In der schwierigsten Zeit meines Lebens (Totgeburt, Scheidung) bekam ich von meiner Schwägerin den Rat, meine Energie nicht an Selbstmitleid zu verschwenden. Da machte es in mir „klick“-, und wurde der wertvollste Rat. Ich startete einen radikalen Neuanfang, lernte einen neuen Partner kennen, mit dem ich nun 51 Jahre verheiratet bin. Wir bekamen zwei wunderbare Kinder, kauften ein Haus und haben vier Enkel. Trotz gesundheitlicher Probleme, Krebs, Diabetes, Herzklappenstenose, zunehmende Altersschäden habe ich es immer vermieden, mir selbst leid zu tun. Ich sehe jede neue Schwierigkeit als Herausforderung, mit ihr fertig zu werden. Im Rückblick sehe ich alle Stolpersteine auf dem Lebensweg positiv.
Also Mitleid ja, Selbstmitleid lieber nicht. Es lähmt da, wo Kraft erforderlich wäre.

Ja, ich mache das auch nicht. Ich schaue immer nach vorn.

Trotzdem stehe ich zu dem, was ich schrieb. Ich meinte mehr einfach, dass man sich einfach eine Selbstfürsorge/ ein "sich selbst trösten" zukommen lässt. Dass das nicht ausufern soll ist klar - aber vorübergehend kann das heilsam sein. Auch die Kirche gibt Trost. Wenn es die sonstige Gesellschaft nicht tut. Allerdings habe ich gerade da wirklich auch ganz schlechte Erfahrungen immer mal wieder gemacht.

Gibt es davon genug? Nein - eben nicht...in ärmeren Ländern sind manchmal die Menschen mehr füreinander da - bei uns ist dafür keine Zeit:

 
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Ich sehe jede neue Schwierigkeit als Herausforderung, mit ihr fertig zu werden. Im Rückblick sehe ich alle Stolpersteine auf dem Lebensweg positiv.
Also Mitleid ja, Selbstmitleid lieber nicht. Es lähmt da, wo Kraft erforderlich wäre.
Ich finde es gut, dass Du das deutlich als persönliche Erfahrung schilderst.

Meine Haltung ist, nicht darüber zu urteilen, wenn jemand anders etwas (das garnichts mit mir zu tun hat) nicht gut hinbekommt. Jeder von uns (oder fast jeder?) bekommt irgend etwas nicht gut hin, eventuell sein ganzes Leben lang - warum auch immer. Als sehr existienzielles Beispiel z.B. den Umgang mit der eigenen Sterbephase - ich habe da sehr Unterschiedliches gesehen im Umfeld. Die, die es hinbekommen, können darüber froh sein. Und helfen zu können, indem man "einfach nur" zuhört, kann man ja auch als Ehre empfinden. Natürlich hat das (z.B. zeitliche) Grenzen der eigenen Kraft und Motivation.

Es hat mir zu denken gegeben, beim Treffen einer lokalen Regionalgeld- bzw. "Leistungstausch-"Initiative zu hören, dass manche auch einfach "Zuhören" anbieten. Es scheint nicht mehr selbstverständlich zu sein in unserer (gehetzten) Zeit.

Aber ist Selbstmitleid wirklich Gift für unsere Seele und lähmt sie uns wirklich?
Die Frage ist gut... ich meine, es hängt auch davon ab, was eben konkret damit gemeint ist. Tiere lecken sich auch ihre Wunden, bevor sie (wenn's geht) weiter machen.
Selbstmitleid auch hilfreich sein kann, nämlich dann, wenn es einem dabei unterstützt, in belastenden Situationen mitfühlend mit sich selbst umzugehen.
Du schreibst einmal von Selbstmitleid und dann von "mitfühlend", also Selbstmitgefühl (was natürlich ein Wortungetüm und nicht gebräuchlich ist). Viele definieren das auch unterschiedlich. Empathie gäb's auch noch als die distanziertere, professionelle Variante. Ohne diese wären Berufe im "Seelsorge-"Bereich wohl nicht möglich, aber vielleicht kann man das sogar auf sich selbst anwenden (noch nicht drüber nachgedacht; allerdings mache ich momentan regelmäßig eine geführte Meditation mit Anna Trökes, die irgendwie in diese Richtung geht).

Mich hat die Abkehr vom Selbstmitleid zu weiterem Handeln befreit. Die Haltung: „Warum musste das ausgerechnet mir passieren?“ brachte mir nichts. Ich konnte nun mein Leben befreit gestalten. Die vergangenen unguten Jahre betrachtete ich als Lernzeit, um in einer neuen Ehe Fehler zu vermeiden. (...)
Dies nur als Beispiel,...
Bewunderswert. Und auch hier finde gut, dass Du es deutlich als Deine Erfahrung kennzeichnest, die nicht auf alle übertragbar sein muss.
 
Ich hoffe, dass ich diese Haltung in den kommenden Jahren beibehalten kann. Ich war heute beim Kardiologen. Mit meinem Herzen sieht es nicht so gut aus. Ich muss damit rechnen, dass meine Kraft in den nächsten Jahren nachlässt. Dabei braucht mich mein Mann zunehmend. Das ist eine Herausforderung an meinen Optimismus. Aber ich bin fest entschlossen, am Käse nicht nur die Löcher zu sehen.
 
Ich finde gut, wenn man in seinem Bekannten- und Freundeskreis alles ansprechen darf und nicht nur mit Erfolgen prahlen oder mit positiver Ausstrahlung über seine Schwierigkeiten hinweggeht. Das Argument, dass man immer auf die Dinge schauen soll, die gut laufen, habe ich schon zu oft gehört und hat mich schon so manches Mal gekränkt.

Viele finden anscheinend in der Kirchengemeinde Unterstützung. Allerdings muss man da auch reingewachsen sein, wohlmöglich von Kindesbeinen darin sozialisiert sein. Die Art der Sprache ist für mich so ungewohnt, dass sie mich nur trauriger macht und ich in schlechten Zeiten da nicht hingehen würde. Eher würde ich die Ruhe oder die Natur suchen, im Internet recherchieren oder Podcast hören.
 
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