4 erniedrigt die Schwelle für durch Quecksilber ausgelöste Verhaltensstörungen." (James Woods). Die CPOX4-Wirkung ist geschlechtsabhängig [30]. Siehe auch Untersuchungen von Tingting Li.
BDNF-Polymorphismus V66M
BDNF (Brain derived neurotrophic factor), zu den Neurotrophinen zählend, ist ein protektiver Faktor, der das Wachstum, die Differenzierung und das Überleben neuronaler Zellen fördert. "Ein Polymorphismus (G196A bei codon 66) beeinträchtigt Gedächtnis und Aufmerksamkeit, bewirkt Depressionen und Ängste - ebenso wie Quecksilber." (James Woods). Die Minderfunktion von BDNF bedingt, dass Reparaturmechanismen weniger effizient arbeiten und dass die Reparatur eingetretener Schäden nicht so gut erfolgen kann. Es gibt Hinweise auf einen Zusammenhang zur Entstehung verschiedener psychischer Erkrankungen - Ängste, Depressionen - und zum Ausmaß der schädigenden Wirkung einer chronischen Quecksilberbelastung.
MTHFR-677-Mutation
Das Enzym Methylentetrahydrofolat-Reduktase (MTHFR) ist am
Folat-Metabolismus beteiligt. Folat ist ein Kofaktor für die Remythelisierung von Homocystein und für die Regeneration von Methionin aus Homocystein.
Die Variante an Nucleotidposition 677 (C677T) des MTHFR-Gens führt zu einem thermolabilen Enzym, das mit einer verringerten Enzymaktivität assoziiert ist. Heterozygote Träger des C/T-Allels haben eine Enzymaktivität von ca. 60%, die Enzymaktivität bei homozygoten Trägern (TT-Genotyp) ist auf 35% des Normwerts herabgesetzt. Die Häufigkeit des TT-Genotyps schwankt in den einzelnen untersuchten Populationen zwischen 5 und 15%.
Die
Enzymaktivitätsminderung führt zu einer signifikanten Hemmung der Methioninproduktion, was wiederum durch eine reduzierte Kinetik im Pfad der Methionin-Transsulfuration eine
Verminderung von Cystein, Glutathion und Metallothionein zur Folge hat. Metallothioneine sind eine Familie kleiner cytoplasmatischer Proteine, die die Fähigkeit besitzen, Schwermetalle zu binden. Es gibt Hinweise darauf, sie an der Ausscheidung toxischer Metalle wie Cadmium und Quecksilber beteiligt sind.
Verschiedene Studien bezüglich Impfnebenwirkungen haben Anhaltspunkte für die Kausalität zwischen Quecksilber in Form von Thiomersal in Impfseren, neurologischen Störungen und dem Vorliegen des MTHFR-Polymorphismus gegeben. [22]
Metallothionein (MT)
MT enthält Zink, bindet sich an Quecksilber und ist möglicherweise für das Kupfer-/Zink-Verhältnis verantwortlich. Die MT-Synthese wird durch Metalle im Körper (Cd, Zn, Hg, Ag, Cu) angeregt. Genetisch bedingt kann die MT-Produktion blockiert sein. Weitere Info bei
Great Plains Laboratory.
5-Hydroxytryptamine Transporter (5-HTT)
"Der Transporter 5-HTT vermittelt die Aufnahme von Serotonin in Neuronen. Ein
Polymorphismus (5-HTTLPR) in der vermittelnden Region des Transportergens wird mit Ängsten, Depressionen und Selbstmordneigung in Verbindung gebracht, ebenso wie Quecksilber." Dazu Studien von James Woods et al.: _1_ _2_.
Catechol-O-Methyl Transferase (COMT) Val158Met
"Die Catechol-O-Methyltransferase (COMT) ist ein Enzym, das in den sympathischen Nervenenden der Zielorgane verschiedene
Catecholamine, darunter das Noradrenalin, das Adrenalin und das Dopamin, deaktiviert. Patienten, die ein genetisches Defizit des Enzyms COMT haben, sind nicht in der Lage die Substanzen ausreichend schnell zu metabolisieren.
Die verzögerte Metabolisierung der Katecholamine prägt den Phänotyp der Betroffenen. Wird eine Stressreaktion ausgelöst, entwickeln beide Geschlechter hektische Aktivität, Betriebsamkeit und Leistungssteigerung bis hin zu Aktionismus. Wird dieses positiv genutzt, leisten diese Frauen und Männer überdurchschnittlich viel. Oft sind sie auch besonders intelligent und aufnahmefähig, jedoch kaum teamfähig. Die Betroffenen sind aufgrund des hohen Verbrauchs an allen Ressourcen besonders
anfällig für Erschöpfungssyndrome/CFS sowie besonders infektanfällig (Immunsuppression und Mitochondropathien). Weiterhin besitzen sie eine geringe Reizschwelle und stehen daher auch im Risiko für chronische Schmerzen und chemische Sensitivität.
COMT-Mangel ist auch mit psychiatrischen Krankheitsbildern assoziiert (Paranoide Psychosen, Schizophrenie). Der Exposition gegenüber Umweltschadstoffen, für deren Metabolisierung COMT erforderlich ist, kommt als Trigger für die Manifestierung klinisch relevanter Krankheiten vieler Fachgebiete der Medizin eine entscheidende Bedeutung zu. (vgl. auch: Müller K. Genetische Polymorphismen der Catechol-O-Methyltransferase (COMT). Umwelt Medizin Gesellschaft 20(4) 2007: 33ff)". (aus: Bericht über einen Vortrag von Dr. Kurt Müller, 3.-4.10.2008). Studie (5.2010)
Ergebnis: bei COMT-Mangel werden die Quecksilberwirkungen verschlimmert hin zu Aktionismus, Erschöpfung und Psychosen.
Superoxiddismutase 2 (SOD2)
Für den Schutz der Mitochondrien, der Energiezentren jeder einzelnen Zelle, ist die SOD2 von besonderer Bedeutung. Sie schützt die Zellorganellen vor oxidativem Stress und freien Sauerstoffradikalen. Infolge ihrer Minderleistung führt der immer bei toxischer Überlastung auftretende oxidative Stress und die dadurch stärker auftretenden freien Sauerstoffradikale schneller zu Zellschäden und Zellalterung. Der Sachverhalt ist insbesondere für neurodegenerative Prozesse von Bedeutung.
Arylamine N-Acetyltransferase 1 (NAT1)
NAT1 ist ein Fremdstoff-metabolisierendes Enzym, das aromatische Amine umwandelt (transformiert). Diese Funktion wird durch Quecksilber blockiert. [31]
Tryptophan 2,3-Dioxygenase (TOD2)
Falls eines der Enzyme nicht gebildet (exprimiert) wird, kann die
Ausscheidung von Quecksilber, auch von anderen Schadstoffen und Medikamenten, beeinträchtigt sein. Spezielle Labore (
Amalgam - Informationen - Links) bieten eine Untersuchung des Blutes auf Gen-Varianten an. Auch für MCS/CFS-Patienten kann eine Untersuchung auf genetische Poymorphismen interessant sein, wenn als Ursache eine eingeschränkte Ausscheidung von Chemie-Giften angenommen wird.
...