Themenstarter
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https://chriskresser.com/all-about-the-gut-microbiome-and-probiotics-with-raja-dhir/
Raja Dhir, Redakteur der Fachzeitschrift Microbiome und Mitglied des Microbiome Think Tank des Mass General Hospital sowie der International Scientific Association for Probiotics and Prebiotics.
Was "Darmgesundheit" wirklich bedeutet
Bis jetzt wurden diskutiert die Darm-Gehirn-Verbindung https://chriskresser.com/the-healthy-skeptic-podcast-episode-9/ die Darm-Haut-Verbindung https://chriskresser.com/the-gut-skin-connection-how-altered-gut-function-affects-the-skin/ oder die Verbindung zwischen Darm und Auge https://chriskresser.com/the-ocular-microbiome-with-dr-harvey-fishman/ und neu ist, dass es auch die Darm-Knochen-Verbindung gibt https://chriskresser.com/the-microbiota-and-bone-health-yet-another-reason-to-protect-your-gut/
Es scheint kein Organsystem zu geben, zu dem man nicht eine Verbindung zum Darm herstellen kann.Wir beginnen sogar, Bakterien und Mikroben an Orten im Körper zu finden, an denen wir nie gedacht hätten, dass wir sie finden würden.
Individuelle Unterschiede im Darmmikrobiom
Wir können Muster im Mikrobiom zwischen Bevölkerungsgruppen erkennen. Wir können sozusagen sagen, was ein „normales Mikrobiom“ für bestimmte Populationen ist. Wir wissen z.B, dass Bifidobakterien für westliche Populationen einen großen Schutz bieten. Hazda-Jäger dagegen haben wenige bis gar keine Bifidobakterien - sie tragen eine hohe Krankheitserregerlast (die uns in unseren gebauten Wohnungen vermutlich krank machen würden) und sind dennoch vollkommen gesund – weil sie Organismen haben, die sie dagegen schützen. Das „gesunde Mikrobiom“ ist also sehr individuell.
Im Laufe der Evolution haben viele verschiedene Bakterien verschiedene Arten entwickelt, die die gleiche Funktion erfüllen. Das bedeutet, dass Schlüsselfunktionen bei verschiedenen Personen erhalten bleiben, auch wenn sich das Mikrobiom unterscheidet. Aber alle haben wir spezifische Stämme, die für den Abbau von präbiotischen Fasern und für die Produktion von kurzkettigen Fettsäuren bestimmt sind. Das ist wichtig, wenn man Darmmikrobiomtests macht – nicht nur auf das Fehlen oder Vorhandensein von bestimmten Arten zu schauen, sondern auch darauf, welche Funktionen die getesteten Stämme erfüllen. Also darauf, ob Funktionen im Darm fehlen und nicht nur Stämme. Die Grenzen der Darmmikrobiomtests sind dort, wo es darum geht, Krankheitserreger festzustellen, hier sind qPCR-Tests aussagekräftiger.
Ernährung und Darmmikroben
Die größte Studie, die jemand am mensch. Mikrobiom durchgeführt wurde, war eine Erweiterung des American Gut Projects, durchgeführt von Jack Gilbert und Rob Knight https://msystems.asm.org/content/3/3/e00031-18 Sie wollten die Gemeinsamkeit unter allen Bevölkerungsgruppen erforschen, und wie man die Alpha- und Beta-Diversität des Darmmikrobioms erhöhen kann. Resumee war, dass jene Menschen, die jede Woche mehr als 30 verschiedene Pflanzenarten konsumieren, ein wesentlich vielfältigeres Mikrobiom haben als Menschen, die nur 10 verschiedene Pflanzenarten pro Woche essen. Das bedeutet, dass der wichtigste Faktor bezüglich Ernährung und Diversität nicht „pflanzlich“ ist sondern „möglichst viele verschiedene Pflanzen“ - das hat aus Sicht der Ernährung den größten Einfluss auf das Mikrobiom.
Das ist auch der wesentlichste Unterschied zwischen der Diät unserer Vorfahren und unserer modernen Lebensweise: die Diversität an Pflanzen, die gegessen werden. Es wird nicht oft diskutiert, wenn es darum geht, die Ernährung unserer Vorfahren mit unserer Ernährung zu vergleichen, aber der Unterschied ist von entscheidender Bedeutung.
