Sogenannte „24-Stunden-Hilfen“: Erfahrungen?

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Die offiziellen Empfehlungen für alte Menschen, die alleine nicht mehr zurechtkommen, egal, ob mit oder ohne Angehörige, und die nicht ins Heim wollen oder sollen, sind: 24-Std.-Hilfen unterstützen sie!


Der Preis für eine solche Kraft ist unterschiedlich, je nach Anbieter. Trotzdem kostet das eine ganze Menge, und die Finanzierung über die verschiedenen Möglichkeiten sind gar nicht so einfach überhaupt erst einmal heraus zu finden. - Meiner Meinung nach für den NormalbürgerIn ohne Hilfe gar nicht machbar.

Mich würden hier aber vor allem Erfahrungen von Leuten interessieren, die eine solche Kraft haben oder hatten ...

Grüsse,
Oregano
 
Vor ca. vier Jahren lernte ich drei Betreuungskräfte aus Osteuropa kennen. Sie wurden über eine deutsche Agentur von einer Agentur in der Slowakei vermittelt. Ich denke die rechtliche Abwicklung war durchaus korrekt, nach damaligen Rechtsstand.
Es waren Betreuungskräfte, für die wir damals ca. 2500 Euro im Monat bezahlt haben, keine ausgebildeten Pflegekräfte, diese wären erheblich teurer gewesen.

Das Problem war, dass wir innerhalb einer Woche jemanden brauchten und die erste Kraft konnte praktisch überhaupt nicht deutsch und hatte null Ahnung von Medizin. Er sollte einen jüngeren mobilen Schlaganfallpatienten im Alltag helfen, baden, essen machen, zu Terminen begleiten usw.
Er war völlig überfordert und nachdem er sein Handy bei einem Wutanfall wärend eines Telefonats mit der Heimat zerschmettert hatte, fing er an, den Patienten zu erpressen (Verweigerung der Medikamente u.a.), ihm sein Handy zu überlassen...

Der nächste "Betreuer" war starker Alkoholiker und sprach etwas besser deutsch, aber er war der Meinung, dass der Patient sich seinen starren Regeln unterwerfen müsse. Leider hat der Betreute mit uns lange nicht darüber gesprochen. Als er dann auf einer Fahrt zur Therapie absichtlich eine rote Ampel überfuhr und auch noch gefährlich überholte war das Maß voll.

Die dritte Kraft war ehemalige Deutschlehrerin und äußerst zugewandt. Körperlich war sie stärker eingeschränkt als ihr Schützling (was zur kuriosen Situation führte, dass er ihr den Arm bot, als der Weg glatt war und er sie stützte), Pflege hätte sie also nicht leisten können.

Man muss unbedingt vorab mit der Person sprechen und sehr aufpassen, wie der Betreute dann konkret behandelt wird.
Die Rechtslage hat sich inzwischen auch geändert, was durchaus berechtigt ist. Aber dadurch wird es schier unbezahlbar, mehr als nur stundenweise Unterstützung zu erhalten.
 
Vielen Dank für Deinen Erfahrungsbericht, gewi !
Nachdem ich das gelesen habe, kommt mir meine Situation ja noch richtig gut vor, obwohl ich auch gerade ziemlich stinkig bin.

Ich hoffe, daß noch mehr Berichte folgen !!!

Grüsse,
Oregano
 
Meine Schwägerin hatte schon einige Jahre Parkinson. Nach einem Schenkelhalsbruch und Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks wachte sie desorientiert aus der Narkose auf, was allmählich schlimmer wird. Mein Bruder besorgte eine Pflegekraft aus Bulgarien über eine Agentur. Inzwischen hat er sie selbst angestellt, damit sie vom deutschen Sozialhilfesystem profitiert. Es ist eine wirklich patente Frau, die sich dort wohl fühlt und sich bemüht, ihre Aufgabe in jeder Hinsicht zu erfüllen. Sie hat schon Freundschaften im ganzen Ort geschlossen, lernt begeistert deutsche Rezepte wie Schwarzwälder Kirschtorte kennen und zubereiten und ermuntert ihren Schützling, sich zu bewegen und etwas selbstständig zu bleiben. Sie ist nun schon einige Jahre da und zählt eigentlich zur Familie. In den Jahren lernte sie immer besser Deutsch. Ab und zu fährt sie nach Bulgarien, wo sie Familie, auch erwachsene Kinder hat. Dann wird es etwas schwierig für meinen Bruder, der demnächst 90 J alt wird.

Diese Frau ist natürlich ein Glücksfall. Sie kostet 3000 € im Monat. Ich weiß nicht, wieviel davon die Kasse übernimmt. Sicher kann nicht jeder eine solche Summe bezahlen. Wenn man aber weiß, wieviel ein Platz im Pflegeheim kostet, kommt die Hauspflege eher billiger, und die Patientin kann im häuslichen Umfeld bleiben. Außer der Medikamentenausgabe sind keine eigentlich pflegerischen Aufgaben nötig. Die Frau kocht, putzt, wäscht, besorgt den Einkauf, eben Hausfrauenarbeit, und hilft meiner Schwägerin, im Alltag zurecht zu kommen.
 
