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Kombi-Antibiotika: Vive la résistance!

27. Mai 2013
Antibiotika-resistente Bakterien entwickeln sich zu einem immer größeren Problem. Dass Kombinationstherapien die Entstehung von resistenten Bakterien fördern, konnten Wissenschaftler nun zeigen. Sie fordern, beim Einsatz von Antibiotika umzudenken. Ein Stressprotein könnte ein möglicher Behandlungsansatz sein.

Es scheint wie ein Wettlauf zu sein, den wir mit Bakterien seit Jahrzehnten führen. Mit jedem neu entwickelten Antibiotikum geben wir uns einem kurz andauernden Gefühl der Überlegenheit hin. Doch die Evolution der bedrohlichen Einzeller ist so rasant, dass wir mit dem Entwickeln neuer Antibiotika längst nicht mehr hinterher kommen. Zu jedem klinisch eingesetzten Antibiotikum gibt es mittlerweile mindestens einen resistenten Bakterienstamm, die sich zu einem immer größeren Problem für die Menschheit entwickeln. Wie konnte es so weit kommen?

Effiziente Medikamente erhöhen den Selektionsdruck

Die Standardtherapie sieht vor, ein pathogenes Bakterium mit einem Antibiotikum zu behandeln. Dabei treten erste Resistenzen auf, die sich in der gesamten Bakterien-Population verbreiten und dort bestehen bleiben. Je effizienter das Medikament, desto größer ist der Selektionsdruck für resistente Bakterien und desto schneller manifestiert sich die Resistenz innerhalb der Population. Laut medizinischen und pharmazeutischen Lehrbüchern hilft dagegen nur eins: „Hit early, hit hard!“ Möglichst früh und möglichst heftig sollen bakterielle Eindringlinge bekämpft werden, um die Entstehung resistenter Keime zu vermeiden. Dazu sollen Mediziner bestenfalls zwei Antibiotika synergistisch miteinander kombinieren, um einen stärkeren Abtötungseffekt der Bakterien zu bewirken. Sich beim Angriff lebensbedrohlicher Feinde nicht nur auf eine Waffe zu Gegenwehr zu verlassen, scheint eigentlich einleuchtend und gehören zum medizinischen Alltag: Kombinationstherapien kommen seit über 70 Jahren bei der Bekämpfung von Bakterien, Viren und auch von Krebs zum Einsatz.


Kombinationstherapie fördert Vermehrung resistenter Keime

Dass diese Vorgehensweise zumindest bei der Bekämpfung pathogener Bakterien extrem kontraproduktiv sein kann, wenn nicht alle beim ersten „Angriff“ dahingerafft werden, konnten Wissenschaftler der Universität Kiel und Exeter nun eindringlich demonstrieren. Sie untersuchten unter kontrollierten Laborbedingungen den Therapieansatz, bei dem zwei Antibiotika in Kombination eingesetzt werden, um deren Effizienz zu erhöhen. „Es handelt sich um synergistische Antibiotika, die zusammen eine höhere Effizienz aufweisen als die einzelne Antibiotika in der gleiche Menge. Also wenn Antibiotikum A und B bei einer bestimmten Konzentration alleine 50% des Wachstums hemmen, würde die Kombination aus ½ A und ½ B effizienter sein als die Monotherapie, obwohl insgesamt genau so viel Antibiotika eingesetzt werden. Die Kombination steigert die Effizienz, nicht die Konzentration von Antibiotika“, erklärt Dr. Jansen, warum die Forscher verschiedene Kombinationen der beiden Antibiotika getestet haben. Ihre Experimente zeigten, dass offenbar gerade die Kombinationstherapie zu einer größeren Anzahl an resistenten Bakterien in kürzerer Zeit führen kann, als wenn nur ein Antibiotikum alleine angesetzt wird.

E. coli mit Erythromycin und Doxycyclin

Als Versuchsbakterium diente E. coli K12 (MC4100), die die Wissenschaftler über fünf Tage mit 16 verschiedenen Kombinationsbehandlungen von Erythromycin (einem Makrolid) und Doxycycline (einem Tetracyklin) behandelten. Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass die Kombination dieser beiden Antibiotika besonders wirksam gegen E. coli ist. Die Wissenschaftler beobachteten Erstaunliches: „Wir wurden komplett von der Geschwindigkeit, mit der Resistenzen neu entstanden, überrascht“, erläutert Schulenburg, Leiter der Studie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Die Resistenzen traten dabei vor allem bei den als besonders effizient geltenden Kombinationstherapien auf. „Das Phänomen trat genau bei jener Kombination von Konzentrationen auf, die beim Abtöten der Bakterien die effizienteste war“, so Dr. Jansen über die maximal synergistische Therapie.

Für neue Behandlungsempfehlungen ist es jedoch noch zu früh. „Unsere Daten beziehen sich bisher nur auf E. coli. Es könnte aber durchaus sein, dass sie auch auf andere Bakterienarten übertragbar sind“, erklärt Dr. Gunther Jansen, Leiter der Abteilung evolutionäre Ökologie und Genetik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Dazu sind jedoch weitere Untersuchungen nötig.

