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Einem Delir vorbeugen
Zur Prävention eines Delirs kommen verschiedene nicht-medikamentöse Maßnahmen zum Einsatz. Den Patienten sollten Ankommen und Orientierung in der fremden Umgebung erleichtert werden. Hierzu tragen sogenannte reorientierende Interventionen bei – Ärzte und Pflegepersonal sollten sich mit Namen vorstellen, der Krankheitsverlauf sollte erörtert werden und, soweit möglich, sollten eine Uhr sowie ein Kalender vorhanden sein. Der zirkadiane Rhythmus sollte durch entsprechende Beleuchtung gefördert werden, sowohl Reizüberflutung als auch die Deprivation von Reizen sollten vermieden werden. Auch eine adäquate Analgesie, Frühmobilisation und die Anwesenheit von vertrauten Personen sind wichtig.
ABCDEF-Bündel zur Prävention
Die oben genannten Maßnahmen werden im ABCDEF-Bündel vereint, welches Roiter im Artikel zitiert. Die Buchstaben stehen für Schmerzmanagement (Analgesia), Atmung (Breathing), Auswahl von Medikamenten (Choice the Medication), Delirium-Management, Frühmobilisation und frühzeitige enterale Ernährung (Early Mobility, Enteral Nutrition) sowie vertraute Personen (Familiy and Friends). Dies wird auch in einer übersichtlichen Grafik dargestellt.
In einer zitierten Studie von Marra et al. [2] trug die Anwendung des ABCDEF-Schemas auf Intensivstationen zu einer besseren Interaktion von Intensivpatienten bei, da die Patienten durch eine adäquate Analgesie bereits früh an körperlichen und die Kognition fördernden Aktivitäten teilnehmen konnten.
Pharmakologische Therapie mit Zurückhaltung
Die Evidenzlage für eine nicht-medikamentöse Therapie des Delirs ist gut. Roiter empfiehlt daher: „Der generelle Einsatz von Pharmaka zur Delirtherapie soll äußerst zurückhaltend erfolgen.“
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Die randomisierte Studie untersuchte 1.470 Patienten ab einem Alter von 70 Jahren, die elektive orthopädische, kardiale oder andere chirurgische Eingriff hatten. Die Teilnehmenden wurden im Zeitraum von November 2017 bis April 2019 in fünf deutschen Zentren rekrutiert.
Zunächst erhielt das verantwortliche Personal der teilnehmenden Zentren eine entsprechende Schulung zu dem Delirpräventionsprogramm mit dem Namen AKTIVER (Alltags- und Kognitions-Training- Interdisziplinarität Verbessert das Ergebnis und mindert das Risiko). Die Verantwortlichen prüften das Delir-Risiko der Teilnehmenden täglich. Die Präventionsmaßnahmen wurden auf jeden Patienten individuell zugeschnitten. Mögliche Bestandteile sind: kognitive, motorische und sensorische Stimulation, Begleitung beim Essen und während diagnostischen Maßnahmen sowie Entspannung und Schlafförderung.
Als Haupt-Outcome wurden die Inzidenz des postoperativen Delirs sowie dessen Dauer definiert.
Ergebnisse
Die 1.470 Teilnehmenden waren im Durchschnitt 77 Jahre alt. Die Anwendung des Delir-Präventionsprogrammes AKTIVER reduzierte die Inzidenz des postoperativen Delirs (Odds Ratio [OR] 0,87; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,77-0,98; p = 0,02). Kam es zum Auftreten eines Delirs, so war dessen Dauer im Vergleich zur Kontrollgruppe verkürzt (5,3% vs. 6,9%; p = 0,03).
Der Effekt war bei Patienten nach Abdominalchirurgie oder orthopädischen Eingriffen vorhanden (OR 0,59; 95% CI 0,35-0,99; p = 0,047), aber nicht bei Patienten mit einem chirurgischen Eingriff am Herzen (OR 1,18; 95% CI 0,70-1,99; p = 0,54).
