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Nicht allein gegen die Mafia / HWS-Vortrag von Prof. Beyer und Dr. Montazem
Hallo zusammen,
vor einigen Wochen war in Hamburg ein von dem Netzwerk alternativer Therapeuten HANDS ON organisierter Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe "Schleudertrauma kontrovers".
Die Radiologen Prof. Dr. Hans Konrad Beyer (Upright-MRT Köln), Dr. Thorsten Schulze (Upright-MRT Hannover) und der Neurochirurg Dr. Abbas Montazem waren angetreten, um von ihren Erfahrungen bzw. Forschungen zu berichten: Hands On Hamburg
Ich möchte Euch diesbezüglich an meinen Erinnerungen, Aufzeichnungen und Gedanken teilhaben lassen. Entschuldigt bitte die Unstrukturiertheit, aber ich habe v.a. das mitgeschrieben, was mich interessiert. Legt die von mir hier wiedergegebenen Daten bitte nicht auf die Goldwage, da ich nach der Anreise schon etwas schlapp war.
Der Vortrag war von ca. 30-40 Menschen besucht, darunter Therapeuten des Veranstalters Hand On, wohl auch andere Mediziner / Therapeuten, Juristen und Patienten. Moderiert wurde der Abend von Dr. Michael Kerneck von Hands On. Die Vorträge wurden im Rahmen der ärztlichen Fortbildung anerkannt.
Prof. Dr. Beyer ist ein emeritierter Prof., ca. 68 Jahre alt und arbeitet / forscht seit ca. 3 Jahren intensiv auf dem Gebiet HWS-Trauma. Er ist Betreiber des ersten MRT-Gerätes, das den Genickbereich bei physiologischen Kopfbewegungen untersuchen kann (in Köln), und habe ca. 200 Menschen diesbezüglich mit diesem Gerät untersucht.
Nach Prof. Beyer seien HWS-Traumata / cervico-encephale Syndrome faktisch von großer Bedeutung. Vor Gericht würde dies aber nahezu immer negiert. Ca. 10 % von verkehrsunfallbedingten HWS-Traumata persistierten. Davon würden nur 10% sich trauen zu klagen, wovon ca. 80% abgelehnt würden. Bei der Ablehnung würden 80% mit der Begründung psychiatrisch krank und 20% degenerative Abnutzung abgelehnt. Die Begründung, dass eine psychische / psychiatrische Störung aufgrund des Unfalls vorliege, müsste rechtlich eigentlich wie ein körperlicher Unfallschaden gewertet werden, da ein Schädiger auch für psych. Schäden haftet. Das werde aber so kaum gemacht. Es werde gutachterlicherseits zum einen oft argumentiert, dass bereits vor dem Unfall eine psychisch-psychiatrische Störung vorgelegen haben soll, auch wenn diese vorher nicht aufgefallen ist bzw. dokumentiert wurde. Zum anderen sei es ein häufig gebrauchtes Argumentationsmuster, dass gutachterlicherseits gesagt würde, dass die Verunfallten ja offensichtlich psychisch-psychiatrisch gestört sein müssten, da sie nicht einmal einen Bagatellunfall, bei dem keine schwer wiegendenkörperlichen Schäden festgestellt werden könnten, seelisch verkraften könnten.
Prof. B. meinte, dass die faktischen Gutachterstrukturen fast mafiös seien.
Somatische Schäden seien i.d.R. im Upright-MRT und ggf. in weiterführenden statischen MRT-Untersuchungen bei einer sehr guten Auflsösung heutzutage sehr gut nachweisbar. Deshalb sei es grotesk, dass wenn solche Schäden gefunden werden, diese vor Gericht kaum Gewicht hätten.
In der Schweiz sei etwa 2 Wochen vor diesem Vortrag ein Urteil ergangen, dass aufgrund der noch bestehenden wissenschaftlicher Unsicherheiten bildgebende Verfahren grundsätzlich vor Gericht nicht mehr berücksichtigt werden sollen. Damit hätte Geschädigte i.d.R. gar keine Möglichkeiten mehr, faktisch vorhandene Schäden zu beweisen.
