Verschiedene Gedichte

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Wir standen an der Straßeneck
Wohl über eine Stunde;
Wir sprachen voller Zärtlichkeit
Von unsrem Seelenbunde.
Wir sagten uns vielhundertmal,
Daß wir einander lieben;
Wir standen an der Straßeneck,
Und sind da stehngeblieben.

Die Göttin der Gelegenheit,
Wie 'n Zöfchen, flink und heiter,
Kam sie vorbei und sah uns stehn,
Und lachend ging sie weiter.



Heinrich Heine (aus "Hortense"): Heine: Neue Gedichte
 
Als einen meiner Lieblingslyriker könnte ich durchaus Charles Baudelaire ("Die Blumen des Bösen") bezeichnen!



Hymne

Charles Baudelaire (1821-1867)

Dich, schöne Liebe, schöne Süße,
Dich Engel, der zum Licht mich weiht,
Unsterbliches Idol, dich grüße
Ich glühend in Unsterblichkeit.

Du flutest durch mein ganzes Leben
Gleich einem Seewind, herb und rein,
Und meiner Seele bangem Streben
Flößt du Begehr nach Ewgem ein.

Stets frischer Wohlgeruch, der blühend
Ein lieb Gemach in Düfte taucht,
Vergessner Weihrauch, der erglühend
Geheim in tiefer Nacht verhaucht!

Wie soll ich nennen dich in Wahrheit,
Demantenreine Liebesglut,
Die in der Seele ewger Klarheit,
Ein Ambrakorn, verborgen ruht?

Dich, schöne Gute, schöne Süße,
Die Kraft und Freude mir verleiht,
Unsterbliches Idol, dich grüße
Ich glühend in Unsterblichkeit.


Herzliche Grüße von
Leòn
 
Wie ich dich liebe?

Elizabeth Barrett Browning (1806-1861)

Wie ich dich liebe? Lass mich zählen wie.
Ich liebe dich so tief, so hoch, so weit,
als meine Seele blindlings reicht, wenn sie
ihr Dasein abfühlt und die Ewigkeit.

Ich liebe dich bis zu dem stillsten Stand,
den jeder Tag erreicht im Lampenschein
oder in Sonne. Frei, im Recht, und rein
wie jene, die vom Ruhm sich abgewandt.

Mit aller Leidenschaft der Leidenszeit
und mit der Kindheit Kraft, die fort war, seit
ich meine Heiligen nicht mehr geliebt.

Mit allem Lächeln, aller Tränennot
und allem Atem. Und wenn Gott es giebt,
will ich dich besser lieben nach dem Tod.

(Aus dem Englischen von Rainer Maria Rilke.)


Liebesgedichte: Liebeserklärungen
 
Heinrich Heine:
" Buch der Lieder"
Lyrisches Intermezzo

Sie saßen und tranken am Teetisch,
Und sprachen von Liebe viel.
Die Herren waren ästhetisch,
Die Damen von zartem Gefühl.
Die Liebe muß sein platonisch,
Der dürre Hofrat sprach.
Die Hofrätin lächelt ironisch,
Und dennoch seufzet sie: Ach!

Der Domherr öffnet den Mund weit:
Die Liebe sei nicht zu roh,
Sie schadet sonst der Gesundheit.
Das Fräulein lispelt: Wie so?

Die Gräfin spricht wehmütig:
Die Liebe ist eine Passion!
Und präsentieret gütig
Die Tasse dem Herrn Baron.

Am Tische war noch ein Plätzchen;
Mein Liebchen, da hast du gefehlt.
Du hättest so hübsch, mein Schätzchen,
Von deiner Liebe erzählt.


Heine: Sie saen und tranken am Teetisch
 
Liebesglut


Sie liebt mich nicht. Nun brennt mein Herz
ganz lichterloh vor Liebesschmerz,
vor Liebesschmerz gar lichterloh
als wie gedörrtes Haferstroh.

Und von dem Feuer steigt der Rauch
mir unaufhaltsam in das Aug',
dass ich vor Schmerz und vor Verdruss
viel tausend Tränen weinen muss.

Ah Gott! Nicht lang ertrag ich's mehr! -
Reicht mir doch Feuerkübel her!
Die füll ich bald mit Tränen an,
dass ich das Feuer löschen kann.

Seitdem du mich so stolz verschmäht,
härmt ich mich ab von früh bis spät,
sodass mein Herz bei Nacht und Tag
als wie auf heißen Kohlen lag.

