Themenstarter
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Ich erachte es als grosses Privileg, dass ich mich in einem Zeitalter und in einem Land befinde, wo Religionsfreiheit tatsächlich Praxis ist. Und so möchte ich mich hiermit ernsthaft damit beschäftigen und mich dazu entscheiden, meine Religion - das reformierte Christentum - abzulegen.
Der Gedanke schlummert schon sehr lange in mir. Eigentlich erschreckend lange, da ich mich üblicherweise schneller entscheide, wenn mir etwas länger kontinuierlich Unbehagen bereitet. Ich bin offenbar so aufgewachsen und gedanklich verankert, dass ich das Loslösen von meiner Religion bisher nicht wirklich als möglichen persönlichen Entscheid erkennen konnte.
Diesen Text schiebe ich schon einige Wochen mit mir rum. Und ich merke, dass sich sogar in dieser Zeit gewisse Einsichten leicht verändert haben, weshalb ich einzelne Textstellen ändern musste. Solche Veränderungen werden (hoffentlich) auch andauern, weil sie teil eines Wachstumsprozesses sind. Dies hält mich jedoch nicht davon ab, diesen JETZT für mich aktuellen Stand hier festzuhalten, weil ich erkenne, dass mich diese Veränderungsprozesse nicht etwa näher an die Kirche führen, sondern die Distanz erhalten bleibt bzw. noch wächst.
Bevor ich beginne, möchte ich mich entschuldigen, falls ich durch meine Erzählungen jemanden brüskiere oder sogar verletze in seinen eigenen Empfindungen zu Kirche und Gott. Dies sind lediglich meine persönlichen Erfahrungen und Meinungen. Ich stelle sie nicht über diejenigen anderer Menschen. Aber ich erlaube mir, sie zu äussern. Falls Ihr in diesem Thread antwortet, bitte versucht ebenso rücksichtsvoll zu schreiben.
Bearbeitung meines Geistes
Das Fach „Biblische Geschichte und Sittenlehre“ empfand ich als eine verordnete Malträtierung meines Gehirns auf Stundenplan.
Was die Lehrerin während dieser Zeit in meinen Kopf drücken wollte, passte dort schlichtweg nicht rein. Nicht etwa aus Platz- sondern aus Kompatibilitätsgründen, ganz so als würde ein Kleinkind einen viereckigen Stein wieder und wieder in die runde Öffnung hämmern wollen, jedes Mal mit etwas mehr Wucht und Unverständnis.
Gleichermassen erging es mir regelmässig am obligatorischen Besuch der Kirche. Ausnahmslos jedes Mal fragte ich mich, was der Pfarrer da eigentlich redete und warum er es nicht einfach in meiner Sprache tun konnte. Er versuchte nicht ansatzweise, die Inhalte verständlicher oder – fast wichtiger – nützlicher/gebräuchlicher zu vermitteln. Und so fand ich keinen Zugang zur Religion. Nein, ich fand weder die Tür, noch einen Weg zur Tür. Ich irrte da einfach ein bisschen rum, bis man mir freundlicherweise erliess, weiter die Kirche besuchen zu müssen.
Mit meiner feierlichen Konfirmation genoss ich – wohl wie so manche – einfach das spezielle Fest, die schönen Klamotten und die diversen Geschenke. Ich war nicht etwa geistig befriedigt, eine weitere Stufe in meiner Religion erklommen zu haben. Weit gefehlt. Ich war froh, dass Schluss war – sagen wir’s unverblümt – mit staatlich geförderter Penetration meines kindlichen, reinen Weltverständnisses.
Viele Jahre später traf ich auf die Bücher „Gespräche mit Gott“ von Neale Donald Walsh und habe sie verschlungen. Warum? Ein simpler Dialog mit einfachen Fragen und nützlichen Antworten. Es war eine Bereicherung. Es war mir egal, wer Walsh war und mit wem er diesen Dialog geführt hatte. Genau solche Inhalte hätte ich mir immer in der Kirche gewünscht. Die Bücher brachten Antworten, halfen mir weiter, machten mich vollkommener. Die Kirche brachte nur weiter Fragen über Fragen, warf mich zurück, stufte mich tiefer und machte mich unvollkommener. Ganz offensichtlich sollte ich zum Nutzen der Kirche sein und nicht umgekehrt.
Die Aufnahme meines Sohnes in die Kirche
Mein Sohn ist getauft. Das war damals kein fundierter Entscheid. Schlussendlich bin ich selbst noch in der Kirche und sollte zuerst bei mir anfangen und erst dann bei meinem Sohn fortsetzen, wenn ich etwas ändern möchte. Bis jetzt war das nicht tragisch, denn in den zwischenzeitlichen Jahren hatte dieser Konfessionsstatus keinerlei Einfluss. Dies würde sich jetzt allerdings ändern, denn mit dem neuen Schuljahr würde auch der religiöse Unterricht beginnen. Genau der Unterricht, den ich meinem Sohn auf jeden Fall ersparen möchte.
Bis mein Sohn deutlich älter ist und sich selbst eine Meinung zum Thema Religion bilden möchte, soll niemandem die Gelegenheit gegeben werden, seine Gedanken zu verschmutzen und fragwürdige Dinge in das Fundament seines weiteren Gedankenguts einzugiessen.
Kürzlich sprach mein Sohn mich darauf an, dass der Mensch gar nicht vom Affen abstamme, sondern direkt von Gott geschaffen worden sei. An Ostern habe dies ein fremder Mann zu ihm gesagt, als wir uns auf einem Spielplatz befanden und dieser Mann offenbar ein Gespräch zwischen mir und meinem Sohn mitbekommen hatte. Er ging daraufhin zu meinem Sohn, um ihn aufzuklären. Ebenfalls teilte er meinem Sohn mit, er solle mir ausrichten, dass es so wahr sei und nicht anders. Was hier unglücklicherweise stattfand, würde in einem religiösen Unterricht ganz selbstverständlich im Stundenplan platziert.
Unserer Religion liegt eine Indoktrination zu Grunde, bei welcher ich mich ernsthaft frage, ob sie nur ansatzweise einen guten Einfluss hat. Die Erbsünde lässt jedes Neugeborene unvollkommen und eines Erlösers bedürftig dastehen. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall und unsere Neugeborenen sind die vollkommensten Geschöpfe, die man sich vorstellen kann. Es stellt sich nicht die Frage, ob sie vollkommen oder unvollkommen sind, sondern wie und warum die Gesellschaft unsere Kinder negativ prägt und von ihrem Weg abbringt.
Ein Kind verbindet sich mit Mensch ebenso wie mit Tier und ordnet nicht das eine dem anderen über.
Ein Kind verbindet sich mit Menschen aller Rassen … auch wenn es die Frage nach der „seltsamen“ Hautfarbe des anderen stellen mag.
Ein Kind verbindet sich mit Menschen aller Religionen … auch wenn es die Frage nach der „seltsamen“ Kopfbedeckung des anderen stellen mag.
Ein Junge wertet kein Mädchen ab … wenn er auch verwundert die unterschiedliche Anatomie zur Kenntnis nimmt.
Kinder vollziehen Schritte der Trennung und der Abwertung mit der Übernahme vorgefertigter Urteile der Erwachsenen und insbesondere auch der Kirchenlehren. Umso schlimmer ist dies, weil einem beigebracht wird, dass religiöse Vorschriften nicht wie andere Regeln begründet und gerechtfertigt werden müssen.
Wie mag folglich der Weg eines Kindes aussehen, das von Eltern begleitet wird, welche es lieben, seine Entfaltung unterstützen, ethische Grundsätze verständlich machen und es weitmöglichst von vorgefertigten Meinungen und den Lehren und Dogmen der Kirche fernhalten? Ein Kind, welchem man zeigt, wie man denkt und nicht was man denkt. In meiner Vorstellung erhält sich ein solches Kind seine Vollkommenheit und ist eine Bereicherung für diese Welt. Ich möchte meinen Teil beitragen, ein solches Kind erblühen zu lassen. Dies sind die kleinen Schritte, die wir selbst veranlassen können, um Dinge in dieser Welt positiv zu verändern.
Mein Sohn ist frei von Sünde. Mein Sohn ist kein „Schäfchen“, das man führen muss. Mein Sohn ist sein eigener Schöpfer. Mein Sohn benötigt keinen Erlöser.
Auf dem Formular zur Bestätigung der religiösen Einschulung meines Sohnes war lediglich am Ende eine kleine Möglichkeit vorgesehen, die religiöse Einschulung zu verhindern. Nicht jedoch ohne ein zugehöriges Kommentarfeld vorzusehen, um den Entscheid zu begründen. Ich schickte das Formular zurück. Im Kommentarfeld trug ich nichts ein, da ich nicht einsah, weshalb ich jemandem zu diesem Entscheid eine Begründung schuldete. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass dies noch nicht das Ende ist und man versuchen wird, das verloren gegangene Schäfchen wieder zur Herde zu führen.
Glaubst Du an Gott?
Ebenfalls kürzlich an Ostern wurde ich auf der Strasse von zwei Christinnen befragt:
Ob ich glaube, dass der Mensch in Sünde geboren wäre. Ich antwortete „nein“.