Fazit
Das Delir-Präventionsprogramm AKTIVER führte in dieser Studie zu einer Reduktion des postoperativen Delirs bzw. zu einer Verkürzung der Delir-Dauer bei älteren Patienten nach verschiedenen chirurgischen Interventionen mit Ausnahme kardialer Eingriffe. Warum Herz-Patienten nicht von dem Programm profitierten, ist bisher unklar. ...
https://careum.ch/aktuell/delir-behandlungen-in-der-praxis...
Aktuell bevorzugte Richtlinien
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- Deutsche S3-Richtlinien 2015
- ABCDEF-Bundle 2017
- PAD-Management Richtlinien 2013 (pad-management.de/archive_3/10-punkte.html)
- NICE- Management Richtlinien 2014
- Clinical Practice Guidelines 2013
Eine erfolgreiche Delirbehandlung erfodert ein Umdenken aller beteiligten Fachdisziplinen. Die ESA-Guideline der European Society of Anästhesiology stellt den neurologischen Behandlungserfolg während und nach einer Operation erstmalig in den Fokus und nimmt alle Teilnehmenden in die Pflicht, ihren Beitrag zu leisten.
In einem Team von Gleichgestellten kann die medizinische Versorgung schwerkranker Patientinnen und Patienten verbessert werden.
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Externe Ressourcen können einen entscheidenden Beitrag leisten, wenn sie in die Behandlung miteinbezogen werden. Die Physiotherapie könnte das Mobilisationskonzept umsetzen.
Eine Stationsapothekerin oder ein Stationsapotheker optimiert die medikamentöse Versorgung und erkennt Medikamente, die ein Delir verschlimmern oder auslösen (Klopotowska u. a., 2010); (TEAM Study Investigators u. a., 2015).
Angehörige nicht vergessen!
Angehörie stellen eine wichtige Ressource dar und sollten soweit wie möglich in die Behandlung und den Informationsprozess miteinbezogen werden. Eine klare Empfehlung aufgrund der schwachen Evidenz ist in der Literatur nicht zu finden.
Jedoch deuten aktuelle Studien im Bereich der Delirprävention auf eine Verbesserung der Situation hin (Rosa u. a., 2017). Zudem verweisen Fachexpertinnen und Fachexperten immer wieder auf die Bedeutung der Rolle von Angehörigen.
Die verstärkte familiäre Einbindung ist zum Beispiel im ABCDEF Family Bundle und in dem Konzept der familienzentrierten Pflege verankert. Das ABCDEF-Bündel ist ein Konzept zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Delir.
Einen Anfang machen!
10 Tipps für eine bessere Intensivbehandlung
(Falthauser, o. J.)
- Verstärkte Einbindung der Angehörigen – Verlängerung der Besuchszeiten
- Konsequenter Einsatz von Hilfsmitteln (Brille, Hörgerät usw.)
- Lange nächtliche Ruhephasen für Patientinnen und Patienten
- Verringern der Monitoralarme
- Keine lärmintensive Arbeitsabläufe in der direkter Patientenumgebung
- Ohrstöpsel und Schlafmasken nutzen
- Patientinnen und Patienten Tageslicht gönnen
- Konsequente, möglichst aktive Frühmobilisation
- Vermeidung von Benzodiazepinen
- Delir therapieren, wenn es auftritt
Es gibt noch viel zu tun
Die Belastung für das medizinische Personal und die betroffenen Personen ist hoch. Die aktuellen Richtlinien können zu einer Verbesserung der Situation für alle Beteiligten führen. Die Umsetzung liegt trotz der erbrachten Evidenz nach wie vor weit hinter den Erwartungen. ...
