Themenstarter
- Beitritt
- 13.03.12
- Beiträge
- 121
Hallo zusammen!!
Kurze Vorrede:
Ich hatte mir gestern eine halbe Stunde Zeit genommen, um über meine sehr persönliche Geschichte mit CFS in der ersten Jahreshälfte 2012 zu berichten. Leider habe ich das in einem Thread getan, der von einem
- Zitat Moderatorin - notorischen "Elefant im Porzellanladen" eröffnet worden
war. Mag sein. Ich fände es allerdings schade, wenn meine Erfahrungen in einem geschlossenen Thread verkümmern - nicht aus einem überzogenen Narzissmus heraus, sondern weil ich vermute, dass sie gerade Menschen, die glauben, frisch an CFS erkrankt zu sein (so wie ich vor einigen Monaten), etwas bringen könnte - und ja, vielleicht sogar etwas Hoffnung!?
Meine Situation war die, dass bei mir nicht nur symptomatisch (anhand der Kanadischen Konsenskriterien) alles auf CFS hindeutete, sondern auch ein erfahrener CFS-Arzt dies anhand "eindeutiger Kriterien" (reaktiviertes EBV, chronische Entzündungsprozesse, Mitochondriopathie) diagnostizierte. Und trotzdem war nach einer Mandel-OP alles sehr schnell vorbei - vielleicht, wie manche sich geäußert hatten, weil mein "CFS" sich nocht nicht - wie bei ihnen - "verfestigt" oder "eingegraben" hatte, was immer das bedeutet.
Zweitens habe ich auch auf die wichtige Rolle der Psyche bei CFS hingewiesen, und dass eine Psychotherapie bei vielen EIN BAUSTEIN einer MÖGLICHEN Besserung/Heilung sein KÖNNTE. Das hat die Gemüter erhitzt. Zunächst: Mea Culpa! Tiga hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dieses Thema hier schon öfter und auch differenziert diskutiert worden war. Das war mir bei oberflächlicher Durchsicht der entsprechenden Threads nicht aufgefallen. Trotzdem halte ich "sekundäre Depressionen"/"sekundäre somatoforme Störungen" für einen sehr wichtigen Aspekt, der gar nicht "überbetont" werden kann. Ich will weder, dass hier irgendwer ein Seelenstrip hinlegt (das fehlte noch!), noch will ich zur Psychotherapie missionieren!!!! Aber für viele frisch Erkrankte (und gerade diesen soll dieses Forum ja auch Input geben), ist es denke ich wichtig, darauf hinzuweisen.
Der wichtige Punkt ist der der, dass man (und das ist für Frischerkrankte eine, wenn nicht die zentrale Botschaft!) sich nie, nie - auch wenn alles darauf hindeutet - vollständig in die Schublade CFS stecken sollte (sonst wirds zur self-fulfilling prophecy), sich nie vollständig mit der Krankheit identifizieren sollte ("Ich hab das jetzt, Punkt!), sondern auch offen sein für alles andere! Also: Ich versuche, so differenziert wie möglich zu sein und kein "Elefant im Porzellanladen". Ich will niemanden verletzten, kränken! Finde aber, dass das gesagt werden sollte. Daher - lange Vorrede kurzer Sinn - hier nochmal mein Beitrag von gestern:
Anfang März habe ich an anderer Stelle meine Krankheitsgeschichte erzählt und sowohl öffentlich als auch privat ein breites Feedback bekommen, wofür ich mich an dieser Stelle noch einmal bedanken will. Um es zusammenfassen: Ich war rund fünf Monate schwerkrank, konnte mich kaum bewegen und nur eingeschränkt klar denken. Die Kanadischen Konsenskriterien (2011) habe ich nicht nur knapp, sondern überdeutlich erfüllt, weshalb meine Vermutung schon früh in Richtung CFS ging. Ein süddeutscher "CFS-Spezialist" (und Stammgast auf den Fatigatio-Tagungen) hat mir die Diagnose anhand vermeintlich eindeutiger Kriterien gestellt: TNF-alpha erhöht, intrazelluläres ATP erniedrigt, Protein S100 B deutlich (zehnfach über Referenzbereich) zu hoch. Dazu zwar kein aktive EBV-Infektion, aber sehr hohe Antikörpertiter, die für ihn auf eine Reaktivierung hindeuteten. An anderer Stelle wurden deutlich zu niedrige NK-Zellwerte, sowie leicht erhöhte Virentiter bei Picornaviren, Influenza A sowie Cytomegalieviren diagnostiziert...Alles in allem: Vieles, was - auch nach ausführlicher Lektüre in diesem Forum - auf CFS hindeutete. Diverse Besuche bei Spezialisten an einer süddeutschen Uniklinik (u.a. Neurologe, Immunologe, Endokrinologe) konnten differnzialdiagnostisch wohl das meiste andere ausschließen.