Ob ich glaube, dass ich in den Himmel käme. Ich antwortete „ja“.
Ob ich glaube, dass ich ohne Jesus in den Himmel käme. Ich antwortete „ja“.
Ob für mich Ostern noch etwas anderes sei als lediglich ein paar freie Tage. Ich antwortete „nein“.
Irgendwie schauten mich die beiden je länger je mehr an, als wäre ich der Antichrist persönlich.
Letzte Frage: ob ich an Gott glaube?
Ich kann mir nicht helfen … aber ich habe mit dieser so oft gestellten Frage „glaubst Du an Gott?“ ein Problem und ich wundere mich durchaus, dass viele Menschen darauf so einfach antworten können. Warum? Weil mir die Frage zu ungenau ist.
Ich glaube nicht an einen personifizierten Gott, der unsere Geschicke lenkt und bei unserem Ableben mal kurz unser Leben revue-passieren lässt, um uns in Himmel oder Hölle zu schicken (was auch immer Himmel und Hölle sind). Aber ich verbinde mit dem Wort Gott etwas Physisches/Metaphysisches, dessen Existenz ich sehr wohl bestätige. Was nun? Glaube ich an Gott?
Von der Halbwertszeit des Irrtums
Ich bin auf keinen Fall ein Mensch, für den die Wissenschaft alles erklärt und bewiesen haben muss, damit ich dessen Existenz erlaube. Am Ende meiner Schulzeit war die grösste Arbeit, welcher ich mich zuwandte, das Thema Parapsychologie. Und das war gut so. Nicht, damit ich allem und jedem esoterischen Gebiet glaubte, sondern dass ich mich grundsätzlich öffnete und begann, mit klarem und dennoch skeptischem Blick über Grenzen hinweg zu sehen. Obwohl das Wort Esoterik heute so negativ belegt ist, erkenne ich für mich persönlich darunter einerseits „Krimskrams“, aber auch Anwendungen, die es wert sind, genauer geprüft zu werden, um unser Weltbild unter Umständen zu erweitern und zu bereichern.
Ich habe für mich persönlich mehrere Male erlebt, dass ich einen sechsten Sinn habe und diesen ab und zu wahrzunehmen vermag. Dieses Wissen bereicherte mich, dass die Welt, wie ich sie mit meinen „normalen“ 5 Sinnen wahrnehme, nicht zwingend so sein muss und dass Dinge, die ich mit einem 6. oder 7. Sinn wahrnehmen könnte, nicht etwa nicht existieren, solange ich nicht über diese Sinne verfüge.
Kurz: nur weil ich etwas nicht sehe, heisst das nicht etwa, dass es nicht existiert. Ich bin froh, dass ich mit einer solchen Sicht durchs Leben gehe und Offenheit und Skepsis gleichermassen in die Waagschalen werfe. Ich bin nicht das kleine Kind, das sich die Augen zuhält und ruft „ihr seht mich nicht“. Ich weiss dass Realität und individuell wahrgenommene Realität weit voneinander abweichen können und trotzdem beide existieren.
Wenn wir in der Geschichte zurückblicken, gab es genügend Ereignisse, welche die Menschen sich nur als göttliche Fügung erklären konnten. Nichts anderes schien Sinn zu machen und so kam Gott bzw. verschiedene Götter als Platzhalter für eine eigentliche Erklärung zum Zuge. Nun wissen wir heute warum z.B. Blitz, Donner, Nordlichter, Ebbe, Flut und viele andere Naturschauspiele vorkommen. Es käme uns nicht im geringsten in den Sinn, diese z.B. einem wütenden Gott zuzuordnen. Aber weiterhin setzen Menschen oftmals Gott dort ein, wo sie aktuell kein Verständnis aufbringen können.
Meines Erachtens ist die Vermutung angebracht, dass künftige Generationen uns diesbezüglich ebenso belächeln werden, wie wir z.B. Geschichten der Wikinger beim Anblick eines Blitzes belächeln. Wir stellen uns eigentlich noch törichter an, als unsere Vorfahren, denn wir kennen ja die Irrtümer, die sie begangen haben … und begehen sie weiterhin.
Warum können wir nicht einfach folgern, dass wir für gewisse Phänomene aktuell keine Mittel zur Erklärung zur Hand haben - und vielleicht auch nie haben werden, wenn man die Komplexität der Natur und die Beschränktheit des menschlichen Geistes und seiner Sinne vergleicht. Wir können es uns nicht erklären und wir müssen es deshalb nicht auf einen Gott schieben. Ich persönlich könnte gut damit leben.
Gott als erzwungene Ethik
Nun kann es natürlich einen anderen Grund dafür geben, dass wir Gott seinen Platz einräumen. Dann nämlich, wenn wir einen solchen „Wächter“ brauchen, der sicherstellt, dass wir uns ethisch/moralisch korrekt verhalten. Ich für mich benötige keinen solchen Wächter. Ich versuche, mich jederzeit richtig zu verhalten und selbst wenn mir das nicht immer gelingt, so ist es doch mein immerwährendes Verlangen, dem bestmöglich nachzukommen. Nicht für einen Gott, nicht für mein Karma, nicht weil ich mich vor dem jüngsten Gericht oder einer Hölle selbst fürchte. Nein, ganz einfach weil das Richtige zu tun positive Gefühle mit sich bringt, sich dadurch das Leben besser anfühlt und man sich selbst am Ende des Tages mit einem Lächeln im Spiegel begegnen kann. Ich brauche dazu keinen Wächter.
Auch benötige ich keine Bibel, um meine Moral auf dessen Wortlaut zu bilden. Niemand sollte das ernsthaft tun, da die Bibel zu grossen Teilen eine absolut unterirdische Moral vertritt.
Ich benötige auch keinen personalisierten Gott, um meine Dankbarkeit an jemanden richten zu können. So richte ich meine Dankbarkeit möglichst unmittelbar an die Menschen, mit denen mir Positives widerfährt. Ich sage ihnen das oder lasse Taten sprechen, um ihnen meine Dankbarkeit zu zeigen.
Und manchmal, wenn ich für mich alleine bin, kann ich meine Dankbarkeit in mein Inneres richten und dadurch positive Gedanken und Gefühle anfachen.
Manch einer würde diesem Vorgang den Namen „Gebet“ geben. Auch hier tue ich mich schwer mit einem Namen … welcher sehr schnell einen personalisierten Gott involviert, den ich so nicht wahrnehme. Ich spreche in dem Moment mit mir selbst, mit meinem Inneren. Oder mit dem Äusseren? Schicke ich meine Worte ins Universum? Nun, ich weiss es nicht so genau. Ich ahne, dass es ein Sprachrohr ist, wo auch immer es beginnt und wo es aufhört. Und dies wirft jetzt sicherlich Fragen auf …
Mein Begriff von Gott
Wenn ich für den Begriff Gott etwas einsetzen müsste, wie es für mich Gültigkeit hat und wozu ich ja sagen könnte, dass ich daran glaube, dann würde ich dies folgendermassen tun:
Alles Existierende ist Energie. Diese Energie kommt in verschiedenen Zuständen vor. So wie sich Wasser, Dampf und Eis in verschiedenen Aggregatszuständen unterscheiden und doch eigentlich das Gleiche darstellen, sehe ich Körper, Geist und Seele als verschiedene Formen dieser Energie an. Lebensformen wie der Mensch verfügen über Körper, Seele und Geist und sind damit weit mehr als nur das sichtbar und fassbare körperliche/materialisierte.
Möglicherweise gibt es nebst den Ebenen von Seele und Geist, wie sie länger und quer durch verschiedenste Religionen diskutiert werden, noch weitere und die Aufteilung, auf welcher Ebene genau was geschieht, muss gänzlich neu formuliert werden. Vielleicht ist es auch so, dass die Übergange fliessend sind. Vielleicht sogar so fliessend, dass man nicht von Übergängen sprechen kann. Oder schlicht: so wie die Raupe nicht mit dem Adler darüber diskutieren kann, was fliegen im dreidimensionalen Raum bedeutet, kann der Mensch sich auch nicht ansatzweise eine Vorstellung von einer Realität machen, welche in Anzahl Dimensionen weit über dem liegt, was sein Gehirn überhaupt verarbeiten kann.
Wie auch immer: es gibt meines Erachtens eine Ebene, auf welcher alles Existierende miteinander verbunden und somit eins ist. Wie Inseln im Meer, die beim Rückgang des Wassers plötzlich sichtbar miteinander verbunden sind und schon immer verbunden waren. Das erklärt für mich gewisse Phänomene der Parapsychologie. Die Übertragung von Gedanken oder Gefühlen zum Beispiel, wie ich sie selbst schon mehrere Male unzweifelhaft selbst erlebt habe.
Gott ist in dem Sinne für mich diese Energie und damit der Baustoff für alles, was ist. Wir sind alle Kinder von Gott …. in dem Sinne ein Teil des Baukastens. Gott ist damit in mir und ich bin ein Teil von Gott. Wenn ich mich an mich selbst richte, richte ich mich an Gott. Alles, was ich in mir positiv oder negativ erschwingen lasse, bringt zwangsläufig Veränderung ins Ganze. Tue ich jemand anderem weh, tue ich mir immer auch selbst weh.
