Postoperatives Delir (früher: Durchgangssyndrom)

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Hallo,

nicht nur ältere Menschen können dieses Delir nach einer Operation erleiden. Auch junge Menschen können betroffen sein. Aber eher selten.
Deshalb in dieser Rubrik.

Postoperatives Delir heißt übersetzt „Bewusstseinstrübung nach einer Operation“. Kennzeichnend sind dabei in unterschiedlicher Kombination und Ausprägung vor allem Verwirrtheit, Aufmerksamkeitsstörungen, Gedächtnisstörungen, Desorientiertheit, Unruhe und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus.

Das postoperative Delir stellt gerade bei älteren Patienten ein häufiges Problem dar, dessen Ursachen noch weitgehend unerforscht sind, dessen Auswirkungen für die Patienten jedoch sehr schwerwiegend sein können und sich in einigen Fällen sogar drastisch auf die Lebensqualität oder gar Lebenserwartung auswirken können.
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Alexianer Berlin St. Hedwig-Krankenhaus :: Postoperatives Delir

Hier ein ausführlicher Artikel dazu:
https://www.dietmar-weixler.at/postoperatives Delir.pdf

Offensichtlich ist die Gefahr, dieses Delir zu erleben, ab ca. 75 Jahren immer grösser.
Wenn jemand die Wahl hat, eine Vollnarkose oder eine örtliche Betäubung zu bekommen wegen einer Operation, sollte unbedingt versucht werden, die Op mit einer örtlichen Betäubung durchzuführen.

Inwieweit eine örtliche Betäubung allerdings auch noch "delirische" Folgen haben kann, weiß ich nicht.

Die übliche Behandlung dieses Delirs erfolgt mit Neuroleptika.

Grüsse,
Oregano
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Wenn ein Mensch schon in der Situation ist, daß er deliriert - warum auch immer - wäre es natürlich schön, wenn die behandelnden Ärzte und das Pflegepersonal auch wüßten, daß Fluorchinolone da beteiligt sein können:

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Das Spektrum der ZNS-Störungen, die unter einer Chinolontherapie auftreten können, reicht von leichten Reaktionen, wie Kopfschmerzen, Benommenheit, Schwindel, Müdigkeit oder Schlaflosigkeit, bis zu ernsten Zwischenfällen. Diese sind selten (< 0,5 Prozent), doch wurden nach allen bekannten Fluorchinolonen psychotische Reaktionen mit Halluzinationen oder Depressionen sowie Krampfanfälle beschrieben (6).
Die große Gefahr bei diesen ZNS-Reaktionen liegt darin, dass sie verkannt werden können. Entwickelt nämlich ein schwerkranker Patient (und gerade solche erhalten zurecht Fluorchinolone) eine psychische Auffälligkeit, denkt der Kliniker eher an ein Delir oder Durchgangssyndrom. Wird die durch Fluorchinolone verursachte Nebenwirkung nicht diagnostiziert und das Medikament weiter gegeben, ist der Patient hoch gefährdet. Es gilt daher: Der Arzt, der Fluorchinolone verordnet, muss sich am besten täglich ein Bild vom psychischen Zustand seines Patienten verschaffen, zum Beispiel durch ein Gespräch und durch Rückfrage bei den Pflegekräften.
Die ZNS-Wirkungen der Chinolone treten dosisabhängig auf.
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Deutsches Ärzteblatt: Unerwünschte Wirkungen und Risiken von Fluorchinolonen (10.11.2000)

(Dieser Artikel beschäftigt sich sehr ausführlich mit den Fluorchinolonen)

Grüsse,
Oregano
 
Hier geht es um den Fall einer älteren Dame, die nach einer Op eben dieses Delir hatte. Eine üble Geschichte, die nachdenklich macht und die vor allem klar macht, daß es gut ist, wenn ein Außenstehender mitdenkt und -handelt.