Extrem banal, was am Schluss die Lösung war: Eine Mandel-OP. Einige der besuchten Ärzte hatten darauf hingewiesen, dass diese sehr zerklüftet und entzündet aussähen, wohingegen andere wiederum meinten, da sei altersgemäß alles im normalen Bereich. Nunja. Da das Ganze mit einer Mandelentzündung angefangen hatte und ich auch zuvor regelmäßig unter solchen litt, wollte ichs probieren. Das Ganze lief nicht komplikationslos, für einige Tage nach der OP hatte ich hohes Fieber, wogegen intravenös Antibiotika verabreicht wurde. Zudem kam es, als ich schon zu Hause war, zu einer heftigen Nachblutung, wegen der ich noch einmal für drei Tage ins Krankenhaus musste. Aber: Etwa drei Wochen nach der OP hat es quasi Klick gemacht und ich konnte täglich merken, wie meine Kräfte wiederkam. Heute kann ich wieder arbeiten und täglich eine halbe Stunde joggen gehen, kurzum: Ich hab mein Leben wieder.
Aus dieser Geschichte allgemeine Schlüsse ziehen (was in diesem Forum leider viel zu oft gemacht wird), will ich nicht, zumal ich immer noch nicht glauben kann, dass eine "schlichte" chronische Mandelentzündung solch drastischen Folgen haben kann. Vielleicht sollte mans darauf runterbrechen: Eine ausführliche Suche nach chronischen Entzündungsherden sollte vor jeder CFS-Diagnose obligatorisch sein!
Jetzt zu meinen Bemerkungen, und da möchte ich an vieles, was hier schon geschrieben wurde, anknüpfen. Zunächst: Natürlich glaube ich, dass es ME/CFS als eine sehr komplexe Multisystemerkrankung gibt. Alles andere zu behaupten, halte ich für fahrlässig, auch wenn ich als Grund für die schlechte Situation in Deutschland weniger auf Verschwörungstheorien als auf verkrustete bürokratische und medizinisch-pädagogische Strukturen verweisen möchte, aber das sollte hier nichts zur Sache tun, darüber wird hier ohnehin zuviel diskutiert - zumindest für diejenigen, die hier Rat und praktische Hilfe erwarten.
@Castor: Deine Beiträge lese ich trotzdem immer gerne, weil du die Theorie von CFS als (grob vereinfacht) Immundysbalance, die ich auch für am plausibelsten halte, fundiert und trotzdem verständlich beschreiben kannst. Dennoch würde ich darauf beharren - und das ist denk ich wichtig - dass das nur eine Theorie ist, noch dazu eine sehr offene, in die sich andere Modelle (Neurostress, Nitrostress, HWS, etc... [je nach Interesse des behandelnden Arztes] als Auslöser für eben jene Immundysbalance) problemlos einfügen lassen können. Ich sehe immer noch keinen wirklichen klaren diagnostischen Marker für CFS, d.h.: viel sich widersprechende Ergebnisse, zudem viele Studien, die auf Patientengruppen mit (zwangsläufig) unklarer Diagnose beruhen, und schließlich die Erkentnisse von Ärzten, die auf "praktischen Erfahrungen" beruhen (Zitat aus Wuppertal: ich habe schon hunderte CFS-Patienten behandelt...), was nun mal leider völlig unwissenschaftlich ist und damit für den wissenschaftlichen Fortschritt belanglos.