Das Gesetz der Anziehung in Anwendung
Das Gesetz der Anziehung funktioniert meines Erachtens und bringt dem, der gedanklich und gefühlsmässig positiv schwingt, ebenso positives. Umgekehrt natürlich funktioniert auch die Negativspirale. Meines Erachtens funktionieren diese Gesetze sogar noch tiefer, so dass es nicht nur darum geht, Positives oder Negatives anzuziehen, sondern dass oftmals genau das in unser Leben tritt, das wir bewusst oder unbewusst gerufen haben. Dies erfüllt diese „schicksalhaften“ Momente, die weder zufällig noch irgendwo festgeschrieben eintreffen, sondern so von uns geschaffen wurden. An diesem Punkt sehe ich mein Verständnis vom Schöpfer und der Tatsache, dass wir alle Schöpfer sind.
Wir schaffen unsere eigenen Wirklichkeiten. Und wir schaffen unsere eigenen Wahrnehmungen. Wo die Grenze zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit genau verläuft, ist ein schwieriges Thema für sich. Ich vergleiche es gerne mit dem Bild, dass hier und jetzt möglicherweise dutzende Radiofrequenzen vorhanden sind und ich persönlich verantwortlich bin, auf welche Frequenz ich mein Radio einstelle und somit auch, welchen Radiokanal ich empfange.
Tod und Wiedergeburt
Ich habe bezüglich dem Thema Reinkarnation ebenfalls eigene Erfahrungen gemacht, die in mein Weltbild eingeflossen sind. Wenn Reinkarnationstherapie tatsächlich Erfolge zeigt, ist das dann zwingend ein Beweis dafür, dass ich das selbst war in dem früheren Leben? Meines Erachtens nicht zwingend. Dafür sehen wir das Ich in einem viel zu abgekapselten Zusammenhang und ich erwähnte vorher, dass ich an eine bzw. verschiedene Verbindungen von Menschen miteinander glaube. Einen gezielten und ausschliesslichen Einfluss auf einen einzelnen Menschen gibt es in der Form meines Erachtens nicht. Also muss ich nicht zwingend selbst die Person sein, die ich in der Reinkarnationstherapie verfolge. Auf der anderen Seite könnte das aber auch möglich sein. Aber das ist jetzt gar nicht relevant.
Auch ist die Diskussion nicht relevant, ob sich die Seele nun durch einen Kanal in Richtung Licht verabschiedet, oder ob diese typische Abfolge auf Basis biochemischer Kenntnisse bei absterbender Wahrnehmung erklärbar ist. Und in dem Zusammenhang sind auch die Berichte des Astralreisen-Themenkreises durchaus interessant, aber nicht relevant.
Relevant ist lediglich eins:
Wir sind Energie. Energie stirbt nicht. Energie transformiert.
Der Erhaltungssatz der Physik-Lehre lässt keinen Spielraum dafür, dass der Mensch sterben und somit nicht mehr existieren könnte. Der Tod wandelt um, er zerstört nicht. Und umwandeln bedeutet, dass nachher immer noch exakt gleich viel da ist, einfach in einer anderen Form. Die meisten Menschen nehmen diese Form nicht wahr. Dies erzeugt den Verlust. Ganz bewusst schreibe ich „die meisten Menschen“, da es auch hier töricht wäre, nicht auch eine Ausnahme zur Regel freizuhalten, wodurch es durchaus Menschen geben kann, welche über die Wahrnehmung dieser transformierten Formen verfügen.
In meinem Verständnis vom „Jenseits“ transformieren sich sterbende Menschen und ihre Energie verbleibt unvermindert, aber in anderer Form. Sind das nicht positive Gedanken zu einem eigentlich traurigen Thema. Ein „Verlust“ ist wohl weniger ein solcher, wenn man davon ausgeht, dass gar nichts verloren geht. Man muss sich damit arrangieren, dass der geliebte Mensch nicht mehr wie gewohnt wahrnehmbar ist, aber dass er nach wie vor IST. Alles andere als einfach, aber ein Anker in der Trauerarbeit und meine persönliche Art, in welcher ich Trost suche.
Einblicke in die katholische Kirche
Da sich in meinem Bekanntenkreis auch Katholiken befinden, durfte ich verschiedene Anlässe in katholischen Kirchen begleiten. Ich erlebte triste Hochzeitsfeiern, in denen positive Gefühle grossflächig unterdrückt wurden. Warum sollte man so etwas tun? Und ich erlebte Beerdigungen, welche als Gottesdienste abgehalten wurden und wo man lediglich ganz zum Schluss noch eine kurze Erwähnung zum Verstorbenen anfügte … nachdem man vor versammelter Trauergemeinde kurz angefragt hatte, wie denn der Name des Verstorbenen sei. Jeder dieser Anlässe war eine weitere Kerbe in mein zermürbtes Religionsverständnis.
Ich empfand Gottesdienste immer als reinen Monolog. Ein Pfarrer versuchte irgendwas an seine Kirchgemeinde zu senden. Weder Sprache noch Inhalt war in meinem Fall geeignet, die Botschaften ankommen zu lassen. Und bis auf ein gemeinsames Singen und Beten von wiederum abstrakten Texten, blieb es beim reinen Monolog. Warum wurde nicht viel mehr Zeit und Energie darauf verwendet, einem Verstorbenen oder einem Hochzeitspaar etwas mit auf den Weg zu geben? Wie erwähnt, das waren meine persönlichen Erfahrungen.
Einblicke in eine Freikirche
Ich erlebte ansatzweise eine bestimmte Freikirche, da ein befreundetes Paar mich unbedingt zu einer „Zeremonie“ mitnehmen wollte. Aus reiner Freundlichkeit ging ich zweimal hin.
Die Leute tanzten während der Messe einzeln vor sich hin und fuchtelten mit den Armen. Es sah ein wenig aus, als wäre ich an einer EDM-Party unter Leuten, die sich gerade etwas „reingepfiffen“ hatten, mit dem Unterschied, dass sie ab und zu „Jesus“ riefen. Dann kam der Teil, wo die Pastorin lang und breit erklärte, auf welche Art und Weise sie praktizieren würde, dass ihre Wünsche in Erfüllung gehen und wie sehr sie sich wünsche, dass sie über die finanziellen Mittel verfügen würde, dass diese Kirche noch weiter wachsen könne. Noch deutlicher wurde sie, als sie erwähnte, dass am Ausgang ein Bäumchen mit Einzahlungsscheinen stehe und Gott viel Freude haben werde, wenn sich die Anwesenden einen Einzahlungsschein nehmen würden. Noch mehr Freude würde Gott natürlich haben, wenn sie sich gleich mehrere Einzahlungsscheine nähmen.
Ich hatte Mitleid, dass diese Menschen offenbar mit dem Wunsch nach einer positiven Veränderung vom Regen in die Traufe gelangt sind. In ihrer eigenen Realität befanden sie sich offenbar in paradiesischen Zuständen, die sie deshalb auch möglichst ihrem ganzen Kollegenkreis weiterempfehlen wollten. Am Ende der Messe kamen vier Leute gleichzeitig auf mich zu. Wohl so etwas wie ein Empfangskomitee für Neuankömmlinge. Sie fragten mich mit strahlendem Gesicht, wie ich den Anlass empfunden hätte. Ich äusserte ehrlich, dass ich es schön fände, dass hier gewisse Blockaden, sich zu öffnen und teilzunehmen, nicht bestehen würden. Auf der anderen Seite habe das aber wiederum etwas übertrieben auf mich gewirkt. Die vier waren ziemlich augenblicklich wieder weg, da ich offenbar nicht ansatzweise konvertierungswillig erschien und man sich Freundlichkeiten mir gegenüber sparen konnte.
Ich will nun nicht behaupten, dass ich mit einem Besuch diese Freikirche voll erfassen konnte. Und ich will auch nicht behaupten, dass alles, was sich Freikirche nennt, in diesen Raster passt und seinen Mitgliedern ähnlich auf der Tasche liegt. Mir hat es auf jeden Fall locker gereicht.
Auf ein Wort mit einem Kreationisten
Leider mag ich mich nicht mehr so gut an das Gespräch erinnern, das ich einst mit einem Kreationisten geführt habe. Seine befürwortende Sicht zur Schöpfungsgeschichte und die Ablehnung der Evolutionstheorie, liessen mich wünschen, dass dieses sehr abstruse Gespräch baldmöglichst aufhören würde.
Auch meine Frage, wie denn die Sache mit der Plattentektonik und dem ursprünglichen Super-Kontinent Pangäa erklärbar sei, wenn die Erde so jung sei, führte zu keinen Argumenten, die ich – bei allem Respekt – ernsthaft entgegennehmen konnte. Ich fühlte mich, als würde ich mit einem erwachsenen Menschen darüber reden, dass der Osterhase tatsächlich existiert.