Die auch bei uns extrem geringe Anerkennungsrate sei zuletzt auch politisch gewollt, da nur so die unrealistisch geringe Höhe von Versicherungsbeiträgen gehalten werden könne.
Bei Unfällen ist v.a. ein überraschender Heckaufprall gefährlich, da dann die Nackenmuskeln nicht angespannt sind, und noch gefährlich ein seitlicher Aufprall. Ist der Kopf beim Aufprall auch noch gedreht erhöht sich das Risiko einer schweren Verletzung. Betroffen ist dann v.a. das gestreckte Band der Lig. Alaria.
Geschwindigkeit und Schadensgröße korrelieren nicht, auch nicht unbedingt das Maß der sichtbaren Verletzung mit den Symptomen. Auch nur "kleine" Verletzungen können ein vielfältiges und schweres Kranksheitsbild auslösen.
Da nur bei ca. 1% diese Verletzungen sofort tödlich sin, ist diese Art von Verletzung kaum per Obduktion überprüfbar.
Anatomisch handelt es sich um 4 vollständige Gelenke um den dens, die jeweils eigene Bursae (Schleimbeutel), Kapsel, Synovia haben.
Ca. 4-8 Wochen nach dem Unfall ist der Schaden (dann auch rechtlich) auf den konkreten Unfall zurückzuführen (sichtbare Flüssigkeit).
Viele Verletzte ließen erst nach vielen Jahren ein Upright-MRT machen. Dann konnten die Schäden nicht mehr zweifelsfrei auch den Unfall zurückgeführt werden, da eine frische Verletzung nur ca. 4-8 Wochen zweifelsfrei auf einen bestimmten Unfall zurückzuführen ist.
Im Bereich der Lig. Alaria sind auch einige / viele anatomische Varianten möglich. In seltenen Fälle könnten auch völlig gesunde Menschen mit anatomischen Besonderheiten Symptome bei Extrembewegungen haben.
Bei Verunfallten ist der Rückenmarkskontakt beim Nicken wesentlich häufiger als beim Biegen des Kopfes nach hinten.
Aktuell könnte eine Bewegung angestoßen worden sein, dass auch GKVs ein Upright-MRT tragen würden, um nach Aussteuerung seitens der Unfallkassen nicht auf dem Schaden sitzen zu bleiben. In einem Einzelfall sei dies Prof. Beyer im Gespräch mit einer GKV gelungen. Er hofft, dass sich hier ein solcher Trend etablieren könnte, da die Krankenkassen sehr wohl ahnen, welche enormen Folgekosten ein HWS-Trauma machen kann. Prof. B. sieht hier, wenn es so kommt, eine ganz große Chance für Patienten, dass überhaupt erst einmal wissen, was sie wirklich haben.
Eine Hirnbeteiligung ist meistens auch mit dabei. Laut Dr. Kerneck von Hands On zeigt sich dies durch ein schlechtes Schlafen seit dem Unfall.
Brennpunkt der Debatte sei, dass für die med. Anerkennung Kliniker eine Instabilität fordern. Dies stimmt nach Prof. Beyer aber nicht. Nur 1/3 sind wirklich instabil, aber dennoch trotzdem verletzt. Oft ist es "nur" eine Zerrung. Für eine echte Instabilität fordert Prof. Beyer 6 Kriterien, die ich leider nicht mitschreiben konnte. Prof. Beyer verwies hier auf Hawkins / Fielding. Für mich war interessant, dass ich selbst m.W. keines dieser 6 Kriterien erfülle, obwohl Dr.V. bei mir eine Instabilität diagnostiziert hat.
Für die Gelenke sei, um eine Verdachtsdiagnose des Upright-MRTs in einen eindeutigen Nachweis zu überführen, zusätzlich eine statische Untersuchung mit einem 3,0 Tesla-Gerät notwendig.
Für die Untersuchung der Gelenkflächen sei vielleicht ein CT noch besser.
