Erzählgedichte - Balladen

Hallo Uta ,),

zu 115: :))) :freu: :lachen2: :))) :freu:

Zu 117: Karl May!

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Der Erlkönig im Internet
Geschrieben von: Cornelia Rau

Wer surft noch so spät durch den Cyberspace?
Es ist der Student, der ist müd und nervös;
Er haut in die Tasten und tippt rasend schnell,
jetzt noch einen Mausklick und ab geht die Mail.

Gar dick ist die Brille und bleich sein Gesicht,
doch die Ladies im Internet stört all das nicht.
Sie locken den Jüngling ins Flirtforum 'rein
und heizen mit wilden Versprechen ihm ein.

"My darling, my darling, komm surf zu mir!
Gar schöne Spiele gibt es hier,
auch Sex und Erotik zum Runterladen... " -
"Na gut, warum nicht, es kann ja nicht schaden." -

"My darling, my darling, wie wär's mit 'nem Chat?
Bei uns kriegst du alles: pervers und auch nett!
I LOVE YOU, wie reizt mich dein schüchterner Charme,
und bist du nicht willig, gibt's Virus-Alarm!"

Dem Knaben grauset's: Nur fort von hier, schnell!
Doch drohend erhebt sich der Download-Befehl.
Ein letztes RESET, mit Mühe und Not...
Der Student überlebt, doch sein Rechner ist tot.


Nach einer Ballade von:
Johann Wolfgang von Goethe
Balladen.de ~ Der Erlkönig im Internet ~ Cornelia Rau ~ Neue und umgedichtete Balladen
 
Stimmt Leon !
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Kurzgefasster Lebenslauf
Wer nicht zur Welt kommt, hat nicht viel verloren.
Er sitzt im All auf einem Baum und lacht.
Ich wurde seinerzeit als Kind geboren,
eh ich's gedacht.

Die Schule, wo ich viel vergessen habe,
bestritt seitdem den grössten Teil der Zeit.
Ich war ein patentierter Musterknabe.
Wie kam das bloss? Es tut mir jetzt noch leid.

Dann gab es Weltkrieg, statt der grossen Ferien.
Ich trieb es mit der Fussartillerie.
Dem Globus lief das Blut aus den Arterien.
Ich lebte weiter. Fragen Sie nicht, wie.

Bis dann die Inflation und Leipzig kamen;
Mit Kant und Gotisch, Börse und Büro,
mit Kunst und Politik und jungen Damen.
Und sonntags regnete es sowieso.

Nun bin ich zirka 31 Jahre
Und habe eine kleine Versfabrik.
Ach, an den Schläfen blühn schon graue Haare,
Und meine Freunde werden langsam dick.

Ich setze mich gerne zwischen Stühle.
Ich säge an dem Ast, auf dem wir sitzen.
Ich gehe durch die Gärten der Gefühle,
die tot sind, und bepflanze sie mit Witzen.

Auch ich muss meinen Rucksack selber tragen!
Der Rucksack wächst. Der Rücken wird nicht breiter
Zusammenfassend lässt sich etwas sagen:
Ich kam zur Welt und lebe trotzdem weiter.
(1930) Erich Kästner

Gedichte-Sammlung { Liebe, Freundschaft, Abschied, Trauer ... }
 
Barbara Allen

Es war im Herbst, im bunten Herbst,
Wenn die rotgelben Blätter fallen,
Da wurde John Graham vor Liebe krank,
Vor Liebe zu Barbara Allen.

Seine Läufer liefen hinab in die Stadt
Und suchten, bis sie gefunden:
»Ach unser Herr ist krank nach dir,
Komm, Lady, und mach' ihn gesunden.«

Die Lady schritt zum Schloss hinan,
Schritt über die marmornen Stufen,
Sie trat ans Bett, sie sah ihn an:
»John Graham, du ließest mich rufen.«

»Ich ließ dich rufen, ich bin im Herbst
Und die rotgelben Blätter fallen,
Hast du kein letztes Wort für mich?
Ich sterbe, Barbara Allen.«

»John Graham, ich hab' ein letztes Wort,
Du warst mein All und Eines;
Du teiltest Pfänder und Bänder aus,
Mir aber gönntest du keines.

John Graham, und ob du mich lieben magst,
Ich weiß, ich hatte dich lieber,
Ich sah nach dir, du lachtest mich an
Und gingest lachend vorüber.

Wir haben gewechselt, ich und du,
Die Sprossen der Liebesleiter,
Du bist nun unten, du hast es gewollt
Ich aber bin oben und heiter.«

Sie ging zurück. Eine Meil' oder zwei,
Da hörte sie Glocken schallen;
Sie sprach: Die Glocken klingen für ihn,
Für ihn und für - Barbara Allen.

»Liebe Mutter mach ein Bett für mich,
Unter Weiden und Eschen geborgen;
John Graham ist heute gestorben um mich
Und ich sterbe um ihn morgen.«


(Theodor Fontane)

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Matthias Claudius

Kriegslied

1778

`s ist Krieg! `s ist Krieg!
O Gottes Engel wehre,
Und rede du darein
`s ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Was sollt ich machen,
Wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blass,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?

Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten
In ihrer Todesnot.

Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?

Wenn Hunger, böse Seuch` und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammelten und mir zu Ehren krähten
von einer Leich`herab?

Was hülf mir Kron`und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
`s ist leider Krieg und ich begehre,
nicht schuld daran zu sein!
 
Kaiser Rudolf's Ritt zum Grabe

Auf der Burg zu Germersheim,
Stark am Geist, am Leibe schwach,
Sitzt der greise Kaiser Rudolf,
Spielend das gewohnte Schach.

Und er spricht: "Ihr guten Meister
Ärzte, sagt mir ohne Zagen:
Wann aus dem zerbroch'nen Leib
Wird der Geist zu Gott getragen?"