Nochmal: Ich halte das Modell für am plausibelsten, aber es ist nur ein Modell, und das sollten sich alle, die sich darauf aufbauend auf eine sündhaft teure und auf mehrere Jahre angelegte Therapie einlassen wollen, immer wieder klar machen. Sicher gerät man zwischen Mahlsteine: Man wird vom Gesundheitssystem im Stich gelassen. Sich dann auch noch ein gesundes Maß an Skepsis gegenüber den wenigen Ärzten zu bewahren, die einen Ernst nehmen, ist nicht leicht - und dennoch zwingend erforderlich, zumal wenn einem versichert wird, das nicht nur symptomatisch (woarauf meines Erachtens die ganze auch nicht billige orthomolekulare Therapie bestenfalls rausläuft), sondern ursächlich und mit Heilungsaussichten behandelt wird... Da sei es der Menschenkenntnis eines jeden überlassen, seinem Arzt zu vertrauen oder eben nicht.
(Z.B. wenn spezielle kostspielige HWS-MRTs nur in einer Praxis deutschlandweit möglich sein sollen, die dann auch noch offenbar mit der des behandelnden Arztes zusammenhängt...aber das wird jetzt zu polemisch.)
Was den Bereich "Psychosomatik" angeht, möchte ich aus meinen eigenen Erfahrungen heraus einen Vermittlungsversuch zu NDP versuchen. Die entsprechenden Stichworte sind ja wohl "Differentialdiagnose" und "Komorbidität". Erstere muss natürlich ganz am Anfang stehen. Ich persönlich glaube, dass die von Fatigatio vebreitete Zahl von 300.000 Erkrankten in Deutschland deutlich zu hoch gegriffen ist und auch viele ursächlich psychisch Erkrankte umfasst - was der Sache der wirklich an CFS Erkrankten nicht gerade dient. Was die Komorbidiät angeht muss ich leider deutlich Olaf Bodden widersprechen, wenn er schreibt, wer depressiv ist hat kein CFS. Bei mir persönlich war die Stimmung schon nach drei Wochen Bettlägerigkeit sehr beeinträchtigt, um es vorsichtig auszurücken, und da wusste ich noch gar nicht, dass es so etwas wie CFS gibt. Nach drei Monaten Bettlägrigkeit und der Lektüre einschlägiger Literatur sowie der Beiträge dieses Forums, wonach ich kaum noch berechtige Hoffnung auf baldige Besserung haben konnte [Stichwort: 5% Heilungschancen nach im Schnitt secheinhalb Jahren], war ich sicher depressiv. Und jeder, der das in der Situation nicht ist, dem sei zu einer sicher überdurchschnittlichen psychischen Konstitution gratuliert. Und wer nach vielen Jahren CFS ernsthaft behauptet, seine Psyche hätte keinen Schaden genommen (und er bräuchte diesbezüglich keine Behandlung), dem kann ich wirklich nicht glauben. Worauf will ich hinaus? Castor hat völlig recht: Wer einmal mit einer Depression diagostiziert wurde, sitzt auf diesem Gleis und kommte da in unserem System nicht mehr raus. Trotzdem, in einer idealen Welt braucht ein wirklich CFS Erkrankter beides: Eine körperliche und eine psychische Behandlung, ein Ernstgenommenwerden in beiden Bereichen. Und da ersteres numal - wie erwähnt - noch sehr auf Hypothesen beruht und leider nur sehr unklare Erfolgsaussichten hat, ist die letztere um so wichtiger. In jedem Fall sollte dieser Alarmismus, dass beim Wort Depression sofort Zensurforderungen ausgestoßen werden, dringend aufhören! Sicherlich wollen alle hier, dass CFS als körperliche Erkrankung Ernst genommen wird - aber deshalb die psychische Seite auszublenden, weil solche Dikussionen der Sache schaden könnten, ist für diejenigen, die hier praktische Hilfe suchen, auch keine Lösung!