Woher die Muskelatrophie kommt ist oft nicht sicher: Führt die Irritierung / das Zerreißen der Nerven zu dem Muskelschaden / der Atrophie oder die Schonung aufgrund der Schmerzen?
Prof. verfüge über ein Erfahrungsspektrum von ca. 200 Untersuchungen in 3 Jahren. (In Klammern gesagt: Dr. Volle, der in dem Vortrag m.E. manchmal in Nebensätzen und zwischen den Zeilen dezent kritisiert worden zu sein scheint, sagte mir im letzten Jahr, dass er mit damals ca. 4000 Untersuchten weltweit am meisten Erfahrungen habe.)
Statistisch sah Prof. B.:
Totalruptur der Lig. Al. 4%
Teilruptur der Lig. Al. mit tanzendem dens; also Instabilität ca. 12 %
In den meisten Fällen liege nach Prof. B. eine "Mikroinstabilität", aber keine echte Instabilität vor. Ich vermute, dass Prof. B. sich hier von Dr. Volle abgrenzen möchte, obwohl dieser Name in diesem Zusammenhang nicht fiel. Ob es hier nur um den akademischen Streit darum geht, welchen Namen das Kind bekommen soll, oder ob gravierende Unterschiede zwischen einer Instabilität im Sinne Dr. Volles oder einer Mikroinstabilität im Sinne Prof. Beyers bestehen, vermag ich nicht zu sagen.
Die weiteren Differenzierungen konnte ich leider nicht mitschreiben. Auch mir nicht klar, ob Prof. B. hierzu die Ergebnisse der anschließend von ihm vorgestellten Studien zusammengerechnet hat oder ob er sich auf die Statistik seiner eigenen ca. 200 Unterschungen bezieht.
Die vor Gericht noch immer wichtige Einteilung von Schweregraden nach Erdmann sei wissenschaftlich schon längst überholt und wurde von ihm selbst auch nicht star gesehen, was Gutachter aber gern weglassen.
Eine Harmlosigkeitsgrenze bzgl. der Geschindigkeit gibt es nicht. Der Versuch, bei dem junge gesunde Probanden mit verbundenen Augen unter Beschallung von Rockmusik im Autoscooter gerammt und bei denen keine Schäden etc. nachgewiesen wurden, wurde von Institutionen mit einseitigem Interesse finanziert. Die Probanden wussten, dass jederzeit ein Unfall erfolgen kann. Deshalb sei dies beispielsweise mit einem Heckaufprall, bei dem der Unfall für den Vordermann völlig überraschend kommt und seine Nackenmuskel deshalb nicht angespannt sind, überhaupt nicht zu vergleichen. In einem Fall habe ein kluger Richter nachgefragt, wer diesen Versuch finanziert habe, was dann für den Richter entscheidend war, dieses Argument für die Harmlosigkeitsgrenze nicht anzuerkennen.
Prof. Beyer stellte einige wichtige Studien vor (ich stelle die Namen mal rein, auch wenn ich mich teilweise bestimmt verschrieben haben werde; wenn Ihr es nachrecherchiert könnt Ihr die richtige Schreibweise bitte hier posten):
Krakenis: sehr gute Forschungen
Swenson 1998
Panjabi / Crauer: sehr gut
Krafft 2002
Bogduk
Quinn
Ito: argumentiere ähnlich wie Kuklinski: Nervenenden werden gereizt
Elliot
Keidel
Krakenis (2006): Sei die einzig wirklich validierte Studie (Spine: Volume 31, Jahrgang ?)
Das Upright-MRT in Köln sei ein 0,6 Teslagerät, sei aber besser /schärfer als ein normales 1,0 Tesla-Gerät.
Er zeigte und erklärte sehr viele Verletzungsmöglichkeiten an Beispielbildern.
So konnte er eindeutig die Folgen nachweisen, als ein Manualtherapeut "brüsk" versucht hatte, den Schiefhals eines Mädchens zu richten. Der ehemalige Schiefhals sei dann zwar gerade gewesen, allerdings habe das Mädchen die dadurche entstandene Verletzung einer Vertebralarterie mit schwerer Blutung nur knapp überleben können.
