Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

Ein bisschen was von den BPS-Anhängern:

Hier etwas aus dem Ärzteblatt zum Thema S3-Leitlinie "Umgang mit Nicht-spezifischen, funktionellen und somatoformen Körperbeschwerden" (später sieht man, dass darunter Reizdarm, Fibro und CFS gezählt werden).
Beteiligt natürlich auch Peter Henningsen.

https://m.aerzteblatt.de/print/132847.htm

Und ich reg mich über die Ärzte auf...Dabei befolgen sie nur ihre Vorgaben.

Empfohlen werden Psychotherapie, Sport und Antidepressiva (Tabelle 1). Das Behandlungsspektrum finde ich mit psychosomatischer, psychologischer, psychiatrischer Betreuung sehr einseitig (Kasten 2).
Kasten 3 ist auch recht nett Wer auf einem rein "somatischen Krankheitsverständnis" beharrt, wird mit stationärer Klinik "belohnt" (also, manch einer mag sich darüber freuen...)

Und das obwohl:
Die Evidenzlage war wegen der weit gespannten Thematik heterogen und erreichte bei vielen Fragen nur mittleren Evidenzlevel;

Längerfristige Arbeitsunfähigkeit ist alles über 4 Wochen Krankschreibung.

Ein Gesundheitssystem, das mehr auf Reparatur und Versorgung als auf Selbstverantwortung und Prävention ausgerichtet ist und kontraproduktive finanzielle Anreize für krankheitsbezogenes Verhalten und apparative Maßnahmen statt für gesundes Verhalten, Gesprächsleistungen und Vermeidung unnötiger Maßnahmen setzt, wirkt beschwerdeunterhaltend

Und damit werden mir dann auch noch ein paar Zusammenhänge klarer. Das mit den "finanziellen Anreizen für krankheitsbezogenes Verhalten" sticht für mich dabei besonders hervor.

Aktuelle ätiopathogenetische Modelle

...die leider nicht bewiesen werden. Und auf deren Annahme werden Menschen mit Schmerzen und Behinderungen (übrigens häufiger die hysterischen Frauen, die waren ja schon immer so *ironie*) in die "Selbstverantwortung" und schließlich wieder zum "Arbeiten bis zum Umfallen" geschickt. Ist ja alles nur eingebildet und undiszipliniert; außerdem will man mit seinem krankheitsbezogenen Verhalten ja nur in der "Luxushängematte" des Sozialsystems chillen.

Abwarten somatischer Ausschluss-Diagnostik trotz Hinweisen auf psychosoziale Belastungen ist kontraindiziert.

Auch etwas, was mir von Hr. Henningsen schon begegnet ist: Keine Diagnostik, wie Labor, bildgebende Verfahren usw., sondern Betonung auf "psychosoziale Belastungen" als die maßgebliche Richtung.

Da kann's dann schon mal passieren, dass man überraschend an Krebs verstirbt. Wie einer Dame geschehen, die man als "psychisch krank" diagnostizierte wegen Schluckbeschwerden. War dann halt doch Krebs. Die Diagnose kam zu spät.

https://www.zwangspsychiatrie.de/2017/10/typisch-berufsbetreuer-im-fernsehen/
(In dem Bericht geht es eigentlich um Berufsbetreuung, da wird nur diese Geschichte mit der Frau erwähnt.)

Die Symptomanzahl ist ein wesentlicher Prädiktor für das Vorliegen von NFS

Es zählt also eine Anzahl allein.
Ich frage mich, wie unter dieser Annahme dann noch Autoimmunerkrankungen z.b. oder andere Multisystemerkrankungen diagnostiziert werden. Ab einer gewissen Anzahl Symptome wird der Verdacht auf eine "Nicht-spezifische, funktionelle und somatoforme" (= NFS) Störung ja geäußert, wobei nach dieser Leitlinie keine weiteren körperlichen Untersuchungen durchgeführt werden sollen. Da ist doch überhaupt keine Unterscheidung mehr möglich.

Leider ist keine Publikationsliste zu finden...aber hier:
https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/051-001.html
Da gibts die lange Version.
 
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

Der Link zum swr-Bericht fehlt:

SWR Mediathek - MARKTCHECK - Rechtliche Betreuer (swrmediathek.de/player.htm?show=aa305622-ade5-11e7-a5ff-005056a12b4c)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

So kann's gehen:

... Die Rate der Krankschreibungen und Therapien aufgrund psychischer Erkrankungen steigt jedes Jahr. Aber werden die Menschen wirklich kränker? Forscher rätseln, ob es an den Diagnosekriterien liegt.