Zum Schluss doch noch eine kleine Polemik in Bezug auf den Begriff "somatoforme Störung". Ich versuchs trotzdem halbwegs differenziert. Dass Menschen mit unklarem Krankheitsbild (ausschließlich) psychologisiert werden, ist schlimm und kann gerade im Fall CFS verheerende Folgen haben. Andererseits: Der Hinweis in allen CFS-Broschüren, man müsse sein "eigener Arzt" werden (und dieser Hinweis ist ja leider auch richtig), ist für viele Betroffene der Freifahrtschein, zusätzlich zu ihrer schweren Erkrankung eben auch noch eine somatoforme Störung bekommen. Ständige Selbstbeobachtung kann keiner Genesung förderlich sein. Etliche Threads münden hier in Erkenntnissen wie: Nach vier Wochen Weihrauchdragees ist mein Zittern im linken Arm besser geworden, oder: Trotz sechs Monate Ernährung ohne Kohlehydrate, Zucker, Milchprodukte und glutenhaltigem Getreide hat sich mein Schwindel nur leicht verbessert, etc...Ein Zyniker könnte das lustig finden - ich kann es nicht, weil ich selber erfahren hab, dass man alles, wirklich alles versuchen würde, bis es einem besser geht. (Ich habs z.B. auch mit nicht billigen Globuli probiert, obwohl aufgrund der erwähnten Skepsis bei mir nicht einmal mit dem gar nicht zu unterschätzenden Placebo-Effekt zu rechnen war...). Worauf ich hinaus will: Die Gefahr, eben auch zusätzlich eine somatoforme Störung zu bekommen, ist sicher gegeben. Da man aber aufgrund der katastrophalen Lage in Deutschland sein Schicksal selbst in die Hand nehmen muss, führt an einem gewissen Maß an Selbstbeobachtung kein Weg vorbei. Aber man muss Maß halten und auch eine gewisse Distanz zu sich selber wahren- auch wenn es unendlich schwer ist. Wie alles in diesem Zusammenhang.
Kurze Vorrede:
Ich hatte mir gestern eine halbe Stunde Zeit genommen, um über meine sehr persönliche Geschichte mit CFS in der ersten Jahreshälfte 2012 zu berichten. Leider habe ich das in einem Thread getan, der von einem
- Zitat Moderatorin - notorischen "Elefant im Porzellanladen" eröffnet worden
war. Mag sein. Ich fände es allerdings schade, wenn meine Erfahrungen in einem geschlossenen Thread verkümmern - nicht aus einem überzogenen Narzissmus heraus, sondern weil ich vermute, dass sie gerade Menschen, die glauben, frisch an CFS erkrankt zu sein (so wie ich vor einigen Monaten), etwas bringen könnte - und ja, vielleicht sogar etwas Hoffnung!?
Meine Situation war die, dass bei mir nicht nur symptomatisch (anhand der Kanadischen Konsenskriterien) alles auf CFS hindeutete, sondern auch ein erfahrener CFS-Arzt dies anhand "eindeutiger Kriterien" (reaktiviertes EBV, chronische Entzündungsprozesse, Mitochondriopathie) diagnostizierte. Und trotzdem war nach einer Mandel-OP alles sehr schnell vorbei - vielleicht, wie manche sich geäußert hatten, weil mein "CFS" sich nocht nicht - wie bei ihnen - "verfestigt" oder "eingegraben" hatte, was immer das bedeutet.
Zweitens habe ich auch auf die wichtige Rolle der Psyche bei CFS hingewiesen, und dass eine Psychotherapie bei vielen EIN BAUSTEIN einer MÖGLICHEN Besserung/Heilung sein KÖNNTE. Das hat die Gemüter erhitzt. Zunächst: Mea Culpa! Tiga hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dieses Thema hier schon öfter und auch differenziert diskutiert worden war. Das war mir bei oberflächlicher Durchsicht der entsprechenden Threads nicht aufgefallen. Trotzdem halte ich "sekundäre Depressionen"/"sekundäre somatoforme Störungen" für einen sehr wichtigen Aspekt, der gar nicht "überbetont" werden kann. Ich will weder, dass hier irgendwer ein Seelenstrip hinlegt (das fehlte noch!), noch will ich zur Psychotherapie missionieren!!!! Aber für viele frisch Erkrankte (und gerade diesen soll dieses Forum ja auch Input geben), ist es denke ich wichtig, darauf hinzuweisen.
