Erzählgedichte - Balladen

Adelbert von Chamisso (1781-1838)

Der Gemsenjäger und die Sennerin
1828
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Nimm mich verirrten Jäger,
Du gute Sennerin, auf!
Es lockte mich über die Gletscher
Die Gemse mit flüchtigem Lauf.

Bin fremd auf dieser Alpe,
Verlassen für und für;
In rauher Nacht verschließe
Nicht hart mir deine Tür! -

"Muß, Jäger, wohl sie verschließen,
Ich bin ja ganz allein;
Gar eng ist meine Hütte,
Für dich kein Lager darein." -

Nur Schutz an deinem Herde,
Ein Lager begehr' ich nicht;
Ich scheide, sobald die Gletscher
Sich färben mit rötlichem Licht. -

"Und wenn ich ein dich ließe . . .
O Jäger, laß mich in Ruh'!
Nachrede gäb's und Geschichten;
Was sagte der Hirt dazu? -"

Der Hirt soll nicht mich hören,
Das, Gute, versprech' ich dir:
Ich halte mich friedlich und stille;
Befürchte doch nichts von mir! -

"Und willst du dich halten, o Jäger,
Ein stiller und friedlicher Gast,
So werd' ich herein dich lassen;
Die Nacht ist zu grausig doch fast."

Sie öffnete leise die Türe
Und ließ den Jäger herein;
Es loderte gastlich vom Herde
Die Flamme mit freundlichem Schein.

Und bei dem Scheine sahen
Die beiden sich staunend an. -
Die Nacht ist ihnen vergangen;
Der Morgen zu dämmern begann.

"Wie ließ ich dich ein, o Jäger,
Ich weiß nicht, wie es kam;
Nun rötet der Morgen die Gletscher
Und meine Wangen die Scham.

"O lieber, lieber Jäger,
So schnell vergangen die Nacht!
Auf, auf! du mußt nun scheiden,
Bevor der Hirt noch erwacht." -

Und muß für heut ich scheiden,
So bleibe du Gute, mir hold;
Hast keinen Grund, zu weinen,
Nimm diesen Ring von Gold!

Ein Haus, das mir gehöret,
Dort drüben im anderen Tal,
Mein Stutzen, auf Gletscher und Felsen
Die flüchtigen Gemsen zumal:

Ich kann dich ehrlich ernähren,
Du liebe Sennerin mein;
Und steiget zu Tal der Winter,
Soll unsere Hochzeit sein.
 
Nehmt Abschied, Brüder

Melodie - "Auld lang syne," Schottisch

Claus Ludwig Laue, 1946

1. Nehmt Abschied, Brüder, ungewiß
Ist alle Wiederkehr,
Die Zukunft liegt in Finsternis
Und macht das Herz uns schwer.

Refrain:
Der Himmel wölbt sich übers Land,
Ade, auf Wiedersehn!
Wir ruhen all in Gottes Hand,
Lebt wohl auf Wiedersehn.
2. Die Sonne sinkt, es steigt die Nacht,
Vergangen ist der Tag.
Die Welt schläft ein, und leis erwacht
Der Nachtigallen Schlag.
Refrain:

3. So ist in jedem Anbeginn
Das Ende nicht mehr weit.
Wir kommen her und gehen hin
Und mit uns geht die Zeit.
Refrain:

4. Nehmt Abschied Brüder schließt den Kreis,
Das Leben ist ein Spiel.
Nur wer es recht zu Leben weiß,
Gelangt ans große Ziel.


Auld Lang Syne ist ursprünglich ein unermesslich langer, sich stets verändernder Gesang der Hochland - Clans in Schottland gewesen. Weit über dreihundert Strophen wurden gesammelt, in denen vor allem über die Kämpfe gegen die Engländer berichtet wird.

Bekannt ist die heutige Version von Robert Burns Robert Burns - Wikipedia aus dem 18. Jahrhundert:


Should auld acquaintance be forgot
And never brought to mind?
Should auld acquaintance be forgot
And days of auld lang syne?

Ref: For auld lang syne, my dear
For auld lang syne
We'll tak a cup o'kindness yet
For auld lang syne

We twa hae run about the braes
And pu'd the gowans fine
But we've wander'd mony a weary foot
Sin' auld lang syne.

We twa hae paidled i' the burn
From morning sun till dine
But seas between us braid hae roar'd
Sin' auld lang syne.

And there's a hand, my trusty feire
And gie's a hand o' thine
And we'll tak a right gude-willie waught
For auld lang syne.

And surely ye'll be your pint-stowp
And surely I'll be mine
And we'll tak a cup o'kindness yet
For auld lang syne.
 
Dieses Lied hat mich immer schon traurig gemacht, aber wir haben es natürlich auch immer bei Abschieden gesungen.
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Hier gibt es auf diese Melodie noch einen Text:

Berliner Liederkiste
Berliner Liederkiste
 
Der Mordknecht auf der Wartburg

Die Wartburg ruht im Dunkel,
der Bergwald stöhnt im Sturm,
nur eines Licht's Gefunkel
glimmt matt im Frauenturm;
dort flieht der süße Schlummer
zwei Augen, trüberwacht,
dort nagt der bittre Kummer
ein Herz in stiller Mitternacht.

Das ist Frau Margarete,
Graf Albrechts fromm Gemahl,
sie kniet noch im Gebete
in tiefer Seelenqual;
der solch Juwel zerschlagen,
solch edlen Schatz verkannt,
der wird seit alten Tagen
wohl "der Unartige" genannt.

Ihr hoher Seelenadel,
ihr Hohenstaufenblut,
die Schönheit sonder Tadel,
drei Kindlein hold und gut,
der keines rührt die Sinne
dem ungetreuen Mann,
den eine wilde Minne
mit Zaubernetzen ganz umspann.

