...zum Zweiten!
Es dürfte den ärztlichen Standesorganisationen in der Tat
schwer fallen, sich als Moralapostel aufzuspielen, da sie
selbst an zwielichtigen Aktionen beteiligt sind. So haben
sie beispielsweise zusammen mit den Krankenkassen
heimlich Gutachterseilschaften aufgestellt, um mit vorgefertigten
Gefälligkeitsgutachten Patienten abzuwiegeln.
Dazu heißt es in einem Schreiben der Ärztekammer
Nordrhein: „Die Ärztekammer Nordrhein ist bemüht,
Gutachter zu finden, die die neue Krankheit , Chronisches
Müdigkeitssyndrom` wissenschaftlich entkräften und die
äußerst teuren Diagnose- und Behandlungsmethoden widerlegen
können. Dieses Unterfangen hat sich als äußerst
problematisch herausgestellt. Wir möchten Ihnen jedoch
versichern, daß wir zusammen mit anderen zuständigen
Behörden und Gesellschaften versuchen werden, dieses,
Problem` in den Griff zu bekommen.“ [3 (S. 339)]
Hier schließt sich der Kreis zu Binz. Der wehrt sich im
Interesse seiner Patienten u.a. auch heftig gegen die
ärztliche Falschgutachterei. Eben die scheint aber auch
zum Programm der Medizinerbosse zu gehören. Nimmt
es da wunder, dass die Ärztekammer gegen Binz zu Felde
zieht?
...und zum Dritten!
Schließlich liegt es nahe, dass dem Medizinbetrieb
grundsätzlich nicht eben daran gelegen ist, das öffentliche
Bewusstsein für Umwelterkrankungen zu schärfen und
damit auch die Prävention solcher Gesundheitsschäden zu
fördern. Eine Vielzahl von Erkrankungen in den Industrienationen
ist schadstoffbedingt. Krankheit aber ist die
Geschäftsgrundlage der Medizin, an einer gesunden Bevölkerung
verdient sie nicht. Im deutschen Gesundheitswesen
könnte ein zweistelliger Milliardenbetrag eingespart
werden, wenn die Belastung durch Chemikalien
signifikant reduziert würde, schätzen Experten [5] ; zig
Milliarden Euro, auf die die Medizinindustrie verzichten
müsste. Warum sollte sie also über Umweltrisiken
informieren, vorbeugende Maßnahmen in Industriebetrieben
sowie eine vernünftigere Umweltpolitik einfordern
und last not least: Aufklärern und Samaritern wie Dr.
Binz applaudieren? Die Medizin ist –entgegen ihrer Propaganda
–kein Wohltätigkeitsverein, sondern ein knallharter
Geschäftsbetrieb. Das Wohl von Patienten wird
häufig wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen
der Medizinbranche geopfert [1, 4, 6].
Vor diesem Hintergrund erscheint die abwehrende, gar
aggressive Haltung der ärztlichen Standesorganisationen
gegenüber dem engagierten Umweltmediziner Dr. Binz
verständlich. Ein Philanthrop wie Binz stört wohl die
Macht- und Wirtschaftspolitik des Medizinestablishments.
Anwalt der Mächtigen
Und was ist mit der Staatsanwaltschaft los? Warum
ignoriert sie einerseits das Rechtsbegehren von Umweltgeschädigten
und ist andererseits Großkopfeten der
Medizinerkaste eilends zu Diensten?
Whistleblower haben für uns die zum Teil (sehr) dunklen
Ecken dieser Behörde ausgeleuchtet. Spätestens seit den
enthüllenden Publikationen von Erich Schöndorf, dem
Staatsanwalt a.D., haben wir es schwarz auf weiß, was
wir seit langem ahnten: Die deutsche Justiz paktiert
vielfach mit den Mächtigen in Staat und Gesellschaft
und versagt sich den einfachen Bürgern, die keine Lobby
haben. Der Justizapparat ist absolut systemkonform,
apolitisch, feige und servil [8] –und das heißt auch: gewissenlos.
Ihre Richtschnur ist die herrschende Meinung,
die bekanntlich die Meinung der Herrschenden ist. Deren
Interessen werden vornehmlich durchgesetzt. Die eigentliche
Aufgabe von Staatsanwälten und Richtern, verantwortungsbewusst
und verständnisvoll die Probleme einer
Gesellschaft zu regeln unter dem Aspekt ökonomischer,
sozialer und politischer Gerechtigkeit, bleibt oft auf
der Strecke.
Bezogen auf den Umweltsektor bedeutet das folgendes:
In ihrer Abhängigkeit von der Politik (die Staatsanwaltschaft
ist an die Weisung des Justizministers gebunden
–von wegen Gewaltenteilung!) unterwirft sie sich –in
nicht bekanntem, weil nicht erforschten Ausmaß –bis
zur Rechtsbeugung den Interessen des Systems. Und
die sind: Macht und Profit. Umweltdelikte haben immer
einen wirtschaftlichen Grund, denn Umwelt- und
Gesundheitsschutz bzw. entsprechende Schäden kosten
Geld, das Ignoranten sparen wollen. Die Wirtschaft aber
ist in diesem Lande – spätestens seitdem sie die Standortfrage
listig ins Spiel brachte –eine heilige Kuh. Und
die wird unter keinen Umständen angerührt, geschweige
denn geschlachtet. Egal, wie sehr uns die Industriebosse
vergiften, verstrahlen, verseuchen, die politische
Klasse wirft sich ihnen ergeben zu Füßen und buhlt um
deren Gunst und Gnade, man möge doch bitte in deutschen
Landen bleiben und nicht ins Ausland abwandern
(wo der Kapitalismus noch ungezügelter sein Unwesen
treiben kann). Parlamente und Regierungen buckeln und
die Justiz rutscht vor der Wirtschaftsmacht auf Knien.
