Vor allem bei chronischem Verlauf sind die Serum-Entzündungsparameter positiv. Röntgenologisch werden im Bereich der kleinen Gelenke der Hände und Füße ähnliche erosive knöcherne Prozesse nachgewiesen, wie sie – anders verteilt – auch bei der chronischen Polyarthritis auftreten. In den Hüftgelenken sind entzündliche Läsionen und exzentrische Gelenkspaltverschmälerungen ebenfalls nicht von denen der chronischen Polyarthritis zu unterscheiden. 20 bis 30 Prozent der Patienten berichten über Episoden mit Diarrhöen und erhöhter Stuhlfrequenz. Als extraartikuläre Manifestationen treten außerdem urogenitale Symptome, Erythema nodosum und anteriore Uveitis auf. Die Darmentzündung verläuft meist subklinisch. Sie ist aber durch die Ileokolonoskopie zu erkennen. Bioptisch kann bei zwei Drittel der Patienten eine akute oder chronische Darmentzündung nachgewiesen werden. Darmentzündung und periphere Gelenkentzündung korrelieren eng sowohl im Spontanverlauf als auch bezüglich des Erfolges therapeutischer Interventionen. Die Darmveränderungen triggern möglicherweise die Gelenkerkrankung. Die genetische Disposition zur Entwicklung der subklinischen Darmentzündung bei SPA-Patienten wird durch den häufig positiven Nachweis des HLA-BW 62 deutlich. Rheumatische Autoimmunerkrankungen können mit mesenterialen Vaskulitiden einhergehen und die Funktion des Darms beeinträchtigen. Bei der chronischen Polyarthritis führen Infarzierungen der intestinalen Arterien zu Schmerzen, Blutung und Perforation. Hohe Rheumafaktortiter und Rheumaknoten sind prognostisch ungünstig. Auch beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) ist die mesenteriale Ileitis Ursache für die Darmsymptomatik. Die Vaskulitis ist meist nicht auf die Darmgefäße beschränkt, so daß pathologische Veränderungen gleichzeitig an mehreren Organsystemen symptomatisch werden. Bei der Sklerodermie sind verminderte Mundöffnung, Ösophagusdysfunktion mit muskulärer Hypotonie und Speiseröhrendilatation Manifestationen des sklerosierenden Prozesses. Ähnliche Veränderungen können auch im Dünn- und im Dickdarm zu krampfartigen Schmerzen, Malabsorption, Obstipation oder Diarrhö und Ileussymptomatik führen.
Beim Morbus Paget ähneln Haut- und Schleimhautulzerationen im oralen Bereich und im Kolon den Veränderungen beim Morbus Crohn mit Dickdarmmanifestation. Eine Amyloidose kann die Funktion des Darms beeinträchtigen. Die Symptome reichen von der Malabsorption bis zur gastrointestinalen Blutung.
Antirheumatika (NSAR) und Gastrointestinaltrakt
Die heterogene Gruppe der Antirheumatika hat verschiedene Wirkmechanismen, von denen die Hemmung der Prostaglandinsynthese am besten untersucht ist. Prostaglandine wirken als Schmerz- und Entzündungsmediatoren. Ihre Syntheseinhibition ist deshalb ein erwünschter Effekt der NSAR. Prostaglandine werden aber ubiquitär im Organismus gebildet, und sie haben an den verschiedenen Orten unterschiedliche Aufgaben. An der Magen-Darm-Schleimhaut wirken sie protektiv. Wenn der prostaglandinvermittelte Schleimhautschutz wegen der NSAR-Therapie wegfällt, entwickeln 70 Prozent der Patienten Mukosaläsionen mit oder ohne dyspeptische Beschwerden. In 20 bis 25 Prozent entstehen vor allem im Bereich des Magens Ulzera, weniger häufig im duodenalen und übrigen Dünndarmbereich, wahrscheinlich auch im Kolon. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) können die ulzerative Kolitis wieder aufleben lassen. Über dyspeptische Beschwerden berichten 30 Prozent der NSAR-Behandelten. Selbst Ulzera sind aber häufig symptomlos. Dann kann die Blutung oder Perforation das erste Symptom eines NSAR-Ulkus sein. Das Risiko der Ulkusentwicklung steigt mit zunehmendem Patientenalter, mit der Schwere der rheumatischen oder jeder anderen allgemeinen Erkrankung, mit gastrointestinalen Vorerkrankungen und mit einer höher dosierten Kortikosteroid-Komedikation (größer als 10 mg Prednisolon-Äquivalent pro Tag). Mit adäquaten Prophylaxemaßnahmen mittels oraler Substitution synthetischer Prostaglandine kann das Risiko des komplizierten NSAR-Ulkus um 50 Prozent reduziert werden. Die Therapie dyspeptischer NSAR-Symptome oder eines manifesten NSAR-Ulkus ist mit den üblichen Ulkustherapeutika bei fortgesetzter NSAR-Therapie möglich.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1996; 93: A-380–384
[Heft 7]
Literatur
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Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Wolfgang W. Bolten
Rheumaklinik II
Leibnizstraße 23
65191 Wiesbaden
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