Die schöne Kunigunde,
das Fräulein Isenberg,
lockt ihn zu bösem Bunde
durch teuflisch Zauberwerk;
sie mag nicht Ruhe geben,
bis daß ihr Werk vollbracht:
es geht dir an dein Leben,
hüt, arme Frau, dich heute nacht!

Sie hüllt sich keusch in Decken,
sie schloß die Augen kaum,
da fährt in jähem Schrecken
sie auf aus bangem Traum,
ihr Herz schlägt wie ein Hammer,
sie sieht sich grausend um;
Weh! mitten in der Kammer
da steht ein Mörder bleich und stumm.

Doch plötzlich rührt ein Grauen
des Knechtes rohen Sinn,
vor seiner edlen Frauen
in Tränen sinkt er hin:
"Ich kann es nicht vollbringen,
Ihr seid zu tugendreich!
mich ließ der Landgraf dingen,
man helft vom Tode mir und Euch!"

Da sprach sie: "Schleich verstohlen
dich in den Ritterbau,
geh' meinen Kämmrer holen
mir schwerverratnen Frau."
Sie weckt die treuen Frauen,
da hält man weinend Rat:
"Ihr müßt vor Morgengrauen
weit weg von hier auf sichrem Pfad!"

Sie läßt sich zitternd kleiden
in rauhes Reis'gewand,
sie rafft von Brautgeschmeiden
ihr Bestes rasch zur Hand;
sie weiß vor Angst und Grämen
kaum selber, was sie tut,
darf doch nicht mit sich nehmen
den besten Schatz, ihr liebstes Gut.

Sie tritt mit schwanker Kerze
ins nahe Schlafklosett
und steht im stummen Schmerze
an ihrer Kindlein Bett;
da liegen sie verschlungen
auf einem Schlummerpfühl,
drei blühendschöne Jungen,
drei Rosen gleich an einem Stiel.

Sie schlingt die Mutterarme
um Dietz mit heißem Schmerz,
sie preßt in herbem Harme
den holden Heinz ans Herz,
doch da sie nun zum dritten,
zum süßen Friedrich kam,
da zuckt ihr Herz, durchschnitten
von unaussprechlich bittrem Gram.

Sie hebt vom Schlummerkissen
ihn weinend in die Höh,
erstickt ihn schier mit Küssen,
dem Kindlein ward so weh,
drückt lange, lange, lange
ihn an den heißen Mund
und beißt im Liebesdrange
des Knaben weiche Wange wund.

Lang blutet ihm die Wange,
doch länger ihr das Herz,
das blutet fort so lange,
bis daß es brach vor Schmerz.
Wohl von der Wartburg Mauer
half ihr das Rettungsseil,
doch von des Abschieds Trauer
ihr Mutterherz ward nimmer heil.

Zu Frankfurt an dem Meine,
im stillen Klosterhaus,
ruht unterm Leichensteine
die Schmerzensreiche aus.
Dort kniete oft und lange
ein Degen ritterlich:
Mit der gebißnen Wange
ihr bester Sohn, Graf Friederich.

(Karl Gerok, 1815-1890)
 
Der Tankerkönig

Hannes Wader


(talking blues)

Es war an einem Morgen im Frühjahr, als ich meinen ersten Anfall
bekam. Ich hatte so ein bißchen über mich und das Leben nachgedacht,
als mir plötzlich speiübel davon wurde, und irgendwas drückte mir den
Hals so zu, daß ich dachte, ich müßte ersticken. Ich stürzte auf die
Straße, schnappte wie ein Irrer nach Luft, aber es kam noch viel
schlimmer. Mir wurde schwindelig, ich drehte mich zehnmal um mich
selbst und dachte, alle Leute zeigten mit den Fingern auf mich, bis
ich dann merkte, daß ich gar nichts an hatte.

Ich rannte und rannte, fand dann irgendein offenes Parterrefenster,
kletterte rein und verkroch mich, zitternd vor Angst und Kälte, in
irgendeine Ecke.

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich merkte, daß ich mich in einem
Trödelladen befand. Der ganze Raum hing voll mit alten Klamotten, und
ich zog mir sofort eine Pluderhose, Stulpenstiefel und ein Kettenhemd
an, hängte mir noch 'ne alte Armbrust über die Schulter und fühlte
mich augenblicklich wieder gelassen und unangreifbar.

Ich marschierte über die Straße und stand dann plötzlich vor dem
Personaleingang des Kaufhauses, wo ich bis dahin die
Papierverbrennungsanlage bedient hatte. Als ich das sah, wurde mir
schlecht vor Wut, ich rannte den Pförtner über den Haufen, riß
sämtliche Telefonkabel ab, brach die Stempeluhr aus der Wand und tobte
weiter in die Verkaufsräume.

Als ich in die Spielwarenabteilung kam, stand der erste Verkäufer
wieder mal, von einem Stützpfeiler halb verborgen, auf 'ner Leiter, um
die Kinder beim Klauen besser erwischen zu können. Die liefert er dann
immer der Geschäftsleitung aus und kassierte 'ne dicke Prämie pro
Nase. Sein dreckiges Grinsen, als er mich sah, brachte mich so auf,
daß ich, ohne zu zielen, meine Armbrust auf ihn abdrückte, und der
Bolzen fuhr ihm dicht am Hals vorbei durch den Anzugkragen und nagelte
ihn am Pfeiler fest. Ich trat die Leiter unter ihm weg und ließ ihn da
hängen wie 'n Schluck Wasser, und während er zappelte und schrie,
schmiß ich eine Stellage nach der anderen um und verteilte das
Spielzeug unter die Kinder. Und mitten im größten Tumult tauchte der
Chef des Hauses auf und zischte mich an: "Was machen Sie denn da?
Sofort kommen Sie mit in mein Büro, Sie Idiot!" Ich spannte nur meine
Armbrust und sagte: "Leck mich doch am Arsch, du Motherfucker! Hände
hoch und vorwärts!" Er sah den Verkäufer am Pfeiler baumeln und wurde
leichenblaß. Ich schubste ihn in den Lastenfahrstuhl, ohne daß die
Kunden deswegen stutzig wurden, die das Ganze für eine Werbeaktion
hielten, fuhr mit ihm in den Keller runter in die Papierverbrennung,
gab ihm einen Tritt, und er flog durch das riesige Ofenloch mitten ins
Feuer, und als draußen die Polizeisirenen heulten, war schon nichts
mehr von ihm übrig.