Der wichtige Punkt ist der der, dass man (und das ist für Frischerkrankte eine, wenn nicht die zentrale Botschaft!) sich nie, nie - auch wenn alles darauf hindeutet - vollständig in die Schublade CFS stecken sollte (sonst wirds zur self-fulfilling prophecy), sich nie vollständig mit der Krankheit identifizieren sollte ("Ich hab das jetzt, Punkt!), sondern auch offen sein für alles andere! Also: Ich versuche, so differenziert wie möglich zu sein und kein "Elefant im Porzellanladen". Ich will niemanden verletzten, kränken! Finde aber, dass das gesagt werden sollte. Daher - lange Vorrede kurzer Sinn - hier nochmal mein Beitrag von gestern:
Anfang März habe ich an anderer Stelle meine Krankheitsgeschichte erzählt und sowohl öffentlich als auch privat ein breites Feedback bekommen, wofür ich mich an dieser Stelle noch einmal bedanken will. Um es zusammenfassen: Ich war rund fünf Monate schwerkrank, konnte mich kaum bewegen und nur eingeschränkt klar denken. Die Kanadischen Konsenskriterien (2011) habe ich nicht nur knapp, sondern überdeutlich erfüllt, weshalb meine Vermutung schon früh in Richtung CFS ging. Ein süddeutscher "CFS-Spezialist" (und Stammgast auf den Fatigatio-Tagungen) hat mir die Diagnose anhand vermeintlich eindeutiger Kriterien gestellt: TNF-alpha erhöht, intrazelluläres ATP erniedrigt, Protein S100 B deutlich (zehnfach über Referenzbereich) zu hoch. Dazu zwar kein aktive EBV-Infektion, aber sehr hohe Antikörpertiter, die für ihn auf eine Reaktivierung hindeuteten. An anderer Stelle wurden deutlich zu niedrige NK-Zellwerte, sowie leicht erhöhte Virentiter bei Picornaviren, Influenza A sowie Cytomegalieviren diagnostiziert...Alles in allem: Vieles, was - auch nach ausführlicher Lektüre in diesem Forum - auf CFS hindeutete. Diverse Besuche bei Spezialisten an einer süddeutschen Uniklinik (u.a. Neurologe, Immunologe, Endokrinologe) konnten differnzialdiagnostisch wohl das meiste andere ausschließen.
Extrem banal, was am Schluss die Lösung war: Eine Mandel-OP. Einige der besuchten Ärzte hatten darauf hingewiesen, dass diese sehr zerklüftet und entzündet aussähen, wohingegen andere wiederum meinten, da sei altersgemäß alles im normalen Bereich. Nunja. Da das Ganze mit einer Mandelentzündung angefangen hatte und ich auch zuvor regelmäßig unter solchen litt, wollte ichs probieren. Das Ganze lief nicht komplikationslos, für einige Tage nach der OP hatte ich hohes Fieber, wogegen intravenös Antibiotika verabreicht wurde. Zudem kam es, als ich schon zu Hause war, zu einer heftigen Nachblutung, wegen der ich noch einmal für drei Tage ins Krankenhaus musste. Aber: Etwa drei Wochen nach der OP hat es quasi Klick gemacht und ich konnte täglich merken, wie meine Kräfte wiederkam. Heute kann ich wieder arbeiten und täglich eine halbe Stunde joggen gehen, kurzum: Ich hab mein Leben wieder.