Kreationisten scheinen ihre Schöpfungsgeschichte mit Händen und Füssen zu verteidigen, weshalb sie massgebliche Inhalte der Evolutionstheorie ignorieren. Evolution ist das Produkt unzähliger (nicht weniger) Chancen (nicht Zufälle). Ebenso suchen Kreationisten nach Lücken in der Evolutionstheorie. Finden sie nur einen einzigen „Missing Link“ in der Entstehungsgeschichte der verschiedenen Lebensformen, verwerfen sie die gesamte Theorie und setzen an deren Stelle die Schöpfungsgeschiche.
Das hat in meinen Augen nichts mit Vernunft/Verstand zu tun. Man nimmt einfach eine Sache als gegeben an, lässt diese Sache unangreifbar stehen und beseitigt somit unhinterfragt jeden Einwand daran. Ich kann eine solche Vorgehens- und Denkweise nicht wirklich ernst nehmen, zumal es auch keine Denkweise sondern vielmehr Abwehr ist.
Positiv überrascht in der reformierten Kirche
Ich muss gestehen, dass ich 2-3 Hochzeiten mit einem reformierten Pfarrer erlebt habe, die mich sehr positiv überraschten. Die Zeremonien waren nicht übermässig mit Gott, Jesus und dem heiligen Geist erfüllt. Stattdessen ging es um das Brautpaar. Der Pfarrer hatte sich jeweils sehr ausführlich mit der Vergangenheit und der geplanten Zukunft des Paars beschäftigt und brachte dies auf sinnvolle Weise in seine Texte mit ein. Nicht nur das Brautpaar selbst dürfte aus diesen Texten etwas Sinnvolles und Wichtiges für sich entnommen haben. Gleiches galt auch für mich selbst. Ich sah mich in vielem bestätigt, was ich selbst dachte und ebenso erhielt ich weitere Anstösse, die ich durchaus verwenden konnte. Alle Anwesenden feierten das Paar, freuten sich und klatschten. Danach verliessen wir alle positiv gestimmt und inspiriert die Kirche.
Diese Ereignisse standen so dermassen diametral zu allem, was ich bisher erlebt hatte. Ich freute mich, dass diese Anlässe so gelungen waren und ärgerte mich darüber, dass sie in all meinen Erfahrungen so selten waren und dass sie nicht genügend dazu beitragen konnten, dass ich mich in Kirchen so fehl am Platze fühlte.
Was fehlt mir?
Bei all den Erlebnissen ist die Frage weiter in mir herangereift, ob es für die eine Religion, die man nicht unterstützen möchte, zwingend einen Ersatz braucht. Muss dieser Platz unbedingt gefüllt werden, oder kann er auch leer bleiben? Und was bedeutet diese Leere wirklich? Ich bin ja kein Ungläubiger, nicht ohne Glaube, nicht ohne Hoffnung, nicht ohne Trost, nicht ohne Geborgenheit. Ich mag nicht erkennen, was mir fehlt.
Ich werde auch als konfessionsloser Mensch am Ende dieses Lebens nicht – bildlich gesprochen – am Flughafen stehen, um zu erkennen, dass auf mich kein Shuttle-Bus wartet, der mich zu meiner nächsten Station bringt. Auf jeden wartet dort ein Shuttle-Bus, ganz gleich welcher Religion er angehört und was er in seinem Leben getan hat.
Ich benötige auch keine Antworten dafür, warum ich existiere? Ich muss weder Gott noch einen Urknall, noch irgendetwas anderes genauer verstehen, um mich daran zu erfreuen, dass es mich gibt. So muss ich auch nicht wissen, wie ein Auto technisch exakt funktioniert … Hauptsache es fährt. Ich mag also nicht erkennen, was mir Religion geben könnte … ausser "Schuldgefühlen und ein paar Feiertagen" (gem. einem Sprichwort). Zynisch, aber doch ernst gemeint.
Ob ich mich heute für oder gegen eine Mitgliedschaft in einer Kirche entscheide, ist für keinen Gott relevant. Es ist lediglich für die selbsterkorenen, irdischen Vertreter relevant. Und sie sind es, von denen ich mich mit meinem Austritt abwende. Sie sind es, die mir am wenigsten fehlen werden.
Natürlich kann man sagen, dass die Kirche auch Wohltätiges tut und dass ich durch meine Abgaben diese Tätigkeit unterstütze. Nun, das habe ich mehr als zwei Jahrzehnte getan. Und ich bin sicher, dass in Abwesenheit der Kirche andere Organisationen diese Tätigkeiten wahrnehmen und nicht gleichzeitig religiöses Gedankengut transportieren.
Irrwege der Kirche
Ich mag zu dieser Organisation nur ungern Worte verlieren. Das meiste davon dürfte ohnehin jedermann bekannt sein. Um mich kurz zu fassen:
Die Kirche hat sich früher auf blutigstem Wege ausgebreitet und bereichert.
Auch heute herrschen in der Kirche an vielen Stellen mittelalterliche Ansichten vor. Die Stellung der Frau, das Zölibat, Verhütung, Homosexualität uvm.
Die Kirche erschüttert uns regelmässig mit Skandalen von pädophilen Kirchenvertretern, die sich an unseren jüngsten vergehen, von Kirchenvertretern, die sich persönlich bereichern und von solchen, die ihre Position dazu nutzen, unsägliche Botschaften zu verbreiten.
Das ist weit mehr als die einzelnen Verfehlungen, wie sie einem fehlerbehafteten Menschen entspringen können. Das ist Verfehlung auf Rezept. Das ist ein kompletter Irrweg und ich weigere mich, diesen zu beschreiten.
Unmoral der Bibel
Ich erwähnte, dass man seine Moral keinesfalls aus der Bibel ziehen kann, denn dann würde Mord, Völkermord, Versklavung, Vergewaltigung, Verstümmelung, Unterordnung der Frau und Grausamkeiten verschiedenster Art dazu gehören müssen. Ein solches Werk kann nicht die Basis unserer Ethik sein. So töten wir auch nicht unsere Kinder, wenn sie ungehorsam sind, oder steinigen unsere Frauen, wenn wir mit ihnen unzufrieden sind.
Ein solches Werk kann uns auch nicht ernsthaft als Tatsachenbericht verkauft werden. Eine ganz bestimmte Auswahl aus einer Vielzahl von Evangelien, die von zahlreichen Autoren Jahrzehnte nach gewissen Ereignissen geschrieben, abgeschrieben, umgeschrieben und übersetzt worden sind. Wir wissen nicht, was auf Legendenbildung basierte und was auf Beobachtung. Wir wissen nicht, ob Beobachtungen und Beschreibungen von gewissen Zielsetzungen beeinflusst waren. Wir wissen nicht, ob wir heute das darunter verstehen, was damals gemeint war und vor allem ob durch die Abschrift/Übersetzung nicht massgeblich bewusst oder unbewusst Aussagen verdreht worden sind.
Und so distanziert man sich denn auch mehr und mehr von Aussagen des alten Testaments. Man versucht grundsätzlich bei allen Inhalten den unzweifelhaften Tatsachencharakter solange hoch zu halten, bis zu viele plausible Gegenargumente zusammenkommen. Ab dann betont man den bildhaften/metaphorischen Charakter. Eine ziemlich fragwürdige Spaghetti-Taktik. Auf der anderen Seite gibt es immer noch sehr viele Bibel-Leser, welche die Bibel absolut wörtlich nehmen und z.B. sündhaften Menschen die Schuld am Tsunami 2004 oder den Überschwemmungen in New Orleans 2005 geben.
Aber vielleicht ist das halt so und der Mensch kann sich nicht schneller von einem Irrtum entfernen. Und so existiert eine Halbwertszeit der Irrtümer des Glaubens, die mit der Halbwertszeit bei radioaktiven Verstrahlungen vergleichbar ist. Und wohlgemerkt sicherlich nicht nur im christlichen Glauben.
Die wichtigste aller Fragen
Es gibt einen weiteren Grund dafür, dass ich aus der Kirche austreten möchte:
Wie wäre die Welt geworden ohne Kreuzritter, Inquisitoren, Hexenverfolgungen und –verbrennungen?
Wie wäre sie ohne Selbstmordattentäter, Ehrenmorde, Steinigungen?
Ohne Krieg zwischen Serben, Kroaten und Muslimen?
Ohne Krieg zwischen Israelis und Palästinensern?
Ohne den 11. September?
Ohne die Ankündigung von George W. Bush, Gott habe ihm mitgeteilt, er solle im Irak einmarschieren?
Ohne den Anschlag auf "Charlie Hebdo"?
Wie wäre die Welt ohne Religion?
Wenn so viele Probleme in den Ländern dieser Erde aus religiöser Motivation heraus geschaffen wurden bzw. weiterhin werden, dann müsste die Abwesenheit von Religion diese Probleme zum Versiegen bringen, wie eine Flamme, welcher der Sauerstoff ausgeht. Genau dazu werde ich nun beitragen.
Gruss, Marcel
Der Gedanke schlummert schon sehr lange in mir. Eigentlich erschreckend lange, da ich mich üblicherweise schneller entscheide, wenn mir etwas länger kontinuierlich Unbehagen bereitet. Ich bin offenbar so aufgewachsen und gedanklich verankert, dass ich das Loslösen von meiner Religion bisher nicht wirklich als möglichen persönlichen Entscheid erkennen konnte.