An einem kalten Wintertag im Jahr 1969 öffnete David Rosenhan die Eingangspforte zu einer psychiatrischen KLinik im US-Bundesstaat Pennsylvania. Der 40-jährige Amerikaner erzählte den Ärzten, dass er Stimmen in seinem Kopf höre, die ihm die Worte „leer“, „hohl“ und „aufschlagen“ zuflüsterten. Die Klinik kümmerte sich um den Mann mit dem spärlichen Haar und der großen dunklen Brille. Rosenhan wurde mit der Diagnose Schizophrenie aufgenommen, und bekam Antipsychotika, die die Stimmen in seinem Kopf möglichst rasch zum Verstummen bringen sollten. David Rosenhan nahm die Tabletten entgegen – und spülte sie dann in der Toilette runter.

Denn er war nicht schizophren. Rosenhan war Psychologieprofessor am Swarthmore College ganz in der Nähe von Philadelphia. Und er hatte sich gefragt, wie gut die Diagnosekriterien für psychische Erkrankungen in der Realität funktionierten. So schleuste der Wissenschaftler nicht nur sich, sondern auch drei andere Psychologen, einen Psychiater, einen Kinderarzt, einen Maler und eine Hausfrau in insgesamt zwölf amerikanische Psychiatrien ein. Alle gaben nur ein Symptom an: Stimmen zu hören. Alle wurden eingewiesen, blieben zwischen sieben und 52 Tagen und bekamen insgesamt 2100 Tabletten überreicht – einer leichtfertig gestellten Diagnose wegen.
...
hat daraus die Erfahrung mitgenommen, dass Diagnosen helfen können und dass es ohne sie keine Bewilligung für eine Therapie gibt – dass sie aber auch die Wahrnehmung prägen und beeinflussen, sowohl die eigene als auch die anderer Menschen.

Rosenhans Experiment, das den Grundstein für die Entwicklung der Diagnosesysteme in ihrer jetzigen Form legte, zeigte das Gleiche, wenn auch in verschärfter Form. Übrigens gab es damals im Anschluss an das erste Experiment noch ein zweites. Eine gekränkte Krankenhausverwaltung forderte Rosenhan auf, nochmals Pseudopatienten zu schicken. Diesmal würde man genauer hinsehen. Von den 193 in den folgenden Wochen neu aufgenommen Patienten wurden 41 verdächtigt, Simulanten zu sein. David Rosenhan aber hatte keinen einzigen geschickt.
...
https://www.welt.de/gesundheit/psyc...rd-die-Diagnose-psychisch-krank-gestellt.html

Es geht weiter nicht darum zu behaupten, daß ALLE "psychiatrischen Diagnosen" falsch sind, weil es gar keine Probleme gibt, die eine solche Diagnose rechtfertigen. Es geht mir darum zu zeigen, daß oft viel zu früh eine der zahlreichen Diagnosemöglichkeiten festgelegt wird, die dann haften bleiben und große Schwierigkeiten bereiten können.

Übrigens: auch Morbus Wilson gehört zu den Krankheiten, die die Kranken psychisch auffallend erscheinen lassen können:
https://www.symptome.ch/threads/neu...autoimmunerkr-adhs.134758/page-2#post-1158935

Grüsse,
Oregano
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

Hi Oregano,

danke für diesen Artikel! Is ja super :)

Ein weiteres Beispiel, dass das mit der Objektivierbarkeit (wohl auch mit der Reliabilität?) bei psychischen Erkrankungen etwas schwierig ist.


Hier noch was zur Leitlinie NFS, ein Briefaustausch zwischen Hakimi (lead insurance company physician of Hallesche Krankenversicherung) und Schaefert (Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Universitätsklinikum Heidelberg):

Hakimi schrieb:
What I am referring to is the fact that somatoform, functional, and non-specific bodily complaints are labeled with pseudo diagnoses in the context of alternative medical treatment. I would like to explain what I mean by using the pseudo diagnosis “intestinal mycosis/candidiasis” as an example. Practitioners of alternative medicine make this pseudo-diagnosis with great regularity even if Candida albicans is found in a patient's stool specimens only sporadically


Schaefert schrieb:
In our opinion, “intestinal mycosis/candidiasis” is indeed a pseudo diagnosis, [...] and as there is no empirical proof for the existence of clinically relevant “Candida hypersensitivity syndrome” (2). Similarly, we need to take care that for the syndromes “multiple chemical sensitivity (MCS),” “sick building syndrome,” “electromagnetic hypersensitivity,” or “amalgam hypersensitivity” the required awareness of biopsychosocial interactions is not blocked by unilateral externalizing causal attribution (3).

