Die Milch macht’s unwirksam
Die Patienten dürfen Ciprofloxacin und Norfloxacin grundsätzlich nicht zusammen mit calciumhaltigen Nahrungsmitteln wie Milch oder Milchprodukten einnehmen. Bei gleichzeitiger Einnahme wird die antimikrobielle Wirksamkeit vermindert und die Therapie unwirksam. Die in den Milchprodukten enthaltenen Calciumionen bilden mit beiden Arzneistoffen schwer resorbierbare Chelate. Je nachdem, wie viel Milch der Patient zum Frühstück trinkt, kann die Bioverfügbarkeit von Ciprofloxacin (in Ciprobay®) um 15 bis 30 Prozent sinken, ein milchfreies Frühstück hat hingegen keinen Einfluss auf die Therapie.
Unter den Gyrasehemmern reagiert Norfloxacin (in Norflox®) am stärksten auf Calcium-Ionen: In Abhängigkeit von der Menge vermindern Milch oder Joghurt die Bioverfügbarkeit um mindestens 40 Prozent. Die generelle Einnahmeempfehlung für die beiden Chinolone lautet daher: Ciprofloxacin- oder Norfloxacin-haltige Präparate immer mit einem Glas Leitungswasser einnehmen, denn auch Mineralwässer können erhebliche Mengen an Calcium- und Magnesiumionen enthalten. Mit Calcium angereicherte Fruchtsäfte sollten die Patienten ebenfalls meiden. Bis der Patient ein Milchprodukt genießen darf, müssen mindestens zwei Stunden nach der Einnahme des Ciprofloxacin- oder Norfloxacin-haltigen Präparats vergangen sein oder anders herum betrachtet: Frühestens vier Stunden nach dem Genuss eines Milchprodukts darf er den Gyrasehemmer einnehmen. Im Unterschied zu diesen beiden Arzneistoffen beeinflussen Milchprodukte die Absorption anderer Chinolone, zum Beispiel Enoxacin (Enoxor®), Ofloxacin (Tarivid®), Moxifloxacin (Avalox®), Levofloxacin (Tavanic®) oder Fleroxacin (Quinodis®), nicht in klinisch relevantem Ausmaß.
Anders als bei den Calcium-Ionen in Milchprodukten bilden alle zu den Chinolonen gehörigen Substanzen mit polyvalenten Kationen Chelate, wodurch die Wirkung abgeschwächt wird. Allerdings ergibt sich auch hier eine Abstufung der Stärke der Wechselwirkung: Ciprofloxacin, Norfloxacin und Enoxacin (in Enoxor®) sind von dieser Interaktion am stärksten betroffen. Fleroxacin (in Quinodis®) scheint nur in einem geringen Maß Chelate zu bilden. In der Konsequenz ergibt sich daraus der folgende Zusammenhang: Wie stark die Resorption eines Gyrasehemmers gehemmt wird, hängt erstens von der Arzneisubstanz, zweitens von der Art und Menge der polyvalenten Kationen und drittens vom Abstand zwischen den Einnahmen ab.
Um die Wechselwirkung zu verhindern, wird empfohlen, einen möglichst großen Abstand zwischen den Einnahmen der beiden interagierenden Arzneimittel einzuhalten. In der Regel sind das mindestens zwei Stunden nach beziehungsweise vier Stunden vor der Chinoloneinnahme.
Fallbeispiel
Frau Mayer, die keine Hausapothekenkundin ist, legt der PTA eine Verordnung über Ciprobay® Uro Filmtabletten vor. Die 36-jährige Frau ist verärgert, da sie in zwei Tagen nach Ibiza in den Urlaub fliegt und sich am Wochenende im Freibad noch die Blase entzündet hat. Zusätzlich zu dem verordneten Chinolon möchte sie Calcium-Sandoz® forte 500 mg Brausetabletten kaufen. Sie erzählt, dass sie die Brausetabletten zurzeit regelmäßig einnimmt, um einer möglichen Sonnenallergie entgegenzuwirken.
Beim Einscannen der beiden Präparate zeigt die Software eine mittelschwere Interaktion an. In der Interaktionsmonographie der ABDA-Datenbank findet die PTA unter Maßnahmen Folgendes: Es wird empfohlen, einen möglichst großen Abstand zwischen der Einnahme des Gyrasehemmers und des Mineralstoffpräparates einzuhalten. Möglichst vier Stunden vor und zwei Stunden nach der Einnahme von Ciprofloxacin.
PTA-Forum online: Interaktionen: Polyvalente Kationen beeinflussen Gyrasehemmer
Es geht also darum, Milchprodukte oder auch Calcium-Tabletten getrennt und in möglichst großem Abstand zu den Gyrasehemmern zu nehmen, um deren Wirkung nicht zu bremsen.
Gruss,
Uta