...Prof. Gerhard: Können Sie bitte noch näher darauf eingehen, was Frauen mit erhöhtem Risiko für eine Brustkrebserkrankung oder sogar als Brustkrebs Betroffene tun können?
Dr. Rauch-Petz: Die vor 2 Jahren veröffentlichten Ergebnisse einer europäischen Ernährungserhebung (Ward et al.2008) ließen den Verdacht aufkommen, dass ein geringer Verzehr von Soja-Isoflavonen zu einem Anstieg des Risikos für Brustkrebs führt; je mehr von dem Isoflavon Equol im Urin gemessen werden konnte, umso höher war das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Dies hat in der Presse zu vielfachen Warnhinweisen vor Sojaprodukten/Isoflavonen geführt, denen viele Frauen aus Angst gefolgt sind und seither gänzlich darauf verzichten. Auch Frauenärzte haben sich diesen Warnungen angeschlossen. Was jedoch nicht erklärt werden konnte, war die Tatsache, dass in Europa kaum Sojaprodukte/Isoflavone verzehrt werden und selbst diese sehr niedrigen Mengen das Risiko steigen lassen sollen. Dieser Widerspruch forderte eine Klärung. So gelang es denn den gleichen Wissenschaftlern (Ward et al.2010) durch eine Optimierung der Datenbanken nach einer Neuauswertung zu zeigen, dass kein Risiko durch kleine Mengen an Sojaprodukten/Isoflavonen auf die Brust vorhanden ist, was zu Beginn des neuen Jahres veröffentlicht wurde.
Die Frage, die sich dem kritischen Leser grundsätzlich stellt, ist, wie kommt es bei den Europäerinnen, die keine oder kaum Sojaprodukte/Isoflavone verzehren, zu einer relevanten Aufnahme von Isoflavonen in den Körper, in diesem Fall Equol? Die Antwort wurde von anderen Wissenschaftlern gefunden: Mit Rotklee oder Soja ernährte Rinder sind exzellente Equolbildner, so dass sich Equol nicht nur in der Milch sondern auch im Fleisch wiederfindet. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Verzehr von rotem Fleisch im Verdacht steht, das Brustkrebsrisiko bei Frauen vor den Wechseljahren zu steigern (Taylor et al. 2009). Wer also trotz Vermeidung von Sojaprodukten/Isoflavonen Equol mit dem Urin ausscheidet, hat deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit entsprechende Mengen an Milch oder Milchprodukten (Käse, Joghurt usw.) oder auch Rindfleisch verzehrt und ggfs. über diese Ernähungszusammenstellung das Risiko für Brustkrebs erhöht. Frauen, die viel rotes Fleisch und Milchprodukte verzehren, haben zudem signifikant höhere Estrogen-Werte im Blut (17-Beta-Estradiol) als Frauen, die wenig davon verzehren (Brinkman et al.2009). Auch stehen spezifische Inhaltsstoffe des roten Fleisches (Häm) in Verdacht, das Krebsrisiko zu steigern (Tappel 2007). Für die Soja-Isoflavonaufnahme in kleinen Mengen muss noch eine alternative Quelle unter die Lupe genommen werden: Fertiglebensmittel mit hohem Verarbeitungsgrad (fast food), bei deren Herstellung oft sojahaltige Hilfsstoffe eingesetzt werden.
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