Epiktet IV
LIEBER SCHWEIGEN (33)
Gib endlich deiner Persönlichkeit ein dauerhaftes Gepräge, das du bewahrst, ob du nun für dich allein oder mit anderen zusammen bist.
Schweige meistens oder sprich nur das Notwendige und das nur mit wenigen Worten. Selten aber und nur, wenn die Umstände dich zum Reden veranlassen, rede, aber nicht über die üblichen Themen, über Kämpfe in der Arena, über Pferderennen, Athleten, Essen und Trinken, die Allerweltsthemen. Vor allem sprich nicht über andere Leute, weder tadelnd, noch lobend oder sie vergleichend. Wenn du es schaffst, so lenke das gemeinsame Gespräch durch deinen Beitrag auf einen wertvollen Gegenstand. Bist du aber allein unter Freunden, so schweige lieber.
Lach nicht zu oft, nicht über zu viele Dinge und nicht ungehemmt.
Einen Eid mußt du ganz ablehnen, falls es geht; ist das nicht möglich, soweit es geht.
Lehne Einladungen bei Andersgesinnten und philosophisch Ungebildeten ab. Sollte es aber einmal unumgänglich sein, stell dich voll darauf ein, daß du niemals das Benehmen solcher Leute annimmst. Denn sei dir darüber im klaren: Hat man einen verkommenen Freund, so muß man, wenn man engen Umgang mit ihm pflegt, ebenso verkommen, auch wenn man selbst unverdorben ist.
Die körperlichen Bedürfnisse, wie Essen, Trinken, Kleidung, Wohnung und Bechenung, befriechge nur so weit, wie es unbechngt notwendig ist. Aber meide ganz, was äußeren Glanz verleiht oder dem Luxus dient.
In geschlechtlicher Hinsicht übe vor der Ehe größtmögliche Zurückhaltung. Wenn du dich dennoch darauf einläßt, so bleibe im Rahmen des gesetzlich Erlaubten. Beschimpfe und tadle auf jeden Fall nicht diejenigen, die sich dem Geschlechtsgenuß hingeben. Erzähle auch nicht überall, daß du dies nicht tust.
Wenn dir jemand mitteilt, dir sage jemand Böses nach, dann rechtfertige dich nicht, sondern antworte: «Er kannte wohl meine anderen Fehler nicht; denn sonst würde er nicht nur diese hier erwähnen.»
Es ist nicht nötig, häufig zu den öffentlichen Spielen zu gehen. Wenn sich einmal die Gelegenheit dazu ergibt, dann zeige dich für niemanden besonders interessiert außer für dich selbst, das heißt habe nur den Wunsch, daß alles so abläuft, wie es abläuft, und laß den Sieger Sieger sein. So gerätst du nämlich nicht aus der Fassung.
Verzichte ganz darauf zu schreien, über jemanden zu lachen oder dich zu sehr aufzuregen. Und wenn alles zu Ende ist, unterhalte dich nicht zu lange über das, was geschehen ist, soweit es nicht zu deinem eigenen Vorteil ist. Denn ein solches Verhalten zeigt, daß das Schauspiel deine Bewunderung hervorgerufen hat.
Zu den öffentlichen Autorenlesungen geh nicht unüberlegt und ohne innere Bereitschaft. Gehst du aber hin, so bewahre deine Würde und Zurückhaltung und sorge dafür, daß du niemandem lästig wirst.
Wenn du die Absicht hast, jemanden zu treffen, vor allem wenn es sich um eine hochgestellte Persönlichkeit handelt, dann stell dir vor, was Sokrates und Zenon in dieser Situation getan hätten, und du wirst genau wissen, wie du die Situation angemessen meistern kannst.