... Der 4A-Test ist einfach und schnell (<2 Minuten), benötigt keine Vorkenntnisse oder spezifische Schulung; bei Anwendung durch eine Pflegefachperson (oder Angehörige) kann jedoch eine Schulung sinnvoll sein, da so die Sensitivität erhöht werden kann [16–18]. Dabei werden die Wachheit («alertness»), Orientierung («Abbreviated Mental Test-4»: Alter, Geburtsdatum, Ort, Jahr), Aufmerksamkeit («attention») und die akute Änderung oder Fluktuation der Symptomatik («acute change or fluctuating course») beurteilt. Bei einer möglichen Punktzahl zwischen 0–12 weisen 4 Punkte auf ein Delir hin mit oder ohne kognitive Beeinträchtigung [19].
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... Dr. Nina C. Andersen-Ranberg vom Zealand University Hospital in Køge, Dänemark, und Kollegen teilten 1.000 erwachsene Patienten mit Delirium, die wegen einer akuten Erkrankung in die Intensivstation eingeliefert worden waren, nach dem Zufallsprinzip Haloperidol oder Placebo zu (510 bzw. 490). Von diesen Patienten wurden 501 bzw. 486 in die endgültigen Analysen einbezogen.
„Die Verwendung von Haloperidol führte nicht zu einer signifikant höheren Anzahl von Tagen, an denen die Patienten nach 90 Tagen noch lebten und außerhalb des Krankenhauses waren, als Placebo“, schreiben die Autoren.
- Die Forscher fanden heraus, dass nach 90 Tagen die durchschnittliche Anzahl der Tage, die die Patienten noch lebten und außerhalb des Krankenhaus waren, in der Haloperidol- 35,8 bzw. in der Placebogruppe 32,9 betrug (bereinigter mittlerer Unterschied: 2,9 Tage; 95-Prozent-Konfidenzintervall: -1,2 bis 7,0; P = 0,22).
- Die Neunzig-Tage-Mortalität lag in der Haloperidol- bei 36,3 Prozent und in der Placebogruppe bei 43,3 Prozent (bereinigte absolute Differenz: -6,9 Prozentpunkte; 95-Prozent-Konfidenzintervall: -13,0 bis -0,6).
- Schwerwiegende unerwünschte Wirkungen traten bei 11 in der Haloperidol- bzw. neun in der Placebogruppe auf.
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Delir: „Ein Paradigmenwechsel muss her!“
„Da müssen die Patienten halt durch und danach ist alles wie früher“ – das war lange das Credo beim Delir. Heute weiß man, dass das nicht stimmt. Wie man das Delir erkennt, ihm vorbeugt und es richtig behandelt, erfahrt ihr hier.
... Delir und Delirprävention
Ein Delir ist eine akute Veränderung in Verhalten, Bewusstsein und Aufmerksamkeit des Patienten, die sich in Wesens- und Verhaltensänderungen zeigt. Besonders häufig sind ältere Menschen (über 65 Jahre) betroffen. Ein Delir kann den Heilungsprozess verschlechtern und bedarf daher besonderer medizinischer und pflegerischer Behandlung.
Um einem Delir vorzubeugen, gilt es einige einfach Dinge zu beachten, z. B.
Zur Orientierung dienen den Patienten eine möglichst feste und sichtbare Tagesstruktur (Kalender und Uhr im Blickfeld), wiederholtes Vorstellen von Pflegenden und Ärzten bei möglichst jedem Kontakt und eine transparente Erklärung der gerade durchgeführten Handlungen. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist ebenso wichtig wie die überwachte Einnahme von Medikamenten. ...
- Schaffen einer ruhigen Atmosphäre
- freundlicher und empathischer Umgang
- Förderung der Mobilität
- Bereitstellung von Orientierungshilfen
- uvm.
So viel ich weiß, wird daran auch geforscht. Aber bis sich das, was gefunden wird, in allen Kliniken verwirklicht wird, werden wohl noch viele Patienten nach der OP in einer anderen Welt aufwachen.Ich frage mich, ob Delirprävention nicht schon bei den Narkosetechniken ansetzen müßte.