Und war es dir nicht heiß genug,
das Herz, das ich im Busen trug,
so nimm es denn zu dieser Frist,
wenn dir's gebacken lieber ist!

(Wilhelm Busch)
 
An M.
Der du meine Wege mit mir gehst,
Jede Laune meiner Wimper spürst,
Meine Schlechtigkeiten duldest und verstehst -
Weißt du wohl, wie heiß du mich oft rührst?
Wenn ich tot bin, darfst du gar nicht trauern.
Meine Liebe wird mich überdauern
und in fremden Kleidern dir begegnen
Und dich segnen.
Lebe, lache gut!
Mache deine Sache gut!

J. Ringelnatz
 
Mein Kind, du bist schon furchtbar alt,
Die Welt ist längst dein Aufenthalt.
Vor sieben Jahren gänzlich fremd
Ist sie vertraut dir wie dein Hemd.
Es kommt dir schon natürlich vor,
Dass du zur Decke wächst empor,
und dass das Wasser abwärts rinnt,
und dass die Spinne Fäden spinnt,
Und dass der Würfel eckig sei,
Und eins und eins gerade zwei.
Dies alles scheint dir selbstverständlich;
Doch lerne mehr, - so lernst du endlich,
Dass alles dieses ganz und gar
Erstaunlich ist und wunderbar,
Und wunderbarer nichts als just,
Dass du dir dieser Welt bewusst.
Und sie - vertraut dir wie dein Hemd
Wird dir ganz sachte wieder fremd;
Mit siebzig kommst du alter Tor,
Dir drin als grüner Neuling vor.

Robert Faesi (1883 - 1972)

Liebe Grüße,

Perceval
 
Wer Schmetterlinge lachen hört

Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiß wie Wolken schmecken.
Der wird im Mondschein, ungestört von Furcht,
die Nacht entdecken.

Der wird zur Pflanze, wenn er will,
zum Tier, zum Narr, zum Weisen
und kann in einer Stunde
durchs ganze Weltall reisen.

Der weiß, dass er nichts weiß,
wie alle anderen auch nichts wissen.
Nur weiß er, was die anderen
und auch er noch lernen müssen.

Wer in sich fremde Ufer spürt
und Mut hat sich zu recken,
der wird allmählich, ungestört von Furcht
sich selbst entdecken.

Abwärts zu den Gipfeln
seiner selbst blickt er hinauf;
den Kampf mit seiner Unterwelt
nimmt er gelassen auf.

Wer mit sich selbst in Frieden lebt,
der wird genauso sterben:
Und ist selbst dann lebendiger
als alle seine Erben...

Novalis, dt. Dichter und Philosoph (1772-1801)
 
Abend

Der Abend wechselt langsam die Gewänder,
die ihm ein Rand von alten Bäumen hält;
du schaust: und von dir scheiden sich die Länder,
ein himmelfahrendes und eins, das fällt;

und lassen dich, zu keinem ganz gehörend,
nicht ganz so dunkel wie das Haus, das schweigt,
nicht ganz so Ewiges beschwörend
wie das, was Stern wird jede Nacht und steigt -

und lassen dir (unsäglich zu entwirrn)
dein Leben bang und riesenhaft und reifend,
so daß es, bald begrenzt und bald begreifend,
abwechselnd Stein in dir wird und Gestirn.

Rainer Maria Rilke
 
Die Leiche zu St. Just

Aus Sanct Justi Klosterhallen
tönt ein träges Totenlied,
Glocken summen von den Türmen
für den Mönch, der heut' verschied.

Seht den Toten! Wie von welkem Blute
schlingt ein roter Reif sich um sein Haupt;
ob einst drauf zur Buß ein Dornkranz ruhte!
Nein, die Krone lag auf diesem Haupt!

Die Kapuze zieht ein Mönch
ihm tief jetzt übers Auge zu,
daß die böse Spur der Krone
tief darin verborgen ruh'.

Einst das Scepter hielt sein Armerhoben,
rüttelte gleich dran die halbe Welt;
er hielt fest und fester es nach oben,
wie ein Fels, der eine Tanne hält.

Diese Arme beugt dem Toten
jetzt ein Frater zu Sanct Just,
drückt ein Kreuz darein und beugt sie,
ach so leicht! verschränkt zur Brust.

Wie des Regenbogens Himmelsstiege
glomm der Tag, der ihm das Licht beschied,
Kön'ge schaukelten da seine Wiege,
Königinnen sangen ihm das Lied.

Doch ein Mönchchor singt das Grablied
jetzt in alter Melodei,
wie er singt, ob Grabeslegung
oder Auferstehung sei.