Telling the diagnosis to the patient should follow a clear explanation of the complaints within a biopsychosocial explanatory model

Quelle: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3647140/pdf/Dtsch_Arztebl_Int-110-0270a.pdf

Das ist für eine private KV besonders nervig, unerwünschte Behandlungen und Diagnostik bezahlen zu müssen. Da ist dieses BPS-Modell richtig praktisch; und solche Leitlinien, die man bei Rechtsstreits anführen kann und die gerne von Richtern akzeptiert werden. (Sieht man zb. bei Urteilen von Sozialgerichten, wie oft da z.b. Degam-Leitlinien zitiert werden.)

Den Begriff "Pseudo-Diagnose" finde ich hier markant, und das von Leuten, die man gemäß wissenschaftlicher Kriterien in die "Pseudo-Wissenschaft" einordnen kann.

Ich hab mir übrigens die Referenzliste der Leitlinie bzgl. "CFS" angeschaut. NUR Psycho-Paper. Wirklich Evidenz-basiert.
 
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

Stimmt, Oregano, M. Wilson soll (mitunter) markante Verhaltensauffälligkeiten und andere neurologische Symptome haben (da bin ich aber kein Profi).

In Zukunft dürften die sich wohl unter den NFS-Patienten finden. Zumindest wenn es nach den BPS-Anhängern geht. Kaum ein Arzt denkt doch an M. Wilson. Außerdem...mehrere Symptome...hochverdächtig für NFS.
 
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

Hier ein Buch zum Thema "psychische Symptome" bei körperlichen Erkrankungen:

Masquerading Symptoms: Uncovering Physical Illnesses That Present as Psychological Problems
Barbara Schildkrout

Wiley: Masquerading Symptoms: Uncovering Physical Illnesses That Present as Psychological Problems - Barbara Schildkrout


Alzheimer's disease
Brain tumors
Carbon monoxide poisoning
Diseases of the thyroid
Endocrine disorders
Hepatic encephalopathy
HIV/AIDS
Hyperventilation syndrome
Hypoglycemia
Limbic encephalitis
Lyme disease
Syphilis
Thiamine deficiency
Traumatic brain injury

Es lohnt sich, die ausführlichere Liste anzuschauen - laaang. :eek:

Ich persönlich denke, dass es noch genügend andere unbekannte Pathologien gibt.
 
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

"Objektivierbar" heißt ja auch: wenn ein Verfahren, z.B. eine Ernährungsumstellung, zur Besserung von "psychischen" Problemen führt, ist das ein objektives Ergebnis.
Schade, daß solche Methoden nicht angewandt werden, bevor dann zu Medikamenten gegriffen wird.
... Buch von Dr. Strunz „Das Geheimnis der Gesundheit“ entdeckte. Zehn Jahre zuvor hatte ich mich schon einmal mit Dr. Strunz‘ Thesen beschäftigt und war so begeistert, dass ich manisch - also übertrieben euphorisch - wurde. Ich versuchte alles gleichzeitig umzusetzen, gab viel Geld für Strunz-Utensilien aus und bin kläglich gescheitert.
Das Buch erinnerte ich mich daran, dass mein früherer Psychiater mir immer wieder riet, die Kohlenhydrate wegzulassen. Ich habe das zwar versucht, konnte es aber nicht durchhalten. Misserfolge sind für meine Stimmung sehr ungünstig, deshalb ließ ich es bleiben. Als ich bei Dr. Strunz las, warum ich quasi „Gefangene meiner Kohlenhydrat-Sucht“ war, verstand ich endlich, warum ich immer wieder gescheitert war, scheitern musste. ...
https://www.strunz.com/de/erfolgsgeschichten/bipolare-stoerung-in-den-griff-bekommen.html

(Diese Art der Ernährung wird nicht nur von Dr. Strunz empfohlen.)

