Wissen über Trauer hilft überhaupt nicht

Beim Tod meiner Eltern war in beiden Fällen die erste Regung die Erleichterung, dass sie es überstanden hatten. Beide waren zuvor lange krank. Beide durften zu Hause sterben mit Hilfe eines Pflegedienstes und dem Einsatz zuerst meines Vaters, bei meinem Vater meiner Schwester, die wir übrigen drei Geschwister an den Wochenenden ablösten. Auch ein Nachbar, mit dem er befreundet war, half aus. Die Trauer kam nach der Beschäftigung mit den amtlichen Dingen, der Trauerfeier, dem Auflösen des Haushaltes usw. So kam die Trauer erst nach und nach und konnte so besser verarbeitet werden. Sie ging allmählich in schöne Erinnerungen über, die Dankbarkeit, dass sie uns eine unbeschwerte Jugend, eine fröhliche sorglose Zeit auch in Kriegszeiten ermöglichten, dass wir in der Familie viel sangen, dass wir mit unseren Altersgenossen schöne Feste feiern durften, Tanzfeste, bei denen mein Vater auf dem Klavier den Marschwalzer spielte, und Musiktreffen bei denen meine Mutter einen großen Topf Kartoffelsalat mit Würstchen bereit hielt. Ich war allein bei meinem Vater am Wochenende bevor er am Montag starb. Ich hatte den Eindruck, dass er bereits auf dem Weg in eine andere Welt war. Er schaute mit strahlendem Gesicht nach oben und sagte: „Er macht die Tore auf.“ Schon das machte mich getrost, dass er gut drüben angekommen war in einer besseren Welt.
 
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Ja, jeder trauert anders.

Aber manche quälen sich so sehr, in dem sie immer wieder Erinnerungen hoch halten und gar nicht abschließen wollen.
Ich kenne einige Fälle, sie bekam eine 24 Std. Hilfe und landet immer wieder in der Psychiatrischen Klinik. Eine andere hat Bilder ihres Mannes auf Kissen drucken lassen und verlässt das Haus nicht mehr. Andere wiederum waren ständig krank bis der Mann verstarb, da blühten sie auf.

Trauer ist so unterschiedlich wie wir Menschen. Ich für meinen Fall packe alle Erinnerungen, Bilder etc. weg bis ich sie ohne weinen ansehen kann.
Denn sich damit zu quälen ist auch keine Lösung.
 
Heute am Totensonntag wurden in der Kirche die Toten der Gemeinde im vergangenen Kirchenjahr verlesen und Lichter angezündet. Meine Nachbarin, deren Mann vor ca 20 Jahren verstorben ist, musste nach draußen, bis sie sich wieder gefasst hatte. Dabei hat sie 2 erwachsene Kinder und 5 Enkel und führt ein aktives Leben. Ich muss damit rechnen, im Lauf der nächsten Jahre allein gelassen zu werden. Mein Mann ist 92. Ich bereite mich darauf vor, um nicht plötzlich in ein tiefes Loch zu fallen, wenn es so weit ist. Zwei Kinder und vier Enkel werden mir dabei helfen, auch wenn sie nicht am Ort sind und ihr eigenes Leben haben.
 
Nach meiner Erfahrung können solche Zeremonien auch unerwartet einen "Gefühlsausbruch" auslösen. Das ist aber ja nichts Schlimmes, geht vorüber, und gerade in der Situation ist es auch "gesellschaftsfähig".

Ich hatte so einen Punkt mal, als ca. 2 Jahre nach dem Tod meines Vaters eine Tante starb und ausgerechnet "sein Lied" auf der Trauerfeier gesungen wurde. Mein neben mir sitzender Neffe reichte mir ein Taschentuch und das hatte irgendwie auch etwas tröstliches.
 
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