Wenn gibt es keine Hoffnung mehr....
@Shelley.Ich habe die erste seiten bei dir gelesen und es hat mich so hart betroffen, dass du so dicht am Abgrund stand.
Ich wollte auch nicht so leben, ich verspüre mich ins dieses kaltes sinnloses Universum hineingeschleudert und einfach allein verlassen. Meiste zeit mir geht so dreckig, dass ich liege unter der decke und habe keine Kraft aufzustehen. Aber ich schaffe es doch. Ich fühle mich totalmüde, aber einschlafen kann ich nicht. Ich höre per I-Net die Lieder aus meiner heimat
und spüre erdrückende, verbrennende mich Sehnsucht.
Das war die Notlösung. Keine Chance dort zu überleben. Und für meinen Sohn die echte Chance. Weiss jetzt nicht. Ich wollte immer weinen, aber ich kann es nicht. Ich glaube auch an keinen Gott. Im Roman von Dostoyevsky ein Held sagt:" Wenn nur das einzige Kind auf dieser Erde noch weint, wenn es nur die einzige winzige Träne gibt, ---dann gllaube ich an keinen Gott." Also ich glaube an Nichts. das schwarze Loch drin saugt meine lebendige reste ein und ich versinke, verschwinde allmählich, ich löse mich auf im Niemandsland.
Lg.
Oleg.
hallo oleg07,
also jetzt schreibe ich dir nicht als kleines ding, welches dir helfen will und versucht psychologie zu verwenden, sonden als die shelley, welche dinge erlebt hat und nun mit dir zusammen über diese und deine dinge rumheulen möchte, weil die welt wirklich so garstig ist.
also weisst du; zusammen rumjammern tut doch auch mal gut, statt es immer nur alleine zu tun.
du hast von russland, heimat, heimweh, literatur und keinen gott geschrieben.
wenn ich das richtig aufgefasst habe.
also das will ich jetzt auch mal tun, damit wir im zusammen rumheulen plötzlich lachen müssen, weil es doch alles einfach so ein "jammer" ist.
übrigens finde ich super, dass du schreibst, du wolltest auch nicht "so" lebenund nicht, dass du nicht leben wolltest.
dieses kleine "so" deutet doch darauf hin, dass wir etwas ändern wollen.
können wir das?
lass uns später darüber nachdenken. in dem moment ist es mir an philosophie genug. schliesslich möchte ich dir was anderes jammer-erzählen.
ich kann dich sehr verstehen, dass du lieder aus deiner heimat hörst und dann heimwehschmerz bekommst.
ich bin ja eigentlich hier, wo ich lebe, geboren, doch meine wurzeln entsprangen zum teil in einem anderen land.
in einem land, dessen volksgeist ich über alles liebe.
ein land, in dem man eine sprache spricht, bei der ich fast weinen muss, wenn ich sie höre, weil sie mir so ein grosses heimatsgefühl und viel freude gibt.
als ich kleines kind war und unsere familie zum ersten mal die verwandten im anderen land besuchen ging, so verstand ich kleines mädchen nicht, warum meine cousins und cousinen zu hause leben dürfen und ich ins exil zurück muss.
ich verstand es nicht.
ich wollte bleiben.
in meinem land.
der sprache nicht mächtig, wendete ich satzstruckturen an, welche im deutschen nicht üblich, aber in meiner vatersprache geläufig sind, an.
irgendwo meine ich von dir gelesen zu haben, dass du was mit juden und co. schriebst. (ich habe es noch nicht geschafft, dein ganzes kapitel zu lesen.)
als psychologe kennst du das phänomen vielleicht, dass kinder, deren eltern im kz waren, nicht wie andere sind.
ich weiss nicht, was du erlebt hast.
doch ich kann dir vorstellen, was in dir vor geht, wenn du an deine vergangenheit erinnert wirst.
ich kann es mir nicht ganz vorstellen, da ich es ja nicht selbst erlebt habe, doch mein vati.