Je wirtschaftsfreundlicher ein Staatsanwalt und Richter
handelt, desto größer die Chance, auf der Karriereleiter
voranzukommen.
Deshalb wohl reagiert die Staatsanwaltschaft nicht auf die
Vergiftungsanzeigen von Dr. Binz. Deshalb wohl springen
die Staatsdiener beflissen den gegen Dr. Binz vorgehenden
Ärztefunktionären zur Seite. Schließlich ist der
medizinisch-industrielle Komplex, sprich:
das Gesundheitswesen, der größte Wirtschaftszweig [2]
und ein riesiger Machtfaktor hierzulande. Da ist man
doch gern zu Willen und zu Diensten.
CSN Newsletter Dezember 2006
Die Defensive
Eines ist sicher: Wenn die jüngste Aktion der Ärztefunktionäre
gegen Dr. Binz tatsächlich als Diffamierungskampagne
gedacht war, so ist sie gründlich fehlgeschlagen.
Binz hat an Popularität nicht verloren, sondern sogar
noch gewonnen. Die Patienten stehen hinter ihrem
Doc und trommeln für ihn. Ihre Wut auf die Etablierten,
von denen sie in die Pfanne gehauen wurden, ist groß.
Ebenso groß ist die Dankbarkeit gegenüber Binz, der
ihnen aus dem Schlamassel zu helfen versucht.
In diesem Sinne haben sie einiges in Gang gesetzt: Die
Medien berichten über den Fall, eine Solidaritätsliste ist
in Umlauf, Politiker haben sich in den Fall eingeschaltet,
Staatsanwaltschaft und KV werden mit Hunderten
von Anfragen auf Trab gehalten usw. Die Initiative der
Patienten, inzwischen unterstützt von Ärzten und Wissenschaftlern,
wird weitergehen. Dazu gehört vor allem auch,
auf die Transparenz des Verfahrens zu achten*.
Dr. Binz arbeitet derweil unbeirrt weiter. Der Nonkonformist
hat viele Attacken ausgehalten und ist zuversichtlich,
auch den jüngsten Angriff zu überstehen.
Fazit
Der Fall und dessen Hintergründe zeigen, dass vermeintlich
so ehrbare Institutionen wie die Medizin und
die Strafjustiz vielfach mit einer skrupellosen Industrie
paktieren, wodurch industriell verursachte Schäden bei
Mensch und Umwelt weiter Bestand haben bzw. potenziert
werden. Der Fall zeigt auch, wie wichtig Zivilcourage
und Wehrhaftigkeit in unserer Gesellschaft sind, um
sich und andere vor diesem Unrecht zu schützen. Öffentlichkeit
herzustellen, ist dabei das wichtigste Instrument.
In diesem Sinne kann man auf die nächsten Kapitel des
Falles Binz gespannt sein.
Bei CSN - Chemical Sensitivity Network gibt es
Informationen zum Fall und die Möglichkeit, sich
an der Solidaritätsliste für Dr. Binz zu beteiligen.
Quellen:
1. Blüchel, K. G.: Heilen verboten, töten erlaubt –Die organisierte Kriminalität im Gesundheitswesen, C.
Bertelsmann Verlag, München 2003
2. Der Spiegel 27/2001, S. 22
3. Lanz, H.: Zweiklassenrecht durch Gutachterkauf, Zeitschrift für Rechtspolitik mit ZRP-Gesetzgebungs-
Report 9/1998
4. McTaggart, L.: Was Ärzte Ihnen nicht erzählen –Die Wahrheit über die Gefahren der modernen Medizin,
SENSEI Verlag, Kernen 2000
5. Raum & Zeit 128/2004, S. 17
6. Ruesch, H.: Die Pharma-Story –Der große Schwindel, F. Hirthammer Verlag, München 1995
7. Schöndorf, E.: ROOTS oder: Veränderungen beginnen in den Köpfen, in: Bultmann, A., F. Schmithals
(Hrsg.):Käufliche Wissenschaft, Knaur, München 1994, S. 376
8. Schöndorf, E.: Strafjustiz auf Abwegen –Ein Staatsanwalt zieht Bilanz, Fachhochschulverlag, Frankfurt/
Main 2001
9. Vollborn, M., V. Georgescu: Die Gesundheitsmafia –Wie wir als Patienten betrogen werden, S. Fischer
Verlag, Frankfurt/Main 2005
10. Wassermann, O.: Fälschung und Korruption in der Wissenschaft, in: Bultmann, A., F. Schmithals
(Hrsg.):Käufliche Wissenschaft, Knaur, München 1994
11. Wassermann, O.: Prostitution in der Wissenschaft, Vortrag bei der Veranstaltung: Wissenschaftler am
Tropf der Wirtschaft? –Die soziale und ökologische Verantwortung von Wirtschaft, Politik, Justiz, Medien