Um wieder zum Thema zurück zu kommen,
welches wir allerdings kaum verlassen hatten :wave:
Was auch gegen Onkel Marshall spricht, ist die nachgewiesene Anti-Autoimmunwirkung von Vit D und Anti Th1 Wirkung. Somit wirkt es auch antientzündlich
"In klinischen Versuchen scheint das Netto-Resultat der Vitamin D-Therapie eine Reduktion der Th1-Autoimmunreaktivität und eine Linderung der Symptome von Multipler Sklerose, rheumatoider Arthritis und entzündlichen Darmerkrankungen zu sein." Dr. med. habil. Volker Nehls
Im Folgenden der etwas längere Text dazu.
LG
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Immunologische und metabolische Effekte des Vitamin D
Dr. med. habil. Volker Nehls
Die klassische und allgemein bekannte Funktion von Vitamin D ist die Regulation des Kalzium-Stoffwechsels und des Knochenwachstums.
Ein erniedrigter Vitamin D-Spiegel führt im Tierversuch jedoch auch zu gehäuftem Auftreten von Autoimmunerkrankungen (Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis, entzündliche Darmerkrankungen). Der Vitamin D-Rezeptor (VDR) findet sich in vielen Zelltypen des Immunsystems, u.a. in T-Lymphozyten, und reguliert insbesondere die Funktion von T-Helfer-Zellen (Hemmung der für autoimmunologische Prozesse wichtigen Th1-Antwort). Die Ausschaltung des Vitamin D-Rezeptors (knock-out) im Tierversuch führt zu hochentzündlichen Verläufen einer Colitis (Froicu et al., Mol Endocrinol 17: 2386, 2003).
Populationsstudien am Menschen konnten zeigen, dass die Häufigkeit der Multiplen Sklerose mit der Vitamin-D-Unterversorgung korreliert ist (Neurology 62: 60, 2004). Weitere Studien deuten an, dass die Einnahme von Vitamin D vor der Erkrankung an rheumatoider Arthritis und Typ I Diabetes mellitus schützt (Arthritis Rheumatism 50: 72, 2004). Träger von bestimmten genetischen Varianten des Vitamin D-Rezeptors (Polymorphismen) haben offensichtlich ein erhöhtes Risiko, eine Autoimmunerkrankung zu entwickeln (Exp Biol Med 229: 1136, 2004).
In einer kleinen Fallkontrollstudie wurde gezeigt, dass hochdosiertes Alfacalcidol (2 µg/d) die Aktivität der rheumatoiden Arthritis signifikant und deutlich reduziert (Andjelkovic et al., Clin Exp Rheumatol 17: 453, 1999). Die erforderliche Dosis führte allerdings zu nicht akzeptablen Nebenwirkungen. Diesbezüglich interessant ist die Tatsache, dass Synovialmakrophagen und Synovialepithelzellen aus entzündeten Gelenken selber in der Lage sind, aktives Vitamin D zu synthetisieren, biologisch sinnvoll möglicherweise als Selbsthemmung einer übersteigerten Entzündungsreaktion. Dazu passend findet sich bei relativ vielen Patienten mit einem Vitamin D-Mangel und Osteomalazie ein Polyarthritis-ähnliches Krankheitsbild, das nicht mit einer rheumatoiden Arthritis verwechselt werden sollte (Reginato et al, 1999).
In klinischen Versuchen scheint das Netto-Resultat der Vitamin D-Therapie eine Reduktion der Th1-Autoimmunreaktivität und eine Linderung der Symptome von Multipler Sklerose, rheumatoider Arthritis und entzündlichen Darmerkrankungen zu sein.
Aktuelle Studienergebnisse lassen darauf schliessen, dass die derzeit empfohlenen täglichen Vitamin D-Mengen zu niedrig bemessen sind (ref. in Cantorna et al., Exp Biol Med 229: 1136, 2004). Eine tägliche Vitamin D-Zufuhr von weniger als 800 IU hat keinen frakturreduzierenden Effekt und vermutlich auch keinen wesentlichen Effekt auf die Immunfunktion. Bei mehr als 50 % der postmenopausalen Frauen, die Osteoporose-Medikamente erhalten (!), fand sich ein Vitamin D-Mangel (25-OH Vitamin D3 < 30 ng/ml; Holick et al., 2005). Für Erwachsene wird daher in der Regel eine Tagesdosis von mindestens 1000 IU empfohlen. Die Höchstgrenze liegt nach internationalen Empfehlungen bei 2000 IU täglich (50 µg natives Vitamin D). Vieth hat allerdings gezeigt, dass auch Tagesdosen von 4000 IU Vitamin D3 (100 µg) bei gesunden Versuchspersonen über fünf Monate zu keiner Hyperkalzämie oder Hyperkalziurie führen und dass selbst eine Tagesdosis von 10.000 E über 5 Monate ohne toxische Effekte bleibt (Vieth, 2004).
Vitamin D in seiner aktiven Form (Calcitriol) hat ausgeprägte differenzierende und wachstumshemmende Effekte auf Keratinozyten und andere Zelltypen. Vitamin D-Derivate in lokaler Anwendung sind daher feste Bestandteile der dermatologischen Psoriasis-Behandlung. Es gibt begrenzte Hinweise darauf, dass Calcitriol in hoher Dosis auch entzündungshemmende Effekte bei der Psoriasisarthritis hat. Bevor Vitamin-D-Abkömmlinge jedoch in die klinische Routine eingehen, sind weitere Studien erforderlich.
Die differenzierungsfördernden und wachstumshemmenden Effekte des Vitamin D führen offenbar auch zu einer Hemmung des Tumorwachstums. Epidemiologische Studien zeigen, dass verschiedene Tumorformen gehäuft bei Vitamin D-Mangelzuständen auftreten (Holick 2006).Viele Tumorzellen exprimieren den Vitamin D-Rezeptor und lassen sich im Zellwachstum durch aktives Vitamin D-Hormon hemmen.