Deutsches Medizin Forum - Foren

Grüsse,
Oregano
 
Oh mein Gott, ich bin tief betroffen.
bin so froh, dass ich mit Hilfe der Betreuungsverfügung, Vorsogevollmacht, meiner Tochter und der DGHS alles geregelt habe.

Grüße!
 
Hallo Datura,

ja, es ist gut, wenn man soweit nur möglich alles regelt.
Wenn man aber wie in diesem Fall eigentlich schon von vornherein einfach "entmündigt" wird und selbst gar keine Möglichkeiten mehr hat, sich zu wehren, ist das unglaublich und einfach nur schrecklich.

Deshalb halte ich es für sehr wichtig, daß man auch für die Aufenthaltsbestimmung jemanden einsetzt, der sich auskennt und der mich kennt. Wenn dann auch noch das Finanzielle es ermöglicht, einen Rechtsanwalt einzuschalten: um so besser.

Grüsse,
Oregano
 
Noch ein Artikel zu diesem Thema und ein Abschnitt daraus:

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Ist Prophylaxe möglich?
„Eine gesicherte evidenzbasierte medikamentöse Prophylaxe gegen das Auftreten des Delirs gibt es im Moment noch nicht“, schreiben Siegmund et al. in einer zweiteiligen Übersicht. Auch wenn sich die Häufigkeit des Auftretens nicht senken lässt, ist dies zumindest bei der Dauer und der Stärke bedingt möglich. Kalisvaart et al. konnten bei 430 Patienten mit Hüftoperationen mit der prophylaktischen Gabe von 3mal 0,5 mg Haloperidol zwar nicht die Inzidenz, aber die Dauer des Delirs um im Mittel 6,5 Tage und die Länge des Klinikaufenthaltes um 5,5 Tage verkürzen. Auch Risperidon vor Herzchirurgischen Eingriffen scheint hilfreich zu sein. Obwohl ein abfallender Acetylcholinspiegel maßgeblich für delirante Zustände verantwortlich gemacht wird, bringt die präoperative Gabe eine ACh-Hemmers erstaunlicherweise nichts. Das menschliche Gehirn ist eben doch mehr als das Zusammenspiel eines neurobiochemischen Mobiles.
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Demenz: Neue Diagnose nach Narkose? - DocCheck News

Ein logischer Schluß für mich aus diesem Wissen: freiwillig werde ich mich, wenn irgendwie möglich, nicht unter's Messer legen.

Grüsse,
Oregano
 
...Um die Inzidenz des postoperativen Delirs und des POCD weiter zu senken, werden die Patienten außerdem zu mehreren Zeitpunkten nach der OP auf Delir und kognitive Defizite getestet. Dies ist notwendig, da vor allem Menschen mit einem hypoaktiven Delir kaum auffallen. So zeigen internationale Studien, dass bis zu 84 Prozent aller Betroffenen vom Krankenhauspersonal nicht erkannt und daher auch nicht behandelt werden. Eine effektive Möglichkeit, den Betroffenen zu helfen, ist, sie so bald wie möglich zu mobilisieren. Hörgeräte sollten rasch wieder angelegt und Brillen aufgesetzt, und die Patienten zu Aktivitäten angeregt werden, um sie aus ihrer Passivität herauszuholen.

»Noch immer wird die frühe Behandlung zu sehr unterschätzt«, sagte Spies. Wenn ältere Patienten bereits in ein Pflegeheim eingeliefert sind, ist es meist zu spät. Kann jedoch frühzeitig eingegriffen werden, lässt sich die dauerhafte Schädigung von Gehirnzellen meist verhindern. Auch Angehörige von Operierten sollten daher Auffälligkeiten umgehend melden.
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Pharmazeutische Zeitung online: Chirurgie: Verwirrt nach der OP

Grüsse,
Oregano
 
Etwa im Abstand von einer Woche sind aus meinem Bekanntenkreis zwei rüstige ältere Herren, die sich jeweils nach einem Sturz in Vollnarkose operieren ließen, noch in der Klinik verstorben.
Offenbar kommt es gerade im höheren Lebensalter bei operativen Eingriffen unter Vollnarkose nicht zu selten vor: "Operation gelungen - Patient verstorben".