Grüsse,
Oregano
 
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

Dass Ärzte vieles auf die Psyche schieben, dient meiner Meinung nach vor allem dem Verkauf von Psychopharmaka oder ist einfach eine Verlegenheitsdiagnose, weil man nichts findet.

Ich glaube, psychische Krankheiten haben oft auch körperliche Ursachen, aber ebenso haben körperliche Krankheiten meistens auch psychische Ursachen. Man kann Körper und Psyche nicht trennen, das hängt zusammen und beeinflusst sich gegenseitig.

Man kennt doch, dass psychischer Stress sich auf den Magen schlägt, Ärger auf die Leber, aus Angst kacken sich manche an und anderes verursacht bei manchen Kopfschmerzen, Herzklopfen, etwas schnürt einem den Hals zu, raubt den Atem, macht sprachlos, bewegungsunfähig ....

oder umgekehrt, materielle Dinge wie Gifte oder bestimmte Lebensmittel machen hibbelig (man zappelt sich die Gifte weg) oder sie machen dick (der Körper parkt Stoffe im Bindegewebe) oder sie machen zornig (eine Laus ist über die Leber gelaufen, Hinweis auf Parasiten?)

Natürlich spielt neben Psyche und Körper auch die Vererbung eine Rolle, beides kann vererbt sein, aber auch Giftstoffe und Parasiten können weitergegeben werden oder Verhaltensweisen wie Ernährung anerzogen, bzw. sind sie kulturell bedingt, wie unser übertriebener Fleisch- und Milchkonsum.

Es gibt Personen, die aus irgendeinem Grund eine gesunde Psyche haben, die vertragen auch eine Menge ungesundes Essen und Umweltgifte, wehren erfolgreich Parasiten und andere Krankheitserreger ab und andere sind trotz gesunder Ernährung krank, vielleicht weil sie psychisch schwächer sind?

Es gibt Personen, die haben einen gesunden Körper, gute Gene, ernähren sich gesund,... - die werden mit psychischen Problemen besser fertig.

Ich will damit sagen: Körper und Psyche stehen in Wechselwirkung miteinander. Man kann versuchen den Körper über die Psyche zu heilen, aber auch die Psyche über den Körper. Am besten natürlich, man versucht beides gesund zu halten.

Auch Parasiten beeinflussen die Psyche des Wirtes. Der am weitesten verbreitete Parasit der Welt - Toxoplasma gondii (jeder dritte Mensch ist mit ihm infiziert), kann den Wirt dazubringen, Selbstmord zu begehen oder einen Autounfall zu verursachen. Das Syphilisbakterium sorgt dafür, dass sein Wirt sexuell aktiver wird, um so seine Weiterverbreitung zu sichern.
Toxoplasmose: Wie Parasiten uns steuern

Wer weiß, wie Borrelien o.a. Krankheitserreger auf den Menschen wirken, warum das Immunsystem sie nicht abwehrt, fressen sie die Schwermetalle, machen sie uns müde, bzw. macht eine befallene oder giftbelastete Leber müde, lähmen manche Parasiten die Schilddrüse o.a. Organe oder ist die Schilddrüse lahm, weil sie mit Giften oder Sorgen belastet ist?

Das Thema ist sehr interessant und ich denke, dass wir noch weit davon entfernt sind, psychische Krankheiten objektivieren zu können, weil Menschen eben auch unterschiedlich sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

Ich glaube, ich muss für mich klären, was wir so meinen. Sonst verstehe ich nicht richtig.

Oregano, meinst du mit psychischen Problemen so was wie Verhaltensauffälligkeiten, ungewohntes Verhalten als sonst und so was?
Und was verstehst du als "Erkrankung der Psyche"?
Oder meinst du, wenn du von psychischen Problemen redest, eine "Erkrankung der Psyche"?

"Psychische Erkrankungen" verstehe ich als "Erkrankung der Psyche". Also, dass aufgrund körperlicher Pathologien (oben ganz viele Beispiele) "psychische Symptome" (oder für mich Verhaltensauffälligkeiten :) ) auftreten, ist dann für mich keine "Erkrankung der Psyche", sondern des Körpers. Je nach Genese setzt man dann an.
Z.b. auch mit Ernährung, wie von dir, Oregano, angeführt.