J. Sonnenburgs Labor veröffentlichte eine Studie über das schrittweise Massensterben in unserem Darm über vier Generationen bei ballaststoffarmer Ernährung in einem Tiermodell https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4850918/ Am Ende der dritten Generation sind bei ballaststoffarmer Ernährung Arten und Stämme irreversibel verschwunden, selbst wenn man zu ballaststoffreicher Ernährung zurückkehrte. Wir können also die Vielfalt im Darm nicht einfach in kurzer Zeit zurückbringen, sie hat sehr lange gebraucht, um sich zu entwickeln. Es passiert also so eine Art „Aussterben“ – und Faser ist das erste und das wichtigste in der Ernährung, wobei auch Fette sehr interessant sind.
Mit Ballaststoffen meinen wir jetzt nicht unbedingt einfach Flohsamenschalen, sondern was Sonnenberg als „Mikrobiota-zugängliche Kohlenhydrate (MACs)“ bezeichnet, wie sie in Wurzelgemüse, in Kreuzblütlergewächsen (z.B. Kohlgewächse), und in resistenten Stärken von grünen Bananen, Hülsenfrüchten, gekochten + gekühlten Kartoffeln, Nudeln und Reis zu finden sind.
Technisch gesehen möchten wir also Kohlenhydrate mit einem Polymerisationsgrad von mehr als drei, also alles aufwärts von Oligosacchariden.
Zucker, Zuckeralkohole und Fett
Fett ist interessant, da die fettkonsumierenden Organsimen im Darm nicht jene Organismen sind, die die kurzkettigen Fettsäuren produzieren, die für unseren Körper am vorteilhaftesten sind. Diese kurzkettigen Fettsäuren produzierenden Organismen sind tief mit der Schleimhaut verbunden, sie wirken sich direkt auf die Immunantwort des Menschen aus, es sind traditionell keine fettliebenden Bakterien. Die Physiologie des Körpers verändert sich bedeutend mit ketogener Diät, und die Forschung realisiert aktuell, was eine fettreiche Ernährung ohne bzw. ohne komplexe Kohlenhydrate für die Darmmikrobiota bewirkt: wenn eine komplexe Kohlenhydrataufnahme nicht aufrechterhalten wird, ist der ausschließliche Verzehr einer fettreichen Diät für die Vielfalt des Mikrobioms enorm destruktiv.
Es ist wichtig, vor einer ketogenen Vollzeitdiät mit einer geringen Zufuhr von MACs zu warnen, es sei denn, man hat einen sehr zwingenden Grund, wie z.B. schwere Epilepsie. Oder als zykl. Instrument bei dysbiot. Startmikrobiom (SIBO), weil Ketose wie ein antimikrobielles Mittel wirkt, indem man alles wie ein Lauffeuer aushungert (Reset). Die kurzfristigen Vorteile einer fettreichen ketogenen Diät als therapeut. Instrument sind also sehr weitreichend, eine langfristige Anwendung allerdings kann das Gegenteil bewirken.
Wie Probiotika die Darmgesundheit beeinflussen
Es ist nicht so, dass wir mit Probiotika fehlende Mikrobiom auffüllen oder ersetzen können, das funktioniert nicht.
Aber Probiotika haben andere Funktionen, und zwar therapeutische, und man kann mit ihnen im Darm spezifische Prozesse initiieren.
Bis vor kurzem konnten wir nur durch Ernährung bzw. Änderungen von Lebensstilfaktoren (Bewegung etc.) unsere Gesundheit verbessern, aber aktuell könnten wir mit der Aufnahme von Bakterien eine zusätzliche Option haben. Wir lernen aktuell, was die Einnahme oder topische (=lokale) Anwendung von Mikroben für verschiedene Organsysteme im Körper bewirken.
Am Beispiel Barrieredesintegrität: viele Krankheiten resultieren aus einer Darmpermeabilität, also auf ein Leaky Gut. Und man müsste jahrelange Studien machen, um die Kausalität aufzuzeigen, und um den Mechanismus zu verstehen. Wir sehen es aktuell so, dass, wenn Membrane oder Barrieren im Körper zusammenbrechen, ob es sich jetzt um die Blut-Hirn-Schranke oder um die Gefäß- oder auch um die Darmschranken handelt: die Theorie der Entzündungskaskade, die zur Gesamtmortalität führen kann, wird als Barrieredesintegration von verschiedenen Geweben im Körper angesehen.
Und jetzt gibt es Organismen, die die Übergangsproteine vom Epithel-Typ unserer Darmbarriere stimulieren, die also sogar etwas so Starkes wie bakterielle Endotoxine (LPS) überwältigen kann (LPS-Exposition kann Leaky-Gut provozieren). Oder Organismen, die sogar vollständig abgebautes Gewebe wieder aufbauen, und es auch in Zukunft vor Angreifern schützen.