Die anschließende vollständige genomische Untersuchung der eingesetzten Bakterien brachte einen ungewöhnlichen Evolutionsmechanismus ans Licht: Die schnelle Resistenzbildung entstand durch die Duplikation von speziellen Genomabschnitten, in denen eine Vielzahl von Resistenzgenen liegen. Klar ist, dass sich das Bakterium gegen den Angriff mit Antibiotika zu wehren scheint: „Das ist das Prinzip ‚Viel hilft viel’“, erklärt Dr. Jansen „je mehr Resistenzgene im Genom vorhanden sind, desto höher die Resistenz.“ Die molekularen Hintergründe dieses Phänomens sind den Wissenschaftlern bisher noch nicht bekannt. Viel wichtiger war jedoch, dass die Forscher einen genomischen Abschnitt identifizierten, mit dessen Hilfe das Bakterium das Antibiotikum aus den Zellen pumpen kann. Entfernten sie genau diesen Abschnitt vom Erbgut des Bakteriums, war der Effekt verschwunden. „Dann blieb die Kombinationstherapie auch nach 5 Tagen effizient“, erkärt Dr. Jansen die Bedeutung dieser Genomsequenz.

Monotherapie langfristig effizienter

Zusätzliche mathematische Berechnungen bestätigen, dass Resistenzen bei der Kombinationstherapie generell besonders schnell auftreten können. „Langfristig gesehen ist daher der Einsatz nur eines einzigen Antibiotikums effizienter“, schlussfolgert Beardmore, Leiter der Studie in Exeter. In etablierten medizinischen Betrachtungen würden Therapien in der Regel mithilfe von Kurzzeitexperimenten in effizient oder nicht-effizient eingestuft. „Evolution, also die Fähigkeit der Krankheitskeime, sich anzupassen, wird dabei ignoriert“, so Schulenburg weiter. „Das ist offensichtlich ein Fehler.“ „Unsere Arbeiten zeigen, dass man über die momentan angewandten Antibiotikatherapien nachdenken sollte“, so Dr. Jansen. Denn im getesteten Fall sei die Kombinationstherapie verheerender gewesen als die Monotherapie. „Denn obwohl eine Kombinationstherapie kurzfristig sehr erfolgreich sein kann, wollen wir das Bewusstsein dafür schärfen, dass die langfristigen Folgen bedrohlich sein können. Darüber sollte man nachdenken“, so Dr. Jansen.

Praxisnahe Untersuchungen folgen

Die Arbeitsgruppen aus Kiel und Exeter bauen derzeit den entwickelten Versuchsansatz weiter aus, um gezielt die Effizienz von unterschiedlichen Antibiotika-Therapien zu untersuchen. Dabei stützen sie sich auch auf Wirkstoffe, die tatsächlich im medizinischen Alltag miteinander kombiniert werden. Sie erhoffen sich darüber weitere Hinweise, wie Behandlungsstrategien bei Menschen in der Zukunft optimiert werden können.

Auch niedrige Antibiotika-Dosen können resistente Bakterien fördern

Einen anderen Ansatz, der die Verbreitung von antibiotikaresistenten Bakterien eindämmen könnte, verfolgten aktuell auch französische Wissenschaftler. Denn auch extrem geringe Dosen von Antibiotika können zur Bildung resistenter Keime beitragen. In ihrer Studie behandelten die Wissenschaftler unter anderem den Choleraerreger Vibrio cholerae und den Auslöser von Lungenentzündungen Klebsiella pneumoniae mit häufig eingesetzten Antibiotika wie Gentamicin, Streptomycin oder Neumycin, die alle zur Gruppe der Aminoglykoside gehören. Anders als in der oben genannten Studie bildeten sich bereits bei einer hundertfachen Verdünnung der tödlichen Dosis eines Antibiotikums zahlreiche resistente Bakterien aus.

“SOS“-Reaktion löst Bildung von Resistenzgenen aus

Dieses Phänomen erklären Wissenschaftler mit einer Stressreaktion der Bakterien, mit der sie ihre DNA bei drohender Gefahr schützen. Schon bei geringen Dosen von Antibiotika aktivieren manche Bakterien eine sog. „SOS“-Reaktion, bei der sie einerseits durch eine erhöhte Anzahl von Mutationen im Genom Resistenzgene bilden und andererseits ein Protein namens Integrase aktivieren. Integrasen sind in der Lage, Resistenzgene stabil ins Genom einzubauen.

Neue medikamentöser Ansatz denkbar

Doch nicht bei allen Bakterien funktioniert dieser Mechanismus. E. coli zeigte beispielsweise keine SOS-Reaktionen auf Aminoglykoside. Im Gegensatz zu anderen Bakterien scheint E. coli einen eingebauten Stressregulator zu besitzen, der verhindert, dass eine SOS-Reaktion ausgelöst wird. Wenn es gelänge, dieses Stressprotein in Zukunft mit Antibiotika zu kombinieren, könnte so die Bildung von Resistenzgenen vermieden werden.

„Antibiotika werden wir immer brauchen“, so Dr. Jansen. Das Problem liegt vielmehr in der Verbreitung der resistenten Bakterien. „Wir können eine Resistenzbildung nicht vermeiden. Das ist Biologie. Aber wir müssen darüber nachdenken, wie wir ihr Auftreten minimieren können.“

Vielleicht hilfts ja dem einen oder anderen weiter!
Grüße von Vanilla
 
Hier der Link dazu und entsprechende Kommentare von Ärzten

Kombi-Antibiotika: Vive la résistance! - DocCheck News

Die Studie untersucht lediglich Kombinationen von synergistisch wirkenden Substanzen. Allerdings gibt es in der Interaktionsforschung schon seit langem die Theorie das eben diese auf den ersten Blick vorteilhaften Kombinationen den Nachteil einer schnelleren Resistenzbildung mit sich bringen, wohingegen additive und antagonistische Wirkstoffkombinationen durch Ihre unabhängigen molekularen Wirkmechanismen der Resistenzbildung eher vorbeugen.

In dieser Hinsicht sollte der Fokus für weitere Studien unbedingt vermehrt auf additiv/antagonistische Kombinationstherapien gelegt werden.
 
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