Wenn du einen mächtigen und bedeutenden Mann aufsuchen mußt, dann mach dir klar, du wirst ihn zu Hause nicht antreffen, man läßt dich nicht vor, die Tür wird dir vor der Nase zugeschlagen oder er wird dich Oberhaupt nicht beachten. Und wenn du trotzdem hingehen mußt, dann geh, nimm hin, was kommt, und sag dir nicht: «Das hat sich nicht gelohnt!» Denn das bewiese eine unphilosophische und verkehrte Einstellung gegenüber den äußeren Dingen, Wenn du mit anderen Menschen zusammen bist, vermeide es, zu ausführlich und zu ausgiebig von deinen eigenen Leistungen und Problemen zu reden. Denn wenn es dir Spaß macht, von deinen Abenteuern zu erzählen, so bedeutet dies nicht, daß auch die anderen gern hören, was du überstanden hast. Verzichte auch darauf, Witze zu reißen. Denn ein derartiges Verhalten wirkt schnell gewöhnlich und fülhrt dazu, daß deine Mitmenschen die Achtung vor dir verlieren.
Gefährlich ist es auch, in ein Gespräch über unanständige Dinge verwickelt zu werden. Wenn derartiges geschieht, dann weise denjenigen, der es so weit hat kommen lassen, zurecht, falls die Situation es zuläßt. Sollte dir das aber unmöglich sein, so zeige wenigstens durch dein Schweigen, dein Erröten und deine finstere Miene, daß dir die Worte mißfallen.
LUSTGEFÜHLE (34)
Wenn du dir eines Lustgefühls bewußt wirst, dann hüte dich wie bei allen anderen Eindrücken, dich von ihm überwältigen zu lassen. Laß vielmehr die Sache nicht gleich an dich heran. Halte dich noch ein Weilchen zurück. Dann denke an die beiden Augenblicke, wo du die Lust genießt und wo du sie genossen hast, aber alles bereuen wirst und dir Vorwürfe machst. Und halte dagegen, wie du dich freuen und mit dir selbst zufrieden sein wirst, wenn du dich zurückgehalten hast.
Hältst du es aber für angebracht, dich auf die Sache einzulassen, so achte darauf, daß dich ihre Verlockung, ihr Reiz und ihre Anziehung nicht überwältigen. Denk stattdessen daran, wieviel schöner es ist, sich bewußt zu sein, einen Sieg errungen zu haben.
LASS DICH NICHT BEIRREN (35)
Wenn du erkannt hast, daß du etwas Bestimmtes tun mußt, und es dann auch tust, dann scheue dich nicht, dabei gesehen zu werden, auch wenn die Mehrheit dazu neigt, schlecht darüber zu denken. Denn wenn das, was du vorhast, Unrecht ist, dann laß es sein. Wenn das aber nicht der Fall ist, warum fürchtest du die Leute, die dich zu unrecht tadeln ?
ANSTAND WAHREN (36)
Wie die beiden Sätze «Es ist Tag» und «Es ist Nacht» sehr sinnvoll sind, wenn sie nicht miteinander verbunden sind, aber keinen Sinn ergeben, wenn sie miteinander verknüpft sind, so mag es zwar auch für den Körper gut sein, sich beim Essen das größte Stück zu nehmen; im Blick auf die in Gesellschaft notwendige Zurückhaltung und Bescheidenheit ist dieses Benehmen jedoch würdelos. Wenn du also bei jemandem zum Essen eingeladen bist, denk daran, nicht nur den Wert der aufgetragenen Speisen im Auge zu haben, sondern auch gegenüber dem Gastgeber Anstand und Zurückhaltung zu zeigen.
ÜBERFORDERT?(37)
Falls du eine Rolle übernimmst, die deine Kräfte übersteigt, so machst du keine gute Figur und hast außerdem das versäurnt, wozu du eigentlich fähig gewesen wärst.
VORSICHTIG SEIN (38)
Wie du beim Gehen darauf achtest, daß du nicht in einen Nagel trittst oder dir den Fuß verstauchst, so nimm dich auch davor in acht, daß das leitende Prinzip in dir keinen Schaden nimmt. Und wenn wir diese Regel bei jeder Handlung einhalten, dann werden wir mit größerer Sicherheit an die Sache herangehen.
DAS RICHTIGE MASS (39)
Bei jedem Menschen ist der Körper ein Maß für den Umfang seines materiellen Besitzes wie der Fuß für den Schuh. Wenn du dich von diesem Prinzip leiten läßt, dann wirst du das richtige Maß einhalten. Wenn du es aber überschreitest, dann wirst du eines Tages unweigerlich in den Abgrund stürzen. Es ist wie beim Schuh: Wenn du einmal den Fuß als natürliches Maß überschritten hast, dann bekommst du zuerst einen vergoldeten, dann einen purpurnen und schließlich einen gestickten Schuh. Denn wenn du erst einmal das Maß überschritten hast, dann gibt es keine Grenze mehr.
