Hallo Rianj,
das der Hund nicht zuerst durch die Tür soll, hab ich noch nie gehört oder gelesen.
Also ist das auch ein eindeutiges Dominanzverhalten?
Nein,
eindeutig bestimmt nicht.

Also allgemein und vereinfacht gilt, dass ausgehend von der Erlebniswelt, das “Denkfenster” des Hundes, derjenige der “vorne”* ist wörtlich, auch sozial gesehen “vorne” ist. Doch manche Hunde ist das mit der Tür völlig egal, bedeutet es kaum was, oder haben die in dem Moment was völlig anderes im Kopf. Es hängt da von viele Faktoren ab, wie es im Einzelfall überhaupt zu interpretieren ist. Ausserdem sollte man es besser umkehren: lassen wir den Hund vorgehen, zeigen wir ihm gegenüber in der Situation nicht unsere Dominanz. Je nach Umständen kann es sinnvoll sein das selber immer “Vorne-Gehen” bei der Tür/Zaun etc.doch zu eine Gewohnheit zu machen. Allgemein gilt, je eindeutiger wir sind in solche – nicht aggresive – Überlegenheitssignale, desto klarer sind die sozialen Verhältnisse im Kopf des Hundes, das kann sicherlich auch hilfreich sein für manch einer Hund (und sichselbst).
Es ist nicht richtig alles immer als “Dominanzverhalten” einzustufen/zu zu ordnen was der Hund in dieser Hinsicht zeigt, denn die Bedeutung des Verhaltens ist abhängig von vielen unterschiedlichen Faktoren, und ausserdem sind wir Menschen, seine Begleiter, die Verantwortlichen die die Umstände schaffen.
Es (das Verhalten) wäre hier erst mehr eindeutig zu “deuten” wenn beobachtet (die “Körpersprache des Hundes in der Situation) und in Zusammenhang mit allen anderen Faktoren (Umgang mit den Hund, die Verhältnisse in der Familie, die Erziehung des Hundes/seine Vergangenheit, das Charakter des Hundes, seine “Familienmitglieder”).
Generell könnte man sagen, wenn Verhaltensprobleme da sind und es liegt beim Hund ein klares Missverständnis vor über seine Rolle und Stelle in der Familie (seinem Rudel) dass es durchaus sinn machen kann, auf bestimmte Gewohnheiten die eine Bedeutung haben in Sachen "Dominanz" oder besser gesagt, Rollenzuordnung, zu besonders achten, b.z.w. diese zu Ändern.
Das “als erster durch den Tür gehen”, ist aber ein relativ “unwichtiger” Faktor (nicht so starkes “Signal”) im Allgemeinen. Wenn im Grunde der Umgang mit dem Hund in Ordnung ist, er seine Stelle auch kennt, kann es fast völlig irrelevant sein ob der nun als erste durch die Tür geht oder nicht, und hat es für den Hund auch keine besondere Bedeutung in Hinsicht auf seine Rolle.
Wie schon in den anderen Beiträgen geschrieben, sind andere “Signale” die wir den Hund übermitteln vielmals Kräftiger. “Höhe” ist da viel kräftiger als “Vorne” *. Das Bett ist da an allererster Stelle, da da nicht nur faktor “Höhe” im Spiel ist, sondern zusätzlcih die Faktoren “Zugang zu” (nur der Rudelleiter hat Zugang zu allen wichtigen Stellen und Räumen” und “Verfügung über Schlafplätze” (nur der Rudelleiter ist es zugestanden auf alle und mehrere Schlafplätze zu schlafen, also auch die der anderen Rudelmitglieder wenn ihm danach ist). So sieht man weswegen ich in dem anderen Beitrag gesagt habe dass bei Verhaltensprobleme Schlafen auf das Bett absolutes NoGo sein sollte. Zu "Hund aufs Bett" kann ich auch ohne Bedenken ganz eindeutig sein, in der Aussage das man das (dem Hund) nicht (an)tun sollte.
Zum Dominanzverhalten allgemein: Was man sich oft dabei denkt ist dass der Hund ja so gerne “Boss” spielen möchte und dabei werden dann oft allerlei Sachen aus menschlicher Sicht hineininterpretiert. Das ist nicht richtig, und im Grunde tut man den Hund damit unrecht.
Eigentlich sagt das “Dominanzverhalten” eher was aus, über die Umstände – die soziale die für den Hund geschaffen sind. Er reagiert darauf mit Verhaltensanpassung der er von seine Erlebniswelt, sein soziales Verhaltensmuster, aus für angebracht und passend hält.
Obwohl es generell für alle Hunde gilt, es gibt Hunde(Hunderassen) die haben ein sehr starkes, ausgeprägtes Bedürfnis an besonders klaren Verhältnissen, und daran dass es einen ganz klaren “Rudelführer und Rudelführerin bzw. Rudelführpar” gibt - Haupterantwortlich für die Sicherheit des Rudels u.A.- und können schlecht damit umgehen wenn es den nicht eindeutig gibt. Manche Hunde werden deswegen die “Lücke füllen”, (müssen) sie können ja auch eigentlich nicht anders. Das bedeutet immer gleich auch dass der Hund gestresst(er), im Grunde überfördert, sein wird.