Diesen Text schiebe ich schon einige Wochen mit mir rum. Und ich merke, dass sich sogar in dieser Zeit gewisse Einsichten leicht verändert haben, weshalb ich einzelne Textstellen ändern musste. Solche Veränderungen werden (hoffentlich) auch andauern, weil sie teil eines Wachstumsprozesses sind. Dies hält mich jedoch nicht davon ab, diesen JETZT für mich aktuellen Stand hier festzuhalten, weil ich erkenne, dass mich diese Veränderungsprozesse nicht etwa näher an die Kirche führen, sondern die Distanz erhalten bleibt bzw. noch wächst.
Bevor ich beginne, möchte ich mich entschuldigen, falls ich durch meine Erzählungen jemanden brüskiere oder sogar verletze in seinen eigenen Empfindungen zu Kirche und Gott. Dies sind lediglich meine persönlichen Erfahrungen und Meinungen. Ich stelle sie nicht über diejenigen anderer Menschen. Aber ich erlaube mir, sie zu äussern. Falls Ihr in diesem Thread antwortet, bitte versucht ebenso rücksichtsvoll zu schreiben.
Bearbeitung meines Geistes
Das Fach „Biblische Geschichte und Sittenlehre“ empfand ich als eine verordnete Malträtierung meines Gehirns auf Stundenplan.
Was die Lehrerin während dieser Zeit in meinen Kopf drücken wollte, passte dort schlichtweg nicht rein. Nicht etwa aus Platz- sondern aus Kompatibilitätsgründen, ganz so als würde ein Kleinkind einen viereckigen Stein wieder und wieder in die runde Öffnung hämmern wollen, jedes Mal mit etwas mehr Wucht und Unverständnis.
Gleichermassen erging es mir regelmässig am obligatorischen Besuch der Kirche. Ausnahmslos jedes Mal fragte ich mich, was der Pfarrer da eigentlich redete und warum er es nicht einfach in meiner Sprache tun konnte. Er versuchte nicht ansatzweise, die Inhalte verständlicher oder – fast wichtiger – nützlicher/gebräuchlicher zu vermitteln. Und so fand ich keinen Zugang zur Religion. Nein, ich fand weder die Tür, noch einen Weg zur Tür. Ich irrte da einfach ein bisschen rum, bis man mir freundlicherweise erliess, weiter die Kirche besuchen zu müssen.
Mit meiner feierlichen Konfirmation genoss ich – wohl wie so manche – einfach das spezielle Fest, die schönen Klamotten und die diversen Geschenke. Ich war nicht etwa geistig befriedigt, eine weitere Stufe in meiner Religion erklommen zu haben. Weit gefehlt. Ich war froh, dass Schluss war – sagen wir’s unverblümt – mit staatlich geförderter Penetration meines kindlichen, reinen Weltverständnisses.
Viele Jahre später traf ich auf die Bücher „Gespräche mit Gott“ von Neale Donald Walsh und habe sie verschlungen. Warum? Ein simpler Dialog mit einfachen Fragen und nützlichen Antworten. Es war eine Bereicherung. Es war mir egal, wer Walsh war und mit wem er diesen Dialog geführt hatte. Genau solche Inhalte hätte ich mir immer in der Kirche gewünscht. Die Bücher brachten Antworten, halfen mir weiter, machten mich vollkommener. Die Kirche brachte nur weiter Fragen über Fragen, warf mich zurück, stufte mich tiefer und machte mich unvollkommener. Ganz offensichtlich sollte ich zum Nutzen der Kirche sein und nicht umgekehrt.
Die Aufnahme meines Sohnes in die Kirche
Mein Sohn ist getauft. Das war damals kein fundierter Entscheid. Schlussendlich bin ich selbst noch in der Kirche und sollte zuerst bei mir anfangen und erst dann bei meinem Sohn fortsetzen, wenn ich etwas ändern möchte. Bis jetzt war das nicht tragisch, denn in den zwischenzeitlichen Jahren hatte dieser Konfessionsstatus keinerlei Einfluss. Dies würde sich jetzt allerdings ändern, denn mit dem neuen Schuljahr würde auch der religiöse Unterricht beginnen. Genau der Unterricht, den ich meinem Sohn auf jeden Fall ersparen möchte.
Bis mein Sohn deutlich älter ist und sich selbst eine Meinung zum Thema Religion bilden möchte, soll niemandem die Gelegenheit gegeben werden, seine Gedanken zu verschmutzen und fragwürdige Dinge in das Fundament seines weiteren Gedankenguts einzugiessen.
Kürzlich sprach mein Sohn mich darauf an, dass der Mensch gar nicht vom Affen abstamme, sondern direkt von Gott geschaffen worden sei. An Ostern habe dies ein fremder Mann zu ihm gesagt, als wir uns auf einem Spielplatz befanden und dieser Mann offenbar ein Gespräch zwischen mir und meinem Sohn mitbekommen hatte. Er ging daraufhin zu meinem Sohn, um ihn aufzuklären. Ebenfalls teilte er meinem Sohn mit, er solle mir ausrichten, dass es so wahr sei und nicht anders. Was hier unglücklicherweise stattfand, würde in einem religiösen Unterricht ganz selbstverständlich im Stundenplan platziert.
Unserer Religion liegt eine Indoktrination zu Grunde, bei welcher ich mich ernsthaft frage, ob sie nur ansatzweise einen guten Einfluss hat. Die Erbsünde lässt jedes Neugeborene unvollkommen und eines Erlösers bedürftig dastehen. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall und unsere Neugeborenen sind die vollkommensten Geschöpfe, die man sich vorstellen kann. Es stellt sich nicht die Frage, ob sie vollkommen oder unvollkommen sind, sondern wie und warum die Gesellschaft unsere Kinder negativ prägt und von ihrem Weg abbringt.
Ein Kind verbindet sich mit Mensch ebenso wie mit Tier und ordnet nicht das eine dem anderen über.
Ein Kind verbindet sich mit Menschen aller Rassen … auch wenn es die Frage nach der „seltsamen“ Hautfarbe des anderen stellen mag.
Ein Kind verbindet sich mit Menschen aller Religionen … auch wenn es die Frage nach der „seltsamen“ Kopfbedeckung des anderen stellen mag.
Ein Junge wertet kein Mädchen ab … wenn er auch verwundert die unterschiedliche Anatomie zur Kenntnis nimmt.
Kinder vollziehen Schritte der Trennung und der Abwertung mit der Übernahme vorgefertigter Urteile der Erwachsenen und insbesondere auch der Kirchenlehren. Umso schlimmer ist dies, weil einem beigebracht wird, dass religiöse Vorschriften nicht wie andere Regeln begründet und gerechtfertigt werden müssen.
Wie mag folglich der Weg eines Kindes aussehen, das von Eltern begleitet wird, welche es lieben, seine Entfaltung unterstützen, ethische Grundsätze verständlich machen und es weitmöglichst von vorgefertigten Meinungen und den Lehren und Dogmen der Kirche fernhalten? Ein Kind, welchem man zeigt, wie man denkt und nicht was man denkt. In meiner Vorstellung erhält sich ein solches Kind seine Vollkommenheit und ist eine Bereicherung für diese Welt. Ich möchte meinen Teil beitragen, ein solches Kind erblühen zu lassen. Dies sind die kleinen Schritte, die wir selbst veranlassen können, um Dinge in dieser Welt positiv zu verändern.
Mein Sohn ist frei von Sünde. Mein Sohn ist kein „Schäfchen“, das man führen muss. Mein Sohn ist sein eigener Schöpfer. Mein Sohn benötigt keinen Erlöser.
Auf dem Formular zur Bestätigung der religiösen Einschulung meines Sohnes war lediglich am Ende eine kleine Möglichkeit vorgesehen, die religiöse Einschulung zu verhindern. Nicht jedoch ohne ein zugehöriges Kommentarfeld vorzusehen, um den Entscheid zu begründen. Ich schickte das Formular zurück. Im Kommentarfeld trug ich nichts ein, da ich nicht einsah, weshalb ich jemandem zu diesem Entscheid eine Begründung schuldete. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass dies noch nicht das Ende ist und man versuchen wird, das verloren gegangene Schäfchen wieder zur Herde zu führen.
Glaubst Du an Gott?
Ebenfalls kürzlich an Ostern wurde ich auf der Strasse von zwei Christinnen befragt:
Ob ich glaube, dass der Mensch in Sünde geboren wäre. Ich antwortete „nein“.
Ob ich glaube, dass ich in den Himmel käme. Ich antwortete „ja“.
Ob ich glaube, dass ich ohne Jesus in den Himmel käme. Ich antwortete „ja“.
Ob für mich Ostern noch etwas anderes sei als lediglich ein paar freie Tage. Ich antwortete „nein“.
Irgendwie schauten mich die beiden je länger je mehr an, als wäre ich der Antichrist persönlich.
Letzte Frage: ob ich an Gott glaube?