Alles Gute!

Gerold
 
Eine effektive Möglichkeit, den Betroffenen zu helfen, ist, sie so bald wie möglich zu mobilisieren.
Pharmazeutische Zeitung online: Chirurgie: Verwirrt nach der OP
Hallo Oregano,

die schnelle Mobilisierung kann sicherlich unter einem weiteren Gesichtspunkt nützlich sein: das regt den Stoffwechsel an und somit auch die Ausscheidung der in den Narkosemitteln enthaltenen und für den Körper giftigen Stoffe.

Früher, als Äther o.ä. angewendet wurde, übergaben sich die Patienten nach der OP sehr häufig und entsorgten somit die Rückstände des Äthers. Ich weiß nicht, ob damals dieses Delir seltener auftrat, könnte mir das aber durchaus vorstellen.

Hinzu kommt, daß Übelkeit und Erbrechen nach der OP heute mittels Medikamenten verhindert werden, was es dem Körper unmöglich macht die Schadstoffe los zu werden. Bleiben sie jedoch im Körper, werden sie dort, wenn auch abgeschwächt, weiter wirken, obwohl das nicht gewollt ist. Dieses "Weiterwirken" könnte das Delir verewigen, denn das Gehirn wird weiterhin narkotisiert und so an seinen normalen Prozessen gehindert.

Was während der OP erwünscht war, setzt sich also teilweise danach fort. Daher sollten m.E. keine Medikamente verabreicht werden, die Übelkeit und Erbrechen verhindern - so unangenehm das sein mag, der Körper tut genau das Richtige wenn er erbricht... Er wird den "Schweinkram" wieder los... ;)

Gruß,
Clematis
 
vielen Dank, das ist rauh.
Hallo Gerold,

es ist wohl eine individuelle Entscheidung: 1 bis 3 Tage heftiges Erbrechen = Entgiftung und dann ist Ruhe im Karton, oder eine durch Anästhetika induzierte Form von Demenz, denn darauf läuft es letztlich hinaus.

Wir sind heutzutage so daran gewöhnt mit Medikamenten alle "unangenehmen" Vorgänge des Körpers wie Durchfall, Erbrechen, Übelkeit, Fieber, Schmerzen, zu blockieren "damit es uns gut geht", daß wir darüber vergessen haben, wie wichtig es ist, diese Funktionen zuzulassen, weil sich der Körper hier selbst hilft, um gesund zu werden oder zu bleiben. Als ich mal sehr lange schwer krank war, habe ich einen Tag lang heftig erbrochen. Ab dem Tag ging es dann, nach langer Zeit ohne Besserung, mit der Genesung rapide voran ... :)!

Das sieht nur dann anders aus, wenn solche Zustände über eine Woche anhalten oder extrem stark sind. Dann muß der Dehydrierung, zu hohem Fieber entgegen gewirkt, bei Schmerzen die Ursache gefunden und behandelt werden usw.

Gruß,
Clematis
 
Hallo

ich hatte kürzlich eine Klientin (75), der ein Hüftgelenk ersetzt wurde. Danach musste sie vom Mehrbettzimmer in ein Einzelzimmer verlegt werden, weil sie ein völliges Durcheinander hatte - sie "spinnte". Es war innert 8 Monaten die 4. Vollnarkose. Nachdem ich ihr die Fussreflexzonen massiert hatte, normalisierte sich ihr Zustand sehr schnell. Heute ist sie wieder "normal".

Bei meiner Tante (84) verlief es ähnlich.