Ich rannte nach draußen, warf die Armbrust weg, schwang mich auf ein
herrenloses Damenfahrrad und jagte quer durch die City zum
Ortsausgang. Und nach einer Stunde Fahrt fiel ich halbtot vor
Erschöpfung vom Rad und schlief unter einem Gebüsch ein.

Am nächsten Morgen war's eisig kalt, und mit der Kälte kam die Angst.
Ich hatte eine Führungskraft umgebracht, jetzt würde man mich überall
suchen und hetzen. Und in meiner Panik wühlte ich mich immer tiefer
und tiefer in den Wald und gegen Mittag fand ich einen verlassenen
Luftschutzbunker. Die Tür war offen und in einer Ecke lag eine
Maschinenpistole, in Ölpapier gewickelt, und eine Kiste Munition.

Ich setzte die Waffe zusammen, sie funktionierte, und ich fühlte mich
sofort wieder unbesiegbar. Ich beschloß, mich im Bunker einzurichten
und mir gleich Vorräte zu beschaffen, um in der Illegalität überleben
zu können. Und noch am selben Tag knackte ich drei Banken. Ich zwängte
mich jedesmal mit dem Fahrrad durch die Tür, drehte eine Runde im
Schalterraum, feuerte mit der MP in die Decke, daß der Kalk nur so
spritzte, und schrie: "Ich bin der Rattenfänger von Hameln. Wo sind
hier die Mäuse?" Und als ich auf diese Weise 100.000 Mark zusammen
hatte, ging ich noch schnell im Supermarkt einkaufen und erreichte
dann auf Schleichwegen wieder meinen Bunker.

Ich blieb solange unsichtbar, bis keine Zeitungsmeldungen mehr über
mich erschienen, beschaffte mir dann so nach und nach alles, was ich
brauchte, und verlebte ein paar sehr ruhige Monate. Ich pflanzte Hanf
im Blumenpott, rauchte ab und zu einen Joint und schaukelte bei
sonnigem Wetter in meiner Hängematte und hörte, die MP auf dem Bauch,
die Hit-Parade im Kofferradio und war glücklich, aber wie alle
glücklichen Leute nach 'ner Weile schon nahe am Verblöden. Und um dem
entgegenzuwirken, schrieb ich zentnerweise Leserbriefe und badete ab
und zu in einem eingezäunten See, der in der Nähe lag, und der dem
Tankerkönig gehörte.

Eines Mittags also, ich saß da ganz ruhig mit meiner MP im Wasser,
stand da plötzlich einer vor mir in Hemdsärmeln, grüner Schürze,
Strohhut, Spaten über der Schulter und meinte, das wäre
Privateigentum, wo wir denn hinkämen, wenn das alle machen würden. Ich
sagte: "Ja, wenn das alle machen würden, dann wäre der Tankerkönig
bald weg vom Fenster mit Blick auf den See!" Ich fragte ihn, ob er's
denn nötig hätte, als Gärtner für den Tankerkönig den Büttel zu
machen. Meint er doch: "Ich bin nicht der Gärtner, ich bin der
Tankerkönig." Ich sagte: "Das ist doch nicht zu fassen! Den Gärtner
entlassen, die Dahlien selber begießen, und das Geld für sich arbeiten
lassen, damit ist jetzt Schluß!"

Ich wollte sofort abdrücken, brachte es aber doch nicht fertig und
statt dessen zwang ich ihn, einen Joint zu rauchen so groß wie 'n
Ofenrohr. Ich sagte: "So, und jetzt will ich mal seh'n, wie
Milliardäre so leben." Wir gingen die paar hundert Meter bis zu seiner
Villa, und als wir ankamen, war er schon so high wie'n Weltmeister. Er
taumelte vor mir her in eine riesige Diele auf die erlesene Sitzecke
zu, wo die Tankerkönigin saß und döste, so'n Hündchen im Arm mit
blauer Schleife und rosa Arschloch, und sie murmelte, ohne die Augen
zu öffnen: "Rudi, bist du's? Denk dir, Ari Onassis hat uns eingeladen
zur Safari." Der Tankerkönig glotzte seine Frau erst an, als wenn er
gar nichts begriffen hätte, fing dann an, um sie rumzutanzen und äffte
ihre Stimme nach: "Mit Ari auf Safari". Die Tankerkönigin riß die
Augen auf, sah uns und flüchtete kreischend die Treppe rauf. Der
Tankerkönig angelte sich die antike Streitaxt von der Wand und "Ari
Safari" hinterher.

Ich dachte, das Schauspiel guckst du dir von draußen an. Ich setzte
mich in die Hollywood-Schaukel, und da sah ich auch schon den
Tankerkönig aus der Dachluke kriechen, die blutige Axt in der Hand
breitete er die Arme aus, sprang und landete - klatsch - direkt vor
meinen Füßen.

Ich ging erst mal zurück zum Bunker und legte mich schlafen. Am
nächsten Morgen hörte ich dann die Nachrichten. Die halbe Welt stand
Kopf. Es war auch von mir die Rede. Die Tankerkönigin hatte ausgesagt.
Ihr Mann hatte mit seiner Axt nicht sie, sondern nur das Hündchen
erschlagen, und man sprach von einer wirtschaftspolitischen
Katastrophe, die der Tod des Tankerkönigs ausgelöst hätte. Und weiter
hieß es, die gesamte Landespolizei und eine Bundeswehreinheit
beteiligte sich mit Suchhunden, Peilgeräten, Hubschraubern und Panzern
an der Fahndung nach dem geisteskranken Mörder mit dem Kettenhemd und
den Stulpenstiefeln.