er redet nicht darüber.
das ist sehr, sehr schlimm für mich.
wir erfahren immer nur bruchstückhaft, was er im kieg erlebt hat.
und weisst du; ich denke, dass du schon oft so geweint hast, wie ich weinen muss, wenn ich bilder aus dem krieg sehe.
ich muss den film "der pianist" schauen, um einen einblick in die vergangenheit meines vaters zu bekommen!
was glaubst du, wie ich dabei weinen muss.
so, als hätte ich selbst erlebt, was im film gespielt wird.
ich kann gut nachvollziehen, was du durchmachst.
das ganze elend, welches in russland herrschte.
manchmal, wenn ich in stimmung bin, so schaue ich mir stundenland bilder von dem krieg und alle dem an.
das hat auch einen grund.
wenn ich ihn dir erzähle, denkst du vielleicht, ich würde "spinnen".
das macht mir nichts aus.
und deswegen erzähle ich es dir.
warum?
weil es dir vielleicht hilft oder weil es dich an deine tätigkeit als psychologe erinnert.
du kennst bestimmt - aus persönlicher erfahrung oder aus dem studium - das phänomen, in welchem traumatisierte menschen diese "flash-back's" haben.
bevor ich mich mit krieg, juden, kz, etc. befasste, hatte ich auch deren "flash-back's".
aber weisst du, was komisch dabei ist?
es sind keine bilder, erlebnisse, situationen aus meinem leben, welche hoch kommen.
es sind auch keine bilder und situationen aus dem leben meines vatis - obwohl ich ja dieses syndrom haben könnte, welches eben kinder, deren eltern im kz waren, haben.
es sind andere bilder.
es sind keine bilder aus bücher.
es sind keine bilder aus filmen.
es sind - ja es sind - ich nenne sie mal "spezielle" bilder.
diese "bilder" haben mich zur überzeugung gebracht, dass menschen ein paar mal auf die erde kommen und ich in diesen "flash-back's" situationen aus früheren leben sehe.
die bilder funktionieren nach dem prinzip des pawlov'schen hundes.
du kennst das ja bestimmt.
eine gewisse stimmung, ein geruch, ein geräuscht oder irgendwas, holt die erinnerung an die vergangenheit hoch.
so habe ich erinnerungen an die jundenverfolgung, an den abtransport ins kz, aber auch erinnerungen an religionskrieg in russland.
ich weiss nicht, welcher religionskrieg es war. doch er war sehr heftig.
auch erinnere ich mich noch weiter zurück.
ich habe bilder von korsaren oder kosaken oder wie die heissen.
weisst du; diese leute, welche in ihren prunkvollen mänteln und hüten und mit ihren säbeln umgebunden und den schwarzen stiefeln sich auf waldlichtungen beim feuer treffen und besprechen, wem sie als nächstes den kopf abhauen.
bilder vom blut im schnee nach säbelkämpfen.
ich habe nie darüber gelesen übrigens...
ich habe auch erinnerungen in die alte antike bei den römern mit ihren sandalen, etc.
darüber will ich aber nicht schreiben, weil das nicht mit deinem russland und deinem krieg zu tun hat.
ja überhaupt erzähle ich dir die dinge hauptsächlich, damit du weisst, wie ich dich verstehen kann. vielleicht verstehe ich dich falsch, doch ich verstehe dich mit meinen erfahrungen.
auch zur russischen sprache spürte ich immer einen speziellen bezug.
es war so, dass ich schon in den ersten lebenswochen mit meinen stofftieren, meinen puppen und meinen engeln eine sprache sprach, welche ich ein leben lang mit mir mit trug.
in manchen zeiten dachte ich nur noch in dieser sprache, dass ich menschen kennen lernen wollte, die dieser sprache mächtig sind.
uns so ging ich auf die suche.