Ich kann mir nicht helfen … aber ich habe mit dieser so oft gestellten Frage „glaubst Du an Gott?“ ein Problem und ich wundere mich durchaus, dass viele Menschen darauf so einfach antworten können. Warum? Weil mir die Frage zu ungenau ist.
Ich glaube nicht an einen personifizierten Gott, der unsere Geschicke lenkt und bei unserem Ableben mal kurz unser Leben revue-passieren lässt, um uns in Himmel oder Hölle zu schicken (was auch immer Himmel und Hölle sind). Aber ich verbinde mit dem Wort Gott etwas Physisches/Metaphysisches, dessen Existenz ich sehr wohl bestätige. Was nun? Glaube ich an Gott?
Von der Halbwertszeit des Irrtums
Ich bin auf keinen Fall ein Mensch, für den die Wissenschaft alles erklärt und bewiesen haben muss, damit ich dessen Existenz erlaube. Am Ende meiner Schulzeit war die grösste Arbeit, welcher ich mich zuwandte, das Thema Parapsychologie. Und das war gut so. Nicht, damit ich allem und jedem esoterischen Gebiet glaubte, sondern dass ich mich grundsätzlich öffnete und begann, mit klarem und dennoch skeptischem Blick über Grenzen hinweg zu sehen. Obwohl das Wort Esoterik heute so negativ belegt ist, erkenne ich für mich persönlich darunter einerseits „Krimskrams“, aber auch Anwendungen, die es wert sind, genauer geprüft zu werden, um unser Weltbild unter Umständen zu erweitern und zu bereichern.
Ich habe für mich persönlich mehrere Male erlebt, dass ich einen sechsten Sinn habe und diesen ab und zu wahrzunehmen vermag. Dieses Wissen bereicherte mich, dass die Welt, wie ich sie mit meinen „normalen“ 5 Sinnen wahrnehme, nicht zwingend so sein muss und dass Dinge, die ich mit einem 6. oder 7. Sinn wahrnehmen könnte, nicht etwa nicht existieren, solange ich nicht über diese Sinne verfüge.
Kurz: nur weil ich etwas nicht sehe, heisst das nicht etwa, dass es nicht existiert. Ich bin froh, dass ich mit einer solchen Sicht durchs Leben gehe und Offenheit und Skepsis gleichermassen in die Waagschalen werfe. Ich bin nicht das kleine Kind, das sich die Augen zuhält und ruft „ihr seht mich nicht“. Ich weiss dass Realität und individuell wahrgenommene Realität weit voneinander abweichen können und trotzdem beide existieren.
Wenn wir in der Geschichte zurückblicken, gab es genügend Ereignisse, welche die Menschen sich nur als göttliche Fügung erklären konnten. Nichts anderes schien Sinn zu machen und so kam Gott bzw. verschiedene Götter als Platzhalter für eine eigentliche Erklärung zum Zuge. Nun wissen wir heute warum z.B. Blitz, Donner, Nordlichter, Ebbe, Flut und viele andere Naturschauspiele vorkommen. Es käme uns nicht im geringsten in den Sinn, diese z.B. einem wütenden Gott zuzuordnen. Aber weiterhin setzen Menschen oftmals Gott dort ein, wo sie aktuell kein Verständnis aufbringen können.
Meines Erachtens ist die Vermutung angebracht, dass künftige Generationen uns diesbezüglich ebenso belächeln werden, wie wir z.B. Geschichten der Wikinger beim Anblick eines Blitzes belächeln. Wir stellen uns eigentlich noch törichter an, als unsere Vorfahren, denn wir kennen ja die Irrtümer, die sie begangen haben … und begehen sie weiterhin.
Warum können wir nicht einfach folgern, dass wir für gewisse Phänomene aktuell keine Mittel zur Erklärung zur Hand haben - und vielleicht auch nie haben werden, wenn man die Komplexität der Natur und die Beschränktheit des menschlichen Geistes und seiner Sinne vergleicht. Wir können es uns nicht erklären und wir müssen es deshalb nicht auf einen Gott schieben. Ich persönlich könnte gut damit leben.
Nach meiner Erfahrung ist es eine amüsante Strategie, wenn ich auf die Frage, ob ich Atheist sei, darauf hinweise, dass der Fragesteller ebenfalls Atheist ist, nämlich in Bezug auf Zeus, Apollo, Amon Ra, Mithras, Baal, Thor, Wotan, das goldene Kalb oder das fliegende Spaghettimonster. Ich bin einfach schon einen Gott weiter.
Richard Dawson
Gott als erzwungene Ethik
Nun kann es natürlich einen anderen Grund dafür geben, dass wir Gott seinen Platz einräumen. Dann nämlich, wenn wir einen solchen „Wächter“ brauchen, der sicherstellt, dass wir uns ethisch/moralisch korrekt verhalten. Ich für mich benötige keinen solchen Wächter. Ich versuche, mich jederzeit richtig zu verhalten und selbst wenn mir das nicht immer gelingt, so ist es doch mein immerwährendes Verlangen, dem bestmöglich nachzukommen. Nicht für einen Gott, nicht für mein Karma, nicht weil ich mich vor dem jüngsten Gericht oder einer Hölle selbst fürchte. Nein, ganz einfach weil das Richtige zu tun positive Gefühle mit sich bringt, sich dadurch das Leben besser anfühlt und man sich selbst am Ende des Tages mit einem Lächeln im Spiegel begegnen kann. Ich brauche dazu keinen Wächter.
Auch benötige ich keine Bibel, um meine Moral auf dessen Wortlaut zu bilden. Niemand sollte das ernsthaft tun, da die Bibel zu grossen Teilen eine absolut unterirdische Moral vertritt.
Ich benötige auch keinen personalisierten Gott, um meine Dankbarkeit an jemanden richten zu können. So richte ich meine Dankbarkeit möglichst unmittelbar an die Menschen, mit denen mir Positives widerfährt. Ich sage ihnen das oder lasse Taten sprechen, um ihnen meine Dankbarkeit zu zeigen.
Und manchmal, wenn ich für mich alleine bin, kann ich meine Dankbarkeit in mein Inneres richten und dadurch positive Gedanken und Gefühle anfachen.
Manch einer würde diesem Vorgang den Namen „Gebet“ geben. Auch hier tue ich mich schwer mit einem Namen … welcher sehr schnell einen personalisierten Gott involviert, den ich so nicht wahrnehme. Ich spreche in dem Moment mit mir selbst, mit meinem Inneren. Oder mit dem Äusseren? Schicke ich meine Worte ins Universum? Nun, ich weiss es nicht so genau. Ich ahne, dass es ein Sprachrohr ist, wo auch immer es beginnt und wo es aufhört. Und dies wirft jetzt sicherlich Fragen auf …
Religion ist eine Beleidigung für die Menschenwürde. Mit ihr oder ohne sie gibt es gute Menschen, die gute Dinge tun und böse Menschen, die böse Dinge tun. Aber damit gute Menschen böse Dinge tun, braucht es die Religion.
Steven Weinberg
Mein Begriff von Gott
Wenn ich für den Begriff Gott etwas einsetzen müsste, wie es für mich Gültigkeit hat und wozu ich ja sagen könnte, dass ich daran glaube, dann würde ich dies folgendermassen tun:
Alles Existierende ist Energie. Diese Energie kommt in verschiedenen Zuständen vor. So wie sich Wasser, Dampf und Eis in verschiedenen Aggregatszuständen unterscheiden und doch eigentlich das Gleiche darstellen, sehe ich Körper, Geist und Seele als verschiedene Formen dieser Energie an. Lebensformen wie der Mensch verfügen über Körper, Seele und Geist und sind damit weit mehr als nur das sichtbar und fassbare körperliche/materialisierte.
Möglicherweise gibt es nebst den Ebenen von Seele und Geist, wie sie länger und quer durch verschiedenste Religionen diskutiert werden, noch weitere und die Aufteilung, auf welcher Ebene genau was geschieht, muss gänzlich neu formuliert werden. Vielleicht ist es auch so, dass die Übergange fliessend sind. Vielleicht sogar so fliessend, dass man nicht von Übergängen sprechen kann. Oder schlicht: so wie die Raupe nicht mit dem Adler darüber diskutieren kann, was fliegen im dreidimensionalen Raum bedeutet, kann der Mensch sich auch nicht ansatzweise eine Vorstellung von einer Realität machen, welche in Anzahl Dimensionen weit über dem liegt, was sein Gehirn überhaupt verarbeiten kann.
Wie auch immer: es gibt meines Erachtens eine Ebene, auf welcher alles Existierende miteinander verbunden und somit eins ist. Wie Inseln im Meer, die beim Rückgang des Wassers plötzlich sichtbar miteinander verbunden sind und schon immer verbunden waren. Das erklärt für mich gewisse Phänomene der Parapsychologie. Die Übertragung von Gedanken oder Gefühlen zum Beispiel, wie ich sie selbst schon mehrere Male unzweifelhaft selbst erlebt habe.