Mir wurde ganz mulmig zumute, und ich verrammelte die Bunkertür hinter
mir und traute mich wochenlang nicht mehr raus. Nach 'ner Weile fühlte
ich mich so elend und einsam, daß ich schon anfing, mit mir selbst zu
reden. Ich brauchte unbedingt einen Menschen, mit dem ich sprechen
konnte, aber einen, der das mit dem Tankerkönig auch verstehen würde,
und ich kannte keinen. Aber dann hatte ich die Idee. Wenn schon kein
Lebender da war, warum sollte ich dann nicht mit einem Toten reden?
Also schlich ich mich gegen Mitternacht aus dem Wald in den nächsten
Ort, ich kannte da ein Haus, in dem regelmäßig spiritistische
Sitzungen stattfanden. Und ich hatte auch Glück: Die Sitzung war schon
in vollem Gange. Ich stieß die Tür mit dem Fuß auf, die MP in der
Hand, und rief: "Nur keine Panik, meine Herrschaften, und Hände auf
den Tisch!" Aber kaum hatten die die Hände auf der Platte, fing der
Tisch an zu wackeln, hob sich wie von selbst und schwebte dann ein'
Meter überm Fußboden. Ich sagte: "Kinder macht doch keinen Quatsch,
Hände hoch über'n Kopf!" Sofort flogen die Hände in die Luft, und der
Tisch krachte wieder auf den Boden. Ich sagte: "So, wer von euch ist
hier der Oberdruide? Macht mir mal 'ne Verbindung mit CHE GUEVARA, ich
will jetzt endlich mal mit einem vernünftigen Menschen reden!" Erst
wußten die gar nicht so richtig, wen ich da meinte, gaben sich dann
aber sehr viel Mühe, und endlich knackte es in der Leitung, und ich
hörte Che Guevaras Stimme: "Was wollt ihr von mir?" Ich sagte, wer ich
war, und was ich angerichtet hatte, und daß ich einen Rat brauchte.
Und die Stimme fragte mich etwas ärgerlich, was das denn sollte, und
ob ich denn noch nie was von organisiertem Klassenkampf gehört hätte.
Ich sagte: "Nee, hätt' ich nicht." Die Stimme schwieg einen Augenblick
und sprach dann wesentlich freundlicher und tröstender weiter, da wäre
mir nur sehr schwer zu helfen, ich wäre krank und ich sollte am besten
mal zum Psychoanalytiker gehen.

Total deprimiert kroch ich zurück zum Bunker, als ich schon von weitem
die Blechbüchsen klappern hörte, die an dem Alarmdraht hingen, den ich
um mein Versteck gespannt hatte. Vor Schreck an allen Gliedern
zitternd, ging ich dann hin und sah einen VW da stehen mit einem
nackten Pärchen auf dem Vordersitz. Die Stoßstange hatte sich in der
Alarmleitung verhakt, so daß die Blechbüchsen unausgesetzt
schepperten. Ich war so empört, daß ich dem Kerl die MP in den Rücken
bohrte und ihn anschrie: "Sofort aufhören! Das ist doch 'ne
Schweinerei! Weit und breit die unberührteste Natur, und Sie machen
hier solche Verrenkungen in Ihrer stinkigen Kiste, aber sofort raus in
die Glockenblumen!" Der arme Mann jammerte mir die Ohren voll: "Warum
haben Sie uns so erschreckt? Meine Bekannte hat 'n Krampf, und jetzt
hängen wir fest." Das hatte mir gerade noch gefehlt! Wir berieten erst
mal 'ne Weile darüber, was wir da machen könnten, und daß es das Beste
wäre, der Braut mit 'ner Nadel in den Schenkel zu stechen - so als
Gegenschock, aber natürlich hatte keiner ne Nadel dabei. Mir dauerte
das alles zu lange, ich sagte: "Schluß jetzt! Wenn ihr die Nadel haben
wollt, dann müßt ihr schon die hundert Meter bis zum Nähkästchen
robben!"

Die Operation gelang dann auch, und erst als die beiden den Bunker
wieder verlassen hatten, wußte ich, daß ich einen furchtbaren Fehler
begangen hatte.
https://www.symptome.ch/threads/hannes-wader.8311/#post-85938
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Das ist ja eine "schöne" Geschichte, Leon. Vielen Dank!
+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++

Diese Erzählung von Wolf Biermann ist eigentlich schon total "out" und für die, die nach der Wende immer freien Zugang von Ost nach West hatten und andersherum kaum mehr verständlich. Trotzdem:

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Bahnhof Friedrichstraße: Vom 'Tränenpalast' zum Einkaufsparadies - stern.de


1.
Da, wo die Friedrichstrasse sacht
Den Schritt über das Wasser macht
da hangt über der Spree
Die Weidendammerbracke. Schan
Kannst du da Preuaens Adler sehn
wenn ich am Gelander steh

dann steht da der preuaische Ikarus
mit grauen Flageln aus Eisengua
dem tun seine Arme so weh
er fliegt nicht weg - er starzt nicht ab
macht keinen Wind - und macht nicht schlapp
am Gelander aber der Spree

2.
Der Stacheldraht wachst langsam ein
Tief in die Haut, in Brust und Bein
ins Hirn, in graue Zelln
Umgartet mit dem Drahtverband
Ist unser Land ein Inselland
umbrandet von bleiernen Welln

da steht der preuaische Ikarus
mit grauen Flageln aus Eisengua
dem tun seine Arme so weh
er fliegt nicht hoch - und er starzt nicht ab
macht keinen Wind - und macht nicht schlapp
am Gelander aber der Spree

3.
Und wenn du wegwillst, muat du gehen
Ich hab schon viele abhaun sehn
aus unserm halben Land
Ich halt mich fest hier; bis mich kalt
Dieser verhaate Vogel krallt
und zerrt mich abern Rand

dann bin ich der preuaische Ikarus
mit grauen Flageln aus Eisengua
dann tun mir die Arme so weh
dann flieg ich hoch - dann starz ich ab
mach biachen Wind - dann mach ich schlapp
am Gelander aber der Spree

Wolf Biermann - BALLADE VOM PREUßISCHEN IKARUS LYRICS

(Der Text hat zu viele A's, aber ich lasse das jetztmal so. Vieleicht ist das ja gewollt?)
 