DIE MÄDCHEN (40)
Die Mädchen werden, wenn sie vierzehn geworden sind, von den Männern «Damen» genannt. Und wenn sie sehen, daß sie keine andere Aufgabe haben, als Bettgenossinnen der Männer zu sein, fangen sie an, sich schön zu machen und darauf all ihre Hoffnung zu setzen. Es ist also angebracht, ihnen bewußt zu machen, daß sie nur dann geehrt werden, wenn sie bescheiden und zurückhaltend sind.
KÖRPER UND GEIST (41)
Es ist ein Zeichen mangelhafter Begabung, wenn man sich zu ausgiebig mit körperlichen Dingen beschäftigt, zum Beispiel: wenn man zuviel Sport treibt, zuviel ißt, zuviel trinkt, zu oft zur Toilette rennt, um sich zu entleeren, und zu oft den Beischlaf ausführt. Statt dessen sollte man diese Dinge nur nebenbei tun, und die ganze Fürsorge sollte auf die Entfaltung deiner Vernunft gerichtet sein.
«ES SCHIEN IHM EBEN RICHTIG SO» (42)
Wenn dir jemand etwas Böses antut oder schlecht über dich redet, denke daran, daß er dies tut oder sagt, weil er glaubt, er müsse es tun. Es ist doch nicht möglich, daß er tut, was du für richtig hältst, sondern was ihm richtig erscheint. Daraus folgt, daß auch er den Schaden hat, wenn er die Dinge falsch sieht. Denn er ist es, der sich irrte. Denn auch wenn jemand eine richtige Verknüpfung von Aussagen für falsch hält, schadet das der Verknüpfung nicht, sondern nur dem, der sich geirrt hat. Wenn du das bedenkst, wirst du nachsichtig gegenüber dem, der dich beschimpft. Sag dir nämlich immer: «Es schien ihm eben richtig so.»
JEDES DING HAT ZWEI HENKEL (43)
Jedes Ding hat zwei Henkel. An dem einen kann man es anfassen, an dem anderen nicht. Wenn dir dein Bruder unrecht tut, dann packe ihn nicht bei seinem Unrecht - denn an diesem Henkel läßt er sich nicht anfassen -, sondern lieber an dem anderen Henkel, der besagt, dag er dein Bruder ist und mit dir aufwuchs; dann wirst du ihn dort packen, wo er sich fassen läßt.
UNVEREINBARE AUSSAGEN (44)
Folgende Aussagen sind unvereinbar: «Ich bin reicher als du - also bin ich dir überlegen. Ich kann besser reden als du - also bin ich dir überlegen.» Folgende Aussagen passen besser zusammen: «ich bin reicher als du - also ist mein Besitz größer als dein Besitz. Ich kann besser reden als du also bin ich ein besserer Redner als du.» Du selbst bist doch weder dein Besitz noch deine Redekunst.
NICHT ZU VOREILIG URTEILEN (45)
Jemand wäscht sich eilig. Sag nicht: er wäscht sich schlecht, sondern: er wäscht sich eilig. Jemand trinkt viel Wein. Sag nicht: das ist schlecht, sondern: er trinkt viel. Denn bevor du dir deine Meinung bilden kannst - woher weißt du denn, ob er schlecht handelt? So wird es dir nicht passieren, daß du von einigen Dingen eine richtige Vorstellung gewinnst, anderen aber unüberlegt deine Zustimmung gibst.
