Hallo Worm,
ein bißchen out of date - hatte vergessen.
. . . "sowohl mit den EDs meines Mannes, als auch mit Viagra . . ."
Hab eine ganze Weile gegrübelt, was "EDs" sind. Dachte, ich müsse ein Lexikon zu Rate ziehen. Nun fiel's mir ein aus dem Nichts und ich lach aus Entdeckerfreude.
Deine anschließende Beschreibung Euerer Gemeinsamkeit - schwer deprimierend. Dich völlig entwürdigend. "Als gäbe es mich nicht", ein Buchtitel.
"Am Ende war seine Einstellung zu unserer "gemeinsam" erlebten Sexualität mit ausschlaggebend für meine Trennung. Er war beim Sex nicht mehr anwesend, lag nur da mit geschlossenen Augen und ließ alles passieren..i.e. ich sorgte für seine Erektion bis seine Erregung ausreichte, dass ich ihn "zu Ende" ritt. Damit er das irgendwie hinkriegte, war notwendig, dass er sein Kopfkino abspulte und ansonsten passiv blieb. Sobald ich ihn bat, selbst mal aktiv zu werden, mich mal anzufassen, sobald ich also darum bat wahrgenommen zu werden, war es aus, mit der Erektion. In diesem Zusammenhang finde ich den Ausdruck von der "mechanischen, vollautomatischen Erektion" und der "echten, lebendigen" wirklich passend. Denn mit Viagra, dass er dann unbedingt nehmen wollte, hielt er stand, aber ich fühlte mich betrogen."
Natürlich könnte man fragen, wie eine Frau was dazu beiträgt, nicht mehr (oder nie) gewollt zu werden? Erster Einfall: sie verlangt viel zu wenig vom Herrscher. Mann will aber überfordert werden. Noch viel genauer: Eine der klügsten Liebenden (Helene) der Weltliteratur erklärt's ihrem Freund (Hans Karl) so: H.: "Die armen Frauen! Sie haben halt nicht die Kraft gehabt für euch beide." - H.K.: "Wie?" - H.: "Begehren ist Ihre Natur. Aber nicht: das - oder das - sondern von einem Wesen - alles - für immer! Es hätte eine die Kraft haben müssen, Sie zu zwingen, daß Sie von ihr immer mehr und mehr begehrt hätten. Bei der wären sie dann geblieben." - H.K.: "Wie Du mich kennst!" - H.: "Nach einer ganz kurzen Zeit waren sie dir alle gleichgültig, und du hast ein rasendes Mitleid gehabt, aber keine große Freundschaft für keine: das war mein Trost." - H.K.: "Wie du alles weißt! Da muß ich mich ja vor dir schämen." - "Schäm ich mich denn vor dir? Ah nein. Die Liebe schneidet ins lebendige Fleisch. Ich hätt nicht den kleinen Finger gerührt, eine solche Frau von dir wegzubringen. Es wär mir nicht dafür gestanden." (Hofmannsthal, "Der Schwierige. Lustspiel in drei Akten")
(Zum Glück ist das hier O.T.)
"...also im Grunde brauche ich nicht erklären was man tut, wenn man selbst teilhat an Sex..."
Es kann schon gut sein, das zu erklären. Im Zentrum steht "Eye-contact" = "I-contact". Dem weichen die weitaus meisten aus, d.h. z.B. sie "schlafen" im Finsteren miteinander, weil das angeblich "romatischer" sei. (Die Romantiker würden sich im Grab umdrehen.) Ca. zwei Drittel, lt. Umfragen von David Schnarch. Aus guten Grund: denn Blickkontakt, wenn man sich darauf einläßt, ist eine heftige Herausforderung. (Fast niemand weiß, wie man das überhaupt anfängt.) Zuerst der "Geist", dann der Körper! (Auch nach den Erfahrungen in kontemplativen Traditionen deszendiert die Energie stufenweis vom Scheitel zum Beckenboden, nicht andersrum.) -- Ein anderes Element: Nicht "Machen" sondern SPÜREN. Gaanz langsam. Zielfrei. Jede Berührung sagt nur DU . . . Spüren braucht langes Training. Auch schon mit "nonsexual touch". Gibt's nicht mehr. (Wenn man den Menschen zuschaut, wie sie einander an den Straßenkreuzungen ihre Streicheleinheiten verabfolgen . . .)
Ich bin darauf mal schockartig aufmerksam geworden. Mit einer Bekannten in einem Lokal. Sie hatte sich ein Knie verletzt und ich legte ihr wohlwollend meine Handfläche auf die schmerzende Stelle. Nach einer kleinen Weile schaute sie mich entgeistert an: "Ja wie berührst du mich denn? So spürst du doch nichts! Meinst du mich denn überhaupt?" Sie war eine hochkarätige Tänzerin; die spüren natürlich alles. Aber sie war geduldig; ließ mich ausprobieren, wie das denn gehe, sie zu "meinen". Nicht einfach - d.h. extrem einfach, aber gerade dadurch schwierig für mich. Am Ende der Blindversuch: mal "meinte" ich sie, mal nicht, in unregelmäßiger Folge. Sie erriet jedesmal, was im mir vorging. Auch sowas kann ein "Potenzmittel" sein. (Was für ein abstruses Wort.)
