Mein Kopf spielt mir Streiche...

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17.08.12
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Hallo zusammen

ich habe mich heute morgen erwischt: auf dem Tisch liegen zwei gleichgrosse Haufen mit Krimskrams (also Nastücher, Nuggi von meiner Tochter etc.) links und rechts vom Tisch. Ich suche meinen Lippenstift und werfe einen Blick auf beide Haufen. Ich sehe den Lippenstift links, und steure mit absoluter Überzeugung darauf zu. Ich ertaste ihn aber nicht. Er war auf der rechten Seite. Ich kam mir ein wenig verrückt vor.:confused: Es ist nicht das erste mal dass mir sowas passiert. Kann das wohl vom stress kommen?

Glg
 
Hallo Fabienne Libelle,

es wäre vielleicht hilfreich, wenn Du etwas mehr über Dich berichten könntest; hast Du irgendwelche gesundheitliche Probleme, wie sieht Dein Alltag aus bzw. hast Du häufig Stress etc.?

Liebe Grüße,
Malve:wave:
 
Hast Du denn links und rechts verwechselt, Fabienne L., und ist Dir d a s schon häufiger passiert?

Liebe Grüße

Gerd
 
Es ist mir schon auf eine andere Weise passiert. Zum beispiel sehe ich eine Freundin von mir, mit einem Fremden Mann rumknutschen, es stellte sich aber aus dass sie nur miteinander geredet haben. aber ich habe die Bilder ganz klar vor Augen, wie sie passiert sind. So wie heute morgen. aber ich habe nicht nur links und rechts verwechselt:eek:)
 
meine gesundheit ist ok. Ich habe die letzten 3 Monate jeden abend bis um Mitternacht gearbeitet (als Schauspielerin) und tagsüber auf meine Tochter (16 M.) geschaut. Plus 20% gearbeitet. Das war schon ein wenig stressig.
 
Hm, also schon richtige Wahrnehmungsstörungen, würde ich mal sagen. Hat das dann immer mit Sehen zu tun, oder auch schon mal mit anderen Sinnen?

Zum Sehen denke ich grade, z.B. beim Autofahren wäre es ja nicht so gut, Sachen zu sehen, die nicht da sind, oder vielleicht auch etwas n i c h t zu sehen, was aber tatsächlich da ist.

Ansonsten Phantasie und Vorstellungsvermögen sind für eine Schauspielerin sicher nicht schlecht, aber so? Hast Du's denn beim Spielen auch schon erlebt?

Grüße, Gerd
 
Hallo Fabienne,

als Schauspielerin kannst Du doch unmöglich erwarten, daß Du von uns prosaischem Fußvolk etwas über Dich erfährst. "Verrückt"? Natürlich bist Du ver-rückt - verglichen mit den Ordnungsvorstellungen von uns vermeintlichen Normalos (die wir doch Tag und Nacht spielen, ohne es zu merken, immer dieselbe Rolle und zwar in der Regel schlecht).

Ich war mal mit einer professionellen Schauspielerin liiert. Sie schien alles zu können. Sie konnte mich innerhalb weniger Minuten in einem total harmlosen Gespräch auf rätselhafte Weise in Panik versetzen. Sie nahm jede subtilste Nuance im Verhalten anderer wahr. Niemand konnte ihr irgendwas vormachen. Recht und links spielten keine Rolle (obwohl sie ihre Lippenstifte schon fand). Selbst Vergangenheit und Zukunft - wer sollte die auseinanderhalten? Haß und Liebe? Wunsch und Wirklichkeit? Es herrschte schon Ordnung - aber keine für mich durchschaubare. Sie war immer gegenwärtig - als die, die sie jeweils war. Aber wer war sie jeweils? Sie konnte mit kleinsten Rückungen jede Situation als urkomisch, als tragisch usw. erscheinen lassen. Wenn ich versuchte, mich in sie einzufühlen, erlebte ich Angst.