NICHT REDEN, HANDELN (46)
Nenn dich niemals einen Philosophen und sprich mit den Leuten auch möglichst nicht über philosophische Überzeugungen, sondern handle danach. Ebenso sag während eines Gastmahls nicht, wie man essen muß, sondern iß, wie es sich gehört. Denn erinnere dich, daß Sokrates so vollständig auf äußere Selbstdarstellung verzichtete, daß die Leute zu ihm kamen und ihn baten, sie mit Philosophen bekannt zu machen, und er sie weiterempfahl. So leicht fiel es ihm, übersehen zu werden. Und wenn unter gewöhnlichen Leuten die Sprache auf irgendein philosophisches Thema kommt, schweige, so gut es geht. Denn die Gefahr ist groß, daß du gleich wieder etwas hervorbringst, was du noch nicht verdaut hast. Und wenn jemand zu dir sagt, daß du nichts weißt, und du dich dadurch nicht verletzt fühlst, dann wisse, daß du einen Anfang gemacht hast. Denn auch die Schafe bringen ihr Futter nicht zu ihrem Hirten, um ihnen zu zeigen, wieviel sie gefressen haben; sie verdauen vielmehr ihre Nahrung und liefern dann Wolle und Milch. So bring auch du keine philosophischen Oberzeugungen unter die Leute, sondern zeig Taten, nachdem du die Lehren der Philosophen verarbeitet hast.
NICHT PRAHLEN (47)
Wenn du deinen Körper an ein einfaches Leben gewöhnt hast, dann prahle nicht damit. Und wenn du nur Wasser trinkst, dann sage nicht bei jeder Gelegenheit, daß du nur Wasser trinkst. Wenn du dich im Ertragen von Strapazen üben willst, dann tue das für dich und nicht vor anderen. Umarme nicht die kalten Standbilder in aller Öffentlichkeit, sondern wenn du einmal furchtbaren Durst hast, nimm einen Schluck kaltes Wasser, spuck es wieder aus und erzähle das niemandem.
WER AUF DEM RICHTIGEN WEG IST (48)
Zustand und Charakter eines Durchschnittsmenschen: Niemals erwartet er Nutzen oder Schaden von sich selbst, sondern nur von den äußeren Umständen. Zustand und Charakter eines Philosophen: er erwartet allen Nutzen und allen Schaden von sich selbst.
Kennzeichen eines Menschen, der auf dem richtigen Weg ist: er rügt niemanden, lobt niemanden, tadelt niemanden, macht niemandem Vorwürfe, spricht nicht von sich selbst, als ob er etwas sei oder etwas wüßte. Wenn er durch irgend etwas behindert oder gestört wird, macht er sich selbst Vorwürfe. Und wenn ihn jemand lobt, lacht er im Stillen über den, der ihn lobt. Und wenn ihn jemand tadelt, verteichgt er sich nicht. Er bewegt sich wie ein Kranker und paßt auf, daß er nicht etwas bewegt, was noch nicht richtig in Ordnung ist.
Jedes Verlangen hat er verdrängt. Seine Ablehnung gilt allein den widernatürlichen Dingen, die in unserer Macht stehen. Allem gegenüber übt er größte Zurückhaltung. Es macht ihm nichts aus, wenn er als einfältig oder töricht gilt. Mit einem Wort: Wie einen Feind, der ihm ständig auflauert, beobachtet er sich selbst voll Argwohn.
THEORIE UND PRAXIS (49)
Wenn jemand stolz darauf ist, daß er die Schriften des Chrysipp versteht und erklären kann, dann sprich zu dir selbst: «Wenn Chrysipp nicht schwer verständlich geschrieben hätte, dann hätte ich nichts, worauf ich stolz sein könnte. » Was aber will ich? Ich will die Vernunftnatur erkennen und ihr folgen. Ich frage daher, wer sie mir erklärt; und da ich gehört habe, daß Chrysipp es tut, wende ich mich an ihn. Aber ich verstehe seine Schriften nicht. Also suche ich jemanden, der sie mir erklärt. Bis jetzt besteht noch kein Grund, stolz zu sein. Wenn ich aber einen gefunden habe, der sie mir erklärt, dann bleibt nur noch die Aufgabe, die Lehren auch anzuwenden. Nur darauf kann man stolz sein. Wenn ich aber nur die Auslegung bewunderte, dann wäre ich höchstens ein Philologe, aber kein Philosoph. Der Unterschied wäre nur, daß ich statt Homer Chrysipp interpretierte. Daher erröte ich noch mehr, sobald jemand zu mir sagt: «Lies mir aus Chrysipp vor», wenn ich nicht in der Lage bin, die Taten aufzuweisen, die den Worten entsprechen.