Und die Meister sprechen: "Herr!
Wohl noch heut' erscheint die Stunde."
Freundlich lächelnd spricht der Greis.
"Meister, Dank für diese Kunde!"

"Auf nach Speyer! Auf nach Speyer!"
Ruft er, als das Spiel geendet,
"Wo so mancher deutsche Held
Liegt begraben, sei's vollendet!

Blast die Hörner! Bringt das Roß,
Das mich oft zur Schlacht getragen!"
Zaudernd stehn die Diener all',
Doch er ruft: "Folgt ohne Zagen!"

Und das Schlachtroß wird gebracht.
"Nicht zum Kampf, zum ew'gen Frieden,"
Spricht er, "trage, treuer Freund,
Jetzt den Herrn, den Lebensmüden!"

Weinend steht der Diener Schar,
Als der Greis auf hohem Rosse,
Rechts und links ein Kapellan,
Zieht halb Leich' aus seinem Schlosse.

Trauernd neigt des Schlosses Lind'
Vor ihm ihre Äste nieder,
Vögel, die in ihrer Hut,
Singen wehmutsvolle Lieder.

Mancher eilt des Wegs daher,
Der gehört die bange Sage,
Sieht des Helden sterbend Bild
Und bricht aus in lauter Klage.

Aber nun von Himmelsluft
Spricht der Greis mit jenen Zweien;
Lächelnd blickt sein Angesicht,
Als ritt er zur Lust im Maien.

Von dem hohen Dom zu Speyer
Hört man dumpf die Glocken schallen,
Ritter, Bürger, zarte Frau'n
Weinend ihm entgegenwallen.

In den hohen Kaisersaal
Ist er rasch noch eingetreten;
Sitzend dort auf goldnem Stuhl
Hört man für das Volk ihn beten.

"Reichet mir den heil'gen Leib!"
Spricht er dann mit bleichem Munde;
Drauf verjüngt sich sein Gesicht
Um die mitternächt'ge Stunde.

Da auf einmal wird der Saal
Hell von überird'schem Lichte,
Und verschieden sitzt der Held,
Himmelsruh' im Angesichte.

Glocken dürfen's nicht verkünden,
Boten nicht zur Leiche bieten,
Alle Herzen längs des Rheins
Fühlen, daß der Held verschieden.

Nach dem Dome strömt das Volk
Schwarz unzähligen Gewimmels;
Der empfing des Helden Leib,
Seinen Geist der Dom des Himmels.

Justinus Kerner

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Wodurch kam die Ballade - einst Lieblingsgattung in der Schule - in Verruf?

Zu viel Pathos, zu sehr belastet durch ideologische Vergangenheit, zu viel Zusammenhang mit Tradition und Geschichtlichkeit.
Begriffsklärung: das Wort Ballade hat im heutigen Sprachgebrauch eine sehr weite und offene Bedeutung, sie ist Sammelbezeichnung für sehr viele Spielarten, wie sie sich in der langen Geschichte herausgebildet haben und heute nebeneinander stehen.
Ballade umfasst: die Volksballade des späten Mittelalters, das Zeitungslied und den historischen Bänkelsang, die Kunstballade seit der Mitte des 17. Jhds., die “Kabarett-Ballade” des frühen 20. Jhds, ferner die Textauswahl, die Piontek in den 60er Jahren als “moderne Erzählgedichte” zusammenfasste, die moderne Formen des Bänkelsangs, den Protestsong und die Texte der heutigen Liedermacher.
Mit diesem weiten Begriff umgeht man schon viele Probleme, die seit über zwanzig Jahren diskutiert wurden: die Einseitigkeit und Einengung auf eine historische Erscheinungsform (Kunstballade) oder auf ein Thema und ein Menschenbild (den “heldischen” Menschen) oder eine Ideologie (die nationalistische, deutschtümelnde oder “nordische")

Lehrerfreund - Ballade - Theorie und Didaktik (Skripte)
 
Hohe Tannen weisen die Sterne
Edelweisspiraten

Hohe Tannen weisen uns die Sterne
über der Isar springender Flut,
liegt ein Lager der Edelweisspiraten,
doch Du Eisbär schützt es gut."

Rübezahl, hör was wir dir sagen,
die bündische Jugend ist nicht mehr frei.
Schwingt den Spaten der Edelweißpiraten.
Schlaget die bündische Jugend wieder frei.