Zuletzt bearbeitet:
In einer Sammlung "junger" Balladen darf meines Erachtens der "Willy" nicht fehlen!


Willy

von Constantin Wecker

Mei, Willy, jetz wo i di so doliegn sich, so weit weg hinter dera Glasscheibn, genau oa Lebn zweit weg, da denk i ma doch, es hat wohl so kumma müaßn, i glaub oiwei, du hast as so wolln, Willy.

Ogfanga hat des ja alles 68, woaßt as no: Alle zwoa san ma mitglaffa für die Freiheit und fürn Friedn, mit große Augn, und plärrt habn ma: Bürger laßt das Glotzen sein, kommt herunter, reiht euch ein! Und du warst halt immer oan Dreh weiter wia mir, immer a bisserl wuider und a bisserl ehrlicher.

Mia habns eana zoagn wolln, Willy, und du hast ma damals scho gsagt: Freiheit, Wecker, Freiheit hoaßt koa Angst habn, vor neamands, aber san ma doch ehrlich, a bisserl a laus Gfühl habn ma doch damals scho ghabt, wega de ganzen Glätzen, die einfach mitglaffa san, weils aufgeht, wega de Sonntagnachmittagrevoluzzer: d´Freindin fotzen, wenns an andern oschaugt, aber über de bürgerliche Moral herziagn! Die gleichn, Willy, die jetzt ganz brav as Mei haltn, weils eana sonst naß nei geht! Und du hast damals scho gsagt, lang halt des ned, da is zvui Mode dabei, wenn scho die Schickeria ihrn Porsche gegan 2 CV umtauscht, dann muaß was faul sei an der großen Revolution, mitlaffa ohne Denken ko heut nia guat sei, aa ned für a guate Sach.

Gestern habns an Willy daschlogn,
und heit, und heit, und heit werd a begrobn.

Dann hast plötzlich mim Schlucka ogfanga, und i glaub, a bisserl aufgebn hast damals scho. I versteh di, des is ja koa Wunder, wenn man bedenkt, was alles wordn is aus de großen Kämpfer. Heit denkas ja scho mit 17 an ihr Rente, und de Madln schütteln weise an Kopf, wenn d´Muater iam Mo as Zeig hischmeißt und sagt, mach doch dein Krampf alloa, i möcht lebn, trotzdem, Willy, ma muaß weiterkämpfen, kämpfen bis zum Umfalln, a wenn die ganze Welt an Arsch offen hat, oder grad deswegn.

Und irgendwann hast dann ogfanga, die echten Leit zum suacha, de wo ned dauernd "Ja Herr Lehrer!" sagn, hinten in dene Kneipn am Viktualienmarkt und am Bahnhofseck. Echter san de scho, Willy, aber i hab di gwarnt, aufpassen muaßt bei dene, weil des san Gschlagene, und wer dauernd treten werd, der tritt halt aa amoi zruck, aber du hast koa Angst ghabt, i kenn di doch, mia duad koana was, mei, Willy, du dummer Hund du, jetzt sickst as ja, wia da koana was duad.

Gestern habns an Willy daschlogn,
und heit, und heit, und heit werd a begrobn.

Sakrament, Willy! Warst gestern bloß aufm Mond gwesen oder aufm Amazonas in am Einbaum oder ganz alloa aufm Gipfel, drei Schritt vom Himme weg, überall, bloß ned in dera unselign Boazn!

I hab in da Früah no gsagt, fahrn ma raus, as Wetter is so glasig, die Berg san so nah, schwänz ma a paar Tag, wia damals in da Herrnschui, an Schlafsack und die Welt in der Taschn, aber du hast scho wiederamoi oan sitzn ghabt in aller Früah, und am Abnd hast as dann wiedar amoi zoagn müaßn, daßd doch no oana bist.

Am Anfang wars ja no ganz gmüatlich. Und natürlich habn ma den alten Schmarrn wieder aufgwärmt, wieder amoi umanandgstritten, wer jetz eigentlich mim Lehrer Huber seiner Frau poussiert hat am Faschingsball, sentimental san ma gwordn, so richtig schee wars, bis der Depp an unsern Tisch kumma is mit seim Dreikantschlüsselkopf, kloa, schwammig und braun. Und dann hat a uns gfragt, ob ma beim Bund gwesen san, na ja, des habn ma ja noch ganz lustig gfunden, und daß a so froh wär, daß jetzt wieder Ordnung kummt in die rote Staatssauce, und die Jugend werd ja aa wieder ganz vernünftig, und die Bayern wissens as eh scho lang, wos lang geht politisch, Willy, i hab gnau gwußt, des haltst du ned lang aus, und dann hat a plötzlich as Singa ogfanga, so was vom Horst Wessel. Hinten an de andern Tisch habns scho leise mitgsummt, und dei Birn is ogschwolln, und plötzlich springst auf und plärrst:

Halts Mei, Faschist!

Stad wars, knistert hats. Die Luft war wiara Wand. Zum Festhalten. Da hätt ma no geh kenna, Willy, aber na, i verstehs ja, du hast bleibn muäßn, und dann is losganga an de andern Tisch: Geh doch in d´Sowjetunion, Kommunist! Freili, Willy, da muaß ma narrisch werdn, wenns scho wieder soweit is, aber trotzdem, laßn geh, hab i gsagt, der schad doch neamands mehr, der oide Depp, nix, hast gsagt, alle schadens, de oiden und de junga Deppen, und dann hat der am Nebentisch plötzlich sei Glasl daschlogn, ganz ruhig, und is aufgstanden, Willy, du dumme Sau, i hab di bei da Joppen packt und wollt di rausziagn, obwohl i´s scho nimmer glaubt hab, und du hast di losgrissen: Freiheit, des hoaßt koa Angst habn vor neamands, und bist auf ean zua und nacha hat a halt auszogn... Willy, Willy, warn ma bloß weggfahrn in da Früah, i hätt di doch no braucht, wir alle brauchen doch solche, wia du oana bist!