Aus dieser Geschichte allgemeine Schlüsse ziehen (was in diesem Forum leider viel zu oft gemacht wird), will ich nicht, zumal ich immer noch nicht glauben kann, dass eine "schlichte" chronische Mandelentzündung solch drastischen Folgen haben kann. Vielleicht sollte mans darauf runterbrechen: Eine ausführliche Suche nach chronischen Entzündungsherden sollte vor jeder CFS-Diagnose obligatorisch sein!
Jetzt zu meinen Bemerkungen, und da möchte ich an vieles, was hier schon geschrieben wurde, anknüpfen. Zunächst: Natürlich glaube ich, dass es ME/CFS als eine sehr komplexe Multisystemerkrankung gibt. Alles andere zu behaupten, halte ich für fahrlässig, auch wenn ich als Grund für die schlechte Situation in Deutschland weniger auf Verschwörungstheorien als auf verkrustete bürokratische und medizinisch-pädagogische Strukturen verweisen möchte, aber das sollte hier nichts zur Sache tun, darüber wird hier ohnehin zuviel diskutiert - zumindest für diejenigen, die hier Rat und praktische Hilfe erwarten.
@Castor: Deine Beiträge lese ich trotzdem immer gerne, weil du die Theorie von CFS als (grob vereinfacht) Immundysbalance, die ich auch für am plausibelsten halte, fundiert und trotzdem verständlich beschreiben kannst. Dennoch würde ich darauf beharren - und das ist denk ich wichtig - dass das nur eine Theorie ist, noch dazu eine sehr offene, in die sich andere Modelle (Neurostress, Nitrostress, HWS, etc... [je nach Interesse des behandelnden Arztes] als Auslöser für eben jene Immundysbalance) problemlos einfügen lassen können. Ich sehe immer noch keinen wirklichen klaren diagnostischen Marker für CFS, d.h.: viel sich widersprechende Ergebnisse, zudem viele Studien, die auf Patientengruppen mit (zwangsläufig) unklarer Diagnose beruhen, und schließlich die Erkentnisse von Ärzten, die auf "praktischen Erfahrungen" beruhen (Zitat aus Wuppertal: ich habe schon hunderte CFS-Patienten behandelt...), was nun mal leider völlig unwissenschaftlich ist und damit für den wissenschaftlichen Fortschritt belanglos.
Nochmal: Ich halte das Modell für am plausibelsten, aber es ist nur ein Modell, und das sollten sich alle, die sich darauf aufbauend auf eine sündhaft teure und auf mehrere Jahre angelegte Therapie einlassen wollen, immer wieder klar machen. Sicher gerät man zwischen Mahlsteine: Man wird vom Gesundheitssystem im Stich gelassen. Sich dann auch noch ein gesundes Maß an Skepsis gegenüber den wenigen Ärzten zu bewahren, die einen Ernst nehmen, ist nicht leicht - und dennoch zwingend erforderlich, zumal wenn einem versichert wird, das nicht nur symptomatisch (woarauf meines Erachtens die ganze auch nicht billige orthomolekulare Therapie bestenfalls rausläuft), sondern ursächlich und mit Heilungsaussichten behandelt wird... Da sei es der Menschenkenntnis eines jeden überlassen, seinem Arzt zu vertrauen oder eben nicht.
(Z.B. wenn spezielle kostspielige HWS-MRTs nur in einer Praxis deutschlandweit möglich sein sollen, die dann auch noch offenbar mit der des behandelnden Arztes zusammenhängt...aber das wird jetzt zu polemisch.)