Hohe Tannen weisen die Sterne - Volkslieder - Archiv
 
Zuletzt bearbeitet:
Joseph von Lauff

Die Martinsgans

Ein komisches Gänse- Wein- und Moselmärchen

Der »Brixiade« 2ter Teil

Auftakt

Das Jahr war gut, der Wein geraten,
Das Moseltal voll Nebelglanz,
Und allwärts duftete der Braten
Der delikaten Martinsgans.
O Martinstag! – wie viele Male
Kamst du mir mit geheimem Wehn!
Wer dich nicht sah im Moseltale,
Der hat im Leben nichts gesehn.
Du gehst in dunkelbrauner Kutte
Durchs weite Land. das fast entlaubt,
Und flichst vom Strauch der Hagebutte
Korallen dir ums greise Haupt.
Du bannst den Dachs in Gruft und Gräben
Mit deinem derben Haselstock
Und stöberst von den Thyrsusstäben
Der Blätter rötliches Geflock.
Und wo du gehst, ist still die Runde,
Kaum plaudert noch der rasche Fluß;
Nur ab und zu im tiefen Grunde
Von fernher ein gedämpfter Schuß.
Ha, wie die Äuglein sich verklären,
Du aller Tage Ehrenpreis!
Du hörst die jungen Weine gären,
Du schmeckst den ersten »Federweiß«.
Wo dir die schmucken Mädels winken,
Folgst willig du dem jungen Blut;
Du siehst die Moselaner trinken,
Und ach! sie trinken alle gut.
Und abends, wenn auf Flur und Tennen
Der sanfte Lampendocht erwacht,
Dann läßt du deine Feuer brennen
Von allen Bergen durch die Nacht.
Sankt Martinstag! – mir wird so mollig,
Mein Denken wird so zart erregt,
Wie wenn ein Jäckchen, weich und wollig,
Sich schmeichelnd um den Leib mir legt.
Kurzum! – der Wein war gut geraten,
Das Moseltal voll Nebelglanz,
Und allwärts duftete der Braten
Der delikaten Martinsgans.
Da hielt mich nichts; ich mußte wieder
Zu meinem perlenden Pokal,
Ins Land der Weine und der Lieder,
Ins vielgeliebte Moseltal.
Stromaufwärts lenkte ich die Pfade;
Denn auf den Ort war's abgezielt,
Wo sich vor Zeit die »Brixiade«
In allen Ehren abgespielt. Ein köstlich Wandern, pulsend Leben,
Die Wege reingefegt vom Staub!
Und ringsum schüttelten die Reben
Vom Leibe sich ihr falbes Laub.
Ergraute Burgen, alte Flecken,
Von Zeit zu Zeiten ein Talar . . .
Und in den kahlen Buchenhecken,
Da lärmte laut ein Häherpaar.
Ein Kirchlein durfte auch nicht fehlen.
Dort lag's in veilchenfarbnem Duft!
Manch Kränzlein noch von Allerseelen,
Es ruhte still auf Grab und Gruft.
Die zarte Christwurz sah ich sprießen;
Trotz Winterweh – der Tag war warm.
Mir fehlte nichts zum Vollgenießen
Als nur ein schmuckes Weib am Arm.
So ging's zu Berg, am Band die Laute.
Schon winkt' die Burg im Abendstrahl . . .
Hier Cochem, drüben Cond, das traute,
Und dort mein altes Stammlokal.
Da lag's, gemacht zum Pokulieren,
Fern allem Weh und Erdenstaub,
Und von den hohen Weinspalieren
Verraschelte das letzte Laub.
Hier ward den feinsten Moselzungen
So manch verhaltnes Wunder kund,
Und schwelgend in Erinnerungen,
Bewegten Herzens sprach mein Mund:
»Wer froh auf Erden leben will
In diesen dumpfen Zeiten,
Der muß ganz heimlich, sacht und still
Auf einem Glücksschwein reiten.
Ob er Jurist, ob Dichtersmann,
Ob aktiv mit dem Sabel,
Das Schweinchen hält von selber an,
Wo's gut ist für den Schnabel.
Steig aus dem Bügel, tritt ins Haus,
Laß deine Äuglein blinken!
Hier teilt man propre Weine aus
Und Lachs und Bärenschinken.
Hier wirst du ledig aller Pein
Vom Scheitel bis zur Sohle;
Die »Goldne Traube« salbt dich ein
Aus grünlicher Phiole.
Hier beut noch laut'res Gold das Herz,
Gefeit ist hier die Stunde,
Und selig schwingt sich himmelwärts
Die ganze Tafelrunde.
Und weil dies Haus, wie allbekannt,
Der Mosel ein Dekorum,
So sei's gestellt in Gottes Hand
In saecula saeculorum.«
He, holla he! – nun war's geschehen.
Die Fässer kannten meinen Schritt;
Ich sang ein Lied vom Wiedersehen,
Und alle sangen jubelnd mit.
Jetzt angepocht! – und kurz entschlossen,
Was ich mir vornahm, das geschah . . .
»Seid ihr auch da, ihr Kneipgenossen?!«
Bei Gott! sie waren alle da.
Was grüßend sich jetzt um mich scharte,
War halb schon voll des edeln Weins:
Hier Peter Zenz, der hochgelahrte,
Der Amtsgerichtsrat Num'ro eins.
Zur Seite ihm, noch gut bei Wege,
Ganz niedlich, trefflich auch bei Speck,
Begrüßte mich sein Herr Kollege,
Der Amtsgerichtsrat Hubaleck.
Dann ferner – ohne viel Geziere,
Mit Hiemenz gab's ein Wiedersehn,
Mit ihm, dem Meister der Klystiere,
Dem Medikus katexochen.
Und dort Herr Wieprecht! – Hellauf schmettern
Tät ich mein Glücksgefühl ins Land . . .
Der Feldmarschall der schwarzen Lettern
Bot stolz und würdig mir die Hand.
Wie stets geschichtlich eingeschworen,
Er war so lustig wie vorlängst;
Historisch klirrten seine Sporen,
Historisch wieherte sein Hengst.
Er machte sich kein groß Gewissen,
Wohin auch ging der wilde Ritt;
Von allen tollen Hindernissen
Nahm er die allertollsten mit.
Da gab's ein Wundern, ein Gefrage:
» Quis, quid, ubi . . .?« und weiter so.
Kurz, alles war mit einem Schlage
Beim vollsten dulci jubilo.
Das girrte wie die Turteltaube,
Das knallte wie ein Böllerschuß,
Und schließlich kam der Herr der Traube.
Herr Hermann Joseph Brixius.
Er kam nicht an mit großen Worten,
Nein, schmunzelnd kam er, stramm und frisch,
Und stellte von den besten Sorten
Die feinsten Marken auf den Tisch:
Je zwei von Trittenheim und Uerzig,
Auch fünf von Valwig stellt er hin,
Daneben, wonnig, weich und würzig,
Die liebliche Kartäuserin.
Als freundlich so die edle Spende
Sich präsentierte spiegelblank,
Da schwang die schwarze Kunst behende
Sich herzhaft auf die Wirtshausbank.
»Herr Wieprecht – hoch!« – Die Brille blitzte,
Der Geist der Stunde riß ihn fort,
Und wie der Pfeil vom Bogen flitzte,
So flog vom Munde ihm das Wort:
»Willkommen, Jupp, in unserm Kreise!
Willkommen, du im Lorbeerkranz!
Denn heut, in hergebrachter Weise,
Verjubeln wir die Martinsgans.
Noch lächelt uns die höchste Gnade
Bei Wein und Weib, bei Sang und Spiel,
Und auch der Geist der »Brixiade«
Ist immer noch bei uns mobil.
Wir sind die Alten! – Weiß der Henker:
Wir picheln noch mit Ziel und Maß;
Sind auch noch stets die besten Schwenker
Von einem blanken Moselglas.
Noch lebt bei uns der alte Meister,
Homer ist noch bei uns im Schwang,
Er, der im Kreis erlauchter Geister
Die Schlacht bei Salamis besang,
Der so im dreizehnten Jahrhundert
Nach Christi stolzen Ruhm erwarb
Und, hochgeehrt und vielbewundert,
Im Reich der Thermopylen starb.
Noch steht bei uns in höchster Ehre
Der Pfeifen- und Zigarrenrauch,
Und du, als Dichterkonifere,
In unserm Herzen lebst du auch.
Dies kurz zuvor. – Doch jetzt zur Kunde –
Und darin fügt sich jeder Gast –
Die auserwählte Tafelrunde
Hat folgenden Beschluß gefaßt:
Wie auch der arme Magen knuttert,
Gelüst schon nach dem Braten trägt –
Die Martinsgans wird erst verfuttert,
Wenn dumpf die Geisterstunde schlägt.
Nur sie allein wirkt zauberhändig,
Erwürgt der Sorgen schalen Rest;
Erst wenn die Geisterlein lebendig,
Gestaltet sich das Fest zum Fest.
Bis dahin, meinen alle Stimmen,
Wird brav gebechert und gezecht;
Denn so ein Gänsulein will schwimmen,
Und darin hat der Vogel recht.
Was sonst geschieht, warum wir alle
Nicht feiern still bei Weib und Kind,
Das wird dir kund in jedem Falle,
Wenn wir beim vollen Umtrunk sind.
Proficiat!« – so sprach der Lose
Und trank auf aller Glück und Wohl
Und nudelte aus blanker Dose
Sein Riechorgan mit Spaniol.
Habt acht! – rings schwirrt es von Gesängen;
Die Muse sinnt, die Muse geigt,
Indes mit feierlichen Klängen
Die erste Dithyrambe steigt.
 