VORSÄTZEN TREU BLEIBEN (50)
Bleibe deinen Vorsätzen wie gewöhnlichen Gesetzen treu in der Oberzeugung, daß du eine gottlose Tat begehst, wenn du sie mißachtest. Was man auch über dich sagt - kümmere dich nicht darum; denn das ist nicht mehr deine Sache.
WIE LANGE WARTEST DU NOCH? (51)
Wie lange willst du noch damit warten, dich zu dem höchsten moralischen Ziel zu bekennen und auf keinen Fall gegen die Vernunft zu handeln, die die richtige Unterscheidung ermöglicht? Du hast die philosophischen Lehren empfangen, die du anerkennen mußt, und du hast sie anerkannt. Auf welchen Lehrer wartest du jetzt noch, um ihm die Aufgabe anzuvertrauen, deine moralische Besserung herbeizuführen? Du bist kein Kind mehr, sondern ein erwachsener Mann. Wenn du jetzt nachlässig und leichtsinnig bist, immer nur einen Vorsatz nach dem anderen faßt und es von einem Tag auf den anderen schiebst, an dir arbeiten zu wollen, dann wirst du, ohne es zu merken, keine Fortschritte machen, sondern als Durchschnittsmensch weiter dahinleben, bis du stirbst. Entschließe dich endlich, wie ein erwachsener Mann zu leben, der auf seinem Weg vorankommt; und alles, was dir als das Beste erscheint, sei dir ein unverbrüchliches Gesetz. Auch wenn dir etwas Beschwerliches oder Angenehmes, Ruhmvolles oder Ruhmloses begegnet, denke daran, daß es jetzt zu kämpfen gilt und daß die olympischen Spiele angefangen haben und es nicht mehr möglich ist, etwas aufzuschieben, und daß es von einem einzigen Tag und einer einzigen Tat abhängt, ob der Fortschritt bestehen bleibt oder zusammenbricht.
Auf diese Weise wurde Sokrates so, wie er war, indem er bei allem, womit er zu tun hatte, auf nichts anderes achtete als auf die Vernunft. Du aber, auch wenn du noch kein Sokrates bist, solltest so leben, als ob du einer sein wolltest.
AUF DIE PRAXIS KOMMT ES AN (52)
Der erste und notwendigste Bereich der Philosophie umfaßt die Anwendung ihrer Lehren, wie zum Beispiel nicht zu lügen. Der zweite handelt von den Beweisen: Hier geht es zum Beispiel um die Frage, aus welchem Grund man nicht lügen darf. Der dritte bezieht sich auf die Begründung und Gliederung dieser Beweise; dabei wird zum Beispiel gefragt: Wie kommt es, daß dies ein Beweis ist? Wodurch ist es denn ein Beweis? Was ist eine logische Folgerung? Was ist ein Widerspruch? Was ist wahr? Was ist falsch? Der dritte Bereich ist notwendig wegen des zweiten und der zweite wegen des ersten. Der wichtigste, mit dem man sich vor allem befassen soll, ist der erste. Wir machen es aber genau umgekehrt. Denn wir verbringen unsere Zeit mit dem dritten Bereich, und ihm gilt unser ganzer Eifer. Den ersten aber vernachlässigen wir völlig. Deshalb lügen wir. Wie man aber beweist, daß man nicht lügen darf, ist uns vertraut.
SICH DEM SCHICKSAL FÜGEN (53)
Bei jeder Gelegenheit müssen wir uns folgendes vergegenwärtigen: «Ach, Zeus, und du, mein Schicksal, führt mich an den Platz, der mir einst von euch bestimmt wurde. ich werde folgen ohne Zögern. Wenn ich aber nicht wollte, wäre ich ein feiger Schwächling und müßte euch trotzdem folgen. » - «Wer sich dem unausweichlichen Schicksal auf rechte Weise fügt, gilt bei uns als weise und kennt das Göttliche" . » - «Nun, mein Kriton, wenn es den Göttern recht ist, soll es so geschehen". » «Anytos und Meletos können mich zwar töten, aber schaden können sie mir nicht. »[/I]