Was den Bereich "Psychosomatik" angeht, möchte ich aus meinen eigenen Erfahrungen heraus einen Vermittlungsversuch zu NDP versuchen. Die entsprechenden Stichworte sind ja wohl "Differentialdiagnose" und "Komorbidität". Erstere muss natürlich ganz am Anfang stehen. Ich persönlich glaube, dass die von Fatigatio vebreitete Zahl von 300.000 Erkrankten in Deutschland deutlich zu hoch gegriffen ist und auch viele ursächlich psychisch Erkrankte umfasst - was der Sache der wirklich an CFS Erkrankten nicht gerade dient. Was die Komorbidiät angeht muss ich leider deutlich Olaf Bodden widersprechen, wenn er schreibt, wer depressiv ist hat kein CFS. Bei mir persönlich war die Stimmung schon nach drei Wochen Bettlägerigkeit sehr beeinträchtigt, um es vorsichtig auszurücken, und da wusste ich noch gar nicht, dass es so etwas wie CFS gibt. Nach drei Monaten Bettlägrigkeit und der Lektüre einschlägiger Literatur sowie der Beiträge dieses Forums, wonach ich kaum noch berechtige Hoffnung auf baldige Besserung haben konnte [Stichwort: 5% Heilungschancen nach im Schnitt secheinhalb Jahren], war ich sicher depressiv. Und jeder, der das in der Situation nicht ist, dem sei zu einer sicher überdurchschnittlichen psychischen Konstitution gratuliert. Und wer nach vielen Jahren CFS ernsthaft behauptet, seine Psyche hätte keinen Schaden genommen (und er bräuchte diesbezüglich keine Behandlung), dem kann ich wirklich nicht glauben. Worauf will ich hinaus? Castor hat völlig recht: Wer einmal mit einer Depression diagostiziert wurde, sitzt auf diesem Gleis und kommte da in unserem System nicht mehr raus. Trotzdem, in einer idealen Welt braucht ein wirklich CFS Erkrankter beides: Eine körperliche und eine psychische Behandlung, ein Ernstgenommenwerden in beiden Bereichen. Und da ersteres numal - wie erwähnt - noch sehr auf Hypothesen beruht und leider nur sehr unklare Erfolgsaussichten hat, ist die letztere um so wichtiger. In jedem Fall sollte dieser Alarmismus, dass beim Wort Depression sofort Zensurforderungen ausgestoßen werden, dringend aufhören! Sicherlich wollen alle hier, dass CFS als körperliche Erkrankung Ernst genommen wird - aber deshalb die psychische Seite auszublenden, weil solche Dikussionen der Sache schaden könnten, ist für diejenigen, die hier praktische Hilfe suchen, auch keine Lösung!
Zum Schluss doch noch eine kleine Polemik in Bezug auf den Begriff "somatoforme Störung". Ich versuchs trotzdem halbwegs differenziert. Dass Menschen mit unklarem Krankheitsbild (ausschließlich) psychologisiert werden, ist schlimm und kann gerade im Fall CFS verheerende Folgen haben. Andererseits: Der Hinweis in allen CFS-Broschüren, man müsse sein "eigener Arzt" werden (und dieser Hinweis ist ja leider auch richtig), ist für viele Betroffene der Freifahrtschein, zusätzlich zu ihrer schweren Erkrankung eben auch noch eine somatoforme Störung bekommen. Ständige Selbstbeobachtung kann keiner Genesung förderlich sein. Etliche Threads münden hier in Erkenntnissen wie: Nach vier Wochen Weihrauchdragees ist mein Zittern im linken Arm besser geworden, oder: Trotz sechs Monate Ernährung ohne Kohlehydrate, Zucker, Milchprodukte und glutenhaltigem Getreide hat sich mein Schwindel nur leicht verbessert, etc...Ein Zyniker könnte das lustig finden - ich kann es nicht, weil ich selber erfahren hab, dass man alles, wirklich alles versuchen würde, bis es einem besser geht. (Ich habs z.B. auch mit nicht billigen Globuli probiert, obwohl aufgrund der erwähnten Skepsis bei mir nicht einmal mit dem gar nicht zu unterschätzenden Placebo-Effekt zu rechnen war...). Worauf ich hinaus will: Die Gefahr, eben auch zusätzlich eine somatoforme Störung zu bekommen, ist sicher gegeben. Da man aber aufgrund der katastrophalen Lage in Deutschland sein Schicksal selbst in die Hand nehmen muss, führt an einem gewissen Maß an Selbstbeobachtung kein Weg vorbei. Aber man muss Maß halten und auch eine gewisse Distanz zu sich selber wahren- auch wenn es unendlich schwer ist. Wie alles in diesem Zusammenhang.
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