Man sollte auch wissen, dass die Pflegekräfte meist nur für eine begrenzte Zeit (ca. 3 Monate) am Stück in Deutschland bleiben können. Wenn es optimal läuft, findet man irgendwann 2 oder 3 Pflegekräfte, mit denen man gut zurecht kommt, die sich dann abwechseln.

Ich kenne auch die unterschiedlichsten Erfahrungen von: es läuft super bis zu Berichten, dass man die Leute beklaut hat usw. Während Corona bekamen viele gar keine Hilfe mehr und Angehörige mussten dann die komplette Betreuung alleine stemmen. Einen Pflegedienst braucht man ja eh meist noch zusätzlich...

So hängt es immer auch vom jeweiligen Einzelfall und von der Pflegebedürftigkeit der zu betreuenden/pflegenden Person ab, wobei konkret Hilfe benötigt wird usw., wie es mit einer "24-h-Pflege" funktioniert. Wichtig ist m.E. auch, dass man eine gute Agentur hier in Deutschland als Vermittlung und Ansprechpartner hat!

Im Extremfall kann so etwas auch so enden:

 
Zuletzt bearbeitet:
Diese Seite wurde früher mal im Forum zum Thema verlinkt - wobei es da natürlich weniger um Erfahrungen geht. Allerdings wurden die Kosten hier ja auch thematisiert:


Gruß
Kate
 
Hallo Kate,

danke für den Link. Der ist wirklich sehr ausführlich in seinen Informationen.
Trotzdem: es steht und fällt alles mit der entsprechenden Kraft.
Und: diese Bezeichnung „24-Std.-Kraft“ ist Schönmalerei und sollte unbedingt geändert werden.
Ich habe immer mehr den Eindruck, daß diese sogenannte „demenzfreundliche Politik“ letztlich Betrug ist auf Kosten der Pflegenden Angehörigen, weil eben seit Jahren oder sogar Jahrzehnten die Politik sich nicht um die pflegerischen Berufe gekümmert hat, obwohl der Pflegenotstand seit Jahren bekannt ist.

Grüsse,
Oregano
 
Zuletzt bearbeitet:
diese Bezeichnung „24-Std.-Kraft“ ist Schönmalerei und sollte unbedingt geändert werden.
Natürlich kann kein Mensch 24 Stunden arbeiten. Die Bulgarin, die meine Schwägerin betreut, hat natürlich ihre Freizeit, in der sie ihre neuen Bekannten besuchen kann. Aber sie passt ihre Freistunden den Notwendigkeiten ihrer Aufgabe an, so wie es eine pflegende Verwandte tun würde. Jede Mutter, die ihre kleinen Kinder noch nicht in die Kita abgegeben hat, ist eine 24-Stunden-Kraft, ohne wirklich 24 Stunden zu arbeiten. Wenn sie ihre Arbeit verantwortungsvoll einsetzt, auch einmal länger arbeitet, wenn es nötig ist, dafür einen halben oder gar ganzen Tag frei nimmt, ist das in Ordnung. Es ist eben nötig, dass sie sich verantwortlich fühlt, ohne auf einem genau geregelten Arbeitstag zu bestehen. Mein Bruder ist durchaus noch imstande, die Aufgaben vorübergehend selbst zu übernehmen, aber ein dauernder Einsatz ist für den nahezu 90-Jährigen doch zu viel, wenn er nicht selbst zum Pflegefall werden will. Die Pflegerin ist mit ihrer Aufgabe sehr zufrieden und fühlt sich dem Ehepaar, den Kindern und Enkeln verbunden, als wäre es ihre eigene Familie. Wie ich schon schrieb, ein Glücksfall.
 
Danke, Kate :)!
Im Moment freue ich mich, daß morgen eine neue Kraft kommt und die noch anwesende aus meinen Augen ist und wohl heute noch abgeholt wird. Und trotzdem tut sie mir irgendwie leid, denn wenn man im Alter von 68 Jahren noch so einen Job annimmt, gibt es sicher gute und unschöne Gründe dafür.
Trotzdem: ich bin kein Sozialverein und finde es außerordentlich anstrengend, einen Menschen zu pflegen ohne Hilfe dabei. Zum Glück war die erste derartige Kraft ein Juwel !

Grüsse,
Oregano
 
Da drücke ich die Daumen.

Es ist sicher hart, mit 68 noch so einen Job zu machen; wobei es natürlich drauf ankommt, was zu tun ist und wie fit die Pflegeperson mit 68 noch ist. Es ist auf jeden Fall ein anspruchsvoller Job.

