Grüss euch,
und danke Wolfgan für Deine Worte. In jungen Jahren ist mir im Tessin eine für mich damals ältere Dame begegnet, die einen NSU TT fuhr (wer erinnert sich noch an das Wägelchen?) und die sagte mir: "Uf d'Schnuure fallä junga Maa macht niit, nummä z'Ufstooh niä vergässe." Und weiss Gott, das Leben hatte ihr nicht sehr gut mitgespielt, aber sie war daran gewachsen und hatte zu Heiterkeit und Leichtigkeit und Lebensfreude gefunden (und sich von Konventionen und Vorschriften gelöst). Das hat sich mir damals tief eingeprägt und ist bis heute im mentalen Notfallköfferchen mit dabei. Und ich brauch's immer wieder.
Ein bereits in einem anderen Thread zitierter Buchtitel, der für sich alleine schon Programm ist, jenseits der Toleranz: Der Weisheit ist es egal wie du sie erlangst.
Es stimmt einfach nicht, dass man ausschliesslich durch Leidenserfahrungen weiterkommt, allerdings ist es so, dass die allermeisten von uns diesen Weg gehen, wie weit wirklich selbst gewählt, und wie weit aufgebrummt erhalten, kann ich nicht sagen.
Einmal mehr ein Beispiel von Mutter Natur: Natürlich fließendes Wasser bildet mäandrierende Bachläufe. So erhält es seine besten Eigenschaften, reinigt sich und sein Bachbett, und gibt Energie an die Umgebung ab. Kommt der Mensch und begradigt den Bach, kann es seine natürliche Fliessbewegung nicht mehr tun. Es "schlägt" immer dann, wenn es eine Schlaufe bilden möchte gegen die Wand, mal links mals rechts. Kommt aber der Tag des grossen Wassers, und es fließt mit grosser Kraft, spült es die Mauer weg und holt sich seinen Raum für seine natürliche Bewegung wieder. Es will zu seiner Gesundheit zurückfinden, zu seiner Harmonie, zu seiner Mitte. Nach dem Hochwasser reagiert der Mensch normalerweise damit, dass er eine noch stärkere Mauer baut, anstatt sich mit dem Wasser zu beschäftigen. Ein österreichischer Förster mit Namen Viktor Schauberger sagte: man führt das Wasser immer von innen, nie von aussen.
Wer Mauern baut, denkt an sich, vielleicht in bester Absicht, auch zum Schutz der andern, hat aber das Wesen des Wassers nicht verstanden. Aus einem möglichen Miteinander ist ein Gegeneinander geworden, aus einer Mitwelt wird eine Umwelt.
Miteinander = Sogkräfte = Konzentration, Stille, Vielfalt und Überfluss. Gegeneinander = Druckkräfte = Zerstreung, Auflösung, Lärm, Eintönigkeit und Mangel. Das ist keine Moral, das sind physikalische Prinzipien, die sich auf lebensanschaulicher Ebene als Ethik äussern. Nach welchen wohl wirkt der Mensch, und nach welchen die Natur?
Einfache Formel: Mauern bauen = Moral, Jedes nach seiner Art annehmen und führen = Ethik.
Schaut euch einmal eine Böschung an, gerade jetzt im Frühjahr. Diese Vielfalt an Gräsern und Blumen und es hat Platz für jedes trotz ihrer Unterschiede. Und schaut euch mal eine von Menschen kultivierte Wiese an...
Lebende Systeme kennen das Rückkopplungsphänome. Eines davon kennen wir als Psyche und Körper.
Wenn die Rückkopplung fest zum System Leben gehört, dann spricht alles dafür, dass die Energie-Information-... in beide Richtungen fließt, ja das eine ohne das andere gar nicht existieren kann.
Nur so nebenbei: Energie fließt spiral-(mäander)förmig, sie nimmt immer den Weg des geringsten Widerstandes. Wenn wir diesen Energiefluss mit Mauern zu führen versuchen (Druck), wird das zwangsläufig auflösende Auswirkungen auf unser System Leben haben, ob psychisch oder physisch, unausweichlich.
Ich hoffe die Analogie ist verständlich. Uns allen ein möglichst freifließendes Lebensenergie"wasser", zum Wohle jedes einzelnen, zum Wohle uns aller, zum Wohle des Allganzen.
herzlichst - Phil