Zu viel Lob ist kontraproduktiv

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Ich will die Eltern, die zu viel loben, nicht kritisieren, möchte jedoch darauf aufmerksam machen, dass zu viel Lob kontraproduktiv ist. Ein Kind, das jederzeit eine perfekte Leistung zeigen will, nimmt sich nicht die Zeit, eine Antwort auf eine Frage zu finden. Es gibt sofort auf, wird wütend und unglücklich. Dann rät es die Antwort, weil es glaubt, sie sofort wissen zu müssen. Es will nicht nur die ganze Zeit etwas leisten, sondern noch dazu etwas Perfektes. Ein Leben ohne Perfektion kann es sich nicht vorstellen. Wenn seine Eltern begreifen, dass alle ihr Lob dazu geführt hat, dass es nun Angst hat, Fehler zu machen, müssen Sie einräumen, mit den besten Absichten das Falsche gemacht zu haben.
Jesper Juul bei family.lab

Er war wirklich ein kluger Mann, der Jesper Juul.

Grüsse,
Oregano
 
Ich persönlich halte wenig von solchen Erziehungsratgebern. Ich denke, wenn die Eltern mit sich selbst im Reinen sind, worauf sie bedacht sein sollen, dann machen sies schon richtig, was die eigenen Kinder betrifft.

Mara
 
vieles von dem, was er schreibt, ist einleuchtend und im sinne der eltern UND der kinder. gerade in sachen erziehung kann es schon vorkommen, dass eltern an ihre grenzen stoßen und in manchen situationen ratlos sind. natürlich gibt es kein allgemeingültiges rezept, aber ein paar fundierte tipps von einer kompetenten person können schon sehr hilfreich sein. klar ist es wichtig in der erziehung, auch vieles nach eigenem gefühl und dem eigenen ermessen zu machen, aber vieles übernehmen wir ja von der vorherigen generation, die noch nicht ganz so aufgeklärt war, wie wir heute. es war nicht immer alles perfekt, also wieso soll man sich dahingehend nicht weiterbilden? zur heutigen zeit wird die psyche und die entwicklung der kinder besser aufgeschlüsselt, dadurch kann man schon einiges im Umgang lernen. wie oft hört man sätze wie: "Dein Kind (1,5J) macht das ja nur, um dich zu manipulieren, damit es seinen willen bekommt" - aha. also das ist einfach ein irrglaube, der sich hartnäckig hält. manche eltern tun sich leichter mit ihren kindern und brauchen vielleicht wirklich keine tipps, aber es gibt sicherlich genügend, die froh sind, einblicke zu erlangen. 100% perfekt kann niemand sein, aber ich reflektiere schon viel und möchte das verhalten der kinder verstehen. deshalb habe ich mir ein paar bücher von jesper juul zu gemüte geführt.
 
Jesper Juul, ist ein kluger Mann:), aber sorry, Oregano, ich habe solche Bücher nie gelesen und auch nicht das Bedürfnis verspürt.

Ich habe einfach gemacht bei meinen beiden Jungs....und versucht, die Fehler meiner Eltern nicht zu wiederholen, denn das Wort Lob habe ich als Kind kaum gehört, auch nicht in der Schule, ich war wohl ein wildes Kind.;)
Darum fiel es mir in meiner Arbeit mit Kindern nicht schwer zu loben, vielleicht auch mal zu viel, denn dabei war mein Antrieb meine eigenen Erfahrungen.

Liebe Grüße von Wildaster
 
Hallihallo,
Er war wirklich ein kluger Mann, der Jesper Juul.
Ja, schließe mich an. Konnte mir viel von ihm mitnehmen, probieren und einiges hat gut für uns funktioniert. :) 👍

Generell zum Thema Ratgeber vs. "intuitiv". Ich habe vor der Geburt 0 gelesen und mich immer damit getröstet/trösten lassen: wenn es mal da ist, werden die richtigen Instinkte geweckt und alles geht wie von selbst.
Tja... was soll ich sagen... 🥴
Kurzfassung: wenn ich die Uhr zurückdrehen könnte, würde ich es anders machen (und mich vorab besser informieren/einlesen und mich zB durch eine Hebamme begleiten lassen die ersten Wochen/Monate).

Ich war in so vielen Situationen völlig hilflos und musste mir im i-net Ideen und Lösungsansätze holen. Meine "erste Rettung" war dann die beste Osteopathin aller Zeiten (die war einer unserer wichtigsten Schutzengel der ersten Jahre), die meine Unsicherheit/Verzweiflung gespürt hat und lapidar meinte: "such Dir einfach Mamas, die es Deiner Meinung nach cool/gut machen, und schau Dir von ihnen ab wie es geht".
Simpel und doch so wirkungsvoll! 😳😊 (und genau SO hab ich es am Anfang gemacht. Bin froh, dass ich nicht wegen Stalking Ärger bekommen hab 🤣).

Man (ich) kommt sich extrem deppert vor, wenn man auf der einen Seite "gebildet" ist und dann so "natürliche" Dinge wie die Versorgung seines Minis einfach nicht und nicht "intuitiv stimmig" hinbekommt...

Und dann hab ich "es" gefunden - einen Artikel der mich verstehen und endlich wieder durchatmen gelassen hat 👍. Es ging um eine Affenmama (ich glaub Gorilla oder Orang Utan).
Die war nicht in der Lage, ihr erstes Baby zu stillen. Sie hat ihr Kleines immer verkehrt zur Brust gehalten (also Köpfchen von ihrem Körper - und somit von ihrer Brust - weggedreht).
Die "Lösung" - sie hatte einfach niemanden, bei dem sie es gelernt hat. (vor dem nächsten Kind hat man sie dann mit einer erfahrenen Mama zusammengespannt, und damit konnte sie ihr 2tes Kind dann alleine versorgen).
Also von wegen "Instinkt". Im Gegenteil - da geht es um viel Wissen, dass man durch Beobachtung (oder eben Recherche) bekommt. Aber nicht um angeborene Fähigkeiten.

