Liebe Sabine,
zu aller erst einmal ein kurzer Kommentar zur Aussage der Stationsärztin...."Ein Entzug ist in diesem Alter laut Stationsärztin nicht mehr rentabel".
Die Frage ist wohl für wen es nicht rentabel ist.... für die Krankenkasse, für die Klinik??? Ich bin erschüttert über so eine Aussage. JAAAA ein Entzug lohnt sich auch im Alter von 70 Jahren. Deine Mutter hat möglicher Weise noch 20 Jahre und mehr zu leben und selbst wenn es noch wenige Jahre wären.....
Gut ist, dass sie keinerlei Gebrechen hat, das macht es bestimmt einfacher.
Anzumerken ist, dass ein Entzug eventuell etwas schwieriger wird, aber wohl mehr aus dem Grund, dass sie Tavor (1 mg) in einer Niedrigdosis über 25 Jahre hinweg zu sich genommen hat.
Ein Entzug zu Hause schaffen wohl nur sehr wenige, ich denke, dass eine Suchtklinik hilfreich ist. Aber nach meiner gemachten Erfahrung ist es sehr wichtig, dass sie an ihren Ängsten arbeitet. Welche Ängste sind es, warum hat sie diese, sind diese begründet, hatte sie die davor schon!?
Beispiel: Angst vor dem Sterben - hier wäre die Aufgabe sich mit dem Tod und dem Sterben zu beschäftigen. Ich rate dir, dass sie dies mit einem Therapeuten macht. Am besten sind die Therapeuten, die eine hohe Lebenserfahrung haben, die es also nicht nur studiert haben, sondern selbst Erlebnisse hatten und den Menschen in seiner Gesamtheit sehen. Ich hatte einen Psychiater an meiner Seite (ambulant), der mir Hinweise gab, womit ich mich beschäftigen sollte (bei mir der Tod, das Sterben, die Beziehung zu mir selbst). Daraus ist dann noch viel mehr geworden. Mein gesamtes Weltbild hat sich verändert.
Es ist die Frage, welche Ängste mit dem Entzug zu tun haben werden und welche noch bleiben werden. Aber wie auch immer, auch die Entzugsängste muss man durchstehen. Dazu gibt es sicherlich auch AD's, aber auch die sind mit Vorsicht zu genießen. Die Nebenwirkungen könnten als Entzugssymptome gesehen werden, was das ganze nicht einfacher machen würde (eigene Erfahrung). Außderdem müssen auch diese Medikamente ausgeschlichen werden (wenn auch nicht bei jedem...).
Ich gehe davon aus, dass deine Mutter durch die 25 jährige Leidenszeit viele falsche Verknüpfungen in ihrem Kopf hat. Mir erging es so! Ich hatte auch nicht gewusst, dass meine Symptome und Ängste größtenteils durch eine Unterdosierung mit dem Medikament zu tun hatte. Ich ging davon aus, dass ich die Ängste in mir trage und dafür das Medikament nehme (in meinem Fall Diazepam - wirkt ähnlich wie Tavor, aber die Halbwertzeit im Blut/Körper ist viel länger.
Wie auch immer: Ich würde jedem raten, dass er sich über seine Probleme Klarheit verschafft, dann sich erst einmal auf einen Entzug psychologisch vorbereitet, dann Entzug mit einer engen Betreuung durchmacht und auch danach in mindestens wöchentlichen Abständen ambulante Besuche bei einem "lebenserfahrenen weisen Psychiater" macht. Jetzt ist die Frage, wo findest du ihn..... schwierig zu beantworten.
Ein Entzug ist sehr unterschiedlich, aber ich denke, dass es für deine Mutter schwer wird.
Langzeit Abhängige im Niedrigdosis-Bereich haben es schwerer zu entziehen und dauerhaft wegzubleiben als Suchtabhängige mit hohen Dosen.
Die Familie ist bei so einem Entzug auch sehr wichtig......aber ich stoppe hier mal, weil ich denke, dass es nun etwas zu viel wird.....
Ich hoffe die Ausführungen helfen dir, wenn du mehr und näheres wissen möchtest, sage einfach Bescheid.
Auf jeden Fall ist es der richtige Weg das Zeug loszuwerden, auf jeden Fall mit best möglichen Voraussetzungen versuchen, wenn es dann nicht geklappt hat, dann möglicher Weise noch mal probieren...... Wenn es dann nicht geht, dann muss man schauen, wie die Einstellung mit Medis und einer entsprechenden Therapie zur Angstbewältigung am besten dauerhaft funktioniert.
Sie braucht ihre Familie, die für sie da ist und schaut, dass die Behandlung die richtige ist. Ich würde meine Mutter auch nicht hilflos einer Psychiatrie überlassen!!!
Ich wünsche dir/euch, dass ihr einen Weg findet, der deiner Mutter mit der Zeit wieder erlaubt, weitestgehend angstfrei zu sein......denn Ängste haben wir alle, die Frage ist nur, wie real sie für uns sind und wie wir mit umgehen. Alles wogegen wir uns wehren, dazu gehört auch die Angst (oder die Angst vor der Angst) wird bleiben und sogar stärker werden. Wir müssen uns der Angst annehmen und ihr ins Auge sehen und erleben, dass wir sie aushalten können - ohne Suchtmittel!
Herzliche Grüße
BEN