Gestern habns an Willy daschlogn,
und heit, und heit, und heit werd a begrobn.

www.wecker.de/cgi-bin/cgi_lieder1?id=71&ok
 
I LOVE MY JOB

I love my job.
I love the pay.
I love it more and more each day.
I love my boss,
he is the best!
I love his boss and all the rest.

I love my office and its location.
I hate to have to go on vacation.
I love my furniture, drab and grey,
and piles of paper that grow each day.
I think my job is really swell,
there`s nothing else I love so well.

I love to work among my peers,
I love their leers and jeers and sneers.
I love my computer and its software;
I hug it often though it won`t care.
I love each program and every file,
I`d love them more if they worked a while.

I`m happy to be here. I am. I am.
I`m the happiest slave of the firm, I am.
I love this work.
I love these chores.
I love the meetings with deadly bores.
I love my job - I`ll say it again - I even love those friendly men.
Those friendly men who`ve come today, in clean white coats to take me away!!!!

Dr. Seuss
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi Leòn

Unsere Beiträge haben sich wohl gekreuzt. Leider passt meiner gar nicht im Anschluss an Deinen. Sorry!!

Ich wollte die ernsten Texte ein wenig auflockern.....

Grüsse
Kathy
 
Hallo Kathy,

danke für Deinen Beitrag! - Ich finde, das macht gar nichts. Dass es inhaltliche, und stilistische Brüche gibt, liegt sicher in der Natur der Sache!

Herzliche Grüße von
Leòn
 
My Luve is Like a Red, Red Rose

O, my luve is like a red, red rose,
That's newly sprung in June:
O, my love is like the melodie,
That's sweetly play'd in tune.

As fair art thou, my bonnie lass,
So deep in luve am I
And I will luve thee still, my dear,
Till a' the seas gang dry.

Till a' the seas gang dry, my dear,
And the rocks melt wi' the sun!
And I will luve thee still, my dear,
While the sands o' life shall run.

And fare thee weel, my only luve,
And fare thee weel a while!
And I will come again, my luve
Tho' 'twere ten thousand mile!

Meaning of unusual words:
gang=go
Traditional Scottish Songs - My Luve is Like a Red, Red Rose
 
Bauernaufstand

Die Glocken stürmten vom Bernwardsturm 1),
der Regen durchrauschte die Straßen,
und durch die Glocken und durch den Sturm
gellte des Urhorns Blasen.

Das Büffelhorn, das lange geruht,
Veit Stoßperg nahm's aus der Lade,
das alte Horn, es brüllte nach Blut
und wimmerte: "Gott genade!"

Ja, gnade dir Gott, du Ritterschaft!
Der Bauer stund auf im Lande,
und tausendjährige Bauernkraft
macht Schild und Schärpe zu Schande!

Die Klingsburg hoch am Berge lag,
sie zogen hinauf in Waffen,
auframmte der Schmied mit einem Schlag
das Tor, das er fronend geschaffen.

Dem Ritter fuhr ein Schlag ins Gesicht
und ein Spaten zwischen die Rippen -
er brachte das Schwert aus der Scheide nicht,
und nicht den Fluch von den Lippen.

Aufrauschte die Flamme mit aller Kraft,
brach Balken, Bogen und Bande -
ja, gnade dir Gott, du Ritterschaft:
Der Bauer stund auf im Lande!

Börries von Münchhausen
Münchhausen, Börries Freiherr von | MDR.DE

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Die Leuchttürme :D

von Charles Baudelaire

Rubens, der Trägheit Garten, des Vergessens Bronnen,
Ein Lager blüh'nden Fleisches, der Liebe leer,
Doch so von Leben und von Glut durchronnen
Wie von der Luft das All, das Meer vom Meer.

Leonard da Vinci Spiegel tief und dunkel,
Wo Engel lächeln süss und rätselschwer
Aus Fichtenschatten, grünem Eisgefunkel
Von ihrer Heimat Gletschergipfeln her.

Rembrandt, das Haus der Traurigen und Kranken,
Von einem hohen Kruzifix erhellt,
Gebete, Seufzer überm Unrat schwanken,
Ein kalter Schimmer jäh ins Dunkel fällt.

Buonarroti, fern, wo Riesenschatten schweben,
Wo Herkules mit Christus sich verband,
Gespenster steil aus ihrer Gruft sich heben,
Mit starrem Finger fetzend ihr Gewand.

Der in des Pöbels Wut, des Fauns Erfrechen,
Der Schönheit fand selbst in der Schurken Reich,
Puget, du grosses Herz voll Stolz und Schwächen,
Der Sklaven König, kummervoll und bleich.

Watteau, ein Fest, wo Herzen leuchtend irren,
Den Schmetterlingen gleich, ein Faschingsball,
Lieblicher Zierat, Glanz und Lichter schwirren
Und Tollheit wirbelnd durch den Karneval.

Goya, ein Nachtmahr, ferner wirrer Schrecken,
Leichengeruch vom Hexensabbat weht,
Wo, lüsterner Dämonen Gier zu wecken,
Die nackte Kinderschar sich biegt und dreht.

Und Delacroix, Blutsee, wo Geister hausen.
Im Schatten tief, der Himmel schwer wie Blei,
Wo durch die trübe Luft Fanfaren brausen
Seltsamen Klangs, wie ein erstickter Schrei.

Dies alles, Fluch und Lästerung und Sünden,
Verzückungsschrei, Gebet und Todesschmerz
Ist Widerhall aus tausend dunklen Gründen,
Berauschend Gift für unser sterblich Herz.

