Hier der 9. Teil (4. Teil Psychosomatik), der möglicherweise viel Ehrlichkeit zu sich selbst erfordert...
3.2.3 Welchen Sinn können selbsterzeugte Krankheiten haben?
Nachdem in dem vorhergehenden Kapitel 3.2.1 deutlich wurde, daß unser Körper
Krankheiten fördern kann und in Kapitel 3.2.2 erklärt wurde, wie der menschliche
Geist auf den Körper und seine Gesundheit Einfluß nehmen kann, soll in diesem
Kapitel der Sinn des Ganzen ergründet werden.
Welchen Sinn könnte es haben, daß unser Bewußtsein eine Krankheit zuläßt? Hier
einige Beispiele: a) Man möchte einer Situation des Alltags ausweichen. b) Man
möchte in einem Konflikt mit anderen Personen Vorteile haben. c) Man möchte sich
persönlich weiterentwickeln und benutzt dazu u.a. die Krankheiten.
zu a) Man möchte einer Situationen Alltags ausweichen. Diese Deutung ist
trivial, aber durchaus wichtig; wer krank ist, kann am Alltag nicht teilnehmen.
Dafür kann es viele Gründe geben, zum Beispiel kann man einer Prüfung ausweichen
wollen, oder man möchte einfach nur Zeit gewinnen. Manchmal haben wir zu wenig
Zeit, um schwierige Entscheidungen zu treffen. Möglicherweise drängt es aber
innerlich zu dieser Entscheidung, so daß der Körper erkrankt, damit Zeit und
Ruhe sich von selbst ergeben. Chronische Krankheiten können auch stets eine
Ausrede sein, um an gewissen Veranstaltungen nicht teilnehmen zu müssen.
zu b) Man möchte in einem Konflikt mit anderen Personen Vorteile haben.
Krankheit ist manchmal ein Machtkampf. Wer krank ist, darf Rücksicht verlangen
und kann aus dieser Position heraus Forderungen stellen. Auch alte, kranke
Menschen benutzen die Krankheit vielleicht zu einem gewissen Teil dazu, um sich
der Aufmerksamkeit der Familie zu versichern. Auch für Bettler kann eine
Krankheit einen gewissen Nutzen haben, in dem sie auf Mitleid hoffen dürfen.
Allgemein kann sich ein kranker Mensch durch seine Krankheit in den Mittelpunkt
stellen, was dem Ego natürlich gut gefällt: Man wird zum Beispiel zu einem
"unüberhörbaren" sozialen Element, wenn man sich ständig räuspern muß.
zu c) Man möchte sich persönlich weiterentwickeln und benutzt dazu u.a. die
Krankheiten. Dieses Konzept ist schon nicht mehr so trivial, weil es schon
einige Grundannahmen voraussetzt, damit man es verstehen kann. Als Beispiel für
ein solches Konzept dient das Buch "Krankheit als Weg" von T. Detlefsen und R.
Dahlke. Die beiden Autoren stellen ein recht ausgefallenes Welt- und
Menschenbild dar, welches an dieser Stelle in einigen Punkten kurz ausgeführt
werden soll {15,126f}.:
Das menschliche Bewußtsein ist polar (es unterscheidet zwischen gut und böse,
hell und dunkel, ...). Dies ermöglicht einerseits Erkenntnisfähigkeit,
andererseits macht es un-heil und un-vollkommen. Der Mensch ist krank. Krankheit
ist ein Ausdruck seiner Unvollkommenheit und innerhalb der Polarität
unvermeidbar. Da kein Mensch die Polarität überwunden hat, kann sich auch kein
Mensch wirklich gesund nennen; psychische und damit körperliche Spannungen gibt
es immer.
Das Kranksein des Menschen äußert sich in Symptomen. Symptome sind in die
Stofflichkeit gestürzte Schattenteile seines Bewußtseins. Mit Schattenteilen
sind Charakterelemente gemeint, die verdrängt werden. Ein im Bewußtsein nicht
gelebtes Prinzip erzwingt sich über den Umweg des körperlichen Symptoms seine
Daseins- und Lebensberechtigung. Damit kompensiert das Symptom der Krankheit
alle Einseitigkeiten. Das Symptom macht den Menschen ehrlich. Die
Selbstverleugnung wird nach außen hin aufgehoben. Heilung ist nur dadurch
möglich, daß der Mensch den im Symptom verborgenen Schattenteil sich bewußt
macht und integriert. Hat der Mensch das ihm Fehlende gefunden, wird das Symptom
überflüssig und der Mensch gesundet. Im Gegensatz dazu ist die medizinische
"Heilung" nur ein verdrängen von Symptomen. Heilung zielt auf Ganzwerdung und
Einheit ab. Der Mensch ist heil, wenn er sein wahres Selbst gefunden hat und
einsgeworden ist mit allem, was ist. In diesem Fall ist ein Mensch wirklich
spannungsfrei gesund. Die Krankheit zwingt den Menschen, den Weg zur Einheit
nicht zu verlassen, deshalb ist KRANKHEIT EIN WEG ZUR VOLLKOMMENHEIT.
