Moinsen,
hier ist ja schon einiges an Erfahrungsberichten zu lesen, herzlichen Dank allen schreibenden dafür.
Bei den meisten sind die letzten Einträge ja schon ein paar Jahre her - wäre von daher interessant zu lesen, wie es euch heute so geht mit dem MFS, vor allem dann, wenn ihr offenbar die chronische / wiederkehrende Form habt.
Ich bin ehrlich gesagt sehr erstaunt, wie viele hier das chronische MFS haben.
Denn mir haben die Ärzte bisher immer versichert, dass es mit 99,9%iger Wahrscheinlichkeit ne einmalige Sache bleibt, weil das ja eh schon so extremst selten ist, bla bla.
Allerdings fürchte ich aktuell auch, dass es bei mir das wiederkehrende MFS ist, denn ich habe seit 2-3 Tagen wieder ein leichtes Kribbeln in Armen und Beinen wie beim Erstausbruch ganz am Anfang und es wird tendenziell etwas stärker. Dazu zumindest gestern phasenweise wieder eine Verschlechterung der Sehschärfe auf dem rechten Auge, dass sich viel langsamer als das linke erholt hatte nach dem Erstausbruch. War deswegen heute nochmal in dem Krankenhaus, in dem ich behandelt worden war wegen des MFS. Der Doc hat an Armen und Beinen und Augen alle möglichen neurologischen Funktionstests gemacht, demnach alles ok bis auf fehlender Muskelreflex im linken Fuß, aber er meinte da bei mir der Ausbruch des MFS noch nicht lange her ist, könnte das quasi ein noch nicht normalisiertes Überbleibsel sein. Das leichte Kribbeln in Armen und Beinen könne ebenso ein Überbleibsel sein, ich würde nach so einer Erkrankung sicherlich auch sehr genau in mich hineinhorchen und es sei eben so, dass ein MFS so gut wie nie ein Rezidiv zeigen würde.
Für den Moment hat mich das so semi beruhigt, denn definitiv war dieses kribbeln nach der Reha nicht mehr da. Und nun kommt das entscheidende: viele hier schrieben, dass erneute Schübe meist im Zusammenhang mit Infekten auftraten. Ich hatte in den letzten Tagen in der Tat einen Erkältungsinfekt... bin mal gespannt, ob und wenn ja was im weiteren passiert. Werde den Tipp mit Magnesium und B-Vitaminen mal aufgreifen. Weiß jemand, ob letzteres als Spritze sein muss oder ob auch die Präparate aus Apotheke oder Drogeriemarkt ausreichen?
Ich würde ja auch gerne mal die Ärzte dazu befragen, aber die scheinen zum MFS ja leider wenig bis gar nichts zu wissen...
Aber nun der Vollständigkeit halber noch meine ganze MFS Geschichte:
Wir waren Ende November eine Woche im Urlaub auf Teneriffa.
Dort ging es los mit den ersten Symptomen, kribbeln in Armen und Beinen bis hin zu Taubheitsgefühlen im ganzen Körper, dann Schwanzkchwindel und Gangunsicherheit sowie Einschränkung der Feinmotorik (verschütten von Getränken, Schwierigkeiten beim Brötchenschmieren usw), unscharfes Sehen und Doppelbilder und starke Lichtempfindlichkeit der Augen sowie ein unendlich starkes Erschöpfungsgefühl, schon morgens nach dem Aufwachen, außerdem fiel mir das Sprechen immer schwerer und klang immer stärker verwaschen und lallig, wie mit 2,8 Promille auf dem Kessel...
Es stellte sich dann die Frage WAS IST DAS BLOSS und KANN ICH DAMIT NOCH NACH HAUSE FLIEGEN?
Die Symptome bei google eingegeben brachte Multiple Sklerose als Verdachtsdiagnose... nicht gerade toll, aber immerhin war ich mir sicher, damit in den Flieger steigen zu können. Das war im Nachhinein betrachtet eine sehr gute Entscheidung, denn im Krankenhaus auf Lanzarote wäre die Versorgung ganz sicher schlechter gewesen als zu Hause in Hamburg. Dort landeten wir erst spät abends, ich hatte den Flug ganz gut überstanden, denn einfach nur sitzen und Augen zu ging im Flieger ja einigermaßen. Ich war zu Hause nur noch müde und wollte ins Bett, hatte keine Lust, die halbe Nacht in der Notaufnahme zu verbringen und schlief daher noch eine Nacht zu Hause - auch in der leisen Hoffnung, über Nacht würde es besser werden. Das war aber nicht der Fall. Nunmehr zwei Tage nach den ersten spürbaren Symptomen hatte das MFS schon fast 100 Prozent Intensität erreicht. Ich konnte mit Mühe und ganz viel abstützen mal gerade noch die paar Schritte zur Toilette laufen, reden war sehr schwer, dazu diese ätzenden Doppelbilder, und massivstes Kribbeln und Taubheitsghefühle überall. Meine Waden fühlten sich an wie prall gefüllte Luftballons, die jeden Moment platzen.