ich las in bibliotheken sämtliche sprachkurse durch, ich hörte mir etliche sprachkassetten durch und kam zum schluss, dass meine sprache slavisch sein muss.
so befasste ich mich mit sämtlichen slavischen sprachen - auch mit russisch - und begann sie - zum teil mehr, zum teil weniger - zu lernen.
durch die sprache fand ich den zugang in dein land.
höre ich russische lieder, so überkommt mich ein ähnliches sehnsüchtige gefühl wie dich. es ist nicht so ein starkes heimwehgefühl, wie das, welches ich zu meinem vaterland habe, doch es zog mich immer nach russland, bzw. nach sibirien.
ich hatte das gefühl, orte in der ehemaligen udssr besuchen zu müssen, welche ich in früheren leben als meine heimat bezeichnet habe.
(das geht natürlich nur, wenn man an wiedergeburt glaubt. warum ich dran glaube, habe ich versucht, dir zu erklären.)
übrigens habe ich sogar mal eine kassette besprochen mit der sprache, welche ich schon bei der geburt in mir hatte. (die sprache, welche leute um mich sprachen - deutsch - verstand ich damals noch nicht.)
die kassette gab ich meinem russisch-professor mit und er schickte sie in ein institut.
dort wurde gesagt, es sei ein alter ausgestorbener dialekt aus den baltischen staaten. die sprache sei mit slavisch und mit baltisch gemischt.
ich weiss nicht mehr genau, ob er von litauen oder lettland war. ich müsste es nachlesen gehen.
sie wollten dann die sprache noch genauer untersuchgen, um mir näheres darüber zu sagen, doch dazu wollten sie wissen, woher ich die kassette habe und wer diesen alten dialekt spricht.
das wollte ich natürlich nicht sagen und so blieb es dabei.
aber ja; ich kann deinem schmerz, welcher durch die suche nach deinen wurzeln entsteht, nachvollziehen.
russland ist ein besonderes land. aber auch die ukraine, weissrussland und sämtliche andere staaten der ehemaligen udssr haben so das "etwas" in sich.
ja; es sind dort viele schlimme dinge passiert.
aber übrigens: was ich nicht verstehe.
bist du jude?
warum flieht ein jude nach deutschland?
müsstest du nicht in usa leben oder sonst wo?
hast du genaueres darüber geschrieben?
oder bist du nicht jude und warum kannst du nicht in russland leben?
warst du in sibirien gefangener?
hast du deinen kindern erzählt, was du erlebt hast dort, oder kannst du nicht darüber sprechen, wie mein vater?
du schreibst, du glaubest nicht an gott.
du bringst dostoyewsky's beispiel mit den tränen.
genau zu dem thema habe ich erst gerade kürzlich ein filmchen in mein tagebuch gestellt.
hier ist es für dich.
schau es dir an:
die tränen, welche den grund geben, dass man nicht an gott glauben könnte, die sind nur da, weil die freude, welche von gott kommt, noch nicht zu ihnen durchdringen konnte.
die russischen poeten waren es übrigens auch, welche mir im engeren sinne der worte, mein leben gerettet haben.
ich war 10 bis 11 jahre alt, in deren jahre ich sehr krank war mit einer hirnhautentzündung.
die krankheit zog sich über viele monate hin.
es ging mir so schlecht, dass ich nicht mehr leben wollte.
so stand ich jede nacht am fenster und weinte.
ich wollte hinausspringen.
doch dann bekam meine schwester ein novellen-buch von tschechov geschrieben.
ab da an sass ich jede nacht am fenster und las tschechov.
danach kamen lesskov, nabokov, dostojewski, tolstoi, pushkin, später das buch "ich habe lermontov getötet" - kennst du es?, und all die weniger und mehr berühmten russischen literaten dran.
diese bücher waren es, welche mir zeigten, dass es zum noblen stil gehört, dass sich junge damen das leben nehmen.
ich sah also, dass es das normalste der welt ist, wenn noble damen sich umbringen oder umbringen wollen und gerettet werden.