Da mein verehrter Deutschlehrer (8. - 10. Klasse), Schiller nicht nur für den bedeutendsten Dramatiker der Klassik, sondern auch für den wichtigsten Balladen - Dichter hielt, habe ich auch folgendes Gedicht auswendig lernen müssen (es hat sogar Spaß gemacht!):



Die Bürgschaft

Friedrich von Schiller

Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich
Damon, den Dolch im Gewande:
Ihn schlugen die Häscher in Bande,
"Was wolltest du mit dem Dolche? sprich!"
Entgegnet ihm finster der Wüterich.
"Die Stadt vom Tyrannen befreien!"
"Das sollst du am Kreuze bereuen."

"Ich bin", spricht jener, "zu sterben bereit
Und bitte nicht um mein Leben:
Doch willst du Gnade mir geben,
Ich flehe dich um drei Tage Zeit,
Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;
Ich lasse den Freund dir als Bürgen,
Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen."

Da lächelt der König mit arger List
Und spricht nach kurzem Bedenken:
"Drei Tage will ich dir schenken;
Doch wisse, wenn sie verstrichen, die Frist,
Eh' du zurück mir gegeben bist,
So muß er statt deiner erblassen,
Doch dir ist die Strafe erlassen."

Und er kommt zum Freunde: "Der König gebeut,
Daß ich am Kreuz mit dem Leben
Bezahle das frevelnde Streben.
Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit,
Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;
So bleib du dem König zum Pfande,
Bis ich komme zu lösen die Bande."

Und schweigend umarmt ihn der treue Freund
Und liefert sich aus dem Tyrannen;
Der andere ziehet von dannen.
Und ehe das dritte Morgenrot scheint,
Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint,
Eilt heim mit sorgender Seele,
Damit er die Frist nicht verfehle.

Da gießt unendlicher Regen herab,
Von den Bergen stürzen die Quellen,
Und die Bäche, die Ströme schwellen.
Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab,
Da reißet die Brücke der Strudel herab,
Und donnernd sprengen die Wogen
Des Gewölbes krachenden Bogen.

Und trostlos irrt er an Ufers Rand:
Wie weit er auch spähet und blicket
Und die Stimme, die rufende, schicket.
Da stößet kein Nachen vom sichern Strand,
Der ihn setze an das gewünschte Land,
Kein Schiffer lenket die Fähre,
Und der wilde Strom wird zum Meere.

Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht,
Die Hände zum Zeus erhoben:
"O hemme des Stromes Toben!
Es eilen die Stunden, im Mittag steht
Die Sonne, und wenn sie niedergeht
Und ich kann die Stadt nicht erreichen,
So muß der Freund mir erbleichen."

Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut,
Und Welle auf Welle zerrinnet,
Und Stunde an Stunde ertrinnet.
Da treibt ihn die Angst, da faßt er sich Mut
Und wirft sich hinein in die brausende Flut
Und teilt mit gewaltigen Armen
Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen.

Und gewinnt das Ufer und eilet fort
Und danket dem rettenden Gotte;
Da stürzet die raubende Rotte
Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort,
Den Pfad ihm sperrend, und schnaubert Mord
Und hemmet des Wanderers Eile
Mit drohend geschwungener Keule.