Seht, die Sonne sinkt, die aus den Reichen
dieses Toten nie den Ausgang fand;
dieses Abendrot im Gau der Eichen
ist ein Morgenrot dem Palmenland.

Und die Mönche heiser singen:
Schnöde Welt, o fahre wohl!
Und die Glocken leiser klingen:
Schöne Täler, lebet wohl!

Einmal noch durchs Kirchenfenster
nieder blickt zum Sarg der Sonne mildes Rot,
was sie hier sieht, dort zu künden wieder:
wie der Herrscher beider Welten tot!

Hirt und Hirtin doch im Tale,
wie da Glocke klingt und Lied,
beten still, entblößten Hauptes,
für den frommen Mönch, der schied.
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von Anastasius Grün (1806-1876) [pseudonym]
A.Grün hat viele Gedichte geschrieben. Wer noch mehr lesen möchte: www.recmusic.org/lieder/g/gruen/

Mehr zu St.Just: Antoine de Saint-Just ? Wikipedia

Gruss,
Uta
 
Du bist das Kloster zu den Wundenmalen...

Du bist das Kloster zu den Wundenmalen.
Mit zweiunddreißig alten Kathedralen
und fünfzig Kirchen, welche aus Opalen
und Stücken Bernstein aufgemauert sind.
Auf jedem Ding im Klosterhofe
liegt deines Klanges eine Strophe,
und das gewaltige Tor beginnt.

In langen Häusern wohnen Nonnen,
Schwarzschwestern, siebenhundertzehn.
Manchmal kommt eine an den Bronnen,
und eine steht wie eingesponnen,
und eine, wie in Abendsonnen,
geht schlank in schweigsamen Alleen.

Aber die Meisten sieht man nie;
sie bleiben in der Häuser Schweigen
wie in der kranken Brust der Geigen
die Melodie, die keiner kann...

Und um die Kirchen rings im Kreise,
von schmachtendem Jasmin umstellt,
sind Gräberstätten, welche leise
wie Steine reden von der Welt.
Von jener Welt, die nichtmehr ist,
obwohl sie an das Kloster brandet,
in eitel Tag und Tand gewandet
und gleichbereit zu Lust und List.

Sie ist vergangen: denn du bist.
Sie fließt noch wie ein Spiel von Lichtern
über das teilnahmslose Jahr;
doch dir, dem Abend und den Dichtern
sind, unter rinnenden Gesichtern,
die dunkeln Dinge offenbar.

Rainer Maria Rilke (1875-1926)
 
Das Kloster ist hoch auf Felsen gebaut

Das Kloster ist hoch auf Felsen gebaut,
Der Rhein vorüberrauschet;
Wohl durch das Gitterfenster schaut
Die junge Nonne und lauschet.

Da fährt ein Schifflein, märchenhaft
Vom Abendrot beglänzet;
Es ist bewimpelt von buntem Taft,
Von Lorbeern und Blumen bekränzet.

Ein schöner blondgelockter Fant
Steht in des Schiffes Mitte;
Sein goldgesticktes Purpurgewand
Ist von antikem Schnitte.

Zu seinen Füßen liegen da
Neun marmorschöne Weiber;
Die hochgeschürzte Tunika
Umschließt die schlanken Leiber.

Der Goldgelockte lieblich singt
Und spielt dazu die Leier;
Ins Herz der armen Nonne dringt
Das Lied und brennt wie Feuer.

Sie schlägt ein Kreuz, und noch einmal
Schlägt sie ein Kreuz, die Nonne;
Nicht scheucht das Kreuz die süße Qual,
Nicht bannt es die bittre Wonne.

Heinrich Heine
Heinrich Heine - Gedichte: Das Kloster ist hoch auf Felsen
 
Glöckleins Klage

Ein junges Glöcklein klagte der Orgel einst ihr Leid:
"Wie oft mit deinem Reichtum erweckst du meinen Neid.
Kannst hundertfältig sagen, was deine Seele spürt;
und was du spürst, das fühlt man, und was du fühlst, das rührt.
Ich, wenn vor Weh und Mitleid mir schier das Herz zerspringt,
ists stets der gleiche Wohllaut, den meine Zunge singt.
Nach einem echten Missklang ring ich aus tiefster Brust.
Wer leiht mir Kraft zum Schreien? Es wär mir bittre Lust."

Carl Spitteler (Glockenlieder)
 
Twas the Night before Christmas


Twas the night before Christmas, when all through the house
Not a creature was stirring, not even a mouse.
The stockings were hung by the chimney with care,
In hopes that St Nicholas soon would be there.

