Zu diesem Themenkomplex ist ein epochales Werk von Eugen Drewermann, Theologe und Therapeut, zu empfehlen. Titel: Kleriker - Psychogramm eines Ideals
(Klappentext der Buchgemeinschaft-Lizenzausgabe)
Wer an dem gegenwärtigen Zustand der katholischen Kirche etwas ändern will, muss bei der Gruppe von Menschen beginnen, die ihrem Selbstverständnis nach "in besonderer Weise Christus nachfolgen" und daher zentral die Kirche Christi verkörpern, bei den Klerikern. Deshalb schreibt Drewermann als Priester der katholischen Kirche dieses Buch, hoffend, dass es dazu beitragen wird, Verständnis für die Probleme und Zusammenhänge zu wecken, die, solange die Kleriker an ihnen leiden, unausweichlich auch den Menschen in der Kirche und an deren Seite Leiden zufügen.
Manchmal muss man etwas angreifen, um es zu retten; manchmal muss man etwas zerstören, um es zu befreien; manchmal lässt es sich nicht vermeiden, weh zu tun, um zu heilen. Wer dieses Buch aufmerksam liest, der wird als Kleriker wie als "Laie" der Kirche in vielem sich persönlich angegriffen fühlen, aber womöglich erhält er gerade dadurch die Chance, an eigener Persönlichkeit zu gewinnen. Er wird vieles an liebgewordenen Gedanken und Gefühlen als zerstört empfinden, aber womöglich erlangt er gerade so die Fähigkeit, das eigentlich Gemeinte und Ersehnte freiheitlicher, offener und integraler zu leben als je zuvor. Viele Erkenntnisse werden ihn schmerzen, aber es sind, so ist zu hoffen, nur die Schmerzen eines endlich beginnenden Wachstums zum Maß und zur Reife der eigenen, vom Schöpfer in ihm angelegten Menschlichkeit.
Der Gedankengang dieses Buches verläuft notgedrungen entlang einer immer deutlicher sich abzeichnenden Ausweglosigkeit der klerikalen Kirche. So, wie es steht, geht es nicht weiter. Doch der Sinn der Ausweglosigkeit ist die Erneuerung. Erst wenn alles Äußere, Aufgesetzte und Aufgezwungene dahinfällt, tritt die Wahrheit und Schönheit des Lebens, das Jesus uns bringen wollte, glaubwürdig in Erscheinung. Wenn es heute am heftigsten die Psychoanalyse ist, welche die Kleriker psychisch in Frage stellt, dann gibt es keinen anderen Weg, als alle Inhalte und Ausdrucksformen der klerikalen Lebensweise neu zu interpretieren, bis dass sichtbar wird, wieviel an Therapeutischem auch in psychoanalytischem Sinne in ihr beschlossen und enthalten ist.
Dann wird auch einsichtig werden, dass die Theologie durch die Tiefenpsychologie bereichert und vertieft werden kann und dass so die Seelsorge erheblich an Fähigkeit zu wirksamer Lebenshilfe gewinnen wird. Ein größerer Dienst kann der klerikal geprägten Kirche nicht erwiesen werden.