"Was wollt ihr?" ruft er vor Schrecken bleich,
"Ich habe nichts als mein Leben,
Das muß ich dem Könige geben!"
Und entreißt die Keule dem nächsten gleich:
"Um des Freundes willen erbarmet euch!"
Und drei mit gewaltigen Streichen
Erlegt er, die andern entweichen.

Und die Sonne versendet glühenden Brand,
Und von der unendlichen Mühe
Ermattet sinken die Kniee.
"O hast du mich gnädig aus Räubershand,
Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land,
Und soll hier verschmachtend verderben,
Und der Freund mir, der liebende, sterben!"

Und horch! da sprudelt es silberhell,
Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen,
Und stille hält er, zu lauschen;
Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell,
Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell,
Und freudig bückt er sich nieder
Und erfrischet die brennenden Glieder.

Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün
Und malt auf den glänzenden Matten
Der Bäume gigantische Schatten;
Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn,
Will eilenden Laufes vorüber fliehn,
Da hört er die Worte sie sagen:
"Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen."

Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß,
Ihn jagen der Sorge Qualen;
Da schimmern in Abendrots Strahlen
Von ferne die Zinnen von Syrakus,
Und entgegen kommt ihm Philostratus,
Des Hauses redlicher Hüter,
Der erkennet entsetzt den Gebieter:

"Zurück! du rettest den Freund nicht mehr,
So rette das eigene Leben!
Den Tod erleidet er eben.
Von Stunde zu Stunde gewartet' er
Mit hoffender Seele der Wiederkehr,
Ihm konnte den mutigen Glauben
Der Hohn des Tyrannen nicht rauben."

"Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht,
Ein Retter, willkommen erscheinen,
So soll mich der Tod ihm vereinen.
Des rühme der blut'ge Tyrann sich nicht,
Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht,
Er schlachte der Opfer zweie
Und glaube an Liebe und Treue!"

Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor,
Und sieht das Kreuz schon erhöhet,
Das die Menge gaffend umstehet;
An dem Seile schon zieht man den Freund empor,
Da zertrennt er gewaltig den dichter Chor:
"Mich, Henker", ruft er, "erwürget!
Da bin ich, für den er gebürget!"

Und Erstaunen ergreifet das Volk umher,
In den Armen liegen sich beide
Und weinen vor Schmerzen und Freude.
Da sieht man kein Augen tränenleer,
Und zum Könige bringt man die Wundermär';
Der fühlt ein menschliches Rühren,
Läßt schnell vor den Thron sie führen,

Und blicket sie lange verwundert an.
Drauf spricht er: "Es ist euch gelungen,
Ihr habt das Herz mir bezwungen;
Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn -
So nehmet auch mich zum Genossen an:
Ich sei, gewährt mir die Bitte,
In eurem Bunde der dritte!"




Hallo Leòn,

genau diese Ballade mußte ich einmal im Deutschunterricht interpretieren.
Liegt schon sehr lange zurück ...;)

Liebe Grüße

Jürgen
 


Der zehnte Juli in Seveso
ist staubig und heiß und normal
Da hat so mancher die Nase voll
und hat doch keine Wahl:
Entweder du gehst in die Fabrik
hast das Risiko und - das Moos
Oder dir ist dein Leben lieb
dann bist du arbeitslos
Das ist die Welt von Seveso
zehn Stunden von hier entfernt
Alle Welt kennt heute Seveso
was haben wir draus gelernt?

Da hängt eine weiße Wolke
im Himmel von Seveso
Die kommt aus der La-Roche-Chemie
und fällt auf Seveso
Ein Giftstaub fällt vom Himmel
auf Mensch und Frucht und Tier
Da ist der Tod von Vietnam
auf einmal unser Bier
Da stirbt die Welt von Seveso
zehn Stunden von hier entfernt
Alle Welt schaut auf Seveso
was haben wir daraus gelernt?

Da war doch gestern eine Stadt
die heißt heut "Niemandsland"
Das Leben wurde stillgelegt
der Boden wird verbrannt
Die Menschen stehn am Stacheldraht
mit Trauer und Angst und Wut
Und wir fragen uns vor Fessenheim:
wie lang geht's bei uns noch gut?
Wie weit ist eigentlich Seveso?
zehn Stunden von hier entfernt
Wir schaun erschrocken auf Seveso
was haben wir draus gelernt?

Wir sehn die Frauen von Seveso
nicht in Hoffnung, sondern Not
Wie werden ihre Kinder sein?
bloß Krüppel, oder tot?
Der Erzbischof von Mailand treibt
mit ihnen seinen Spott:
"Die Krüppel macht euch nicht La Roche
die Krüppel schenkt euch Gott"
Das ist der Trost für Seveso
und Gott ist weit entfernt
Der Bischof betet für Seveso
der hat ja sonst nichts gelernt

In Zürich, der Boß von Hoffmann-La-Roche
gewährt ein Interview
Er sagt: Was soll denn das Geschrei
wegen einer toten Kuh?
Paar Hektar kaputt, paar Menschen krank
paar Krüppel - vielleicht - na und?
Ich stopf der Bagage in Seveso
mit ein paar Lire den Mund!'
Dann wird die Akte "Seveso"
von seinem Tisch entfernt
Der Boß zieht den Strich unter Seveso
der hat sein Geschäft gelernt

Da reden die Herrn der Industrie
vom Fortschritt und seinem Preis
Sie halten den Kurs auf Macht und Geld
und halten die Weste weiß
Und gibts Katastrophen, und gibts auch Krieg
für die ist das normal
Es geht nicht um uns aus Fleisch und Blut
es geht ums Kapital
Es geht auch nicht um Seveso
das ist doch ein kleiner Fisch
Und sowas fällt dann sowieso
bei denen unter den Tisch

Ihr kennt die Geschichte von Marckolsheim
ihr kennt die Geschichte von Wyhl
Da kämpfen wir schon sechs Jahre lang
und manchem wirds zuviel
Doch viele haben begriffen: hier
steht alles auf dem Spiel
"Entweder das Leben - oder Profit"*
das ist der Sinn von Wyhl
Das ist der Sinn von Seveso
zehn Stunden von hier entfernt
Läßt uns das kalt in Seveso
oder haben wir was gelernt?