Prospektive und retrospektive Studien zeigen, dass Karzinome des Dickdarms, der Prostata und der Brustdrüse um 30-50 % häufiger auftreten, wenn ein Vitamin D-Mangel vorliegt (25-OH-Vitamin D3 < 20 ng/ml; Übersicht bei Holick, 2007). Teilnehmerinnen der Women's Health Initiative mit einem Ausgangs Vitamin D3-Spiegel von < 12 ng/ml hatten nach 8 Jahren ein um 253 % erhöhtes Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken (Holick, 2006).
Aktivierte Makrophagen bei der Sarkoidose exprimieren das Enzym 1-alpha-Hydroxylase, das die Vorstufe 25-OH-Vitamin D3 zu der eigentlich aktiven Wirkform 1,25-Dihydroxy-Vitamin D3 (Calcitriol) umwandelt. Hierdurch kommt es bei einigen Sarkoidose-Patienten zu einer Hyperkalzämie, Hyperkalziurie und Nephrokalzinose. Die erhöhte Calcitriol-Synthese durch Sarkoidose-Makrophagen wird als Versuch des Organismus aufgefasst, die T-Zell-Aktivität bei Entzündungen einzudämmen.
Die Hyperkalziämie bei Sarkoidose lässt sich in der Regel wirksam mit Glukokortikoiden behandeln. Cortison hemmt die Aktivität der 1-alpha-Hydroxylase in Makrophagen, aber nicht in Nierentubulusepithelzellen, dem eigentlichen Ort der Calcitriol-Synthese. Hydroxychloroquin hemmt ebenso die 1-alpha-Hydroxylase und kann daher als Sarkoidose-Therapie bei Hyperkalziämie eingesetzt werden.
Wenn Makrophagen in der Zellkultur mit Tuberkulosebakterien konfrontiert werden, bilden sie vermehrt Calcitriol. Das aktive Vitamin D induziert die Bildung von Cathelicidin, einem Peptid, das Tuberkulosebakterien und andere Erreger abtötet (Liu et al., 2007). Dieser Befund könnte erklären, warum Menschen mit Vitamin D-Mangel anfälliger sind für bakterielle Erkrankungen wie Tuberkulose. Auch virale Angriffe können besser von Personen mit ausreichenden Vitamin D-Depots abgewehrt werden. Der saisonale Vitamin D-Mangel durch ungenügende UV- Einstrahlung in den Wintermonaten begünstigt wahrscheinlich das Auftreten von Grippeepidemien in der kalten Jahreszeit (Cannell et al., 2006).
Vitamin D-Mangelzustände begünstigen offenbar auch die Entwicklung von metabolischen Erkrankungen. So konnte gezeigt werden, dass ein Vitamin D-Mangel mit einer Insulinresistenz und einer Fehlfunktion der insulinproduzierenden ß-Zellen im Pankreas assoziiert ist (Chiu et al., 2004). Patienten mit Bluthochdruck zeigten eine Normalisierung des Blutdruckverhaltens nach dreimonatiger UVB-Bestrahlung und hierdurch bewirkter Anhebung des Vitamin D-Spiegels (Krause et al., 1998). Epidemiologischen Studien zufolge steigt bei einem Vitamin D-Mangel das Risiko, einen Bluthochdruck zu entwickeln, um etwa den Faktor 3 (Forman et al., 2007). In Versuchen mit Vitamin D-Rezeptor-defizienten Mäusen wurde demonstriert, dass Vitamin D die Bildung von Renin und hierdurch das Angiotensin-Aldosteron-System hemmt (Li, 2003).
Es ist anzunehmen, dass die metabolisch günstigen Effekte multifaktorieller Genese sind. Zum einen wird auf zellulärer Ebene die Insulinwirkung stimuliert und das Renin-Angiotensin-System gehemmt. Zum anderen verbessert Vitamin D die Muskelkraft und reduziert muskuloskelettale Schmerzen, sofern diese durch einen Vitamin D-Mangel ausgelöst wurden. Die hierdurch bewirkte physische Mobilisierung kann ihrerseits zur Optimierung von Stoffwechselprozessen beitragen.
Übergewichtige Patienten haben häufiger einen Vitamin D-Mangel (Vilarrasa et al., 2007), und wir gehen heute davon aus, dass das fettlösliche Vitamin D in den Fettdepots sequestriert wird und dort nicht mehr ausreichend zur Kontrolle der Vitamin D-abhängigen Körperfunktionen zur Verfügung steht. Da eine Gewichtsabnahme zu einer Normalisierung erniedrigter Serumspiegel von Vitamin D führt (Reinehr et al., 2007), ist der Vitamin D-Mangel in der Regel nicht die Ursache, sondern die Folge der Gewichtszunahme. Im ungünstigsten Fall lässt sich jedoch ein Circulus vitiosus annehmen, bei dem ein Vitamin D-Mangel, der seinen Anfangsgrund zum Beispiel in einer ungenügenden Sonnenexposition hatte, zu einem Schmerzsyndrom und einer Muskelschwäche führt, die wiederum Immobilität und Gewichtszunahme zur Folge hat. Durch die Gewichtszunahme könnte es zu einer weiteren Reduktion des bioverfügbaren Vitamin D kommen, das in den Fettdepots sequestriert wird.
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zuletzt aktualisiert 27.12.07
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Literatur
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Cantorna MT et al., Vitamin D status, 1,25-dihydroxyvitamin D3, and the immune system. Am J Clin Nutr 80 (suppl):1717S, 2004
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