"Langer Rede, kurzer Sinn..mir kommt es darauf an, dass ich begehrt werde" -
das ist eine der zentralen - obwohl eigentlich simplen - Unterscheidungen bei David Schnarch: "I want you" - das ist etwas grundlegend anderes als "I need you". - " I want to be wanted" - dazu gehört Mut. "I need to be needed" - so ist's, wenn ich schwach bin. (Nicht "erektil schwach", sondern wenn ich mich hängen laß, mich drücke.) Der Mut kann eine Vorstufe sein, die Aufrichtigkeit ein Schritt zur Aufrichtung.
"Dazu muss ein Mann nicht zwangsläufig harte Fakten präsentieren."
Die Gegenmeinung ist primitiv, töricht materialistisch. Damit mein ich nicht eine materialistische Philosophie sondern ein feiges Sich-Verstecken der Person, des Ich hinter irgendwelchen Geschehnissen (oder deren Ausbleiben) im materiellen Körper.
"Ich habe meinen Mann immer mal gefragt, wie er sich unser Sexleben vorstellt, wenn wir alt sind, aber uns noch wollen. ( War eine rhetorische Frage, denn da wollte er mich schon nicht mehr!)"
Vielleicht hat er nie begriffen, was dieses Wollen bedeutet und wie es sich anfühlt. Daß es eben kein Sich-gedrängt, Sich-getrieben-Fühlen ist. Sondern eine immer neue Entscheidung.
Wenn ich im Alter noch begehre und meinem Mann nahe sein will, dann sollte ich das körperliche Zusammensein nicht von einer Erektion abhängig machen.
Was zudem der Gipfel der Antikreativität ist. Was für eine unbegreifliche Absurdität, eine Liebes-Beziehung abhängig zu machen vom Verhalten eines Stückchens Gewebe, das schon recht eindrucksvoll ist im Sich-Aufrichten oder Erschlaffen - aber soo originell und singulär doch auch wieder nicht.
"Und wenn´s nicht funktioniert"
das Wort "funktionieren" stört mich - es bewertet, als gäbe es einen technisch richtigen Ablauf. Faktisch ist aber alles, was geschieht oder ausbleibt, Mitteilung, auch wenn wir sie nicht verstehen (was sowieso die Regel ist). Personen kommunizieren durch ihre Organismen. Und diese schmuggeln - gemein, ja - machmal ganz neue Dinge ins Gespräch ein.
"Wenn ich mich zu meinem Liebsten lege, dann will ich IHN und ich weiß wunderbarerweise nie, wohin die Reise geht, aber immer, dass es schön wird...und das reicht."
Sie kann auch schmerzlich werden. Nicht alles ist vorher gebucht. Kein Reklamationsrecht. Wie in diesem Leben insgesamt.
"Für Männer die gesundheitliche Probs haben, ist Viagra und Co u.U. ein Segen."
An diesem "Segen" hab ich Zweifel. "Probleme" sind unvermeidbar. Sie werden immer schwerer. Manche sind lösbar, aber die Grundstruktur der - lettztlich letalen - Problemanfälligkeit bleibt. Es steht uns frei, uns darüber hinwegzutäuschen. (Neuerdings wird darüber gefaselt, daß der Mensch in absehbarer Zeit unsterblich werde, weil man die Telomere an der DMA wieder verlängern könne.) Aber ist das gut? und wie lang? ("Herr, lehre uns doch, daß es ein Ende mit mir Haben muß und daß ich davon muß . . ." Brahms, Ein Deutsches Requiem.)
Übrigens, ein späteres Werk von David Schnarch ("Resurrecting Sex", nicht übersetzt) beschäftigt sich ausführlich mit dem Bereich krankheitsbedingter sexueller Dysfunktionen, vor allem damit, was der von Dir genannte "Segen" für Rollen spielt in der Kommunikation zwischen Partnern. (Disclaimer: Das ist keine Werbung sondern ein Hinweis auf ein Standardwerk.)
David Schnarch hat in seinen beiden Hauptwerken je ein Schlußkapitel, betitelt "Liebe und Tod". Die sind nahe verwandt - oder eins? Sie haben gemeinsam, daß wir in beiden Situationen am Ende mit unserem Latein sind. Wie mit Sexualität auch, nebenbei. Je mehr wir jemanden lieben, desto schwerer erträglich wird das Unausweichliche: daß wir ihn mit absoluter Sicherheit verlieren werden. Oder er uns.
"Aber ich für meinen Teil möchte den Mann und seine Gefühle für mich, ob mit oder ohne Erektion..."
Dazu fällt mir eine für mich immer noch etwas rätselhafte Geschichte ein. Eines Nachts - ich war noch ziemlich jung - hatte ich, um die schöne Abkürzung nochmal zu verwenden, eine "ED". Zum ersten Mal, ohne erkennbaren Grund. War mir "natürlich" (?) sehr peinlich. Meine Gefährtin, zu meinem tiefen Erstaunen, war freudig berührt - als habe sie nun endlich den langgesuchten Geliebten gefunden. (Dabei hatte sie nichts gegen Erektionen, ganz im Gegenteil.) Vielleicht - eine nachträgliche Interpretation - als sei ich nun endlich "direkt" da, nicht immer "hinter" diesem maskulinen Vorbau.
Eine Hintergrundfrage ist mir geblieben: Was drückt Dein Nickname aus? Er scheint mir wenig zu tun zu haben mit diesem Thema oder der Weise, wie Du schreibst. -- Schon wieder O.T. Aber sorry bin ich nicht.
Liebe Grüße,
Windpferd