*Parole auf dem besetzten Platz in Wyhl.
"Für das Leben - Gegen den Profit!"


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Anmerkungen von Walter Mossmann Zur Ballade von Seveso:

Der Liedertext ist nebenbei geschrieben worden, als die KKW-Nein-Gruppe Freiburg August/September 1976 die laufenden Informationen aus Seveso für die Region um Wyhl ausarbeitete. Das Ergebnis dieser Arbeit waren Flugblätter, Artikel in Alternativ-Zeitungen und ein Programm für die Volkshochschule Wyhlerwald.

Zum ersten Mal gesungen während einer Kundgebung gegen das Atomkraftwerk Fessenheim am 19. September 1976, nachdem eine Journalistin aus Mailand über den Fall Seveso informiert hatte. Dann als Beitrag der badisch-elsässischen Bürgerinitiativen am 30. Oktober 76 bei der ersten Demonstration in Brokdorf. Im Februar 1976 vom stellvertretenden Intendanten Schwarzkopf des NDR verboten, weil in der Zeile "jetzt fragen wir uns vor Fessenheim..."statt Fessenheim "an der Elbe"eingefügt worden war. Begründung: damit wurde das Problem Brokdorf weiter,emotionalisiert' D. h. offenbar, daß solche Lieder bei den Zuhörern Gefühle auslösen könnten, was den Untertanen im Atomstaat nicht mehr gestattet werden kann. Bisher wurde das Lied veröffentlicht auf den Doppelalben "Dreyeckland" (Hrsg. Badisch-elsässische BI) und "Leben, kämpfen, solidarisieren" (spanischen Kulturkreis Essen), außerdem auf der "1. österreichischen Anti-AKW-Platte" (Arbeitskreis Atomenergie Wien), gesungen von Eva Pilz,
Die Melodie hat der amerikanische Liedermacher Phil Ochs 1963 für sein Lied,Lou Marsh'geschrieben. Phil starb im April 76, Selbstmord.

Balade von Seveso

Hallo Uta,

das geht unter die Haut.
Wenn's nicht so traurig wäre, könnte man in meinem Satz schon wieder einen Kalauer vermuten. "... unter die Haut". Erinnert Ihr Euch noch an die Fotos der Kinder mit "Chlorakne"? Ja, Seveso ist überall.

Denkt auch an die Katastrophe im indischen Bhopal mit Tausenden von Toten!
Katastrophe von Bhopal - Wikipedia
Was sich Union Carbide (hattet Ihr auch schon mal Batterien von Ucar?) dort geleistet hat ...

Liebe Grüße

Jürgen
 
Der Reiter und der Bodensee

Der Reiter reitet durchs helle Tal,
auf Schneefeld schimmert der Sonne Strahl.
Er trabet im Schweiß durch den kalten Schnee,
er will noch heut an den Bodensee;

Noch heut mit dem Pferd in den sichern Kahn,
will drüben landen vor Nacht noch an.
Auf schlimmem Weg, über Dorn und Stein,
er braust auf rüstigem Roß feldein.

Aus den Bergen heraus, ins ebene Land,
da sieht er den Schnee sich dehnen wie Sand.
Weit hinter ihm schwinden Dorf und Stadt,
der Weg wird eben, die Bahn wird glatt.

In weiter Fläche kein Bühl, kein Haus,
die Bäume gingen, die Felsen aus;
so fliegt er hin eine Meil und zwei,
er hört in den Lüften der Schneegans Schrei;

es flattert das Wasserhuhn empor,
nicht andern Laut vernimmt sein Ohr;
kein Wandersmann sein Auge schaut,
Der ihm den rechten Pfad vertraut.

Fort gehts, wie auf Samt, auf dem weichen Schnee,
Wann rauscht das Wasser, wann glänzt der See?
Da bricht der Abend, der frühe, herein:
Von Lichtern blinket ein ferner Schein.

Es hebt aus dem Nebel sich Baum an Baum,
und Hügel schließen den weiten Raum.
Er spürt auf dem Boden Stein und Dorn,
dem Rosse gibt er den scharfen Sporn.

Und Hunde bellen empor am Pferd,
und es winkt ihm im Dorf der warme Herd.
"Willkommen am Fenster, Mägdelein,
an den See, an den See, wie weit mags sein?"

Die Maid, sie staunet den Reiter an:
"Der See liegt hinter dir und der Kahn.
Und deckt' ihn die Rinde von Eis nicht zu,
ich spräch, aus dem Nachen stiegest du."

Der Fremde schaudert, er atmet schwer:
"Dort hinten die Ebne, die ritt ich her!"
Da recket die Magd die Arm in die Höh:
"Herr Gott! so rittest Du über den See!

An den Schlund, an die Tiefe bodenlos,
hat gepocht des rasenden Hufes Stoß!
Und unter dir zürnten die Wasser nicht?
nicht krachte hinunter die Rinde dicht?

Und du wardst nicht die Speise der stummen Brut?
Der hungrigen Hecht' in der kalten Flut?"
Sie rufet das Dorf herbei zu der Mär,
es stellen die Knaben sich um ihn her;

die Mütter, die Greise, sie sammeln sich:
"Glückseliger Mann, ja, segne du dich!
Herein zum Ofen, zum dampfenden Tisch,
brich mit uns das Brot und iß vom Fisch!"