[Wobei ein Problem darin besteht, dass mir einfach unklar bleibt, was eine "kranke Psyche" ist. (Also ich schließe hier Traumata, andere schwere Verletzungen, anhaltenden Stress etc. aus. Sachen, die es ja - leider - zuhauf gibt.)]

In den Leitlinien, z.b. die S3 aus Post 88, und anderen Dokumenten (z.b. Paper) liest man aber stets, dass, insbesondere auch bei rein körperlichen Symptomen, stets eine "Behandlung der Psyche" ansteht (Psychotherapie, Sport, Antidepressiva, Psycho-Klinik). Dem zugrunde liegt, so hab ich das jetzt verstanden, die Annahme des BPS-Modells, den körperlichen Symptomen lägen eine "Erkrankung der Psyche" zugrunde.

(Dem widerspricht eigentlich die Tatsache, dass sehr oft vor körperlichen Symptomen keine Verhaltensauffälligkeiten festzustellen sind; die BPS-Leute habe ich dahingehend verstanden, dass (immer?) lebenswidrige Umstände vorlägen, die im Gespräch - oft willkürlich und mit viel Phantasie - vom Arzt identifiziert werden. Meine Erfahrung war zumindest, dass es kaum zählt, was man sagt und meint, sondern dass zählt, wie der Arzt das auslegt, was man so sagt.)

Während also körperliche Pathologien nachweisbar und objektivierbar sind, die mitunter zu Verhaltensauffälligkeiten führen (und in diesem Rahmen von objektivierbaren psychischen Problemen gesprochen werden kann), so betrachte ich weiter die Behauptung "kranker Körper -> kranke Psyche" oder allein "kranke Psyche" oder "kranke Psyche -> kranker Körper " als nicht bewiesen; ich behaupte, sie ist weder verifizierbar noch falsifizierbar.

Beispiel hierzu: Mir wurde erklärt, somatoformen Störungen läge ein un-/unterbewusster Konflikt zugrunde. Diese Behauptung lässt sich weder widerlegen noch beweisen.

[Was ist eigentlich der Unterschied zwischen unbewusst und unterbewusst?]
 
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

Auch wenn ich nicht alles teile, ullika, aber das muss ich nicht :)

Danke für deine Meinung dazu!
 
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

@ullika:

P.S. das Thema Parasiten ist hierbei sicherlich auch sehr interessant!
 
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

Nicht zuletzt deshalb, weil manche Mitmenschen sich ihr Hobby Traumatherapie von der Solidargemeinschaft finanzieren lassen. Das Geld fehlt dann unweigerlich an anderer Stelle.

In der FAZ vom 9.11.2011 offenbart der Freiburger Psychotherapeut Mathias Berger einen tiefen Einblick, indem er Parallelen zur Pharmabranche zieht. Zitat: „In den 350 Psychotherapie-Schulen hierzulande würden genauso Daten versteckt und ,,mindestens 700 Millionen Euro jährlich für Behandlungen ausgegeben, die nie richtig evaluiert wurden".“


Ich nenne das Diebstahl.

Hallo zusammen!

Gerade Traumatherapien sind, wie ich meinen würde, kein Hobby.
Im Gegenteil. Sie verlangen auf allen menschlichen Ebenen Fähigkeiten.

Ich nenne Traumatherapeuten Menschen mit Berufung.

Es gibt viel zu wenige Traumatherapeuten. Menschen mit Traumatisierungen müssen bis heute gewisse, sehr nützliche Verfahren, aus eigener Tasche bezahlen und haben somit oftmals keinen Zugang zu Verfahren, die heilsam wären.
In der Regel ist Traumatherapie Dienst am einzelnen Menschen aber auch an der gesamten Gesellschaft.
In Traumatherapien geht es um erfahrenes Leid. Schwerste Ungerechtigkeiten.
Erlebter Machtmissbrauch. Erlebte totale Ohnmacht.

Traumatherapeuten, sowie Trauma-Therapie-Klienten, dürften sehr viel intensiver als der "Durchschnitt" auf politische, soziale, menschliche Phänomene rund um "Ohnmacht und Entwürdigung" sensibilisiert sein.
Ein kurzer Überblick über die verschiedenen Arten von Traumatherapien.
https://www.therapie.de/psyche/info...herapie/psychotherapie-bei-traumatisierungen/

Häufig werden aber auch Methoden verschiedener Therapierichtungen miteinander kombiniert.