Nachdem es auch Prof. Beyer naturgemäß nicht unbegrenzt gelingen konnte, nach knapp 2 Stunden das drohende Ende seines Vortrags immer wieder erneut hinauszuzögern, erwachten die weggeschnarchten Betroffenen allmählich zu neuem Leben und es ergab sich eine kurze, knackige Diskussion.
Ein im Pubklikum anwesender Neurootologe begrüßte Prof. Beyer als Mitstreiter im nun gemeinsamen Kampf gegen die Mafia. Im Unterschied zu Prof. Beyer, der wiederholt etwa von quasi mafiösen Strukturen, Verhältnissen beinahe wie bei organisierter Kriminalität und dergleichen sprach, fehlten diese sprachlichen Einschränkungen bei dem Neurootologen.
Letzterer beklagte, dass der von ihm offensichtlich sehr geschätzte Dr. Volle von einem sehr großen deutschen Versicherungskonzern wegen angeblicher Falschbegutachtung zivilrechtlich weggedrückt und weggeklagt worden sei.
Es sei ungerecht, dass jemand in einem Urteil trotz eindeutiger Befundung durch Dr. Volle und ihn selbst vor Gericht verloren hatte. Mein Eindruck war, dass dieser Arzt Untersuchungen durch Dr. Volle und ihn selbst für das absolute Nonplusultra hält.
Besonders kritisiert wurde der Gutachter Dr. C., der eigenlich ein ganz guter Arzt und ziemlich anerkannt sein soll, allerdings habe er wohl noch nie einen HWS-Patienten behandelt und auch keine diesbezüglichen Bilder zu lesen gelernt. Die Versicherungen würden sich um seine HWS-Gutachten reißen, doch leider würde er aufgrund seiner fehlenden Erfahrung im HWS-Bereich fast nie irgendwas Auffälliges finden können. Außerdem kenne er sich auch mit der Forschungsliteratur kaum aus. Prof. B. meinte, dass er immerhin ein guter Verlierer sei. So habe er ihm, nachdem Prof. B. jüngst einen Richter vom faktisch vorliegenden Krankheitsbild des Klägers überzeugen konnte, fair gratuliert. Herr Dr. C. sei sehr beindruckt gewesen, was Prof. B. alles wisse.
Versicherungen würden oft bestimmten Ärzten ganze Pakte von Begutachtungen zusichern (10 im Monat oder 60-100 im Jahr). Diese Ärzte würden sehr gut daran verdienen, bräuchten keine Patienten mehr zu behandeln und nur darauf achten, dass sie diese Pakete auch weiterhin bekämen.
Prof. B. meinte, dass für einen eindeutigen Nachweis einer Verletzung der Lig. Al. und auch der Lig. Transversa ein statisches 3,0 Tesla MRT weltweit am besten ist. Dies sei sicherer als ein Upright-MRT. Dann sei der Schaden aber absolut eindeutig bewiesen.
Für Haftungsklagen nach Unfällen solle man unbedingt solche Rechtsanwälte nehmen, die medizinisch super Ahnung haben. Davon gebe es in Deutschland leider nur 3-4. "Normale" Anwälte würden meist über den Tisch gezogen. Zum einen weil sie den Sachverhalt medizinisch nicht ansatzweise überblicken könnten, zum anderen weil sie nicht wirklich mit solch eigentlich kriminellen Gutachterstrukturen rechnen würden,wie sie faktisch seien.
Wenn man nach dem Unfall schlecht schlafen kann, sei dies ein Indiz für eine Hirnstammschädigung.