Der Reiter erstarret auf seinem Pferd,
er hat nur das erste Wort gehört.
Es stocket sein Herz, es sträubt sich sein Haar,
dicht hinter ihm grinst noch die grause Gefahr.

Es siehet sein Blick nur den gräßlichen Schlund,
sein Geist versinkt in den schwarzen Grund.
Im Ohr ihm donnerts wie krachend Eis,
wie die Well umrieselt ihn kalter Schweiß.

Da seufzt er, da sinkt er vom Roß herab,
da ward ihm am Ufer ein trocken Grab.


(Gustav Schwab)


Hallo Uma,

diese Ballade hat mich schon als Kind besonders stark beeindruckt - und tut es heute noch.

Liebe Grüße

Jürgen
 
Gustav Schwab

Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
In dumpfer Stube beisammen sind;
Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt,
Großmutter spinnet, Urahne gebückt
Sitzt hinter dem Ofen im Pfühl -
Wie wehen die Lüfte so schwül!

Das Kind spricht: "Morgen ist's Feiertag,
Wie will ich spielen im grünen Hag,
Wie will ich springen durch Thal und Höhn,
Wie will ich pflücken viel Blumen schön;
Dem Anger, dem bin ich hold!" -
Hört ihr's, wie der Donner grollt?

Die Mutter spricht: "Morgen ist's Feiertag,
Da halten wir alle fröhlich Gelag,
Ich selber, ich rüste mein Feierkleid;
Das Leben, es hat auch Lust nach Leid,
Dann scheint die Sonne wie Gold!"
Hört ihr's, wie der Donner grollt?

Großmutter spricht: "Morgen ist's Feiertag,
Großmutter hat keinen Feiertag,
Sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid,
Das Leben ist Sorg' und viel Arbeit;
Wohl dem, der thät, was er sollt'!"
Hört ihr's, wie der Donner grollt?

Urahne spricht: "Morgen ist's Feiertag,
Am liebsten morgen ich sterben mag:
Ich kann nicht singen und scherzen mehr,
Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer,
Was thu' ich noch auf der Welt?"
Seht ihr, wie der Blitz dort fällt?

Sie hören's nicht, sie sehen's nicht,
Es flammet die Stube wie lauter Licht;
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
Vom Strahl miteinander getroffen sind,
Vier Leben endet ein Schlag -
Und morgen ist's Feiertag.



Diese Ballade von Gustav Schwab aus dem Jahr 1829, teils unter der Überschrift "Das Gewitter", teils als "Der Feiertag" veröffentlicht, beruht auf einer wahren Begebenheit. Der "Schwäbische Merkur" (Nr. 163 vom 8. Juli 1828) schrieb:
Am 30. Juni 1828 schlug der Blitz in ein, von zwey armen Familien bewohntes Haus der würtembergischen Stadt Tuttlingen, und tödtete von zehn Bewohnern desselben vier Personen weiblichen Geschlechts, Großmutter, Mutter, Tochter und Enkelin, die erste 71, die letzte 8 Jahre alt.

Auch diese Ballade berührt mich sehr, zeigt sie doch, wie kurz das Leben sein kann.

Liebe Grüße

Jürgen
 
Hallo Eriophorum,

ich mag diese alten, in dichterischen Stein gehauenen Geschichten sehr. Allerdings verstehe ich auch den Wunsch der "Jüngeren", diese zu persiflieren.

Zu Schwabs "Urahne, Großmutter ... und so weiter", das mir meine Mutter als Kind beigebracht hat, fällt mir Heinz Erhardts Parodie ein, die ich als Jugendlicher sehr erheiternd fand ;):

Das Unwetter

Heinz Erhardt

Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
in dumpfer Stube versammelt sind.

Es sind versammelt in dumpfer Stube
Urahne, Großmutter, Mutter und Bube.

In dumpfer Stube - man weiß das schon -
sind Urahne, Großmutter, Mutter und Sohn.

Ein furchtbarer Krach ! Ein Blitz schlägt ein !
Der Urahne hört was und sagt: "Herein !"
Die dumpfe Stube entflammt und verglimmt
mit Urhammel, Großbutter, Butter und Zimt . . .

Heinz Erhardt

Herzliche Grüße von
Leòn
 
Hallo Leòn,

das ist schon lustig. Und gegen solche Persiflagen gibt es ja auch gar nichts einzuwenden, mir machen sie auch Spaß. Vielleicht stammen sie ja auch von Leuten, die als Schüler diese "ollen Kamellen" auswendig lernen mußten :rolleyes:.

Liebe Grüße

Jürgen
 
Das Brot

Er saß beim Frühstück äußerst grämlich,
Da sprach ein Krümchen Brot vernehmlich:
"Aha, so ist es mit dem Orden
Für diesmal wieder nichts geworden.
Ja, Freund, wer seinen Blick erweitert
Und schaut nach hinten und nach vorn,
Der preist den Kummer, der ihn läutert.
Ich selber war ein Weizenkorn.
Mit vielen, die mir anverwandt,
lag ich im lauen Ackerland.
Bedrückt von einem Erdenkloß,
macht' ich mich mutig strebend los.
Gleich kam ein alter Has gehupft
und hat mich an der Nas gezupft,
und als es Winter ward, verfror,
was peinlich ist, mein linkes Ohr,
und als ich reif mit meiner Sippe,
o weh, da hat mit seiner Hippe
der Hans uns rundweg abgesäbelt
und zum Ersticken festgeknebelt
und auf die Tenne fortgeschafft,
wo ihrer vier mit voller Kraft
im regelrechten Flegeltakte
uns klopften, daß die Scharte knackte!
Ein Esel trug uns in die Mühle.
Ich sage dir, das sind Gefühle,
wenn man, zerrieben und gedrillt
zum allerfeinsten Staubgebild',
sich kaum besinnt und fast vergißt,
ob Sonntag oder Montag ist.
Und schließlich schob der Bäckermeister,
nachdem wir erst als zäher Kleister
in seinem Troge baß gehudelt,
vermengt, geknebelt und vernudelt,
uns in des Ofens höchste Glut.
Jetzt sind wir Brot. Ist das nicht gut?
Frischauf, du hast genug, mein Lieber,
greif zu und schneide nicht zu knapp
und streiche tüchtig Butter drüber
und gib den andern auch was ab !