Gott ist in dem Sinne für mich diese Energie und damit der Baustoff für alles, was ist. Wir sind alle Kinder von Gott …. in dem Sinne ein Teil des Baukastens. Gott ist damit in mir und ich bin ein Teil von Gott. Wenn ich mich an mich selbst richte, richte ich mich an Gott. Alles, was ich in mir positiv oder negativ erschwingen lasse, bringt zwangsläufig Veränderung ins Ganze. Tue ich jemand anderem weh, tue ich mir immer auch selbst weh.
Das Gesetz der Anziehung in Anwendung
Das Gesetz der Anziehung funktioniert meines Erachtens und bringt dem, der gedanklich und gefühlsmässig positiv schwingt, ebenso positives. Umgekehrt natürlich funktioniert auch die Negativspirale. Meines Erachtens funktionieren diese Gesetze sogar noch tiefer, so dass es nicht nur darum geht, Positives oder Negatives anzuziehen, sondern dass oftmals genau das in unser Leben tritt, das wir bewusst oder unbewusst gerufen haben. Dies erfüllt diese „schicksalhaften“ Momente, die weder zufällig noch irgendwo festgeschrieben eintreffen, sondern so von uns geschaffen wurden. An diesem Punkt sehe ich mein Verständnis vom Schöpfer und der Tatsache, dass wir alle Schöpfer sind.
Wir schaffen unsere eigenen Wirklichkeiten. Und wir schaffen unsere eigenen Wahrnehmungen. Wo die Grenze zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit genau verläuft, ist ein schwieriges Thema für sich. Ich vergleiche es gerne mit dem Bild, dass hier und jetzt möglicherweise dutzende Radiofrequenzen vorhanden sind und ich persönlich verantwortlich bin, auf welche Frequenz ich mein Radio einstelle und somit auch, welchen Radiokanal ich empfange.
Tod und Wiedergeburt
Ich habe bezüglich dem Thema Reinkarnation ebenfalls eigene Erfahrungen gemacht, die in mein Weltbild eingeflossen sind. Wenn Reinkarnationstherapie tatsächlich Erfolge zeigt, ist das dann zwingend ein Beweis dafür, dass ich das selbst war in dem früheren Leben? Meines Erachtens nicht zwingend. Dafür sehen wir das Ich in einem viel zu abgekapselten Zusammenhang und ich erwähnte vorher, dass ich an eine bzw. verschiedene Verbindungen von Menschen miteinander glaube. Einen gezielten und ausschliesslichen Einfluss auf einen einzelnen Menschen gibt es in der Form meines Erachtens nicht. Also muss ich nicht zwingend selbst die Person sein, die ich in der Reinkarnationstherapie verfolge. Auf der anderen Seite könnte das aber auch möglich sein. Aber das ist jetzt gar nicht relevant.
Auch ist die Diskussion nicht relevant, ob sich die Seele nun durch einen Kanal in Richtung Licht verabschiedet, oder ob diese typische Abfolge auf Basis biochemischer Kenntnisse bei absterbender Wahrnehmung erklärbar ist. Und in dem Zusammenhang sind auch die Berichte des Astralreisen-Themenkreises durchaus interessant, aber nicht relevant.
Relevant ist lediglich eins:
Wir sind Energie. Energie stirbt nicht. Energie transformiert.
Der Erhaltungssatz der Physik-Lehre lässt keinen Spielraum dafür, dass der Mensch sterben und somit nicht mehr existieren könnte. Der Tod wandelt um, er zerstört nicht. Und umwandeln bedeutet, dass nachher immer noch exakt gleich viel da ist, einfach in einer anderen Form. Die meisten Menschen nehmen diese Form nicht wahr. Dies erzeugt den Verlust. Ganz bewusst schreibe ich „die meisten Menschen“, da es auch hier töricht wäre, nicht auch eine Ausnahme zur Regel freizuhalten, wodurch es durchaus Menschen geben kann, welche über die Wahrnehmung dieser transformierten Formen verfügen.
In meinem Verständnis vom „Jenseits“ transformieren sich sterbende Menschen und ihre Energie verbleibt unvermindert, aber in anderer Form. Sind das nicht positive Gedanken zu einem eigentlich traurigen Thema. Ein „Verlust“ ist wohl weniger ein solcher, wenn man davon ausgeht, dass gar nichts verloren geht. Man muss sich damit arrangieren, dass der geliebte Mensch nicht mehr wie gewohnt wahrnehmbar ist, aber dass er nach wie vor IST. Alles andere als einfach, aber ein Anker in der Trauerarbeit und meine persönliche Art, in welcher ich Trost suche.
Einblicke in die katholische Kirche
Da sich in meinem Bekanntenkreis auch Katholiken befinden, durfte ich verschiedene Anlässe in katholischen Kirchen begleiten. Ich erlebte triste Hochzeitsfeiern, in denen positive Gefühle grossflächig unterdrückt wurden. Warum sollte man so etwas tun? Und ich erlebte Beerdigungen, welche als Gottesdienste abgehalten wurden und wo man lediglich ganz zum Schluss noch eine kurze Erwähnung zum Verstorbenen anfügte … nachdem man vor versammelter Trauergemeinde kurz angefragt hatte, wie denn der Name des Verstorbenen sei. Jeder dieser Anlässe war eine weitere Kerbe in mein zermürbtes Religionsverständnis.
Ich empfand Gottesdienste immer als reinen Monolog. Ein Pfarrer versuchte irgendwas an seine Kirchgemeinde zu senden. Weder Sprache noch Inhalt war in meinem Fall geeignet, die Botschaften ankommen zu lassen. Und bis auf ein gemeinsames Singen und Beten von wiederum abstrakten Texten, blieb es beim reinen Monolog. Warum wurde nicht viel mehr Zeit und Energie darauf verwendet, einem Verstorbenen oder einem Hochzeitspaar etwas mit auf den Weg zu geben? Wie erwähnt, das waren meine persönlichen Erfahrungen.
Einblicke in eine Freikirche
Ich erlebte ansatzweise eine bestimmte Freikirche, da ein befreundetes Paar mich unbedingt zu einer „Zeremonie“ mitnehmen wollte. Aus reiner Freundlichkeit ging ich zweimal hin.
Die Leute tanzten während der Messe einzeln vor sich hin und fuchtelten mit den Armen. Es sah ein wenig aus, als wäre ich an einer EDM-Party unter Leuten, die sich gerade etwas „reingepfiffen“ hatten, mit dem Unterschied, dass sie ab und zu „Jesus“ riefen. Dann kam der Teil, wo die Pastorin lang und breit erklärte, auf welche Art und Weise sie praktizieren würde, dass ihre Wünsche in Erfüllung gehen und wie sehr sie sich wünsche, dass sie über die finanziellen Mittel verfügen würde, dass diese Kirche noch weiter wachsen könne. Noch deutlicher wurde sie, als sie erwähnte, dass am Ausgang ein Bäumchen mit Einzahlungsscheinen stehe und Gott viel Freude haben werde, wenn sich die Anwesenden einen Einzahlungsschein nehmen würden. Noch mehr Freude würde Gott natürlich haben, wenn sie sich gleich mehrere Einzahlungsscheine nähmen.
Ich hatte Mitleid, dass diese Menschen offenbar mit dem Wunsch nach einer positiven Veränderung vom Regen in die Traufe gelangt sind. In ihrer eigenen Realität befanden sie sich offenbar in paradiesischen Zuständen, die sie deshalb auch möglichst ihrem ganzen Kollegenkreis weiterempfehlen wollten. Am Ende der Messe kamen vier Leute gleichzeitig auf mich zu. Wohl so etwas wie ein Empfangskomitee für Neuankömmlinge. Sie fragten mich mit strahlendem Gesicht, wie ich den Anlass empfunden hätte. Ich äusserte ehrlich, dass ich es schön fände, dass hier gewisse Blockaden, sich zu öffnen und teilzunehmen, nicht bestehen würden. Auf der anderen Seite habe das aber wiederum etwas übertrieben auf mich gewirkt. Die vier waren ziemlich augenblicklich wieder weg, da ich offenbar nicht ansatzweise konvertierungswillig erschien und man sich Freundlichkeiten mir gegenüber sparen konnte.
Ich will nun nicht behaupten, dass ich mit einem Besuch diese Freikirche voll erfassen konnte. Und ich will auch nicht behaupten, dass alles, was sich Freikirche nennt, in diesen Raster passt und seinen Mitgliedern ähnlich auf der Tasche liegt. Mir hat es auf jeden Fall locker gereicht.
Auf ein Wort mit einem Kreationisten
Leider mag ich mich nicht mehr so gut an das Gespräch erinnern, das ich einst mit einem Kreationisten geführt habe. Seine befürwortende Sicht zur Schöpfungsgeschichte und die Ablehnung der Evolutionstheorie, liessen mich wünschen, dass dieses sehr abstruse Gespräch baldmöglichst aufhören würde.
Auch meine Frage, wie denn die Sache mit der Plattentektonik und dem ursprünglichen Super-Kontinent Pangäa erklärbar sei, wenn die Erde so jung sei, führte zu keinen Argumenten, die ich – bei allem Respekt – ernsthaft entgegennehmen konnte. Ich fühlte mich, als würde ich mit einem erwachsenen Menschen darüber reden, dass der Osterhase tatsächlich existiert.