Bei meinem Schwiegervater, der weit weg wohnte, hatte ich nicht massiert. Er landete nach einer kleinen Herzoperation in der Psychiatrie und danach im Pflegeheim.

Gruss, Pegasus
 
Hier noch ein Artikel, in dem es ebenfalls um das postoperative Delir geht:

Demenz: OP gelungen, Patient verwirrt |*ZEIT ONLINE

Daraus:
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Ein Delir lässt sich nicht mit Medikamenten behandeln. Eine geeignete Vorsorge hingegen kann ein Delir verhindern. Dafür jedoch brauchen Ärzte einen anderen Blick auf ihre Patienten und Kliniken neue Behandlungskonzepte. Denn die Zahl betagter Patienten steigt (siehe Kasten).
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as Klinikdelir kann wie ein Treibsatz wirken. Es hebt eine latente Demenz über eine "kritische Schwelle", sagt Stefan Kreisel, Leiter der Gerontopsychiatrie im Evangelischen Krankenhaus Bielefeld. Menschen, denen man ihre beginnende Alzheimerkrankheit noch einige Jahre lang vielleicht kaum angemerkt hätte, wirken plötzlich hochgradig senil. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, nach einem Delir aus der Klinik direkt in ein Pflegeheim entlassen zu werden, fast dreimal so hoch wie unter normalen Umständen.
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23 Patienten unterstützt das Help-Programm zurzeit, viele jenseits der achtzig. Das Kürzel steht für Hospital Elder Life Program, ein Konzept zur Delir-Vorbeugung aus den USA.

Die Help-Mitarbeiter, meist junge Leute im Freiwilligen Sozialen Jahr, begleiten die Patienten durch den Alltag der Klinik. Sie motivieren die Kranken, etwas zu essen und das Bett zu verlassen. Die Helfer übernehmen keine Pflegearbeiten, sondern erklären, beruhigen und hören zu. All das also, was das moderne Medizinsystem nicht mehr leisten kann. Help biete "Lowtech in einer Hightech-Umgebung", sagt Gerontopsychiater Kreisel.

Mehrmals am Tag kommen die Mitarbeiter mit ihren lila Westen bei den Patienten vorbei
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Hyperaktive Patienten stören den Betrieb, indem sie herumirren und die Station auch schon mal verlassen. Hypoaktive dagegen dämmern vor sich hin und nerven niemanden. Auch deshalb existieren nur Schätzungen, was die Häufigkeit des Delirs bei älteren Patienten angeht.
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Um frühzeitig zu entscheiden, ob ein Kranker für das Help-Programm infrage kommt, durchlaufen in Bielefeld alle älteren Patienten bei der Aufnahme ein Delir-Screening. Neben einer Gedächtnisprobe gehört dazu auch eine Arzneikontrolle. Denn bestimmte Präparate, etwa häufig verschriebene Antidepressiva, gelten als delirfördernd.
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Genauer bekannt ist dagegen, wie häufig deutsche Kliniken aufs Jahr hochgerechnet sedierende Medikamente verabreichen (2,6 Millionen Mal) oder Patienten zwangsweise fixieren (500.000 Mal). "In vielen Häusern ist das Thema Demenz noch nicht angekommen", sagt Kirchen-Peters.

Einige Kliniken ignorieren das Problem sogar bewusst. Denn so wie der Klinikaufenthalt den Demenzpatienten verwirrt, bringt auch der Patient den Klinikbetrieb durcheinander.
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Eine niederländische Studie zeigt, dass schon Lärmschutz per Ohropax das Delir-Risiko signifikant senkt. Ferner könnten Ärzte unverständliche Fachbegriffe vermeiden. Schwestern sollten nichts Wichtiges erklären, während sie gerade einen Katheter wechseln oder Blutdruck messen. Und würde dann noch darauf geachtet, die Zahl der Verlegungen von einem ins nächste Zimmer zu minimieren – die Betagten würden es den Kliniken danken. Alle anderen Patienten im Übrigen ebenso.
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Noch eine Information:

... Delirium identified in 30% of admitted hip fracture patients following surgery | WCO ...
[Bei 30% der Hüftoperierten folgte ein Delirium)
Delirium identified in 30% of admitted hip fracture patients following surgery | WCO

Und noch ein Artikel:

Grüsse,
Oregano
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Bei all dem, was hier bislang zur Thematik ausgebreitet worden ist, wird man im höheren Lebensalter sein Leben klugerweise so einrichten, soweit irgend möglich eine Operation mit Vollnarkose zu vermeiden.

