Schizophrenie
Die heutige Ausgabe der Netdoktor-Nachrichten notiert hierzu:
Schizophrenie: Nebenwirkung der Evolution
London (ddp). Die Veranlagung für Schizophrenie ist eine Art Nebenwirkung, die mit der Entwicklung der geistigen Fähigkeiten des Menschen einhergeht. Das zeigt eine Studie, in der ein internationales Forscherteam einen direkten Einfluss der Evolution auf drei Risikogene für Schizophrenie nachweisen konnte. Da die Krankheit selbst keinen Überlebensvorteil bietet, sondern die Chancen auf Nachwuchs sogar vermindert, muss die Veranlagung mit anderen Fähigkeiten oder Eigenschaften gekoppelt sein, die diesen Nachteil mehr als wettmachen. Nur so lasse sich erklären, dass die Schizophrenie entgegen den Regeln der Evolutionstheorie weltweit immer noch sehr häufig ist, schreiben Bernard Crespi von der Simon-Fraser-Universität im kanadischen Burnaby und seine Kollegen in der Fachzeitschrift «Proceedings of the Royal Society B» (DOI: 10.1098/rspb.2007.0876). Schizophrenie ist eine psychische Krankheit, die weltweit etwa bei einem Prozent der Bevölkerung auftritt und mit schweren Halluzinationen, Wahnvorstellungen, kognitiven Problemen und unkontrollierbaren Gefühlszuständen einhergeht. Wie sie genau entsteht, wissen Mediziner noch nicht. Klar ist nur, dass es eine genetische Komponente gibt, die nicht auf einem Gen, sondern auf vielen verschiedenen Genen beruht. Vom Standpunkt der Evolutionstheorie aus betrachtet, ist vor allem die Häufigkeit ein Paradoxon: Eine Krankheit, die die Betroffenen derartig stark beeinträchtigt, sollte im Lauf der Entwicklung eigentlich verschwinden - schließlich haben die Kranken im Durchschnitt weniger Nachkommen, so dass die krankmachenden Gene immer seltener werden. Das ist jedoch nicht der Fall - im Gegenteil: Zumindest einige der Risikogene scheinen sich im Lauf der Evolution ausgebreitet und stabilisiert zu haben, konnten die Wissenschaftler zeigen. Die Forscher hatten die Struktur, die Häufigkeit und die Veränderungsrate von Genen, die schon in früheren Studien mit Schizophrenie in Verbindung gebracht worden waren, mit anderen Erbgutabschnitten verglichen. Dabei zeigte sich, dass besonders drei Gene namens DISC1, Dysbindin und Neuregulin eindeutige Spuren einer Selektion zeigten. Demnach müssen sie sich nach klassischem Verständnis also entweder selbst positiv für den Träger ausgewirkt haben, oder sie sind eben mit anderen Genen gekoppelt, die einen Vorteil bieten und damit den Nachteil der Schizophrenie-Veranlagung ausgleichen. Alle drei Gene beeinflussen die Struktur des Gehirns, und zwar vor allem die Hirnregionen, die sich während der menschlichen Evolution am meisten verändert haben, schreiben die Forscher. Vermutlich gibt es also eine Kopplung zwischen ihnen und solchen Erbgutbereichen, die Kreativität, geistige Flexibilität und Fantasie prägen. Ähnliche Zusammenhänge waren auch in früheren Arbeiten bereits gezeigt worden. Die Wissenschaftler wollen diese Verbindung nun genauer untersuchen und damit auch mehr über die genauen Ursachen und mögliche Therapien der Krankheit herausfinden.
Alles Gute!
Gerold