(Wilhelm Busch)
 
Die Küsse
Friedrich von Hagedorn

Als sich aus Eigennutz Elisse
Dem muntern Coridon ergab,
Nahm sie für einen ihrer Küsse
Ihm anfangs dreißig Schafe ab.

Am andern Tag erschien die Stunde,
Daß er den Tausch viel besser traf.
Sein Mund gewann von ihrem Munde
Schon dreißig Küsse für ein Schaf.

Der dritte Tag war zu beneiden:
Da gab die milde Schäferin
Um einen neuen Kuß mit Freuden
Ihm alle Schafe wieder hin.

Allein am vierten ging's betrübter,
Indem sie Herd und Hund verhieß
Für einen Kuß, den ihr Geliebter
Umsonst an Doris überließ.


Balladen.de ~ Friedrich von Hagedorn ~ Deutsche Balladen und Gedichte - nach Autoren und Dichtern sortiert ~
 
Nis Randers

von Otto Ernst (1862-1925)


Krachen und Heulen und berstende Nacht,
Dunkel und Flammen in rasender Jagd -
Ein Schrei durch die Brandung!

Und brennt der Himmel, so sieht mans gut:
Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut;
Gleich holt sichs der Abgrund.

Nis Randers lugt - und ohne Hast
Spricht er: »Da hängt noch ein Mann im Mast;
Wir müssen ihn holen.«

Da faßt ihn die Mutter: »Du steigst mir nicht ein!
Dich will ich behalten, du bliebst mir allein,
Ich wills, deine Mutter!

Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn;
Drei Jahre verschollen ist Uwe schon,
Mein Uwe, mein Uwe!»

Nis tritt auf die Brücke. Die Mutter ihm nach!
Er weist nach dem Wrack und spricht gemach:
»Und seine Mutter?«

Nun springt er ins Boot und mit ihm noch sechs:
Hohes, hartes Friesengewächs;
Schon sausen die Ruder.

Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz!
Nun muß es zerschmettern...! Nein, es blieb ganz!...
Wie lange? Wie lange?

Mit feurigen Geißeln peitscht das Meer
Die menschenfressenden Rosse daher;
Sie schnauben und schäumen.

Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt!
Eins auf den Nacken des andern springt
Mit stampfenden Hufen!

Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt!
Was da? - Ein Boot, das landwärts hält -
Sie sind es! Sie kommen!

Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt...
Still - ruft da nicht einer! - Er schreits durch die Hand:
»Sagt Mutter, 's ist Uwe!«

Balladen-Sammlung
 
Zorn eines Verliebten
Friedrich von Hagedorn (1708-1754 Hamburg)

Brief und Wink verhießen mir
schon um zwei die liebste Schöne;
doch der Zeiger ging auf vier,
und mir fehlte noch Climene.

So Geduld als Zeit verstrich,
und ich schwur, den Trug zu rächen;
endlich aber wies sie sich,
endlich hielt sie ihr Versprechen.

"Wie so schön", sagt' ich aus Hohn,
"hast du alles wahrgenommen!
Nur zwei Stunden wart' ich schon;
konntest du nicht später kommen?"

Da mein Eifer Raum gewann,
wollt' ich sie noch schärfer lehren;
doch: "was lärmst du", hub sie an,
"wird man mich denn auch nicht hören?

Ach! Was hab ich itzt vor Schmerz
von der Rosenknosp' erlitten,
die mir rechts bis an das Herz
von der Brust hinabgeglitten!

O wie drückt's mich! Himmel, wie!
Hier, hier in der linken Seite!
Sieh nur selbst, mir glaubst du nie;
doch was glaubt ihr klugen Leute!"

Sie entblößte Hals und Brust,
mir der Knospe Druck zu zeigen:
Plötzlich hieß der Thron der Lust
mich und die Verweise schweigen


Balladen.de ~ Friedrich von Hagedorn ~ Zorn eines Verliebten ~ Deutsche Balladen und Gedichte - nach Autoren und Dichtern sortiert ~
 
Walpurgisnacht

Am Kreuzweg weint die verlassene Maid,
Sie weint um verlassene Liebe.
Die klagt den fliegenden Wolken ihr Leid,
Ruft Himmel und Hölle zu Hülfe. -
Da stürmt es heran durch die finstere Nacht,
Die Eiche zittert, die Fichte kracht,
Es flattern so krächzend die Raben.

Am Kreuzweg feiert der Böse sein Fest,
Mit Sang und Klang und Reigen:
Die Eule rafft sich vom heimlichen Nest
Und lädt viel luftige Gäste.
Die stürzen sich jach durch die Lüfte heran,
Geschmückt mit Distel und Drachenzahn,
Und grüßen den harrenden Meister.

Und über die Heide weit und breit
Erschallt es im wilden Getümmel.
»Wer bist du, du schöne, du lustige Maid?
Juchheisa, Walpurgis ist kommen!
Was zauderst du, Hexchen, komm, springe mit ein,
Sollst heute des Meisters Liebste sein,
Du schöne, du lustige Dirne!«

Der Nachtwind peitscht die tolle Schar
Im Kreis um die weinende Dirne,
Da packt sie der Meister am goldenen Haar
Und schwingt sie im sausenden Reigen,
Und wie im Zwielicht der Auerhahn schreit,
Da hat der Teufel die Dirne gefreit
Und hat sie nimmer gelassen.

(Theodor Storm)
 
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