Sokrates - Ich weiß, dass ich nicht weiß!
Athen:
Sokrates
Zur Person
Wer genau Sokrates war und was er exakt gedacht hat, ist nicht bekannt, denn es ist nicht ein schriftlicher Satz von ihm überliefert.
Fest steht, dass er in Athen geboren wurde, dort lebte und auch starb.
Das meiste, was heute Sokrates zugeschrieben wird, ist durch Platon, seinen Schüler, der selbst ein bedeutender Philosoph war, überliefert. Es existiert eine Personenbeschreibung, nach der er klein, dick und „unansehnlich“ gewesen sei. Sein „Inneres“ aber sei „vollkommen herrlich“ gewesen.
Überlieferung durch Platon
Platon verfasste viele so genannte „Sokratische Dialoge“, das heißt philosophische Zwiegespräche, in denen e3r Sokrates mit anderen Zeitgenössischen Persönlichkeiten reden ließ.
Was Sokrates davon wirklich gesagt hat, ist heute nicht mehr ermittelbar.
Daher ist es heute nicht leicht, Sokrates Lehre von der seines Schülers Platon zu unterscheiden.
Letztendlich ist es heute kaum von Bedeutung, zu wissen, wer Sokrates wirklich war. Denn seine entscheidende Wirkung auf das westliche Denken ist durch das Bild entstanden, das Platon von ihm gezeichnet und überliefert hat.
Die sokratische Methode
Ein wesentlicher Bestandteil von Sokrates Wirken war, dass er die Menschen nicht belehrte, sonder den Eindruck vermittelte, von seinen Gesprächspartnern zu lernen.
Seine Methode war also nicht die des schulmeisterlichen Frontalunterrichts sondern die Gesprächsführung.
Sokrates stellte im Dialog Fragen, mit denen er „Einsichten zur Geburt verhalf“ (seine Mutter soll Hebamme gewesen sein und diese Aussage wird ihm zugeschrieben).
Sokrates stellte die These auf, dass „wirkliche Erkenntnis“ von Innen kommen müsse. Sie könne nicht aufgepfropft oder übernommen werden. Nur von Innen kommende Erkenntnis sei wirklich Einsicht.
Ich glaube, wir können es uns vorstellen, dass er meinte, „wirkliche Erkenntnisse“ seien die Einsichten, die man durch eigenes Denken – auch Über- und Durchdenken, gewinnt.
Humanistisches Menschenbild
Sokrates wird die Aussage zugeschriebnen, dass philosophisches Denken ebenso natürlich sei, wie die Fähigkeit, Kinder zu bekommen. Alle Menschen seien zum philosophischen Denken in der Lage.
Sokrates „philosophisches Projekt“
Sokrates Methode bestand im Stellen von Fragen.
Der Gegenstand seiner Philosophie war nicht der der Naturphilosophen, die auch als „Vorsokratiker“ bezeichnet werden. Er war ein Zeitgenosse der Sophisten und beschäftigte sich – wie sie – mit dem Menschen und dem Leben der Menschen. Er hat seine Zeitgenossen bewegt, über Leben und Sitten, wie die Frage nach Gut und Böse, nachzudenken.
Anders als die Sophisten, die vorrangig als (fahrende) Lehrer auftraten, betrachtete Sokrates sich als Philo – Soph. Als „Liebhaber der Weisheit“. Also als jemanden, der danach strebt, Weisheit zu erlangen.
Ein echter Philosoph ist, nach Sokrates, jemand, der erkennt, dass er wenig weiß und das „stört“ ihn. Also strebt er nach mehr Wissen, nach „echter Einsicht“.
Fragen können sehr viel Bewegung erzeugen. Ich merke es zum Beispiel daran, wie ich „in Bewegung gerate“, wenn zum Beispiel meine Tochter mir Fragen stellt, die ich mit meinem bisschen Wissen beantworten soll.
Fragen können demzufolge auch gefährlich sein, zum Beispiel für (politische) Systeme, wie wir an Sokrates Schicksal, weiter unten, sehen werden.
Es gibt immer wieder grundlegende, oft schwierige Fragen, die die Menschheit beschäftigen. Drei Reaktionsweisen sind darauf möglich
a) die erste ist es, so zu tun, als wisse man alle Antworten
b) die zweite ist es, mit Gleichgültigkeit zu antworten („wozu muss ich das wissen“) und c) die dritte Reaktionsmöglichkeit kann sein, weiter zu fragen und nach Antworten, also nach neuem Wissen zu suchen.
Die Aussage, über das Bedürfnis Fausts, im Drama des Geheimrates
„…zu wissen, was die Welt
Im Innersten zusammen hält“, drückt meines Erachtens diese dritte Herangehensweise aus und ist, meiner Ansicht nach, zutiefst sokratisch.
Folgende Kernsätze lassen sich als sokratische Leitgedanken zusammenfassen:
„Richtiges Erkennen führt zu richtigem Handeln. Wer weiß, was gut ist, wird auch das Richtige tun. Nur wer das richtige tut, wird zum richtigen Menschen. Wenn wir falsch handeln, dann weil wir es nicht besser wissen. Darum ist es wichtig, unser Wissen zu vermehren!“
Sokrates ging es darum, allgemeingültige Definitionen für Recht und Unrecht zu finden.
Die Fähigkeit, Recht und Unrecht zu unterscheiden, liege in der Vernunft des Menschen, nicht in der Gesellschaft. Natürlich könne man leben, ohne das Richtige zu tun. Aber das Wissen um das (eigene) falsche Handeln mache, so Sokrates, den Menschen unglücklich.
Der unbequeme Denker
Die Haltung des „Nichtwissens“, bzw. das „sich dümmer stellen als man wirklich ist“, wird noch heute als „sokratische Ironie“ bezeichnet.
Nicht selten gab er seine – oft prominenten Gesprächspartner – in aller Öffentlichkeit, der Lächerlichkeit preis.
Sokrates wird die Bemerkung zugeordnet, das Athen wie eine träge Stute sei und er wie eine Bremse, die ihr in die Flanke steche, um ihr Bewusstsein wach zu halten.
Er stellte dar, dass er eine „göttliche innere Stimme“ höre, der er folge.
So kommentierte er auch öffentlich politische Vorgänge in Athen. Sokrates protestierte zum Beispiel gegen die Todesstrafe und gegen die Denunziation (und Verfolgung) von politischen Gegnern.
Schlussendlich wurde der Philosoph angeklagt, die Jugend mit aufrührerischen Gedanken zu verderben.
Sokrates hätte Athen verlassen und sein Leben retten können.
Aber er verteidigte sich öffentlich und versicherte zum Beispiel, nur zum Wohle des athenischen Volkes zu handeln.
Er wurde zum Tode verurteilt und starb, bekanntermaßen, durch den Schierlingsbecher.
Heute wird gesagt, ihm seien sein Gewissen und „die Wahrheit“ wichtiger gewesen, als sein Leben.
Gelegentlich werden Parallelen zwischen dem Leben und Sterben von Sokrates und Jesus von Nazareth gezogen (beide haben gelehrt, von beiden gibt es keine direkten schriftlichen Hinterlassenschaften, beide starben für ihre Überzeugung eines gewaltsamen Todes).
Herzliche Grüße von
Leòn