Wie also sind die obigen, fragwürdigen Bibelzitate im einzelnen einzuordnen?
Mt 10,7: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen."
Dies sind die Worte Jesu an seine Jünger, als er sie zu ihren Landsleuten aussandte, um die Gute Botschaft über das Reich Gottes zu verkünden. Das Himmelreich ist näher herbeigekommen, weil Jesus, der designierte König, mitten unter ihnen weilte. Es war ein großes Vorrecht für Jesus als König zu werben. In einem Wahlkampf werben Politiker auch manchmal direkt unterm Volk. Jesu Jünger taten dasselbe, weil es einen besonderen Anlaß dafür gab. Hier hat sich das Königreich Gottes ganz bestimmt genaht, weil "Gott" Mensch wurde.
Mt 10,23: "Wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet (mit eurer Mission) mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen,
bis der Menschensohn kommt."
Dieser Text sagt nicht unbedingt etwas über das Maß der verbleibenden Zeit aus, bis der Menschensohn kommt. Er bedeutet lediglich, daß es Umstände welcher Art auch immer geben werde, die es seinen Jüngern unmöglich machen, mit dem Predigtwerk fertig zu werden. Gründe mag es mehrere gegeben haben und geben: Zum einen starben die Jünger Jesu irgendwann, und sie konnten nicht mehr predigen, ein gewisser erster Abfall vom wahren Christentum folgte. Auch kam das Ende des Jüdischen Systems im Jare 70 u.Z., was dem Verkündigen in Israel ein Ende setzte. Die Überlebenden der Katastrophe wurden in die Welt zerstreut oder gefangengenommen. Auch in der neuzeitlichen Erfüllung wird nicht jedem Erdenbürger gepredigt werden können, obwohl es heißt, "bis zum entferntesten Teil der Erde". Es werden immer wieder neue Menschen geboren, andere sterben oder leben in schwer zugänglichen Gebieten, in denen weniger gepredigt wird, etc.
Mt 16,28 und Lk 9,27: "Es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie den Menschensohn kommen sehen in seinem Reich."
(Sprich: die Jünger von Jesus selbst werden es noch erleben).
Mk 9,1: "Und er sprach zu ihnen (den Jüngern): Wahrlich, ich sage euch: Es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis
sie sehen das Reich Gottes kommen mit Kraft."
Obiger Text ist absolut selbsterklärend, wenn man die Bibel einfach weiterliest (Mat17). Dann versteht man, wie das gemeint war. Mit "einige" waren 3 seiner vertrautesten Jünger gemeint (Johannes, Petrus, Jakobus). Sie hatten das Vorrecht noch vor ihrem Tod den verherrlichten Jesus in einer Vision zu sehen und darin auch Erscheinungen der großen Propheten Moses und Elia zu begegnen.
Offb 3,11: "Siehe, ich komme bald"
Die Offenbarung ist für die Zeit des Endes geschrieben. So zu lesen im zehnten Vers des ersten Kapitels:
"Durch Inspiration befand ich mich dann am Tag des Herrn" (Offenbarung 1:10). Damit ist das relative Zeitmaß "bald" durchaus berechtigt. Alles was der Apostel Johannes im Jahr 90 u.Z. kurz vor seinem Tod sah, sollte seine Erfüllung weit in der Zukunft haben.
Hebr 1,2: "... hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn"
Es kann durchaus sein, daß die Apostel - hier der Apostel Paulus - dachten, das Ende steht unmittelbar bevor. Vermutlich wäre es entmutigend gewesen, zu wissen, daß es sich noch min. 2000 Jahre hinzieht. Die ersten Christen lebten in der Erwartung der Wiederkunft Jesu. Das motivierte sie. Trotzdem starben Sie zunächst ohne die Erfüllung zu sehen.
Unter "Letzte Tage" kann man auch das Ende des jüdischen Systems verstehen, welches im Jahr 70 u.Z. kam.
Um die Zeitrechnung der Bibel bzgl. des Abschlußes der Systeme zu verstehen, muß man wissen, daß Jesus den Christen
2 Endpunkte nannte. Hier deute ich nicht einfach um, sondern die Bibel erklärt sich selbst, wenn auch vieles noch interpretationsbedürftig bleibt.
Folgende Worten Jesu über die bevorstehende Endzeit (Letzten Tage) machen
2 Zeitspannen deutlich. Der Wichtigkeit halber muß ich nun einen größeren, zusammenhängenden Block zitieren.
"und man wird einige von euch zu Tode bringen,
und ihr werdet um meines Namens willen Gegenstand des Hasses aller
Menschen sein.
Und doch wird bestimmt kein Haar von eurem Haupt verlorengehen.
Durch euer Ausharren werdet ihr eure Seele erwerben.
Wenn ihr ferner die Stadt Jerusalem von Heeren umlagert seht, dann
erkennt, daß ihre Verwüstung nahe gekommen ist.
Dann sollen die, die in Judäa sind, in die Berge zu fliehen beginnen, und
die in ihrer Mitte sind, sollen hinausgehen, und die, die sich an Orten auf
dem Land befinden, sollen nicht in sie hineingehen;
denn dies sind Tage, in denen nach dem Recht verfahren wird, damit alles
erfüllt werde, was geschrieben steht.
Wehe den schwangeren Frauen und denen, die ein Kleinkind stillen in jenen
Tagen! Denn dann wird große Not im Land sein und Zorn über diesem Volk;
und sie werden durch die Schärfe des Schwertes fallen und als Gefangene
zu allen Nationen geführt werden;
und Jerusalem wird von den Nationen
zertreten werden, bis die bestimmten Zeiten der Nationen erfüllt sind.