Somit an all jene, die "instinktiv" wussten was gut ist - freu mich für euch 😊👍.
Ich gehe mal davon aus, dass ihr in eurem Umfeld Mütter (Freundinnen, Familienmitglieder) hattet, die ihr beobachten und von denen ihr lernen konntet.

In meinem Fall war weit und breit niemand (zu dem Zeitpunkt absolut kinderloser Freundeskreis (5 Sekunden "gulli-gulli" flöten war so das Maximum an Kompetenz das wir in dem Kontext alle mitgebracht haben...) und im Team dazu meine Mutter (die mit Säuglingen auch nix anfangen konnte und uns an Tanten und Babysitter weitergereicht hat, so oft es ging) sowie Schwiegermutter mit Tipps die nett gemeint waren, sich aber vielfach falsch angefühlt haben - ich hatte nur keine Lösung, die sich "richtiger" angefühlt hat.
Da waren durchaus gut gemeinte, allerdings viele überholte Tipps "von damals" - angefangen von Kind brüllen lassen/ja nicht zu oft hochnehmen, bis es einschläft (damit man es ja nicht verwöhnt :rolleyes:) bis hin zu Stillmilch sei schädlich/dürfe nur ganz kurz verwendet werden. Wenn die gut wäre, gäbe es doch wohl nicht die vielen "wissenschaftlich entwickelten" Milchprodukte für Säuglinge in Drogeriemärkten🥴. usw...

Fazit: ich bin DANKBAR für Menschen wie Jesper Juuls und die Webseite: "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn".
Diese hat mich vorm Wahnsinn gerettet.
Das meine ich wörtlich :cool:.
Den 2 BetreiberInnen bin ich ewig dankbar, dass sie sich die Zeit genommen haben ihre Erfahrung reflektiert niederzuschreiben. (Foren/Ratgeber gibt es unzählige. Und eben so viele Meinungen und Ansätze die sich widersprechen. Die "Wunschkind Webseite" war von der Stimmigkeit her/vom Gefühl her für mich immer so ein "nach Hause kommen". Da gab es kaum Widerstände in mir, wenn ich mir deren Lösungsansätze angeschaut, überlegt und durchprobiert habe. Einfach "auf meiner Linie"
(aus dem Grund mache ich auch gerne an dieser Stelle Werbung für ihre Bücher - die gab es "zu meiner Zeit" noch nicht. Aber allein ihre Blogartikel sind so toll und umfangreich (und kostenlos), dass die Bücher sicher auch sehr brauchbar sind)

Konkret zum Thema "Loben":
(wieder aus der Sicht: "könnte ich die Uhr zurückdrehen"), würde ich es heute so machen, dass ich "pauschales Lob" (prima! toll gemacht! bravo! Super! usw.) möglichst gegen 0 reduzieren würde und auf konkretes Feedback/bzw. "sehen, wahrnehmen, beschreiben" umsteigen würde.

Um "zu viel Lob" in den Worten meines Sohnes zusammenzufassen: "Ihr habt mir dauernd gesagt wie toll ich bin und wie toll ich alles machen kann. Dabei stimmt das gar nicht... Warum habt ihr mich so angelogen..." (seine Erkenntnis, nachdem er eingeschult wurde und seine erste Lehrerin eher von der Sorte "ned gschimpft is globt gnuag" war...)

Bzw. in den Jahren davor, "bin ich jetzt noch toller gerutscht als das letze Mal? "warum sagst Du nichts? Bin ich jetzt nicht super gelaufen (gesprungen, am Boden gerollt, hab mir den Saft aus dem Mundwinkel "toll" übers T-Shirt tropfen lassen...? usw...

Ein Artikel zum Thema "Loben", der für mich sehr stimmig ist:

Aus dem Artikel:
Als meine Tochter 4 Jahre alt war, musste sie ein bitteres Antibiotikum nehmen. Am dritten Tag nahm sie die Dosierspritze, prüfte, ob ich genau hinsehe und fragte dann erwartungsvoll: "Mama lobst Du mich, wenn ich das ganz tapfer nehme?" Das war schon das zweite oder dritte Mal, dass sie mich so etwas fragte und das irritierte mich irgendwie zutiefst.
GENAU so (somit einfordern von Lob in den skurrilsten Situationen) haben wir es auch erlebt.

Auch ein Punkt den sowohl Jesper Juuls als auch der verlinkte Artikel ansprechen: Lob wird in unserer Kultur oft zur Konditionierung verwendet. Wenn wir brav/lieb/gut/fleissig sind, werden wir gelobt.
Somit erfolgt Belohnung, wenn wir "gehorchen" und "produktiv" sind und "ruhig" (=brav) sind...
(Soll ich mein Kind jetzt loben, wenn er ohne zu murren völlig sinnentleerte Hausaufgaben macht? Oder soll ich ihn loben, wenn er massiv auf Widerstand geht, weil ihm 100te andere Sachen einfallen, die viel kreativer und sinnvoller sind und er daher die Aufgaben verweigert?)

Und schon ist der Grundstein gelegt, damit wir auch als Erwachsene "brav" und "gut" sein wollen (und "solidarisch") - Masken tragen, uns impfen lassen etc... Weil wir wollen ja zu den "Guten" gehören...

Schwierig - für mich - da einen "richtigen" Weg zu gehen.

lg togi
 
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