Gedichte
Der Dichter
Licht wirbelt über Autobahnen.
Licht bricht sich in tausend Spiegeln.
Arme Seelen trachten nach Verstehehn, auf trüben Inseln, in Dunkelheit.
Scheinwerferblitze erhellen das Dunkel nicht, betonen es nur.
Verängstigte Gestalten bewegen sich langsam am Straßenrand.
Der Tag hat sich abgeschminkt.
Dort steht sie, nackt und kalt: die Nacht!
Die Blumen des Bösen wuchern feurig blühend,
glühend, giftig leuchtend in den dunkelsten Ecken!
Alptraummonster werfen ihre mächtigen
Schatten über die, von Ängstlichen, hellerleuchteten Hallen,
in denen die Menschen verschüchtet zusammen hocken und
sich flüsternd Märchen von den Ungeheuern
der Finsternis erzählen.
In der verräucherten kleinen Kaschemme
springt der Dichter auf. Der, den sie alle für verrückt erklärt,
den die Kritiker als unfähig, die ordnenden Kräfte als
„subversiv veranlagt “ aber „harmlos“ bezeichnet haben.
Er steht da und sieht, mit wilden – von Rauch
und Alkohol gerötetem Augen – in die Runde.
Das lange Haar hängt ihm in die Stirn.
„Ich will nicht von Euch geliebt werden!“ ruft
der Dichter in die Runde.
„Eure Sympathie interressiert mich nicht!“
„Ich will,“ so fährt er fort, „nur einen Tritt
in den verfetteten Hintern geben!“ Und er fegt,
mit einer Handbewegung, das halbvolle Glas vom Tisch.
„Ich will,“ruft er, „Euch aufrütteln, aus
Eurer Lethargie, ich will Euch Feuer schütten in den
verfaulten Fraß, den Ihr verschlingt! Ich will
Euch Glut geben in die Galle, die Ihr
tagtäglich sauft!
Ihr sollt das Kotzen kriegen, wenn
Ihr mich nur seht, geschweige denn meine
Bücher lest, ja in den Spiegel seht, aus dem
Ihr Euch selbst entgegen blickt!
Ja, spuckt nur alles aus!
All den Schmutz und Unrat, der sich in
all den vielen Jahren die Ihr blöd und
tot auf Euren Hintern hockend und
vor euch hinstarrend, verbrachtet,
angesammelt habt!
Würgt sie hinaus, die Dummheit,
den Kadavergehorsam, die Naivität,
die Ignoranz, mit der Ihr ins Verderben trottet.
Seht Euch an! - Seht Euch um!
Erkennt Eure Schlachter, die Euch
Mit vielen schmeichelnden Worten
und Versprechungen, mit Friedens –
Beteuerungen und Wohlstand mästen!
Erkennt sie und nehmt ihnen
Die Messer weg, bevor Ihr
Endgültig in Agonie erstarrt,
bevor sie Euch zu Tausenden
an ihre Fronten karren!
Wacht auf und verschanzt Euch
Nicht länger in Euerer Arglosigkeit!
Tut doch nicht so, als ginge euch
Der ganze Wahnsinn nichts an,
der um Euch tobt!
Verharmlost nicht die fleisch-
gewordenen Mordgedanken,
die sich als Bomben und Raketen
um Euch türmen!
Ihr werdet wütend? Gut so!
Ja, ich will Euch wütend machen!
Wütend auf mich. Wütend auf Euch!
Und daraus wird werden eine Wut
Gegen die Schlachter!
Doch die Wut muss in
Bahnen sich geleiten lassen,
muss Ziel werden und Plan,
muss sich wandeln und werden Gesetz!“
Dem Dichter gegenüber hat ein Mann
Sich nun erhoben. Ein großer schwerer Mann,
mit kahlem Haupt und grimmigen Gesicht.
Die alten Embleme auf seiner Jacke
sind noch nicht verblasst.
Die alten und neuen, schneidigen
Marschrhytmen klingen laut in seiner Brust!
Er geht auf den Dichter zu und schlägt
Die grobe Faust ihm mitten ins Gesicht.
Dann schlägt er auf ihn ein, reißt
Mit großer Wut zu Boden ihn.
Der Dichter rührt sich nun nicht mehr.
Draußen ballt sich die Dunkelheit und
baut hohe, schwarze Türme aus
endloser, auswegloser und
ewiger Finsternis!