Auch wird es Zeichen an Sonne und Mond und Sternen geben und auf der
Erde Angst unter den Nationen, die wegen des Tosens des Meeres und seiner
Brandung weder aus noch ein wissen,
während die Menschen ohnmächtig werden vor Furcht und Erwartung der
Dinge, die über die bewohnte Erde kommen; denn die Kräfte der Himmel werden
erschüttert werden.
Und dann werden sie den Menschensohn in einer Wolke mit Macht und großer
Herrlichkeit kommen sehen.
Wenn aber diese Dinge zu geschehen anfangen, dann richtet euch auf und
hebt eure Häupter empor, denn eure Befreiung naht."
Lukas 21:16-28
Zunächst spricht Jesu seine Jünger direkt an, weil viele von Ihnen die Zeit der Zerstörung Jerusalems durch die Römer, sowie das Ende des jüdischen Systems ansich, noch miterleben werden (Ende des nationalen Systems des fleischlichen Bundesvolkes Gottes).
Doch dann macht er einen Sprung. Er sagt, Jerusalem wird von den Nationen zertreten oder beherrscht, bis die Zeit der Nationen der Welt abgelaufen sein. Dann werde es Zeichen an Sonne, Mond und Sterne geben. D.h. nach einer langen Übergangszeit werde es große politische Umwälzungen geben, die schließlich zur Wiederkunft Christi führen würden.
Auch der Apostel Paulus, der oben das Wort "bald" schrieb, wußte davon. Ihm wurde geoffenbart, daß zunächst ein Abfall vom Glauben kommen müsse, bevor Christus wiederkommt. So zu lesen in seinem Brief:
"Brüder, wir schreiben euch über die Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn,
und unsere Vereinigung mit ihm und bitten euch:
Lasst euch nicht so schnell aus der Fassung bringen und in Schrecken
jagen, wenn in einem prophetischen Wort oder einer Rede oder einem Brief,
der angeblich von uns stammt, behauptet wird, der Tag des Herrn sei schon da.
Lasst euch durch niemand und auf keine Weise täuschen!
Denn zuerst muss der Abfall von Gott kommen und der Mensch der Gesetzwidrigkeit
erscheinen, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, der sich über alles,
was Gott oder Heiligtum heißt, so sehr erhebt, dass er sich sogar
in den Tempel Gottes setzt und sich als Gott ausgibt."
2. Thessalonicher 2:1-4 (Einheitsübersetzung)
Somit sind seine Zeitangaben relativ zu verstehen!
Obwohl... aus Sicht der neuzeitlichen Christen, denen die Heilige Schrift erst heute im großen Stil in einer Muttersprache zur Verfügung steht, sind diese relativen Zeitangaben auch durchaus zeitgemäß. Hat hier der allmächtige Gott und eigentliche Autor der Bibel schon lange im Voraus an die neuzeitlichen Leser gedacht?
Hebr 10,37: "Denn nur noch eine kleine Weile, so wird kommen, der da kommen soll, und wird nicht lange ausbleiben."
"Kleine Weile" ist sicher fraglich. Aber aus Sicht des Schreibers mag dies dennoch stimmen. Denn er starb zunächst. Während der Zeit seines Todes schläft er und hat kein Zeitgefühl. Bei seiner Auferstehung hat oder wird Paulus die Stimme des Herrn hören. Für ihn war es dann eine kurze Zeit.
Jak 5,8: "Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe."
Hätten die ersten Christen gewußt, daß es noch 2000 Jahre dauert, währen sie vielleicht vorschnell ermattet.
Möglicherweise wurden ihnen keine Zeitangaben gemacht, um sie nicht zu entmutigen.
Gott wusste es besser. Sein Zeitplan steht fest.
Auch Pulus versprach seinen Gemeinden immer wieder, dass sie die Wiederkehr noch persönlich miterleben werden:
1. Thes. 4,15: "Denn das sagen wir euch mit einem Wort des Herrn, daß wir, die wir leben und übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn,
denen nicht zuvorkommen werden, die entschlafen sind."
Auch dieser Text ist somit eher für Christen heute geschrieben, die bis zur Ankunft übrigbleiben. Offensichtlich war sich Paulus hier noch nicht im Klaren, daß er zu den Entschlafenen zählen wird. Doch später schrieb er anderes, was zeigt das Gott manches erst zur gegebenen Zeit offenbaren kann:
"Denn schon werde ich wie ein Trankopfer ausgegossen, und die
bestimmte Zeit für meine Erlösung steht bevor.
Ich habe den vortrefflichen Kampf gekämpft, ich habe den Lauf
vollendet, ich habe den Glauben bewahrt.
Fortan ist mir die Krone der Gerechtigkeit aufbehalten, die mir
der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag als Lohn geben wird,
doch nicht nur mir, sondern auch all denen, die sein Offenbarwerden
geliebt haben."
2. Timotheus 4:6
Gott hat also persönliche Färbungen seiner Schreiber in sein Wort einfließen lassen, ohne den Wahrheitsgehalt zu entstellen. So können Leser der Bibel heute besser verstehen, was die Erwartungshaltung der Urchristen war und wie sie gefühlt haben. Schließlich zählen alle Nachfolger Jesu als "eine Herde unter einem Hirten" (Joh10:16) = "
wir".