Man stelle sich vor auf einen fremden Planeten gelandet zu sein, da die Verantwortung für eine geliebte “Alienfamilie” zu bekommen, der sich handhaben muss in eine “Aliengesellschaft” wessen Sprache und (soziale) Regeln man gar nicht kennt: Sozusagen keine leichte Aufgabe, und Probleme und Konflikte (sowohl ausser Haus als in der Familie) sind schon fast “vorprogrammiert”.
So geht es dem Hund oft, der die Signale bekommt er sei in der Rolle des Verantwortlichen.
So kann man vielleicht auch besser verstehen, wie es zu Verhaltensprobleme kommt bei diesen Hunden, und wie das “Verwöhnen” auf Menschenart im Grunde, bei Betrachtung der Fakten, oft nicht so liebevoll ist, wie es auf dem ersten Blick oder aus unserer Sicht scheint, weil man den Hund damit schadet, verwirrt, überfördert und ihm somit eher unglücklich macht. Nicht selten führt das daraus folgende “Problemverhalten” auch noch zu Korrekturen, Strafe, oder führt es dazu dass der Hund letztenendes weg muss.
Ausgangspunkt sollte sein, die soziale Grundbedürfnisse vom Hund zu verstehen, und die Umstände so zu schaffen dass es für den Hund (art-)gerecht ist.
Zu Deiner Hündin Rianj, kann ich hier konkret nicht soviel sagen, weil es mir an zuviele Informationen zu der Situation fehlt. Mein Gefühl sagt hier aber, dass das nicht allzu gut hören/kommen, draussen hauptsächlich andere Ursachen hat als die Gewohnheiten bei das durch dem Tür gehen..
Es kann sein dass das Trainen/Belohnen mit Leckerlies oft nicht funktioniert weil die Hündin gerade ängstlich ist. Bei Angst gibt es kaum Appetit, so ist dann der Reiz vom Leckerli gleich null. In solchen Situationen ist es wichtig sich Souverän zu verhalten, (selber nicht verunsichtert durch den gegebenen Umständen), den Hund nicht zu bestätigen in der Angst, aber die Angst auch nicht zu ignorieren. Ein kleines Signal, Klöpfchen, kurzer Streichel an der Flanke, beim Schulter könnte hilfreich sein. Damit sagt man soviel wie, ich bin bei Dir/für Dich da, ich ignoriere Deine Angst nicht, aber teile sie nicht. (Ein änliches und beruhigendes Signal könnte auch sein: Das Ohrläppchen vom Hund kurz durch den Fingern gleiten zu lassen)
Auch bei ängstliche, verunsicherte Hunde sind klare Verhältnisse im Rudel wichtig.
So weiss der Hund, dass die für die Sicherheit verantwortlichen Verlässlich und Kompetent sind und bestärkt das wiederum die Geborgenheitsgefühle. Somit ist, denke ich, gleich auch deutlich dass man zwar konsequent einge oder mehrere strikte Umgangsregeln einhält, aber das absolut nicht liebelos ist, oder das man das dabei sein sollte, im Gegenteil. Das einhalten von den Regeln ist im Grunde ein grosser Akt der Liebe. Und einhalten van Regeln heisst auch nicht dass man im Umgang mit dem Hund ansonsten “kalt, klinisch, und wärmelos” sein sollte, im Gegenteil.
Kurzgesagt es ist oft alles nicht so schwarz/weiss und einfach (monokausal).
Was ich jetzt sage mag verwirrend klingen, aber es gibt sogar auch Situationen wobei es den Hund guttun würde ihm gezielt und dosiert mal “Erfolgserlebnisse” zu geben. Z.B. beim gemeinsamen Spielen, alles je nach Charakter des Hundes (oder der Welpe) und seine Erfahrungen und Umstände. Auf das Bett, gehört aber nicht zu dem was ich hier meine.
Für das “horen auf Komm” gibt es unterschiedliche Methoden es zu Trainen mit dem Hund, eine gute Hundeschule (z.B. Animal Learn) oder Verhaltenstherapeut für Hunde könnte dabei hilfreich sein. Viele Tierschutzorganisationen, vor allem auch solche die Hunde vermitteln die aus schlecht Umstände kommen, haben oft auch einen Ansprechpartner der Beraten kann bei Verhaltensprobleme.
Wichtig ist, dass es für den Hund immer Spaß/Lohnend sein muss (in sein Köpfchen) um zu kommen und zu horen.
