"Ich möchte so werden wie Birgit Prinz"
Zu Null. Die ganze Zeit zu Null. Zu Null zum Titel. Unsere Torwart Titanin Nadine Angerer musste nicht Einmal hinter sich greifen. Davon können Lehmann und Kahn nur träumen. Und vorne weg unsere Birgit Prinz, der Frauenfußballgott mit dem Gerd Müller Faktor. Vielleicht, so spekulierte eine Reporterin heute morgen, sagen jetzt auch viele kleine Mädchen und Jungen: Ich möchte so sein wie Birgit Prinz. Oha!
Was macht man mit einem kleinen Jungen, der so werden will wie Birgit Prinz? Sagt man ihm er solle zunächst mal so werden wie Miro Klose oder Lukas Podolski, bevor er sich in die nächste Dimension aufmacht? Ich weiß es nicht, ich habe eine 8 Jährige Tochter, der das ganze Frauenfußballgedöhns noch ziemlich egal ist.
Und die muss nicht unbedingt so werden wie Birgit Prinz. Das wird schon von der Statur her nichts. Frauenfußballerinnen können nämlich auch anders, können auch mal richtig reingrätschen, oder die Beinschere von hinten anwenden, müssen Fouls aushalten oder eine 80 Meter Flanke mit dem Kopf stoßen. Ob meine Tochter das kann und will, bezweifle ich. Aber man kann damit Weltmeister werden und das sollte doch für viele Junge Ansporn genug sein.
50 Tausend Euro kann man gewinnen, wenn man den Titel holt. Und in vier Jahren können es schon 60 Tausend sein. Das Kaffeeservice und das Bügelbrett, die noch 89 als Prämie für den Gewinn der EM dienten, sind passé. Und man kann Lobeshymnen ganz besonderer Art bekommen.
Da ist von den Fußballherren die Rede, die sich mal eine Scheibe abschneiden können. Da hört und liest man, dass die Mädels super waren oder dass die Damen nicht nur hübsch und klug sind, sondern auch auf dem Rasen ihren Mann stehen. Und mal ehrlich, 9 Millionen deutsche Zuschauer beim WM Finale gegen Brasilien können ja auch nicht irren. Das lag sicher nicht nur daran, dass viele Männer eher an den rassigen Girls from Ipanema namens Marta, Daniela oder Christiane interessiert waren. Nein, Frauenfußball ist endlich populär geworden oder besser noch: hip. Es war ja auch wirklich ein langer Weg vom DFB Verbot bis 1970, über das Belächeln der Anfänge bis hin zur heutigen Ehrerbietung.
Frauenfußball hat noch immer den Nimbus des skandalfreien ehrlichen und bodenständigen Sports. Da heißen die Topvereine noch 1.FFC Turbine Potsdam, SG Essen Schönebeck oder SC Bad Neuenahr. Hier müssen wir auch nicht befürchten, dass Birgit Prinz für 40 Millionen nach Barcelona geht, oder Nadine Angerer für 30 Millionen zu Chelsea wechselt. Millionenschwere Werbedeals sind noch unbekannt. Effenbergähnliche Skandale von Fußballfrauen und deren Ausbreitung in den Boulevardmagazinen sind uns zum Glück bisher erspart geblieben. Und was das moderne Doping angeht, das scheint im Frauenfußball geradezu unvorstellbar.
Deswegen muss die nächste WM 2011 im eigenen Land stattfinden. Dann werden wir alle wieder die alten Deutschlandfahnen ans Auto hängen und auf Public Viewing Veranstaltungen Sieg um Sieg feiern.
Natürlich in Birgit Prinz Trikots, versteht sich.
Autor: Stephan Fritzsche
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