Alles Gute!

Gerold
 
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Paracetamol reduziert signifikant Delirium im Krankenhaus

20.02.2019
Bei bis zur Hälfte aller Patienten, die sich einer Herzoperation unterziehen, kann ein Delirium auftreten – eine Form von akuter Verwirrung, die zu Orientierungslosigkeit, Gedächtnisstörungen, Wahnvorstellungen und abrupten Stimmungs- und Verhaltensänderungen, einschließlich Aggression, führen kann.

..., dass intravenöses Paracetamol die Häufigkeit von postoperativem Delirium nach koronaren Bypassverfahren bei Patienten über 60 Jahren signifikant reduzierte.
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Verringerung von Delirien und Schmerzen

Patienten, die mit Paracetamol behandelt wurden, zeigten eine signifikante Reduktion von Delirien im Krankenhaus. Nur 10 Prozent der Gruppe, der Paracetamol gegeben wurde, zeigten Symptome eines Deliriums, verglichen mit 28 Prozent derer, die Placebo erhielten.

Darüber hatten mit Paracetamol behandelte Patienten auch durchschnittlich kürzere Aufenthalte auf der Intensivstation und weniger Schmerzen. Die Patienten, die im Delirium waren, hatten kürzere Zeiträume der akuten Verwirrung.

Zusätzlich zur Verringerung der Häufigkeit von Delirien, verringerte die Zugabe von Paracetamol zur postoperativen Versorgung auch den Bedarf an Opioid-Schmerzmitteln bei diesen Patienten, fügte Subramaniam hinzu.
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https://arznei-news.de/paracetamol-delirium/#a1

Paracetamol mag in diesem Fall und kurzzeitig eine erfreuliche Wirkung haben. Trotzdem sollte man sich im klaren sein, daß es kein harmloses Medikament ist:
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Info zu Paracetamol:
Nebenwirkungen: Hautreaktionen, während der Schwangerschaft, Asthma
Einsatz: Arthroseschmerzen, Bergkrankheit / Höhenkrankheit, postoperatives Zittern, Fieberkrampf, Delirium

News

- Risiko für schwere Hautreaktionen
- Viele nehmen zu viel Paracetamol
- 20.03.2016 Nicht wirksamer als Placebo bei Arthroseschmerzen
- 19.06.2017 Ebenso wirksam bei akuter Bergkrankheit / Höhenkrankheit wie Ibuprofen
- 22.10.2017 Paracetamol kann helfen, postoperatives Zittern zu reduzieren
- Einsatz während der Schwangerschaft erhöht Risiko für Sprachverzögerung bei Mädchen
- 07.02.2018 Psychische Auswirkungen von P. (auf psylex.de)
- 17.09.2018 Einsatz im Säuglingsalter mit erhöhtem Asthmarisiko bei einigen Jugendlichen verbunden?
- 19.06.2017 Medikament kann fieberhafte Krämpfe reduzieren …
- 19.06.2017 Paracetamol reduziert signifikant Delirium im Krankenhaus
https://arznei-news.de/paracetamol/

Grüsse,
Oregano
 
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Eine Vielzahl von körperlichen Erkrankungen kann Delirien auslösen. Die Vulnerabilität älterer Menschen gegenüber diesen Auslösern bewirkt, dass sie besonders häufig von einem Delir betroffen sind. Präventive Maßnahmen und eine effiziente Intervention können Langzeitfolgen verhindern.