Kognitive Verhaltenstherapie
EMDR (nach Shapiro)
Somatic Experiencing nach Peter Levine
Psychodynamische Psychotherapie
Imagery Rescripting (nach Smucker)
Narrative Konfrontation (narrative Expositionstherapie)
Life Review-Technik bei älteren Patienten (nach Maercker und Zöllner)
Gestalttherapie
Familien- und Paartherapie
Kultursensitive Therapie
Weitere Therapieansätze: Weitere Therapieansätze

Als weitere Therapieformen können körpertherapeutische Verfahren oder kreative Verfahren wie die Kunsttherapie zum Einsatz kommen. Auch hier geht es um eine Verarbeitung und Integration der traumatischen Erlebnisse.

Soviel nun dazu und nur, weil ich das eben nochmal gelesen habe. Therapie ist eben nicht gleich Therapie. Und Therapeut eben nicht gleich Therapeut.

Liebe Grüße von Felis
 
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

Hallo Felis,

ob es wirklich eine wissenschaftliche Grundlage für solche Traumatherapien gibt? Einer Bekannten (ADS mit bipolarer Störung) ist dabei eingeredet worden, dass sie als Baby von ihrem Vater vergewaltigt wurde, das aber verdrängt hat und sich deshalb nicht mehr daran erinnern kann. Nun wusste ich aber, dass sie ihre Jungfräulichkeit erst mit 19 Jahren verloren hat, weil sie mir damals alles haarklein erzählt hat. Trotzdem war sie nach der Therapie felsenfest überzeugt, dass ihr Vater sie als Baby vergewaltigt hat ...
 
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

...und als Ergänzung zu dem, was Felis gerade geschrieben hat: und Arzt ist nicht gleich Arzt.

Ich denke , daß die Fragen von bumblebee, was denn nun "psychische, psychosomatische, psychiatrische..." Erkrankungen sein sollen oder sind, ganz wesentlich hier sind.

Ein wichtiger Punkt (das wurde schon geschrieben) scheint mir da zu sein, daß der Betreffende daran leidet, daß er sich so und so verhält und daß ausführliche körperliche Untersuchungen keine Ursache erbracht haben. - Wobei das wiederum eine wackliche Grundlage ist, weil eben viele Untersuchungen erst gar nicht gemacht werden.

Wichtig scheint mir auch zu sein zu schauen, ob sich ein solches "psych. Leiden" aus einer langen körperlichen "Unpässlichkeit" entwickelt hat, also eine Folge davon ist. Oder ob so gar keine möglichen Ursachen zu finden sind.

Wohl dem, der Mitmenschen hat, die ihn unterstützen und ihm helfen, einigermaßen klar zu denken und zu handeln.

Grüsse,
Oregano
 
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

Hallo Felis,

ob es wirklich eine wissenschaftliche Grundlage für solche Traumatherapien gibt? Einer Bekannten (ADS mit bipolarer Störung) ist dabei eingeredet worden, dass sie als Baby von ihrem Vater vergewaltigt wurde, das aber verdrängt hat und sich deshalb nicht mehr daran erinnern kann.

Hallo MaxJoy!

Ich kenne ja jetzt diese Bekannte nicht, auch nicht die Geschichte, die Therapie, den Therapeuten und was "einreden" heißt bzw. wie es zu der Annahme kam.

Aber wer weiß, wessen Geschichte sie da eigentlich erzählt.
Kate hat dazu vor einiger Zeit ein sehr interessantes Video eingestellt.
Generationsübergreifende Traumafolgen.
Da wird auch sehr gut ersichtlich, warum wir manchmal bereits bei der Geburt keine unbeschriebenen Blätter mehr sind.

Seelisch nicht und auch (bezüglich Stress/Reizverarbeitung) körperlich schon nicht mehr.

https://www.symptome.ch/threads/vererbte-narben-generationsuebergreifende-traumafolgen-arte.134941/

Zur Traumaforschung selbst: Bedarf besteht wohl großer.

In einer repräsentativen deutschen Stichprobe erfüllten 2,3% der Befragten die Diagnosekriterien einer akuten posttraumatischen Belastungsstörung. In der Gesamtbevölkerung sind sogar 15-20% von psychischen Traumafolgen betroffen. Die Folgekosten haben eine ähnliche Größenordnung wie die physischer Traumata. Damit liegt die sozioökonomische Bedeutung physischer und psychischer Traumata im Bereich der großen Volkskrankheiten.