The children were nestled all snug in their beds,
While visions of sugar-plums danced in their heads.
And mamma in her ‘kerchief, and I in my cap,
Had just settled our brains for a long winter’s nap.

When out on the lawn there arose such a clatter,
I sprang from the bed to see what was the matter.
Away to the window I flew like a flash,
Tore open the shutters and threw up the sash.

The moon on the breast of the new-fallen snow
Gave the lustre of mid-day to objects below.
When, what to my wondering eyes should appear,
But a miniature sleigh, and eight tinny reindeer.

With a little old driver, so lively and quick,
I knew in a moment it must be St Nick.
More rapid than eagles his coursers they came,
And he whistled, and shouted, and called them by name!

"Now Dasher! now, Dancer! now, Prancer and Vixen!
On, Comet! On, Cupid! on, on Donner and Blitzen!
To the top of the porch! to the top of the wall!
Now dash away! Dash away! Dash away all!"

As dry leaves that before the wild hurricane fly,
When they meet with an obstacle, mount to the sky.
So up to the house-top the coursers they flew,
With the sleigh full of Toys, and St Nicholas too.

And then, in a twinkling, I heard on the roof
The prancing and pawing of each little hoof.
As I drew in my head, and was turning around,
Down the chimney St Nicholas came with a bound.

He was dressed all in fur, from his head to his foot,
And his clothes were all tarnished with ashes and soot.
A bundle of Toys he had flung on his back,
And he looked like a peddler, just opening his pack.

His eyes-how they twinkled! his dimples how merry!
His cheeks were like roses, his nose like a cherry!
His droll little mouth was drawn up like a bow,
And the beard of his chin was as white as the snow.

The stump of a pipe he held tight in his teeth,
And the smoke it encircled his head like a wreath.
He had a broad face and a little round belly,
That shook when he laughed, like a bowlful of jelly!

He was chubby and plump, a right jolly old elf,
And I laughed when I saw him, in spite of myself!
A wink of his eye and a twist of his head,
Soon gave me to know I had nothing to dread.

He spoke not a word, but went straight to his work,
And filled all the stockings, then turned with a jerk.
And laying his finger aside of his nose,
And giving a nod, up the chimney he rose!

He sprang to his sleigh, to his team gave a whistle,
And away they all flew like the down of a thistle.
But I heard him exclaim, ‘ere he drove out of sight,
"Happy Christmas to all, and to all a good-night!"



Clement Clarke Moore (1779 - 1863) wrote the poem Twas the night before Christmas also called “A Visit from St. Nicholas" in 1822. It is now the tradition in many American families to read the poem every Christmas Eve. The poem Twas the night before Christmas has redefined our image of Christmas and Santa Claus. Prior to the creation of the story of Twas the night before Christmas St. Nicholas, the patron saint of children, had never been associated with a sleigh or reindeers! The author of the poem Twas the night before Christmas was a reticent man and it is believed that a family friend, Miss H. Butler, sent a copy of the poem to the New York Sentinel who published the poem. The condition of publication was that the author of Twas the night before Christmas was to remain anonymous. The first publication date was 23rd December 1823 and it was an immediate success. It was not until 1844 that Clement Clarke Moore claimed ownership when the work was included in a book of his poetry. Clement Clarke Moore came from a prominent family and his father Benjamin Moore was the Bishop of New York who was famous for officiating at the inauguration of George Washington. The tradition of reading Twas the night before Christmas poem on Christmas Eve is now a Worldwide institution.
 

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In den Vorweihnachtstagen des Jahres 1822 schrieb Clement Clarke Moore, Professor an der Columbia Universität von New York, zum Entzücken seiner sechs Kinder "A Visit from St. Nicholas." Das Gedicht eroberte sich in Windeseile die Herzen aller amerikanischen Kinder. Seine Beschreibung des Nikolaus prägte die Weihnachtszeichnungen bis ins Jahr 1931. 1947 veröffentlichte Erich Kästner eine deutsche Übersetzung

Als der Nikolaus kam
1947 übersetzt von Erich Kästner nach dem Gedicht von
Clement Clarke Moore „A Visit from St. Nicholas“

In der Nacht vor dem Christfest, da regte im Haus
sich niemand und nichts, nicht mal eine Maus.
Die Strümpfe, die hingen paarweis am Kamin
und warteten drauf, daß Sankt Niklas erschien.
Die Kinder lagen gekuschelt im Bett
und träumten vom Apfel- und Nüsseballett.