Ich bin dann mit dem Rettungswagen in eine Klinik in Hamburg gebracht worden, die einen guten Ruf hinsichtlich der Neurologie hat und das bestätigte sich sehr schnell. Die Ärzte hatten dort sehr schnell die Verdachtsdiagnose MFS und es wurden eigentlich alle hier genannten gängigen Untersuchungen gemacht. EKG, großes Blutbild, Liquorentnahme und -analyse, CT, MRT, Nervenbahnenmessung mit Elektroden... Ein großer Aufwand mit dem Augenmerk, trotz der für die Ärzte sehr schlüssigen Verdachtsdiagnose andere ähnliche Krankheitsbilder differentialdiagnostisch sicher ausschließen zu können.
Ich bekam die ersten Tage per Infusion Antibiotikum und Virusstatikum, solange das Untersuchungsergebnis auf Bakterien und Viren aus dem Nervenwasser noch nicht vorlag, um sicher zu gehen. Ab dem zweiten Tag dann die üblichen 5 Tage lang die Infusionen mit Immunglobulinen.
Diese schlugen auch bei mir recht schnell an. Zuerst verbesserte sich das Sprechen wieder, nach ca. einer Woche die Feinmotorik, ich konnte wieder Brötchen schmieren und auf dem Smartphone tippen, dann ging es auch mit dem laufen schrittweise besser und auch das Kribbeln und die Taubheitsgefühle wurden besser sowie die Doppelbilder beim sehen ließen nach. Nach 2 Wochen wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen und sofort in eine Rehaklinik verlegt. Bei Ankunft dort konnte ich etwas breitbeinig und roboterartig ohne Gehhilfe laufen, Treppen nur langsam und an beiden Geländern festhaltend steigen, hatte noch einige taube Stellen, vor allem in der Lendenwirbelsäule, das fühlte sich an wie ein Stock im Rücken, dazu kribbeln in Armen und Beinen und ich konnte z.B. nicht einhändig aus einer Wasserflasche in ein Glas einfüllen. Sprache war schon wieder normal, das sehen auf dem linken Auge weitgehend, auf dem rechten noch mit deutlichen Einschränkungen, aber trotzdem nicht mehr so sehr die unangenehmen Doppelbilder. Letztere waren für mich das schlimmste am ganzen Krankheitsbild.
In 5 Wochen Reha habe ich mich mit viel Ehrgeiz zurückgekämpft und war nach der Entlassung einigermaßen alltagstauglich. Nur noch Einschränkungen beim Gleichgewichtssinn auf der rechten Körperseite, spürbar aber nur bei speziellen Gleichgewichtsübungen wie auf einem Bein stehen bei geschlossenen Augen.
Ergo: nach nur 7 Wochen fast alles wieder normal. Das scheint ja für das MFS ein sehr schneller und guter Verlauf zu sein. Laut Ärzten dank zwei Aspekten: erstens weil es sehr schnell erkannt und mit Immunglobulinen therapiert wurde, zweitens weil ich von Anfang an sehr gelassen geblieben bin, eine akzeptierende Grundhaltung eingenommen und positiv nach vorne geschaut habe. Das fiel aber nicht vom Himmel, sondern habe ich vor zwei Jahren in einer Burnoutklinik gelernt mittels MBSR (Mindfullness Based Stress Reduction / Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion). Das kann ich nur wärmstens empfehlen, es hilft in allen Lebenslagen und ganz besonders beim Umgang mit chronischen Erkrankungen.
Vor so einer stehe ich nun ja möglicherweise auch. Denn um den Bogen zu schließen: ich bin erst vor einer Woche aus der Reha entlassen worden und stehe wie eingangs beschrieben möglicherweise bereits am Beginn eines erneuten MFS Schubes...
Umso dankbarer bin ich, hier all die wertvollen Erfahrungsberichte gelesen zu haben. Denn laut meiner Ärzte dürfte es ja gar kein Rezidiv geben und bevor ich mir ernsthaft sorgen mache, was das wohl nun wieder ist oder ob die Diagnose MFS doch nicht zutraf, weiß ich nun wohl schon sehr früh, woran ich bin. Das kann ja nicht schaden. Und ändert mitunter die Perspektive für die Zukunft enorm. Ich ging ja erstmal von vollständiger Ausheilung aus und die Rehs-Ärztin auch. Aber sollte dem doch nicht so sein, dann stellt sich ja z.B. auch die Frage nach einem Schwerbehindertenausweis. Hat dazu jemand hier noch weitere Erfahrungen?
Liebe Grüße aus dem hohen Norden und DANKE DANKE DANKE euch allen!