Oder das Beispiel der Hygienehypothese: hier wurde festgestellt, dass Menschen ein höheres Risiko für allergische Sensibilisierung haben (egal welche), wenn man in der Kindheit zuwenig Mikroben ausgesetzt war. Hier gibt es ein sehr interessantes Papier, das im nächsten Monat in der Nature herauskommen wird, das beschreibt, dass Mikroben, und zwar bestimmte Mikroben, die Reaktionen, die die Lebensmittelallergien (oder andere Allergien) vermitteln, aktivieren oder inaktivieren. Es gibt also einen Schalter im Körper, einen Signalweg, der in einem exakt definierten Zeitfenster aktiviert oder deaktiviert wird, basierend auf dem Mikrobiom eines Kindes, das dieses Kind auf Nahrungsmittelallergien gegen durch z.B. Lebensmittel übertragene Antigene vorbereitet.
Probiotika können also sehr direkt jene Befindlichkeiten verhindern oder man kann diese direkt behandeln, von denen angenommen wird, dass sie das Ergebnis der Hygienehypothese sind, d.h. dass wir in den frühen Stadien des Lebens nicht ausreichend der mikrobiellen Vielfalt ausgesetzt waren oder oder wir aktuell der mikrobiellen Vielfalt nicht ausgesetzt sind. Es ist noch verfrüht zu sagen, dass im Handel erhältliche Probiotika diese Stoffwechselwege aktivieren, aber es wird intensiv geforscht.
Was verursacht probiot. Intoleranz
Faktoren wie z.B. das Überstehen aller Stadien der Verdauung (Magensäure, Gallensalz, Enzyme, Verdauungsenzyme können das Überleben der Probiotika bis in den Dickdarm beeinträchtigen. Man arbeitet also nach dem Optimierungsprinzip: möglichst hohe Dosen von Probiotika, damit möglichst viele den Dickdarm erreichen. Dann gibt es Probiotika, die säureresistent sind (das sind wenige Arten) und es gibt sporenbildende Probiotika (z.B. Bacillus), um das Problem zu umgehen. Und es gibt Probiotika mit einer speziellen Hülle (wie eine Art „Eierschale“), die den Magen überstehen.
Und es gibt Menschen, die Probiotika nicht tolerieren. Es kann sein, dass man auf Probiotika unmittelbar mit Dam- oder Magenbeschwerden reagiert.
Generell arbeiten Mikroben durch Aktivierung, also durch mikrobiell assoziierte molekulare Muster bzw. tollartige Rezeptoren (zur Erkennung von PAMPs, d.h. von Krankheitserregern), d.h. Mikroben sind die Basis des Verteidigungssystem des Körpers. Dendrit. Zellen präsentieren dem ImSy, was durch das Darmlumen fließt.
Hier vermutet man als mögliche Ursache, dass es Menschen gibt, die immunologisch stärker auf mikrobielle Zellwände reagieren, wenn sie im Körper präsentiert werden, also eine Art Früherkennungssystem oder eine unspezifische Immunantwort. Man hat also nicht erworben oder gelernt, dass es sich bei den Probiotika um nützliche Organismen handelt.
Eine andere Ursache für Reaktionen auf Probiotika kann sein, wenn das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht ist, und opportun. Bakterien vorherrschen. Probiotika wirken antibakteriell, und wenn sie um Adhäsionsstellen mit den opportun. Bakterien konkurrieren, setzen die opportun. Bakterien Giftstoffe frei. Im Darm ist leben sehr wettbewerbsorientierte Organismen, und je näher ein Organismus an einem Rezeptor ist, desto ausgeprägter ist die zu erwartende Reaktion. Auch bakterielle Absterbeprodukte oder direkte Hemmung von Mikroben mit folgendem Shift im Mikrobiom können zu Reaktionen führen.
Diese Anpassungsreaktionen gibt es bei unseren Patienten beim Einsetzen von Probiotika sehr oft. Und deshalb lassen wir unsere Patienten die Probiotika am Anfang nur alle drei Tage niedrig dosiert auf leeren Magen einnehmen und bauen sie dann allmählich auf die empfohlene Dosis auf, das sind drei pro Tag bei den „Seed“ Probiotika.
Die Menge an Probiotika, die man bei ernsthaft geschwächtem Mikrobiom nimmt reicht von 2 Mrd. Keimen bis zu 900 Mrd. Keimen im VSL-3.