Ein Schrei ist's, der da gellt in tausend Stürmen,
Die Losung, die von tausend Lippen schallt,
Leuchtfeuer, das da flammt von tausend Türmen,
Des Jägers Ruf, der durch die Wildnis hallt.

Ein Zeichen, Gott, das wir dir bringen wollen,
Vor deinen Herrlichkeiten zu bestehn,
Glühende Tränen, die durchs Weltall rollen
Und an der Ewigkeiten Rand vergehn.
Projekt Gutenberg-DE - Kultur - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten

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Die freie Republik

Friedrich Hecker, 1811-1881

1. In dem Kerker saßen
Zu Frankfurt an dem Main
Schon seit vielen Jahren
6 Studenten ein
|: Die für die Freiheit fochten
Und für das Bürgerglück
Und für die Menschenrechte
Der freien Republik. :|

2. Und der Bürgermeister
Sprach es täglich aus :
"Sie, Herr Kerkermeister
Es reißt mir keiner aus!"
|: Aber doch sind sie verschwunden
Abends aus dem Turm
Um die 12. Stunde
Bei dem großen Sturm :|

3. Und am nächsten Morgen
Hört man den Alarm
Oh es war entsetzlich
Der Soldatenschwarm
|: Sie suchten auf und nieder
Sie suchten hin und her
Sie suchten sechs Studenten
Und fanden sie nicht mehr. :|

4. Doch sie kamen wieder
Mit Schwertern in der Hand
Auf, ihr deutschen Brüder
Jetzt geht´s fürs Vaterland
|: Jetzt geht´s für Menschenrechte
Und für das Bürgerglück
Wir sind doch keine Knechte
Der freien Republik! :|



5. Wenn euch die Leute fragen :
"Wo ist Absalom ?"
So dürft ihr wohl sagen:
"Oh, er hänget schon !
|: Er hängt an keinem Galgen,
Erhängt an keinem Strick,
Sondern an dem Glauben
An die Freie Republik . :|


https://ingeb.org/Lieder/indemker.mid
 
Harry Potter (Erlkönig)
Geschrieben von: Sebastian Klein

Wer flieget so spät durch Nacht und Wind?
Es ist Dumbeldore mit Harry dem Kind;
Er hat den Jungen wohl in dem Arm,
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

Harry, was birgst du so bang dein Gesicht?-
Siehst, Dumbeldore, du den Voldemort nicht?
Den Voldemort mit Umhang und Saum?-
Nein Harry, es ist nur ein Traum.-

"Du lieber Harry, komm, geh mit mir!
Gar schöne Zaubersprüche lern ich dir;
Manch gute Zauberer hab ich gelehrt;
Drum mach nicht wieder kehrt."

Dumbeldore, Dumbeldore, hörest du nicht,
Was Voldemort mir leise verspricht?-
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind.

"Willst feiner Junge, du mit mir gehn?
Meine Todesser sollen dich warten schön;
Meine Todesser zeigen dir das dunkle Mahl
Und wiegen und tanzen um dich in unserem Saal."

Dumbeldore, Dumbeldore und siehst du nicht dort
Voldemorts Todesser am düsteren Ort?-
Harry, Harry, ich seh es genau:
Es ist die peitschende Weide so grau.-

"Ich liebe dich, mich reitzt deine gute Fantasie;
Und bist du nicht willig, so brauch ich Magie!"-
Dumbeldore, jetzt er mich verhext!
Voldemort mir den Todesfluch aufgehetzt!-

Dumbeldore grauset´s, er flieget geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreichet Hogwarts mit Mühe und Not;
In seien Armen Harry war tot.

Johann Wolfgang Goethe

Balladen.de ~ Harry Potter (Erlkönig) ~ Sebastian Klein ~ Neue und umgedichtete Balladen
 
Der Reiter und der Bodensee

Der Reiter reitet durchs helle Tal,
auf Schneefeld schimmert der Sonne Strahl.
Er trabet im Schweiß durch den kalten Schnee,
er will noch heut an den Bodensee;

Noch heut mit dem Pferd in den sichern Kahn,
will drüben landen vor Nacht noch an.
Auf schlimmem Weg, über Dorn und Stein,
er braust auf rüstigem Roß feldein.

Aus den Bergen heraus, ins ebene Land,
da sieht er den Schnee sich dehnen wie Sand.
Weit hinter ihm schwinden Dorf und Stadt,
der Weg wird eben, die Bahn wird glatt.

In weiter Fläche kein Bühl, kein Haus,
die Bäume gingen, die Felsen aus;
so fliegt er hin eine Meil und zwei,
er hört in den Lüften der Schneegans Schrei;

es flattert das Wasserhuhn empor,
nicht andern Laut vernimmt sein Ohr;
kein Wandersmann sein Auge schaut,
Der ihm den rechten Pfad vertraut.

Fort gehts, wie auf Samt, auf dem weichen Schnee,
Wann rauscht das Wasser, wann glänzt der See?
Da bricht der Abend, der frühe, herein:
Von Lichtern blinket ein ferner Schein.

Es hebt aus dem Nebel sich Baum an Baum,
und Hügel schließen den weiten Raum.
Er spürt auf dem Boden Stein und Dorn,
dem Rosse gibt er den scharfen Sporn.

Und Hunde bellen empor am Pferd,
und es winkt ihm im Dorf der warme Herd.
"Willkommen am Fenster, Mägdelein,
an den See, an den See, wie weit mags sein?"

Die Maid, sie staunet den Reiter an:
"Der See liegt hinter dir und der Kahn.
Und deckt' ihn die Rinde von Eis nicht zu,
ich spräch, aus dem Nachen stiegest du."

Der Fremde schaudert, er atmet schwer:
"Dort hinten die Ebne, die ritt ich her!"
Da recket die Magd die Arm in die Höh:
"Herr Gott! so rittest Du über den See!