Alles Gute
Kate
 
Ich bin um eine Erfahrung reicher: die dritte angeblich - laut polnischer Agentur - „Star-Kraft“ ist nach 4 Tagen wieder weg. Sie war unmöglich, war sichtlich gegen mich eingestellt „ich hätte sie unterdrückt und sie hätte sich nur gegen mich gewehrt“. Das sagte sie auf Polnisch unvermittelt zu einem Besucher, der zufällig Polnisch sprach und verstand. Sie hat sich hier wie die Axt im Wald verhalten und war nach meinem Empfinden dumm-dreist.
Vielleicht mußte sie auch nur nachweisen, daß sie hier den Versuch zur Arbeit gemacht hatte, um ihre noch fehlenden drei Jahre bis zu polnischen Rente mit 60 voll zu machen? Keine Ahnung, aber es war eine üble Erfahrung.

Ich denke, wir werden noch einen Versuch über die „Franchise-Agentur“ machen und dann ist damit Schluß.
Daß das eine Franchise-Geschichte ist, habe ich erst jetzt erfahren, aber es erklärt so einiges.

Grüsse,
Oregano
 
Zuletzt bearbeitet:
Oregano, ich lese hier auch mit.

Ich wollte erst etwas schreiben, habe es dann aber gelassen, weil ich immer denke, es ist so unterschiedlich mit den Erfahrungen.

Ich habe mehrere Beispiele in meinem Bekanntenkreis erlebt, negative, als auch positive. Die eine Agentur gibt es inzwischen nicht mehr.

Das Positivbeispiel ist aus meiner Nachbarschaft. Da waren immer zwei Frauen, die sich gegenseitig im Drei-Monatsrhythmus abgelöst hatten. Die eine hat meist mehr gemacht als sie hätte machen müssen, hat auch im Garten mitgearbeitet. Sie war sehr beliebt und hat quasi wie zur Familie gehört. Die andere Frau war auch sehr korrekt, hat aber etwas weniger gearbeitet. War aber völlig in Ordnung so. Das hat jahrelang gut funktioniert.

Ich stand auch einmal kurz davor, eine 24-Stunden-Betreuung zu organisieren. Ich habe die Agentur im Demenz-Forum gefunden. Sie hatte gute Rezessionen, auch recht viele, aber sie war auch teurer, weil der Service einige hundert Euro gekostet hat. Die negativen Rezessionen waren allerdings auch so, dass man nichts davon erlebt haben wollte.

Wir hatten damals nach anfänglichen Schwierigkeiten einen ganz guten Seniorendienst gefunden. Tagsüber bekommt man jemanden noch ganz gut versorgt. Das Problem sind einfach die Nächte und wenn jemand dement ist und der- oder diejenige nur schwer etwas annehmen kann und er auch im Haus die Orientierung verliert.

Ich drücke einfach mal die Daumen. Aber das reicht in dem Falle nicht. Es ist so eine Art Roulette, das manchmal gut geht und ein andermal leider nicht.

Liebe Grüße
 
Inzwischen habe ich erfahren - bei Vertragsabschluß mit der Agentur war mir das nicht klar - daß es sich um ein „Franchise-System“ handelt: die eigentlich Agentur, die auch die Frauen vermittelt, sitzt in Polen, die deutschen „Franchise-Nehmer“ in Deutschland. Sie machen hervorragende Werbung, melden sich sofort und sind sehr überzeugend (wenigstens war das bei mir so). Gibt es dann allerdings Probleme mit der Betreuungskraft, hat man nur direkt mit Polen zu tun, der deutsche Ansprechpartner leitet alles weiter. Die polnische Agentur spricht hervorragend Deutsch. Nur hatte ich immer das GEfühl, daß sonst nicht viel Interesse am Kunden besteht.
Wir werden sehen: Morgen in einer Woche kommt Nr. 4. Wenn das wieder ein Flop ist: adé Agentur...

Falls jemand hier Erfahrungen hat, wie die 40-Stunden-Woche dieser Frauen am besten gestaltet werden: her damit! Bis jetzt habe ich den Eindruck, daß sie mir eigentlich kaum mehr Freiheit lassen als ohne...
Evtl. wäre es klüger, eine Köchin für das Mittagessen zu suchen und sonst selbst zuständig zu sein.

Grüsse,
Oregano
 
Die Pflegerin ist mit ihrer Aufgabe sehr zufrieden und fühlt sich dem Ehepaar, den Kindern und Enkeln verbunden, als wäre es ihre eigene Familie. Wie ich schon schrieb, ein Glücksfall.
#9
Inzwischen ist meine Schwägerin gestorben. Es war eine Erlösung. Wer aber bei der Beisetzung am meisten weinte, war die Pflegerin. Sie hing offenbar an ihrem Schützling. Aber mein Bruder hat sie nun als Hausangestellte eingestellt. Sie darf auch ihre 16-jährige Tochter hier behalten, da diese in Bulgarien schon zweimal entführt werden sollte. um sie zur Ehe mit ihrem Entführer zu zwingen. Das gibt es dort noch, und die Polizei ist machtlos. Das Mädchen geht nun hier zur Schule.
 
Es ist sicher gut, wenn man sich vor der Einstellung einer solchen 24-Std.-Kraft gut darüber informiert, was sie tun kann und was man sich von ihr erhofft:


Grüsse,
Oregano
 
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