Sie hatte auch eine kleine Tochter. Zeitweilig nahm sie keine Engagements mehr an, weil sie fürchtete, sich selbst zu verlieren. Sie konnte völlig alltäglich sein, so schien es - aber auch dann mit irritierend direkter Leidens- und Genußfähigkeit, Anteilnahme und Distanz. Jedenfalls mit unglaublich ausgeprägtem Sinn für menschliche Echtheit und Sehnsucht nach dieser. Ich war ihr nicht gewachsen, in vielerlei Hinsicht nicht. Sie hatte weiten "Raum" um sich - was immer das sein mochte.

Lächerlich, an ihr irgendwas zu psychogisieren, medikalisieren, psychiatrisieren. Sie hätte zugehört - und natürlich sofort gemerkt, wie ausgedacht, aufgesetzt das war.

Sie war sehr einsam. Nein, nicht im geringsten kontaktgestört. Aber von wem fühlte sie sich wirklich verstanden? Ihr habt einen anderen Begriff von Realität. Da kann - nein: muß - schon einiges durcheinander geraten.

Falls Du jemals eine Psychotherapeutin brauchst (das kann ja sein, aber eher nicht wegen Seitenvertauschungen), dann such Dir eine, die selber gespielt hat, Deren gibt es einige. Sonst wird das nichts.

Mit großem Respekt (und Glückwünschen zu Deiner Tochter).
alles Liebe
Windpferd
 
PS: Zu Deinem Beispiel - Du siehst eine Freundin mit einem fremden Mann knutschen, und nachher stellt sich heraus, die Beiden haben sich bloß unterhalten.

Na und?

Wir haben die fixe Idee, daß es eine "objektive Realität" gebe, und wenn jemand etwas anderes sieht, dann ist da eben eine Illusion, eine Störung, eine Halluzination, eine stellvertretende Triebbefriedigung usw. Was sie Psychos sich so ausdenken.

Die "objektive Realität", klar, die sucht Wissenschaft herauszufinden. Davon halt ich sehr viel.

Aber hier geht es doch um's "echte Leben". Es gibt nicht nur die wissenschaftliche Wahrheit - z.B. auch künstlerische, religiöse usw. Auf dem Theater schieben sich doch Bilder ineinander, die, isoliert betrachtet, einander widersprechen. Oder die anscheinend selbe Darstellerin manifestiert auf ganz unterschiedliche Weise. "Ich probiere Geschichten an wie Kleider", heißt es bei Max Frisch ("Gantenbein"). Oder es wird derselbe Abschnitt von Leben aus der Perspektive verschiedener Erlebender erzählt (in "Stiller" etwa) - kaum wiederzuerkennen. Es gibt nicht "dieselben" Ereignisse.

Das ist vielleicht beängstigend. Aber es ist wohl die Wirklichkeit. Die Psychologisiererei ist ein hilfloser Versuch, hier einen festen Halt zu finden - den es nicht gibt. Und ist die Vielfalt der Erscheinungen, ihre Widersprüchlichkeit, nicht auch ein Ursprung von Spielfreude? Ja: der Möglichkeit des Spielens überhaupt?

Wie retten sich denn die SchauspielerInnen? Kürzlich las ich den Briefwechsel von Gertrud Eysoldt und Hugo von Hofmannsthal ("Der Sturm Elektra"; er hatte für sie "Elektra" geschrieben, was ein Meilenstein der Theatergeschichte war.) Sie, eine der großen Schauspielerinnen ihrer Zeit, von grenzenlosen Wandlungsfähigkeit und Leidenschaft, inmitten einer Vielfalt von Menschen, Rollen, Gefühlen: das Rettende scheinen Durchlässigkeit zu sein und direkte - ungemein differenzierte, nuancenreiche - Kommunikation mit allen zu sein. Mit sehr viel Takt und Zurückhaltung (die gerade Hofmannsthal brauchte). Und mit Treue in den unterschiedlichsten Verbindungen. Mit einer Fähigkeit, das begrifflich nicht Faßbare zu achten, dasein - ja: wachsen - zu lassen.

Am I making any sense?

Herzlich
Windpferd
 
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