Prävention
Aufgrund der weitreichenden Folgen kommt der Prävention des Delirs eine herausragende Bedeutung zu. Proaktive geriatrische Konsultation konnte in einer randomisierten, kontrollierten Studie die Delirinzidenz nach hüftnahen Frakturen von 50 % auf 28 % senken: Die Empfehlungen beinhalten adäquate Sauerstoffzufuhr, Korrektur von Flüssigkeits- und Elektrolytstörungen, Behandlung von Schmerzen, Absetzen von unnötigen Medikamenten, frühes Entfernen von Blasenkathetern, adäquate Kalorienzufuhr, frühe Mobilisierung und Rehabilitation, Früherkennung und Behandlung von postoperativen Komplikationen, Vermeiden sensorischer Überstimulation und medikamentöse Behandlung bei hyperaktivem Delir.

Das konsequente Vorgehen nach einem Protokoll, das Risikofaktoren wie Schlafmangel, Immobilität, sensorische Defizite sowie Pharmakotherapie und Dehydration kontrolliert, konnte eine Reduktion des Delirrisikos um bis zu 30 % bewirken, auch eine frühe Verlegung in eine ambulante Rehabilitation kann die Delirinzidenz signifikant verringern.

Die Behandlung in einer spezialisierten geriatrischen Einheit reduziert das absolute Risiko um 20 % und verkürzt die durchschnittliche Dauer des Delirs um fünf Tage. Einzelne Prodromalsyndrome treten bei Hüftfrakturen bis zu vier Tage vor dem Vollbild des Delirs auf und ermöglichen bei zeitgerechter Identifikation eine adäquate Intervention.

Intervention
  • Vermeiden kausaler Faktoren: unnötige Hospitalisierung, Polypharmakotherapie
  • Rechtzeitiges Erkennen von Prodromalsymptomen: Nervosität, lebhafte Träume, Schlaflosigkeit, passagere Halluzinationen
  • Falls eine stationäre Aufnahme erforderlich ist, sollte von Anfang an geriatrisch qualifiziert betreut werden.
  • Zum Standard einer guten Krankenhausbehandlung Demenzkranker, die besonders Delir-gefährdet sind, sollte die Möglichkeit einer ständigen Begleitung der Patienten durch ihre pflegenden Angehörigen oder andere nahe Bezugspersonen gehören. Diese Forderung bedeutet, dass alten, multimorbiden, kognitiv beeinträchtigten Menschen von der Aufnahme bis zur Entlassung eine Kontaktperson ("Sitter") zur Seite gestellt werden soll, die sie möglichst bei allen Untersuchungen, Wegen, Verlegungen etc. begleitet. So kann das Risiko für Delir und Desorientiertheit vermindert werden.
  • Präoperativ sind Delir-Screening, Assessment von Demenz, Depression, Angsterkrankungen, Suchterkrankungen (Alkohol, Benzodiazepine, Nikotin), Identifikation von Delirien in der Vorgeschichte, geriatrisches Konsil und Medikamentencheck empfehlenswert.
  • Perioperativ ist Stress so gering wie möglich zu halten. Reorientieren, für Fragen Zeit geben und optimale Schmerztherapie ergänzen das Repertoire.
Für diese Beispiele komplexer Interventionen liegen auch Ergebnisse aus einem Cochrane-Review vor, und zwar sowohl für konservative (RR: 0,63; 95%-KI: 0,43–0,92) als auch für chirurgische Settings (RR: 0,71; 95%-KI: 0,59–0,85). Für eine medikamentöse Prävention, z. B. mit Haloperidol, ist die Evidenz dagegen wenig belastbar.
...
allgemeinarzt-online.de/a/das-delir-und-seine-folgen-nicht-abwarten-handeln-2086592

Grüsse,
Oregano
 
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