Sehr geehrter Herr ....
Vielen Dank für das Vertrauen und Interesse, das Sie der Kompetenz unserer interdisziplinären Forschungsgruppe auf dem Gebiet der Mastzellerkrankungen entgegenbringen. Die Befundkonstellation bei Ihnen deutet sehr stark auf eine Mastzellüberaktivität hin. Ob für Ihre Beschwerden eine systemische Mastzellüberaktivitätserkrankung ursächlich ist, müßte in einem spezifischen Untersuchungsvorgehen geklärt werden.
Aus internistischer Sicht ist die systemische Mastzellüberaktivitätserkrankung (Mastozytose) eine klinische Diagnose, das heißt klinische Kriterien (Anamnese, Symptomatik) sind für die Diagnosestellung und für die Interpretation laborchemischer Befunde ausschlaggebend. Mit einem Diagnosefragebogen (im Anhang) wird das Vorliegen eines Mastzellmediatorsyndroms festgestellt, es wird also untersucht, ob Beschwerden mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine unangemessene, unkontrollierte Freisetzung von Mastzellbotenstoffen zurückzuführen sind. Die Spezifität des Diagnosefragebogens in Bezug auf eine systemische Mastzellüberaktivitätserkrankung als Ursache des Mastzellmediatorsyndroms wird durch weitgehenden Ausschluß der im Anhang zum Fragebogen aufgeführten relevanten Differenzialdiagnosen erreicht. Bei vorherrschenden Magen-Darm-Beschwerden ist die vorherige Durchführung (in den letzten 12 Monaten) einer Magenspiegelung und einer Darmspiegelung unumgänglich. Notwendig ist es bei Verdacht auf eine systemische Mastzellüberaktivitätserkrankung, die Gehalte der Mastzellbotenstoffe Tryptase und Chromogranin A im Blut (7 Tage vorher Protonenpumpenhemmer absetzen) und Methylhistamin im Sammelurin zu bestimmen. Wir untersuchen zusätzlich die Blutgerinnung, da bestimmte Komponenten der Blutgerinnung (z.B. Heparin) ausschließlich in Mastzellen gebildet werden und diese bei einer systemischen Überfunktion der Mastzellen im Blut erhöht sein können. Diese Blutgerinnungsuntersuchung sollte nur durch ein Gerinnungslabor an frisch abgenommenen Blut durchgeführt werden, da die Untersuchungen relativ kompliziert und bei falscher Lagerung des Blutes fehleranfällig sind. Alle diese Laborwerte können wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer systemischen Mastzellüberaktivitätserkrankung geben. Normalwerte sprechen allerdings nicht gegen das Vorliegen einer systemischen Mastozytose ! Daneben raten wir allen Patienten zur Bestimmung der Knochendichte, da bei längerem Verlauf der Erkrankung nahezu regelhaft eine Verminderung der Knochendichte zu finden ist. Wir empfehlen den Patienten auch stets nach klinischer Diagnosestellung eine Knochenmarksbiopsie aus dem Beckenkamm durchführen zu lassen unter den für Mastozytosepatienten notwendigen Vorsichtsmaßnahmen. Sinn der Knochenmarksbiopsie ist es, eine eventuell gleichzeitig bestehende Leukämie rechtzeitig zu erkennen. Denn sollte eine Mutation der Aminosäure in Position 816 des EnzmysTyrosinkinase Kit die Ursache für die Überfunktion der davon betroffenen Mastzellen sein (relativ selten), besteht die Möglichkeit, dass zusätzlich zu den Mastzellen eine weitere Zellreihe von der Mutation betroffen sein könnte, die dann zu einer Leukämie führen könnte. Zudem kann in dieser Untersuchung festgestellt werden, ob und ggf. in welchem Ausmaß das Knochenmark pathologisch mit Mastzellen infiltriert ist und, ob ggf. eine Mutation der Tyrosinkinase Kit an der Position der besagten Aminosäure 816 vorliegt. Aber auch hier gilt: Ein negativer Befund im Knochenmark hinsichtlich einer Mastzellinfiltration spricht nicht gegen das Vorliegen einer systemischer Mastozytose. Insbesondere die Variante des systemischen Mastzellüberaktivitätssyndroms, die nach unserer Erfahrung die mit Abstand häufigste Form einer systemischen Mastozytose ist, zeichnet sich durch das Fehlen pathologischer Befunde in Biopsien aus. Ein Nachweis an Biopsaten aus dem Darm ist in der Regel wenig erfolgreich. Nichtsdestotrotz sollten jedoch im Rahmen der unabdingbaren Gastroskopie und Coloskopie Biopsien entnommen und entsprechend immunhistochemisch mit CD117- und Tryptase-Antikörpern sowie CD25-Antikörpern untersucht werden. Auch ist eine Auszählung der Zahl an Mastzellen sinnvoll, da abhängig von der Art der genetischen Veränderungen in den erkrankten Mastzellen nicht unbedingt eine Zusammenlagerung in Zellnestern erwartet werden kann. Der untersuchende Pathologe sollte daher gebeten werden, die Mastzellen auszuzählen und die Dichte im Befundbericht aufzuführen. Es gibt noch keine validierten publizierten Daten zur normalen Dichte von Mastzellen im Darm. Allerdings wird empirisch von erfahrenen Gastroenterologen national und international eine Dichte von mehr als 19 Mastzellen pro Gesichtsfeld als pathologisch angesehen.