so dachte ich mit meinen 11 jahren, dass jede frau irgendwann an ihrem festern steht und sich umbringen will, es dann aber nicht tut, wie es nicht alle bei tschechov taten.
es war so wie ein münzwerfen, ob sie nun springen oder nicht.
so machte ich mir viele gedanken darüber, warum ich es tun sollte und warum nicht.
mein glaube an wiedergeburt war dann der letzte anstoss, welcher verhinderte, dass ich mein leben beende, noch bevor ich eine noble dame wurde, welche sich dann eh wegen einem jüngling umbringt, oder zwei jungs um sich duellieren lässt.
die russische literatur war auch anstoss dafür, dass ich russisch lernen wollte.
ich wollte die wunderbare literatur und poesie in ihrer ursprünglichen sprache lesen, da sie dort noch um einiges gewaltiger sein muss als in einer plumpen übersetzung.
lange zeit wollte ich russin sein.
ich wollte in russland leben, einen russischen mafioso heiraten, welcher mir dann einen steinway-flügel schenkt.
ich schwärmte von russischen, blonden geigern und träumte davon, ein paar jahre früher, als russe geboren zu sein.
ich hätte liebend gerne die strenge auer-geigenschule besucht wie so manch grosser jüdisch-russischer geiger. ich wollte einer von ihnen sein. ein heifetz, ein oistrach oder ein milstein.
ich träumte davon, im kirow oder im bolschoi ballett zu tanzen.
ja; russland ist wahrlich etwas spezielles und ich verstehe dich, dass russlandheimweh nochmals anders ist, als ein heimweh zu einem anderen volksgeist.
ich weiss ja nicht, nach was aus russland du noch alles heimweh hast.
doch ich finde das volk sehr besonders.
neben den alten urbräuchen, hat es sehr viel an zukunftsgeist, finde ich.
so.
genug zusammen melancholisiert.
es gilt jetzt die antwort auf die frage: "was kannst du aus all dem schlimmen, was du erlebt hast, machen?"
ich weiss es nicht.
das musst du herausfinden.
ich kann dir nur sagen: "mach das beste daraus!"
"nimm dein schicksal als chance, neues zu schaffen, an neuem zu reiffen."
übrigens wurde ich in meinen jugendjahren auch immer auf eine alp geschickt.
von ärzten und anderen leuten.
doch ich war nun mal ein stadtkind.
ich brauchte das casino mit dem konzertsaal, das theater mit der ballettbühne, die universitäten, in denen die russische literatur steht.
nein; eine alp.... vielleicht hätte sie verhindert, dass ich unfälle baue und folgen davon habe. vielleicht hätte sie verhindert, dass ich die krankheit bekommen hätte.
ja; vielleicht könnte ich nun eher mein leben leben, wie ich es mir erträumt und gewünscht hätte.
ich ging nicht auf die alp und heute bin ich zu krank dafür.
bestimmt fragst du dich auch, warum ich nicht in mein vaterland gezogen bin oder nach russland auswandere.
vom klima her geht es mir im vaterland tatsächlich besser.
die krankheit aber hat mich so fest im griff, dass ich es nicht schaffen würde, aus der schweiz zu ziehen.
ich könnte es mir aber durchaus vorstellen, es zu tun, falls ich mal genug gesundheit und genug kraft und innere stärke hätte.
ach ja; das mit der alp war ja ein tipp auf zeit.
also da ginge es nicht darum, dass du deine zelte in deutschland ganz abbrechen müsstest.
es ging einfach mal darum, ein wenig andere luft zu schnuppern und auf andere gedanken zu kommen und wieder lebenskraft zu tanken.
ich würde dir noch gerne schöne russische musik schicken, weiss aber nicht, ob dich das nicht wieder zu weit herunterziehen würde und übrigens kennst du dich da eh besser damit aus, was wirklich qualität hat.
viele liebe grüsse von shelley :wave: