Liebes Tagebuch,
da es mir hilft das Erlebte zu verarbeiten wenn ich es hier aufschreibe, werde ich mal wieder den aktuellen Stand der Dinge berichten.
Die letzten Ereignisse waren ja ein Notfall-Termin bei einer ZA in Stuttgart gewesen, da mein Kiefer schmerzte und es zum Ohr hoch zog. Sie meinte es käme vom Zahnfleisch und gab mir Milchsäurebakterien, was ein wenig half.
Zum Wochenende hin verschlechterte mein Zustand sich allmählich wieder. Erst war ich tagsüber sehr müde und hatte nachts Einschlafprobleme. Samstags ging der Energiepegel weiter runter, Sonntag schlief ich sehr viel, hatte zunehmend wieder Kieferschmerzen mit Druck auf den Ohren und kam kaum noch hoch.
Montags erfolgte die 4. Ausleitung, diesmal mit DMPS. Nach aktuellem Wissensstand denke ich, dass die Runde davor doch DMSA war, und man es einfach falsch notiert hatte - denn das DMPS erlebte ich deutlich anders als die 3 Runden vorher. Doch dazu später mehr. Mein Allgemeinzustand war bei der Ausleitung bereits ziemlich reduziert, ich hing groggy im Stuhl. Abends spürte ich dann die Nieren ein wenig und trank viel, dachte es liefe alles wie gewohnt.
Dienstag dann Zahnarzt-Termin, um zu klären wie es weitergeht. Man machte ein Röntgenbild und diagnostizierte eine Entzündung im Kiefer unter der WSR. Außerdem meinte man beim fehlenden Zahn daneben noch einen Fremdkörper im Kiefer zu sehen. Ich wurde an einen Kieferchirurgen weiterverwiesen, der zunächst die Entzündung beseitigen sollte, da man diese für meinen schlechten AZ verantwortlich machte. Der ZA meinte, dass er so nicht wie gewünscht mit der Zahnsanierun beginnen könne, da ich ihm sonst vom Stuhl kippe. Leider bot der Kieferchirurg frühestens am nächsten Montag einen Termin an, obwohl ich akute Schmerzen hatte! Darauf hingewiesen sagte man, ich sollte am nächsten Morgen um 9 Uhr in die Praxis kommen, und solange warten bis zwischendurch etwas Zeit ist ("etwas Zeit zwischendurch" für eine Kiefer-OP?!). Dummerweise versteht kaum jemand, was es bedeutet an massiver Erschöpfung zu leiden. Wenn ich früher aufstehe als ich halbwegs ausgeschlafen habe, ist mir richtig übel und schwindlig. Wohl fühlte ich mich derzeit nur im Liegen, länger Aufrecht sitzen und erst recht Laufen war eine Qual.
Mein Zustand hatte sich durch die Belastung des Arztbesuchs noch mehr verschlechtert, und ich hatte keine Ahnung, wie ich so eine ambulante OP überstehen sollte. Deswegen wandte ich mich ans Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, um das Ganze im stationären Rahmen erledigen zu lassen. Ich sah mich genötigt die Kieferschmerzen ein wenig zu übertreiben, da Ärzte anscheinend nur Schmerzen als ein Symptom anerkennen, bei dem man schneller Hilfe bedarf. Mit einem immer schlechter werdenden AZ, der sich anfühlt als hauche man nach und nach sein Leben aus, und dementsprechend beängstigend ist, wissen sie nichts anzufangen.
Nach einigem Diskutieren bekam ich eine fette Betäubunsspritze (das hat man dann davon, aber ich dachte vielleicht nützt es ja auch was, wenn zumindest der Trigeminus nicht mehr weiter gereizt wird), sollte erst in die Innere und landete dann doch in der Kieferchirurgie. Mittlerweile war es nachts um 3, man hatte uns 6 Stunden lang in der Notaufnahme warten lassen! Und die legen einen noch nichtmal auf ne Liege, man muss sich irgendwie auf unbequemen Stühlen aufrecht halten - unmöglich!
Auf meinem Zimmer angekommen bekam ich eine Kaliumtablette, da laut Bluttest der Wert zu niedrig sei. Dann schlief ich kurz erschöpft ein, um kurze Zeit später mit Übelkeit, Durchfall, und (ich weiß nicht recht wie ich das beschreiben soll) sehr unangenehmen Kreislaufmissempfindungen wieder aufzuwachen. Das fühlt sich an, als würde im Körper heftig was schief laufen: Herzklopfen, dann wiederum kaum noch spürbarer Puls, dann gefühlt sehr schneller Puls, alles im schnellen Wechsel. Das Gefühl kenne ich von Blutdruck-Abfällen, die ich durch Konsum von zuviel Schokolade hatte. Jedoch waren die Werte bei den Messungen meist im normalen Bereich, was mich ziemlich irritierte.
Ich nahm Kohle-Tabletten aus meiner Hausapotheke, und verhinderte so zumindest mich übergeben zu müssen. Der Zustand war jedoch so anstrengend, dass ich die ganze Nacht keinen Schlaf mehr fand. Morgens war ich dann endgültig fix und fertig.
Und dann lernte ich den Chefarzt der Kieferchirurgie kennen - ein Erlebnis, dass ich so schnell nicht vergessen werde! Wie die Karikatur eines Chefarztes fegte der gutaussehende Anfang- bis Mittdreißiger mit markantem Kinn und halblanger Ferrari-Fahrer-Löckchen-Frisur ins Zimmer, gefolgt von 3 sehr gut aussehenden, sehr jungen und angesichts des charismatischen Chefs sehr devoten Schwesternschülerinnen. Wäre ich nicht zu fertig für solche Überlegungen gewesen, ich hätte mich in einer Krankenhaus-Seifenoper gewähnt.
Leider konnte das Fachwissen mit dem Aussehen nicht mithalten. Mit Blick auf mein Röntgenbild stellte er fest, dass dort keine Entzündung sei, die eine Kiefer-OP rechtfertige - nur eine kleine Entzündung an der Wurzelspitze. Und wenn dort eine Kieferentzündung wäre, dann könne man nicht operieren, weil die vorher erst ausheilen müsse... ?! Man stellte erhöhte Temperatur fest und schlug einfach mal pro forma ein Antibiotikum vor. Ich wies auf meine Erlebnisse in der Nacht hin, äußerte die Vermutung einer Entgiftunskrise, und fühlte mich bemüßigt meine Schwermetall-Belastung zu erwähnen, in der Hoffnung meinen schlechten AZ durch die Kombi von Vergiftung und Entzündung für den anscheinend recht ratlosen Arzt erklärbar zu machen. Er fragte, wie diese Vergiftung denn fertgestellt worden sei. Ich erzählte vom DMSA-Mobilisationstest und der Laborauswertung. Daraufhin erklärte er mir in bester Verschwörer-Theorie-Manier, dass es Ärzte gebe, die einem Krankheiten einreden wollten, um daran Geld zu verdienen. Eigentlich könnte man sich über solche Aussagen dogmatischer Schulmediziner, die keine Ahnung haben wie sie helfen können, aber nicht müde werden, über die Kollegen die es können zu lästern, ja schier kaputt lachen. Wenn es nicht so traurig wäre. Die Idee, dass mein Umweltmediziner mit dem Labor unter einer Decke steckt und mir bewusst gefälschte Messergebnisse präsentiert, ist doch recht abenteuerlich.
Der Ausflug nach Absurdistan war jedoch noch nicht vorbei, denn es folgte ein Vortrag über die angebliche Gefährlichkeit veganer Ernährung, der dem besten Bildzeitungs-Niveau zur Ehre gereicht hätte. Einzelheiten erspare ich dem geneigten Leser. Natürlich ist man argumentativ in einer beschissenen Situation, wenn man aufgrund seiner multiplen Belastungen sowohl diverse Nährstoffmängel, als auch diverse Nahrungsmittelunverträglichkeiten angehäuft hat. Aber das ist ja nix Neues, wenn ein Veganer erkrankt, ist die Sache ja klar, ne?

Ich war zu schwach um mich zu wehren, eigentlich war es mir auch egal. Dass man dann jedoch eine Waage ins Zimmer schob, empfand ich als Frechheit. Nächster Tagesordnunspunkt war wohl der Versuch mir eine Magersucht zu unterstellen. Klar, dass ich bei den Erlebnissen der letzten Monate ein paar Kilo abgenommen habe. Auch klar, dass ich das mit Sicherheit nicht möchte, mir gehts auch so schlecht genug. Danke der Nachfrage!
Also machte ich selbst einen Therapievorschlag: Anhand der Urinprobe hatte der Umwelt-ZA Mängel bei Calzium, Eisen und Magnesium diagnostiziert. Außerdem niedrige Werte bei Zink, Mangan und noch irgendwas. Was mich erstaunt, da ich Letztere seit einigen Jahren in hohen Dosen supplementiere. Entweder verbraucht mein Körper das Zeug wirklich in abartig hohen Dosen, oder, was ich eher vermute, mein gestörter Darm nimmt nicht genug davon auf. Da ich einen praktischer Weise einen Zugang im Arm hatte, wäre es doch eine Idee gewesen mir das Benötigte (sofern als i.v. machbar) direkt ins Blut zu geben. Der Vorschlag wurde leider ignoriert. Schade!
Dann ging es den Tag über hin und her, was nun mit meinen Zähnen bzw. dem Kiefer geschehen solle. Irgendwann kam die Chefarzt-Karikatur wieder an, und bot mir an den Zahn unter Herbeiziehung eines Zahnarztes zu ziehen. Dies wolle man am nächsten Morgen machen - aufgrund des schlechten AZ leider keine Vollnarkose möglich. Die Brücke wolle man durchsägen, damit eine Krone für den hinteren Brückenpfeiler erhalten bliebe. Toll, also noch mehr offenes Billig-Mental im Mund. Am Ende würden die das noch IM Mund zersägen, also so richtig mit Metallstaub zum Einatmen... ? Meine Frage, ob er sich denn mit Zahnherden und deren Sanierung auskenne, antwortete er schlicht mit einem indignierten "Ja!". Was mir eine fundierte Einschätzung seines Kenntnisstands leider unmöglich machte. Auch, dass er mich ohne Beistand die Einverständniserklärung unterschreiben ließ, finde ich im Nachhinein ziemlich unmöglich. Ich war in einer Art Dämmerzustand, nahm meine Umgebun gar nicht richtig war, hatte immer wieder Auffassungs- und Merkfähigkeitsstörungen. Ich war kurz gesagt nicht geschäftsfähig. Das schien er jedoch nicht zu bemerken.
Zurück zu meinem AZ: Der war in der Tat so schlecht, dass ich befürchtete überhaupt keinen Eingriff irgendeiner Art zu überleben. Es war einer der schlimmsten Tage meines Lebens, und das will was heißen! Es macht einem ziemlich Angst, wenn man merkt irgendwas im Körper macht einen immer kränker, niemand weiß genau was es ist, und die vermutete Ursache kann nicht beseitigt werden, weil man bereits zu krank dafür ist. Paradox! Ich fing an mit dem Leben abzuschließen, und fragte mich ob meine Kraft noch ausreichen würde, um einen Sprung aus dem nächsten Fenster zu schaffen. Lediglich der Gedanke an Freund und Familie und die Angst vor dem Ungewissen hielten mich dazu an, das Leiden weiter auszuhalten. Außerdem sind Fenstersprünge so eine Sache: Was, wenn man es sich auf dem Weg nach unten doch noch mal anders überlegt? Ich versuchte mich mental zu stärken, aber das war wirklich schwierig. Jegliche Erinnerung an so etwas wie Normalität des Befindens war weg. Mein Universum bestand nur noch aus Leid und Elend. Ich erinnerte mich, dass ich mir mal geschworen hatte zu kämpfen, sollte mich jemals eine schwere Krankheit wie Krebs o.ä. treffen. Doch in diesem Zustand fragte ich mich: Wozu überhaupt? Niemand kann mir helfen, es gibt keine Heilung, keine Aussicht auf Besserung. Ich schleppte mich zur Toilette und sah in den Spiegel. Ich versprach meinem Spiegelbild, dass ich kämpfen würde. Es sah unendlich erschöpft zurück, und fragte: Warum?
Dann machte ich eine bemerkenswerte Entdeckung: Der zum Mittagessen gereichte Reisschleim brachte ein wenig Linderung. Ich konnte etwas besser denken und beschloss in meiner Verzweiflung, die morgens noch wegen der ohnehin schon bestehenden Übelkeit abgelehnte Antibiose doch zuzulassen. Dazu reichte man mir prophylaktisch Paspertin-Tropfen gegen Übelkeit. Das jedoch war ein Fehler! Ich hatte schon früher eigenartige Erlebnisse auf Antibiotika. Jetzt schossen in rasender Geschwindigkeit zerissene Bilder und Lichtfetzen durch meinen Kopf. Wenn ich die Augen öffnete, begannen sich Muster an den Wänden zu bilden, also ließ ich sie besser zu. Mein Kreislauf machte noch viel heftiger die oben beschriebenen Dinge, ich fühlte mich innerlich wie unter Starkstrom. Die Karikatur verneinte irritiert meine Frage, ob dieses Antibiotikum bekannt dafür sei psychische Nebenwirkungen auslösen zu können. Damit war die Sache für ihn erledigt. Ich verbrachte die nächsten Stunden in dem Gefühl nun endgültig wahnsinnig zu werden. Am liebsten hätte ich mich schreiend und windend auf den Stationsflur geworfen. Der Gedanke, dann evt. fixiert zu werden und damit noch nicht einmal mehr die Möglichkeit zu haben, der ganzen Sache ein endgültiges Ende zu setzen, hielt mich davon ab. Dann kam mein Freund zu Besuch, und: Die Abendportion Reisschleim! Die erste Hälfte musste ich wie schon Mittags hinunter zwingen, doch dann ging es wieder rapide aufwärts. Vorher noch vor Verzweiflung weinend, saß ich plötzlich einigermaßen munter aufrecht im Bett, mir war nicht mehr schlecht und ich konnte mich sogar unterhalten. Das ist Lebensqualität!
So hatte ich die Kraft selbst zu recherchieren, und erfuhr von Natron als probates Mittel bei Entgiftungskrisen. Mittlerweile waren seit dem Reisschleim 3 Stunden vergangen, und ich fühlte mich wieder zunehmend schlechter. Ich trank ein Glas mit Natron-Wasser (ein Glück ist meine Notfall-Apotheke so gut ausgestattet) und erlebte daraufhin eine faszinierende Wirkung: Nicht nur die Übelkeit verschwand binnen Minuten (das bewirken auch die Kohle-Tabletten), auch der ominöse Kreislauftanz verringerte sich nach einiger Zeit deutlich. Ich fühlte mich fast wieder normal! Dann begannen die Nieren ordentlich zu bollern, und auch der Kreislauf bollerte - zwar nicht mehr so unangenehm, aber so, als habe er nun Schwerstarbeit damit zu erledigen, was auch immer übers Blut durch den Körper zu transportieren. Ich startete nun in Eigenregie ein Entgiftungsunterstützungsprogramm: Sobald ich mich wieder schlechter fühlte, trank ich eine 0,5l-Flasche Natronwasser, aß 1-2 Reiswaffeln (mein Magen fühlte sich so unangenehm leer an) und futterte eine Kohletablette. Ich hätte das gerne mit Darmspülungen ergänzt, doch die entsprechende Gerätschaft gehört leider nicht zu meiner Notfall-Ausrüstung. Zu fragen traute ich mich nicht, musste ich doch befürchten, mit dieser Bitte endgültig als bekloppt abgestempelt zu werden.
Das ganze Programm ging dann über die nächsten 8 Stunden der Nacht so 1-2x pro Stunde. Zwischendurch nickt ich kurz ein, wachte dann jedoch zuverlässig von den sich wieder verschlimmernden Symptomen auf, und startete die nächste Runde. Einige Stunden lang hatte ich mein Befinden ganz gut im Griff. Jedoch wurde ich immer müder (hatte ja die Nacht davor schon kaum geschlafen), und merkte wie die Anstrengung meinem Körper immer mehr zusetzte. Gegen halb fünf wandte ich mich an die Nachtschwester, erklärte kurz, dass ich heftig entgifte und seit über 24 Stunden nur noch Durchfall hatte, und es deshalb sinnvoll fände, wenn man mir eine Elektrolyt-Lösung dranhängt, um den Mineralstoffverlust auszugleichen. Zum Glück hatte die Nachtschwester das Wort Entgiftung wohl schon mal gehört, und bot hilfreicher Weise sogar an, einen Urologen hinzuzuziehen, falls die Nieren anfingen richtig zu schmerzen. Ohne die Karikatur zu fragen konnte sie mir jedoch keine Elektrolyte geben, doch sie schloss zumindest eine NaCl-Lösung an. Das half gerade genug, dass ich nach einer Weile endlich erschöpft einschlafen konnte.
Ein paar Stunden später erklärte ich einem grantigen Chefarzt, dass ich die Zahn-OP heute nicht wolle, da es mir nun zwar besser gehe, mein Körper jedoch von der heftigen Entgiftung noch sehr geschwächt sei. Nun hatte ich endlich wieder Hoffnung, dass mein Zustand sich weiter verbessern würde, also erschien es sinnvoll einen für den Körper anstrengenden Eingriff noch etwas zu verschieben. Naja, und Vertrauen hatte ich in den Kerl sowieso nicht. Dann lieber in ein paar Tagen zum Umwelt-ZA meines Vertrauens gehen. Daraufhin wollte er mich in meinem insg. noch recht geschwächten Zustand sofort entlassen! Auf meine Bitte nach Blutuntersuchung und Elektrolyte-/Mineralieninfusion meinte er, wenn ich internistische Beschwerden hätte könne ich ja einfach runterlaufen in die Notaufnahme, und mich dort wieder aufnehmen lassen. Einfach runterlaufen!

)) Zum Glück hatte ich nun wenigstens genug Energie mich zu wehren, und meinte, dass er ja wohl nicht ernsthaft glaube mich in dem Zustand alleine durch die Gegend laufen und wieder stundenlang in irgendeinem Wartezimmer sitzen zu lassen. Was mir spätestens hier auffiel: Obwohl wir uns ständig uneinig waren, zeigte der Chefarzt dabei nie irgendwelche Emotionen. Er trottete von dannen nach dem Motto: "Och naja, ich habs halt versucht, sie hat Widerstand geleistet, also mach ich was anderes" und schickte die Schwester zum Blut abnehmen. Allmählich gewann ich den Eindruck, dass es für ihn eine Art Machtspiel war. Auch seine eigenartig hilflosen Versuche am Vortag mit meiner Zimmernachbarin zu scherzen, fielen mit wieder ein. Er schien überhaupt kein Gespür für Menschen zu haben, war völlig empathielos, zeigte keine Emotionen in seinem charismatischen Gesicht, spielte Machtkämpfchen und hatte sich für den Beruf des Chirurgen entschieden - bekanntermaßen einer der beliebtesten Berufe unter Psychopathen. Jetzt wurde mir Einiges klar! Meine Herrn!!
Er kündigte an mir irgendwann Abends dann mal einen Internisten zu schicken, der die Blutwerte anschaut und entscheidet was ich bekommen soll. Wunderbar, dass man sich sp bemüht mich schnell wieder aufzupäppeln.

Irgendwann am frühen Nachmittag fragte ich nach dem Ergebnis des Bluttests und erfuhr zu meinem baffen Erstaunen, dass ich angeblich keinerlei Mängel habe. Noch nichtmal mehr den am Vortag diagnostizierten Kalium-Mangel! Wollten die mich jetzt endgültig verarschen? Oder testeten die mit nicht aussagekräftigen Methoden (kommt häufiger vor als man denkt)? Mein Kopf ratterte. Als halbwegs logischer Erklärungsansatz fiel mir ein: Vielleicht hat das DMPS viele Mineralien von dort gelöst, wo sie eigentlich ihren Dienst verrichten sollten, so dass sie nun noch immer in der Blutbahn umher schwirrten, aber dort wo sie gebraucht wurden nicht mehr verfügbar waren? The answer, my friend, ist blowing in the wind. Würde mich interessieren, was ein Fachmensch von der Theorie hält.
Da ich zusätzlich zu allen anderen Symptomen auch immer wieder von heftigen Zuckungs-Anfällen heimgesucht wurde und immer wieder zitterte wie Espenlaub, ohne dass mir kalt war, stimmte ich dem Vorschlag der Karikatur einen Neurologen hinzuzuziehen gerne zu - in der Hoffnung, dass der sich mit den Nährstoffen, die sowas bei Mangel verursachen können, etwas besser auskennen möge.
Zwischenzeitlich bekam ich dann aber trotzdem meine Elektrolyte. Mittlerweile war das Ganze nur noch strange! Löckchenkopf sagt: "Sie haben laut Bluttest keinen Mangel, wir können ihnen keine Elektrolyte geben!" ich sage: "Ich hatte 24 Stunden Durchfall, ich möchte Elektrolyte!" er sagt gewohnt emotionslos: "Okay" und lässt sie bringen. Was soll das?
Und vor allem: Ich habe schon öfter sowas erlebt (Brechdurchfall-Geschichten), und eine erste wirksame Maßnahme von allen Ärzten war stets, einfach mal Elektrolyte zu geben. Was mich auch stets ein wenig besser fühlen ließ. Was verflucht ist also daran plötzlich so schwer oder ungewöhnlich?? Jedenfalls ging es mir auch nach dieser Infusion ein bisschen besser.
Dann die nächste Überraschung: Statt dem besprochenen Neurologen schickte er mir einen Psychiater!

Als Frau vom Fach merkte ich gleich, in welche Richtung seine Fragen zielten. Zum Glück merkte aber auch der Psychiater recht schnell, dass er einen recht vernünftig wirkenden Menschen vor sich hatte, und entschuldigte sich dahingehend, dass er lediglich ein paar Zeilen nach dem Motto: "Patientin denkt sie sei vergiftet und verbietet sich alle möglichen Nahrungsmittel" erhalten habe. Ich entwickelte allmählich Mordgelüste in Bezug auf diesen Chefarzt!! Der Psychiater stellte sich jedoch als sehr netter und verständiger Mensch heraus, der zugab von Toxikologie keine Ahnung zu haben (Ärzte, die zugeben können etwas nicht zu wissen, steigen schon mal ordentlich in meiner Achtung). Er lenkte das Gespräch recht sensibel auf mögliche Fallstricke, die alternative Behandlungen bereit halten können, womit er nicht ganz Unrecht hat. Sehr hilfreich war jedoch vor allem, sich durch dieses Gespräch einmal so richtig bewusst zu machen, welch unglaubliche psychische Belastung meine gesundheitliche Situation in den letzten 3 Monaten darstellte. Da war von Todesangst bis neue Hoffnung schöpfen im ständigen Wechsel alles dabei! Was soll ich sagen, ich bin krisenhafte Lebensumstände gewohnt, das ist für mich fast schon normal. Natürlich nicht soo heftig, aber naja. Jedenfalls beschloss ich mit dieser neuen Klarheit, nicht mehr weiterhin den Spagat zwischen irgendwie arbeiten und irgendwie gesund werden zu machen, sondern mich für die nächsten Wochen ausschließlich auf Letzteres zu konzentrieren - bis zumindest die notwendigen Termine (Kiefer-OP, Zahnsanierung, Paradontose-Behandlung) geschafft sind.
Nun war noch die Frage, wie es in der Klinik weitergehen würde. Der Psychiater meinte, die Chancen, dass ich die gewünschten Mineralien intravenös bekäme, seien sehr gering. Bluttest ist Bluttest, und die Urinprobe werde so von den Schulmedizinern nicht anerkannt. Überhaupt sei die Idee mit der intravenösen Substitution nicht gängig. Man würde mir das wenn oral verabreichen. Woraufhin ich beschloss, dass ich das genauso gut in angenehmerer Atmosphäre zuhause bei meinem Freund selbst tun kann.
Mein Special-Friend fand sich bald darauf wieder im Krankenzimmer ein, um mir mitzuteilen, dass ich am nächsten Morgen entlassen würde. Mittlerweile fühlte ich mich zumindest im Bett liegend wieder recht normal, und wollte nicht mehr länger als nötig in dieser enervierenden Umgebung verbringen. Hinzu kommt besagte Problematik früh morgens durch die Gegend fahren zu müssen, mein Freund hat außerdem Berufsschule, kann mich nicht abholen und es gibt noch nichtmal einen zweiten Schlüssel, mit dem ich allein in die Wohnung käme. Also kündigte ich mit einem Lächeln an, dass er mich noch am selben Abend los wird - was er ja am frühen Morgen schon gewollt hatte.
Aber da hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht! Natürlich konnte ich nicht gehen, ohne dass er mir ein letztes Mal eins reinwürgte, und so hatte ich eine Entlassung auf eigene Gefahr unterschreiben. Mit dem süffisanten Hinweis darauf, wie unglaublich gefährlich es sei, sich eigenwillig aus der so hilfreichen und fürsorglichen Obhut erfahrener Ärzte zu entfernen.

))
Jo, also das macht echt sprachlos. Ich war kurz davor ihm hysterisch ins Gesicht zu lachen, aber den Gefallen wollte ich ihm nicht tun. Also unterschrieb ich und machte mich von dannen.
...
So, nun habe ich einen wahnsinnig langen Roman geschrieben. Was wohl zeigt, wie wichtig es war dies alles, was ich an nur wenigen Tagen erlebte, aufzuschreiben und zu verarbeiten. Noch immer habe ich das markante Kinn, die Löckchen und den verständnislosen Psychopathen-Blick vor Augen. Und fühle mich um viele Erfahrungen reicher, die ich lieber nicht gemacht hätte. Wow wow wow, alter Schwede!
Bleibt die Frage: Was hatte ich nun eigentlich? Meine Vermutung: Eine Art Entgiftungsstau mit der Entzündung als Special Feature oben drauf. Rückblickend fiel mir ein, dass ich in der Nacht nach der DMPS-Infusion mit ungewöhnlich starkem Sodbrennen aufwachte. Da ich das gelegentlich mal habe, rührte ich nur schlaftrunkend etwas Natron-Wasser an, was gerade ausreichte den schlimmsten Schmerz zu lindern. Am nächsten Morgen hatte ich die Episode schon fast vergessen.
Nun ist es aber so, dass man zum Ausleiten ein basisches Niveau benötigt (warum das so ist soll bitte ein Chemiker erklären). Deshalb gibt mein Umweltarzt extra vorm Chelat-Bildner eine Infusion mit Bikarbonat. Vermutlich hat das bei mir + DMPS nicht ausgereicht, keine Ahnung warum. Ich war zu sauer, die Entgiftung blieb sozusagen stecken, richtete einiges an Unheil an, und konnte schließlich durch die Zufuhr von basischem Wasser gelöst werden. Würde mich interessieren, was versiertere Foren-Teilnehmer dazu sagen. DMPS nehm ich jedenfalls nie wieder, das ist viel zu heftig für mich! DMSA ist "spannend" genug und scheint besser verträglich zu sein.
Wie es dann noch weiter gegangen ist, werde ich bei Bedarf ergänzen. Momentan, anderthalb Tage nach der Entlassung, verbessert sich mein Zustand weiterhin. Die Kieferschmerzen wurden übrigens eingedämmt, dazu war das Antibiotikum wohl hilfreich, wenigstens etwas. Hoffe so die Zeit bis zu einem regulären ambulanten OP-Termin einigermaßen gut zu überstehen. Die Suizid-Gedanken und der lebensbedrohliche Zustand erscheinen mir zum Glück schon jetzt wie ein schlechter Traum, der im Licht des Tages allmählich verblasst. Faszinierend, was der Mensch so alles wegstecken kann!
Mit diesem Fazit heißt es aber erstmal Gute Nacht, schlaft schön und träumt nix Böses von meiner Geschichte!