Ganz einfaches Beispiel wie das mit der Zeit schiefgehen kann: Der Hund wird immer nur dann gerufen wenn er wieder an die Leine geht. So lernt er bald, das sein Gehorsam eigentlich (in seinen Augen) für das Kommen bestraft wird: und zwar mit Ende vom Spaß. Man kann sich auch denken was der Hund lernen wird, wenn man ihm beschimpft und bestraft wenn er (nach erstmal vergeblich rufen z.B.) dann doch hört und kommt. So kontrovers wie es für uns Menschen scheinen mag, ist Strafen da kontraproduktiv, ein kleines Loben angebracht.
Deswegen ist es gut, den Hund regelmässig mal zu sich zu rufen, ihm dann zu Belohnen, sei es mit ein Leckerli, sei es mit ein Streichel und lobende Worte, sei es mit ein Spielchen, sei es mit dem Fortsetzen des Spielens… was immer es ist dass der Hund in dem Moment als Supi erlebt. Dies kann man auch leicht integrieren in den normalen Spaziergängen.
Zu zweit kann man auch gezielt üben, im Garten z.B. oder in einer Wiese, man ruft den Hund und belohnt ihm, wiederum so dass es für den Hund passend ist. Ein (immer ganz kleines) Leckerli, ein begeistertes Lob, ein Streicheln/Knuddeln.
Man kann damit anfangen dass der eine Person den Hund “abholt” und der andere ihm zu sich ruft. (Einfach), der nächste Schritt könnte sein, den Abstand zu vergrössern, wann man das macht, hängt davon ab, wie erfolgreich der Hund ist, das bestimmt immer das Tempo. Und irgendwann kann man dann auch ein Spiel daraus machen, den Hund “hin und her’ zu rufen, dass soll aber Spass sein (nicht verwirren), für den Hund wie ein Spiel erlebt werden.
Das Training soll kurz sein, also einige Minuten, aber täglich (bis es gut klappt). Und man soll das Training immer beenden mit einem Erfolg. (Grundregeln).
Für ängstliche, unsichere Hunde kann es auch sinnvol und spass sein, öfters mal kleine Übungen zu machen, (in einfachen Situationen, also nicht wenn gerade Angst im Spiel ist) wie Sitz, Hüpfen etc., und da ist auch eine Hundeschule besuchen manchmal hilfreich. Die Erfolge beim erfüllen der Aufgaben, und überhaupt Aufgaben zu erfüllen haben, vermitteln den unsicheren Hund mehr Selbstbewusstsein, ausserdem gilt auch hierbei dass es den Verbund zwisschen Hund und Mensch stärkt, die Beziehung also stärkt und auch hier die Verhältnisse bestärkt werden.
Da, Rianj, ich zu wenig weiss von eure Hündin kann ich also nicht so ganz gezielt was sagen zum “durch die Tür gehen” und nicht horen beim Rufen. Ausser dass ich vermute dass Angst/Unsicherheit da noch eine (haupt)Rolle Spielt und ich denke dass Geduld da auch ein ganz wichtiger Faktor ist. Sie muss sich gewöhnen und vertrauen aufbauen und lernen.
Hierzu:
Sie war ein ehemaliger Straßenhund und hat wohl auch einiges (keiner weiß was ) erlebt.
Aber alles in allem : Unsere Beste
Einfach Super!
Liebe Grüsse,
Kim
PS: Das war jetzt doch ganz viel, wenn irgendwas unklar ist oder unverständlich ist, bitte einfach nachfragen.
PS2: Wer hier mitliest und was ändern möchte im Umgang/Gewohnheiten mit dem Hund: Nie alle Gewohnheiten gleichzeitig ändern, immer nur eine, aber darin dann auch konsequent sein, den Hund die Zeit geben sich daran anzupassen (kann bis zu einigen Wochen dauern und in erster Instanz kann es vorübergehend auch sein dass der Hund mehr/andere Verhaltensprobleme zeigt, weil er Schwierigkeiten hat sich anzupassen, er sucht sozusagen nach ein passendes Verhalten zu den neuen Umständen, da einfach geduldig zu sein und nicht auf diese “Experimente” einzugehen führt meistens zum Erfolg, d.H. er wird sich richtig anpassen können), und erst dann, wenn nötig evt. noch eine weitere Gewohnheit ändern.
*: Insbesondere zum "Vorne" sein wollen, muss ich ausdrücklich sagen dass man da sehr aufpassen sollte das zu interpretieren im Sinne von "Dominant oder nicht", denn es gibt viele Situationen und Umstände wobei da grob Fehlinterpretiert wird und das dann dazu führt dass Massnahmen genommen werden die die Situation verschlimmern, oder fast als Misshandlung gelten. Daher auch den Ratschlag, dass es Sinn machen kann, ein Fachmann/-frau um Rat zu fragen, der dabei den Hund beobachten kann, die Situation etc.
Ein Beispiel davon wobei das "Vorne" sein oft fehlinterpretiert wird, mit dessen Konsequenzen findet man auch in dieser Beitrag:
https://www.symptome.ch/threads/haustiere.6706/page-3#post-314864