Kreationisten scheinen ihre Schöpfungsgeschichte mit Händen und Füssen zu verteidigen, weshalb sie massgebliche Inhalte der Evolutionstheorie ignorieren. Evolution ist das Produkt unzähliger (nicht weniger) Chancen (nicht Zufälle). Ebenso suchen Kreationisten nach Lücken in der Evolutionstheorie. Finden sie nur einen einzigen „Missing Link“ in der Entstehungsgeschichte der verschiedenen Lebensformen, verwerfen sie die gesamte Theorie und setzen an deren Stelle die Schöpfungsgeschiche.
Das hat in meinen Augen nichts mit Vernunft/Verstand zu tun. Man nimmt einfach eine Sache als gegeben an, lässt diese Sache unangreifbar stehen und beseitigt somit unhinterfragt jeden Einwand daran. Ich kann eine solche Vorgehens- und Denkweise nicht wirklich ernst nehmen, zumal es auch keine Denkweise sondern vielmehr Abwehr ist.
Positiv überrascht in der reformierten Kirche
Ich muss gestehen, dass ich 2-3 Hochzeiten mit einem reformierten Pfarrer erlebt habe, die mich sehr positiv überraschten. Die Zeremonien waren nicht übermässig mit Gott, Jesus und dem heiligen Geist erfüllt. Stattdessen ging es um das Brautpaar. Der Pfarrer hatte sich jeweils sehr ausführlich mit der Vergangenheit und der geplanten Zukunft des Paars beschäftigt und brachte dies auf sinnvolle Weise in seine Texte mit ein. Nicht nur das Brautpaar selbst dürfte aus diesen Texten etwas Sinnvolles und Wichtiges für sich entnommen haben. Gleiches galt auch für mich selbst. Ich sah mich in vielem bestätigt, was ich selbst dachte und ebenso erhielt ich weitere Anstösse, die ich durchaus verwenden konnte. Alle Anwesenden feierten das Paar, freuten sich und klatschten. Danach verliessen wir alle positiv gestimmt und inspiriert die Kirche.
Diese Ereignisse standen so dermassen diametral zu allem, was ich bisher erlebt hatte. Ich freute mich, dass diese Anlässe so gelungen waren und ärgerte mich darüber, dass sie in all meinen Erfahrungen so selten waren und dass sie nicht genügend dazu beitragen konnten, dass ich mich in Kirchen so fehl am Platze fühlte.
Was fehlt mir?
Bei all den Erlebnissen ist die Frage weiter in mir herangereift, ob es für die eine Religion, die man nicht unterstützen möchte, zwingend einen Ersatz braucht. Muss dieser Platz unbedingt gefüllt werden, oder kann er auch leer bleiben? Und was bedeutet diese Leere wirklich? Ich bin ja kein Ungläubiger, nicht ohne Glaube, nicht ohne Hoffnung, nicht ohne Trost, nicht ohne Geborgenheit. Ich mag nicht erkennen, was mir fehlt.
Ich werde auch als konfessionsloser Mensch am Ende dieses Lebens nicht – bildlich gesprochen – am Flughafen stehen, um zu erkennen, dass auf mich kein Shuttle-Bus wartet, der mich zu meiner nächsten Station bringt. Auf jeden wartet dort ein Shuttle-Bus, ganz gleich welcher Religion er angehört und was er in seinem Leben getan hat.
Ich benötige auch keine Antworten dafür, warum ich existiere? Ich muss weder Gott noch einen Urknall, noch irgendetwas anderes genauer verstehen, um mich daran zu erfreuen, dass es mich gibt. So muss ich auch nicht wissen, wie ein Auto technisch exakt funktioniert … Hauptsache es fährt. Ich mag also nicht erkennen, was mir Religion geben könnte … ausser "Schuldgefühlen und ein paar Feiertagen" (gem. einem Sprichwort). Zynisch, aber doch ernst gemeint.
Ob ich mich heute für oder gegen eine Mitgliedschaft in einer Kirche entscheide, ist für keinen Gott relevant. Es ist lediglich für die selbsterkorenen, irdischen Vertreter relevant. Und sie sind es, von denen ich mich mit meinem Austritt abwende. Sie sind es, die mir am wenigsten fehlen werden.
Natürlich kann man sagen, dass die Kirche auch Wohltätiges tut und dass ich durch meine Abgaben diese Tätigkeit unterstütze. Nun, das habe ich mehr als zwei Jahrzehnte getan. Und ich bin sicher, dass in Abwesenheit der Kirche andere Organisationen diese Tätigkeiten wahrnehmen und nicht gleichzeitig religiöses Gedankengut transportieren.
Irrwege der Kirche
Ich mag zu dieser Organisation nur ungern Worte verlieren. Das meiste davon dürfte ohnehin jedermann bekannt sein. Um mich kurz zu fassen:
Die Kirche hat sich früher auf blutigstem Wege ausgebreitet und bereichert.
Auch heute herrschen in der Kirche an vielen Stellen mittelalterliche Ansichten vor. Die Stellung der Frau, das Zölibat, Verhütung, Homosexualität uvm.
Die Kirche erschüttert uns regelmässig mit Skandalen von pädophilen Kirchenvertretern, die sich an unseren jüngsten vergehen, von Kirchenvertretern, die sich persönlich bereichern und von solchen, die ihre Position dazu nutzen, unsägliche Botschaften zu verbreiten.
Das ist weit mehr als die einzelnen Verfehlungen, wie sie einem fehlerbehafteten Menschen entspringen können. Das ist Verfehlung auf Rezept. Das ist ein kompletter Irrweg und ich weigere mich, diesen zu beschreiten.
Unmoral der Bibel
Ich erwähnte, dass man seine Moral keinesfalls aus der Bibel ziehen kann, denn dann würde Mord, Völkermord, Versklavung, Vergewaltigung, Verstümmelung, Unterordnung der Frau und Grausamkeiten verschiedenster Art dazu gehören müssen. Ein solches Werk kann nicht die Basis unserer Ethik sein. So töten wir auch nicht unsere Kinder, wenn sie ungehorsam sind, oder steinigen unsere Frauen, wenn wir mit ihnen unzufrieden sind.
Ein solches Werk kann uns auch nicht ernsthaft als Tatsachenbericht verkauft werden. Eine ganz bestimmte Auswahl aus einer Vielzahl von Evangelien, die von zahlreichen Autoren Jahrzehnte nach gewissen Ereignissen geschrieben, abgeschrieben, umgeschrieben und übersetzt worden sind. Wir wissen nicht, was auf Legendenbildung basierte und was auf Beobachtung. Wir wissen nicht, ob Beobachtungen und Beschreibungen von gewissen Zielsetzungen beeinflusst waren. Wir wissen nicht, ob wir heute das darunter verstehen, was damals gemeint war und vor allem ob durch die Abschrift/Übersetzung nicht massgeblich bewusst oder unbewusst Aussagen verdreht worden sind.
Und so distanziert man sich denn auch mehr und mehr von Aussagen des alten Testaments. Man versucht grundsätzlich bei allen Inhalten den unzweifelhaften Tatsachencharakter solange hoch zu halten, bis zu viele plausible Gegenargumente zusammenkommen. Ab dann betont man den bildhaften/metaphorischen Charakter. Eine ziemlich fragwürdige Spaghetti-Taktik. Auf der anderen Seite gibt es immer noch sehr viele Bibel-Leser, welche die Bibel absolut wörtlich nehmen und z.B. sündhaften Menschen die Schuld am Tsunami 2004 oder den Überschwemmungen in New Orleans 2005 geben.
Aber vielleicht ist das halt so und der Mensch kann sich nicht schneller von einem Irrtum entfernen. Und so existiert eine Halbwertszeit der Irrtümer des Glaubens, die mit der Halbwertszeit bei radioaktiven Verstrahlungen vergleichbar ist. Und wohlgemerkt sicherlich nicht nur im christlichen Glauben.
Die wichtigste aller Fragen
Es gibt einen weiteren Grund dafür, dass ich aus der Kirche austreten möchte:
Wie wäre die Welt geworden ohne Kreuzritter, Inquisitoren, Hexenverfolgungen und –verbrennungen?
Wie wäre sie ohne Selbstmordattentäter, Ehrenmorde, Steinigungen?
Ohne Krieg zwischen Serben, Kroaten und Muslimen?
Ohne Krieg zwischen Israelis und Palästinensern?
Ohne den 11. September?
Ohne die Ankündigung von George W. Bush, Gott habe ihm mitgeteilt, er solle im Irak einmarschieren?
Ohne den Anschlag auf "Charlie Hebdo"?
Wie wäre die Welt ohne Religion?
Wenn so viele Probleme in den Ländern dieser Erde aus religiöser Motivation heraus geschaffen wurden bzw. weiterhin werden, dann müsste die Abwesenheit von Religion diese Probleme zum Versiegen bringen, wie eine Flamme, welcher der Sauerstoff ausgeht. Genau dazu werde ich nun beitragen.
Gruss, Marcel