An den Schlund, an die Tiefe bodenlos,
hat gepocht des rasenden Hufes Stoß!
Und unter dir zürnten die Wasser nicht?
nicht krachte hinunter die Rinde dicht?

Und du wardst nicht die Speise der stummen Brut?
Der hungrigen Hecht' in der kalten Flut?"
Sie rufet das Dorf herbei zu der Mär,
es stellen die Knaben sich um ihn her;

die Mütter, die Greise, sie sammeln sich:
"Glückseliger Mann, ja, segne du dich!
Herein zum Ofen, zum dampfenden Tisch,
brich mit uns das Brot und iß vom Fisch!"

Der Reiter erstarret auf seinem Pferd,
er hat nur das erste Wort gehört.
Es stocket sein Herz, es sträubt sich sein Haar,
dicht hinter ihm grinst noch die grause Gefahr.

Es siehet sein Blick nur den gräßlichen Schlund,
sein Geist versinkt in den schwarzen Grund.
Im Ohr ihm donnerts wie krachend Eis,
wie die Well umrieselt ihn kalter Schweiß.

Da seufzt er, da sinkt er vom Roß herab,
da ward ihm am Ufer ein trocken Grab.


(Gustav Schwab)
 
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Horch! Klingt das nicht wie ferner Glockenklang?
Was ist das für ein festliches Geläute?
Das Sachsenvolk hält frommen Kirchengang,
Denn seiner Liebe schönster Tag ist heute.

Es geht geschmückt durchs Land die Dankbarkeit,
Den Thron des Herrschers freundlich zu bekränzen.
Kein Herold kündet blutgen Kampf und Streit,
Und doch sieht man den Sieg in Waffen glänzen.

Das ist das edle, wahre Heldenthum,
Das gern sich Blumen um die Schwerter windet
Und seinen schwer errungnen Waffenruhm
Als friedeschützend doppelt froh empfindet.

Der Friede ists, der Friede nur allein,
Der uns gebietet, stete Wacht zu halten,
Und soll das Wachen nicht vergeblich sein,
So dürfen Muth und Treue nicht erkalten.

Zwar giebt die Treue, und zwar giebt der Muth
Sich niemals kund in tönenden Fanfaren,
Doch, wer sie pflegt, das weiß man nur zu gut:
D e r L ö w e S a c h s e n s i s t s m i t s e i n e n S c h a a r e n !
https://karlmay.leo.org/kmg/seklit/JbKMG/1981/41.htm

Dieses Gedicht stammt von einem sehr bekannten Schriftsteller. Von wem?
 
Zuletzt bearbeitet:
Brigitte B.

Ein junges Mädchen kam nach Baden,
Brigitte B. war sie genannt,
Fand Stellung dort in einem Laden,
Wo sie gut angeschrieben stand.

Die Dame, schon ein wenig älter,
War dem Geschäfte zugetan,
Der Herr ein höherer Angestellter
Der königlichen Eisenbahn.

Die Dame sagt' nun eines Tages,
Wie man zu Nacht gegessen hat:
Nimm dies Paket, mein Kind, und trag es
Zu der Baronin vor der Stadt.

Auf diesem Wege traf Brigitte
Jedoch ein Individium,
Das hat an sie nur eine Bitte,
Wenn nicht, dann bringe er sich um.

Brigitte, völlig unerfahren,
Gab sich ihm mehr aus Mitleid hin.
Drauf ging er fort mit ihren Waren
Und ließ sie in der Lage drin.

Sie konnt' es anfangs gar nicht fassen,
Dann lief sie heulend und gestand,
Daß sie sich hat verführen lassen,
Was die Madam begreiflich fand.

Daß aber dabei die Turnüre
Für die Baronin vor der Stadt
Gestohlen worden sei, das schnüre
Das Herz ihr ab, sie hab' sie satt.

Brigitte warf sich vor ihr nieder,
Sie sei gewiß nicht mehr so dumm;
Den Abend aber schlief sie wieder
Bei ihrem Individium.

Und als die Herrschaft dann um Pfingsten
Ausflog mit dem Gesangverein,
Lud sie ihn ohne die geringsten
Bedenken abends zu sich ein.

Sofort ließ er sich alles zeigen,
Den Schreibtisch und den Kassenschrank,
Macht' die Papiere sich zu eigen
Und zollt' ihr nicht mal mehr den Dank.

Brigitte, als sie nun gesehen,
Was ihr Geliebter angericht',
Entwich auf unhörbaren Zehen
Dem Ehepaar aus dem Gesicht.

Vorgestern hat man sie gefangen,
Es läßt sich nicht erzählen, wo;
Dem Jüngling, der die Tat begangen,
Dem ging es gestern ebenso.

Frank Wedekind (1864-1918)
 
Der Fischer

Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,
Ein Fischer saß daran,
Sah nach der Angel ruhevoll,
Kühl bis ans Herz hinan.
Und wie er sitzt und wie er lauscht,
Teilt sich die Flut empor:
Aus dem bewegten Wasser rauscht
Ein feuchtes Weib hervor.

Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:
"Was lockst du meine Brut
Mit Menschenwitz und Menschenlist
Hinauf in Todesglut?
Ach wüßtest du, wie's Fischlein ist
So wohlig auf dem Grund,
Du stiegst herunter, wie du bist,
Und würdest erst gesund.

Labt sich die liebe Sonne nicht,
Der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenatmend ihr Gesicht
Nicht doppelt schöner her?
Lockt dich der tiefe Himmel nicht.
Das feuchtverklärte Blau?
Lockt dich dein eigen Angesicht
Nicht her in ew'gen Tau?"

Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,
Netzt' ihm den nackten Fuß;
Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll
Wie bei der Liebsten Gruß.
Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
Da war’s um ihn geschehn;
Halb zog sie ihn, halb sank er hin
Und ward nicht mehr gesehn.

(Johann Wolfgang von Goethe)
 
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