Die Forschungsaktivitäten im Bereich physischer und psychischer Traumata bleiben jedoch bislang weit hinter den gesellschaftlichen Bedarf zurück. Viele drängende Forschungsfragen speziell an der Schnittstelle zwischen physischem und psychischem Trauma sind bislang unzureichend geklärt. Zwischen körperlichen und seelischen Verletzungen besteht jedoch ein enger Zusammenhang. So können physische Traumata seelische auslösen. Umgekehrt determinieren psychische Belastungen im Vorfeld auch die Reaktionen auf physische Traumata. Eine ganzheitliche Betrachtung des Patienten ist daher unbedingt notwendig. Transdisziplinäre Forschungsansätze, die diese Interaktion untersuchen, fehlten jedoch bislang völlig, nicht nur in Deutschland, sondern auch international. Die Universität Ulm hat in den letzten Jahren ihre exzellente Stellung in der physischen und psychischen Traumaforschung ausgebaut und deckt breite und wichtige Bereiche von der Prävention über die Erforschung der Schädigungsmechanismen durch Traumata, die Versorgung und Behandlung bis hin zur Rehabilitation von Traumaopfern ab.

Um die transdisziplinäre Traumaforschung am Standort Ulm weiter zu stärken wurde im Dezember 2015 das Zentrum für Traumaforschung (ZTF) gegründet. Damit ist ein deutschlandweit und international einzigartiges transdisziplinäres Forschungszentrum entstanden, das physische und psychische Traumaforschung strukturell zusammenführt

https://www.uni-ulm.de/med/zentrum-fuer-traumaforschung-ulm/

Noch kurz hierzu:
Nun wusste ich aber, dass sie ihre Jungfräulichkeit erst mit 19 Jahren verloren hat, weil sie mir damals alles haarklein erzählt hat. Trotzdem war sie nach der Therapie felsenfest überzeugt, dass ihr Vater sie als Baby vergewaltigt hat ...

Du weißt schon, dass Vergewaltigen nicht immer mit dem Verlust an Jungfräulichkeit einher gehen muss?

Liebe Grüße von Felis
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

Diese Geschichte von der angeblichen Vergewaltigung durch einen nahen Verwandten in der ganz frühen Kindheit habe ich u.a. auch von der Teilnehmerin an einem Kurs in Körpertherapie gehört. Laut Kursleiter waren 4 Kursteilnehmerinnen betroffen.
Für mich hörte sich das wie ein gern erzähltes Schauermärchen an, an das der Kursteilnehmer gerne glaubte, und das so erzählt, viel Unheil, Verunsicherung, Probleme usw. bewirkte.

Grüsse,
Oregano
 
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

Laut Kursleiter waren 4 Kursteilnehmerinnen betroffen.
Für mich hörte sich das wie ein gern erzähltes Schauermärchen an, an das der Kursteilnehmer gerne glaubte, und das so erzählt, viel Unheil, Verunsicherung, Probleme usw. bewirkte.

Genau so sehe ich das auch, diese Diagnosen scheinen modische Erscheinungen zu sein, die dem allgemeinen Bedürfnis von Frauen entsprechen, sich als Opfer in Szene zu setzen.

Fast noch schlimmer finde ich diese Geschichten von generationenübergreifenden Traumata. Damit wird es wirklich uferlos und willkürlich. In der Natur stirbt fast kein Lebewesen einen Alterstod, die müssten also alle schwer traumatisiert sein. Trotzdem sehe ich, wie sich jede neue Generation von Tieren und Pflanzen voller Elan und Mut ins Abenteuer Leben stürzt - von Trauma keine Spur. ;)
 
Sind "psychische Krankheiten" objektivierbar? Thomas Insel NIMH

Fast noch schlimmer finde ich diese Geschichten von generationenübergreifenden Traumata.

Das darfst du ja auch ;)
Hast du es dir angesehen?

Trotzdem sehe ich, wie sich jede neue Generation von Tieren und Pflanzen voller Elan und Mut ins Abenteuer Leben stürzt - von Trauma keine Spur.

Ja, jetzt ist der Mensch halt nur ein bisschen komplexer in allem und eventuell doch
ein bisschen anders strukturiert als der Tiger oder auch der Affe und der Kaktus.

Liebe Grüße von Felis :wave:
 
Oben