Nach diesen abstrakten Prinzipien soll nun ein Beispiel folgen, um die acht
obigen Punkte besser zu verstehen: Angenommen, ein Mensch hat Hautprobleme,
speziell Akne. Was kann das bedeuten, wo liegt der Sinn versteckt?
I ) Der Mensch ist polar. In unserem Falle ist die Polarität "innen-außen" das
Problem, denn die Haut gilt als die Grenze zwischen der Innenwelt und der
Außenwelt.
II ) Der Mensch ist krank. Die Polarität scheint dem Menschen große Spannungen
zu bereiten, so daß sich eine Krankheit entwickeln kann.
III ) Das Kranksein äußert sich in Symptomen. In unserem Falle könnten sich zum
Beispiel soziale Abgrenzungsprobleme als ein Schattenaspekt der Psyche
darstellen. Die mangelnde Fähigkeit, dieses Problem zu erkennen und daran zu
arbeiten, führt zu äußerlichen Symptomen.
IV ) Da sich der betroffene Mensch nicht abgrenzen kann (er ist vielleicht ein
"Ja"-sager), wird diese Einseitigkeit durch den Körper kompensiert. Die Akne
sieht nicht schön aus und schafft, mit der nötigen Intensität, eine Distanz
zwischen diesem Menschen und seiner zu engen Umwelt.
V ) Das Symptom macht den Menschen ehrlich. Die Unfähigkeit der Abgrenzung kann
nicht länger geleugnet werden, der Konflikt tritt in voller Härte in Bild und
will nun bearbeitet werden. Vielleicht erfährt der betroffene Mensch mehr
Distanz zu seinen Mitmenschen, als es ihm eigentlich innerlich verlangt. Dadurch
entsteht ein Leidensdruck und damit der Wunsch, sich Gedanken zum Thema
Abgrenzung zu machen.
VI ) Eine bewußte Beschäftigung mit diesem Symptom ermöglicht es vielleicht
langfristig, daß der Betroffene ein sauberes, gesundes Verhältnis zum Thema
Abgrenzung bekommt (er kann auch "Nein" sagen), womit sich die Krankheit
erübrigt. Der Mensch ist ein Stück heiler.
VII ) Es tritt eine Heilung auf, ein Schritt zur Ganzwerdung in Hinsicht auf
eine vollständige Persönlichkeit.
VIII ) So gesehen war die Akne ein Mittel, um der Einheit zuzustreben. Die
Krankheit war ein Weg zur Vollkommenheit.
In ihrem Buch "Krankheit als Weg" stellen die Autoren einige Fragen, um zum
Beispiel bei Hautproblemen den un-heilen Menschen auf die richtige Fährte zu
führen: Grenze ich mich zu sehr ab? Wie steht es um meine Kontaktfähigkeit?
Steht hinter meiner ablehnenden Haltung der verdrängte Wunsch nach Nähe? Was ist
es, das die Grenzen durchbrechen will, um an die Sichtbarkeit zu kommen?
(Sexualität, Trieb, Leidenschaft, Aggression, Begeisterung) Was juckt mich in
Wirklichkeit? Habe ich mich in die Isolation verbannt?
Damit ist der Exkurs zum Thema "Welchen Sinn könnten selbsterzeugte Krankheiten
haben" abgeschlossen. Natürlich gäbe es noch eine Menge mehr zu berichten, aber
als erster Einblick sollten diese Ausführungen reichen. Insgesamt sollte
klarwerden, daß unser Geist die Fähigkeit und vielleicht auch die Intention hat,
unsere geistige und charakterliche Weiterentwicklung durch Krankheiten zu
fördern.Wir verlassen das Gebiet der modernen psychosomatischen Forschung und
widmen uns noch einigen Beispielen für die Wirkungen des Geistes auf den Körper.