Die Mutter schlief tief, und auch ich schlief brav,
wie die Murmeltiere im Winterschlaf,
als draußen vorm Hause ein Lärm losbrach,
daß ich aufsprang und dachte: Siehst rasch einmal nach!
Ich rannte zum Fenster, und fast noch im Lauf
stieß ich die knarrenden Läden auf.

Es hatte geschneit, und der Mondschein lag
so silbern auf allem, als sei’s heller Tag.
Acht winzige Rentierchen kamen gerannt,
vor einen ganz, ganz kleinen Schlitten gespannt!
Auf dem Bock saß ein Kutscher, so alt und so klein,
daß ich wußte, das kann nur der Nikolaus sein!

Die Rentiere kamen daher wie der Wind,
und der Alte, der pfiff, und er rief: "Geschwind!
Renn, Renner! Tanz, Tänzer! Flieg, fliegende Hitz’!
Hui, Sternschnupp’! Hui, Liebling! Hui, Donner und Blitz!
Die Veranda hinauf, und die Hauswand hinan!
Immer fort mit euch! Fort mit euch! Hui, mein Gespann!"

Wie das Laub, das der Herbststurm die Straßen lang fegt
und, steht was im Weg, in den Himmel hoch trägt,
so trug es den Schlitten auf unser Haus
samt dem Spielzeug und samt dem Sankt Nikolaus!
Kaum war das geschehen, vernahm ich schon schwach
das Stampfen der zierlichen Hufe vom Dach.

Dann wollt’ ich die Fensterläden zuzieh’n,
da plumpste der Nikolaus in den Kamin!
Sein Rock war aus Pelzwerk, vom Kopf bis zum Fuß.
Jetzt klebte er freilich voll Asche und Ruß.
Sein Bündel trug Nikolaus huckepack,
so wie die Hausierer bei uns ihren Sack.

Zwei Grübchen, wie lustig! Wie blitzte sein Blick!
Die Bäckchen zartrosa, die Nas’ rot und dick!
Der Bart war schneeweiß, und der drollige Mund
sah aus wie gemalt, so klein und halbrund.
Im Munde, da qualmte ein Pfeifenkopf,
und der Rauch, der umwand wie ein Kranz seinen Schopf.

Ich lachte hell, wie er so vor mir stand,
ein rundlicher Zwerg aus dem Elfenland.
Er schaute mich an und schnitt ein Gesicht,
als wollte er sagen: "Nun, fürchte dich nicht!"
Das Spielzeug stopfte er, eifrig und stumm,
in die Strümpfe, war fertig, drehte sich um,
hob den Finger zur Nase, nickte mir zu,
kroch in den Kamin und war fort im Nu!

In den Schlitten sprang er und pfiff dem Gespann,
da flogen sie schon über Tal und Tann.
Doch ich hört’ ihn noch rufen, von fern klang es sacht:
"Frohe Weihnachten allen, und allen gut’ Nacht!"
 
DER FREMDE GOTT (aus raunächte)


von Verena Raupach

Ich habe dich gehüllt
in das golddurchwirkte Gewand eines Gottes
gekrönt mit der Jaguarsonne der Azteken

Ich habe dir ambrosianische Düfte verliehen
und dein Antlitz bemalt
mit den strahlendsten Farben

Ich war es
die dir ein rätselhaftes Sphinxlächeln verlieh
und deine Granataugen
mit feinen Augenbrauen überspannte

Jetzt diene ich
vor deinem Altar
in demütiger Pein

Hüte dich
je ein anderes Kleid zu tragen
schmücke dich nicht mit fremden Perlen

Denn dann
werde ich deinen Tempel abtragen
Stein für Stein

Die Gazette: Lyrik
 
Aber wir lassen es andere machen

Ein Chinese ('s sind schon 200 Jahr)
In Frankreich auf einem Hofball war.
Und die einen frugen ihn: ob er das kenne?
Und die andern frugen ihn: wie man es nenne?
"Wir nennen es tanzen", sprach er mit Lachen,
"Aber wir lassen es andere machen."

Und dieses Wort, seit langer Frist,
Mir immer in Erinnerung ist.
Ich seh' das Rennen, ich seh' das Jagen,
Und wenn mich die Menschen umdrängen und fragen:
"Was tust du nicht mit? Warum stehst du beiseit'?"
So sag' ich: "Alles hat seine Zeit.

Auch die Jagd nach dem Glück. All derlei Sachen,
Ich lasse sie längst durch andere machen."

Theodor Fontane
 
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