Die bisher höchste Abfindung nach einem Unfall mit 500.000 € habe eine Hamburger Jura-Studentin bekommen, die in Hamburg bei einer Karusell-Fahrt schwer verletzt worden sei. Bei einem Karusell, das explosionsartig senkrecht nach oben beschleunigt, habe sie kurz davor gemerkt, dass ein Schnürsenkel offen ist. Da sie ihn vor Fahrtbeginn zubinden wollte, beugte sie sich etwas seitlich nach unten zum Schuh. Dies sei eine ganz gefährliche Position auch bei Auffahrunfällen, wenn man beispielsweise gerade im Handschufach kramt oder was vom Boden aufheben will (nach unten gebeugt, schräge / seitliche Kopfposition). In diesem Moment schoß das Karusell ohne Vorwarnung nach oben, was zu einem sehr schweren Genickschaden führte. Wohl zur Überraschung aller Anwesenden, sagte Dr. Montazem, dass er die Dame operiert, aber keinen Kontakt mehr habe und nicht wisse, wie es ihr aktuell gehe.
Der Radiologe Dr. Schulze / Upright-MRT Hannover trug durch seine positive, beinahe jugendliche Ausstrahlung und v.a. durch sein Feingefühl, nach der doch etwas erschöpfenden Anatomie-Vorlesung nicht noch einen weiteren Vortrag über HWS-MRTs anzuschließen, ganz wesentlich zum Erfolg des Abends bei.
Nachdem ich mir also den inneren Angstschweiß von der Stirn wischen konnte, begann der Neurochirurg Dr. Abbas Montazem seinen locker-flockigen Vortrag, indem er sich als "der Schrauber von Schwaben" (so der Titel eines Spiegel-Artikels aus dem letzten Jahr) vorstellte.
---------
demnächst schreibe ich hier weiter
LG Karolus
Hallo zusammen,
vor einigen Wochen war in Hamburg ein von dem Netzwerk alternativer Therapeuten HANDS ON organisierter Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe "Schleudertrauma kontrovers".
Die Radiologen Prof. Dr. Hans Konrad Beyer (Upright-MRT Köln), Dr. Thorsten Schulze (Upright-MRT Hannover) und der Neurochirurg Dr. Abbas Montazem waren angetreten, um von ihren Erfahrungen bzw. Forschungen zu berichten: Hands On Hamburg
Ich möchte Euch diesbezüglich an meinen Erinnerungen, Aufzeichnungen und Gedanken teilhaben lassen. Entschuldigt bitte die Unstrukturiertheit, aber ich habe v.a. das mitgeschrieben, was mich interessiert. Legt die von mir hier wiedergegebenen Daten bitte nicht auf die Goldwage, da ich nach der Anreise schon etwas schlapp war.
Der Vortrag war von ca. 30-40 Menschen besucht, darunter Therapeuten des Veranstalters Hand On, wohl auch andere Mediziner / Therapeuten, Juristen und Patienten. Moderiert wurde der Abend von Dr. Michael Kerneck von Hands On. Die Vorträge wurden im Rahmen der ärztlichen Fortbildung anerkannt.
Prof. Dr. Beyer ist ein emeritierter Prof., ca. 68 Jahre alt und arbeitet / forscht seit ca. 3 Jahren intensiv auf dem Gebiet HWS-Trauma. Er ist Betreiber des ersten MRT-Gerätes, das den Genickbereich bei physiologischen Kopfbewegungen untersuchen kann (in Köln), und habe ca. 200 Menschen diesbezüglich mit diesem Gerät untersucht.
Nach Prof. Beyer seien HWS-Traumata / cervico-encephale Syndrome faktisch von großer Bedeutung. Vor Gericht würde dies aber nahezu immer negiert. Ca. 10 % von verkehrsunfallbedingten HWS-Traumata persistierten. Davon würden nur 10% sich trauen zu klagen, wovon ca. 80% abgelehnt würden. Bei der Ablehnung würden 80% mit der Begründung psychiatrisch krank und 20% degenerative Abnutzung abgelehnt. Die Begründung, dass eine psychische / psychiatrische Störung aufgrund des Unfalls vorliege, müsste rechtlich eigentlich wie ein körperlicher Unfallschaden gewertet werden, da ein Schädiger auch für psych. Schäden haftet. Das werde aber so kaum gemacht. Es werde gutachterlicherseits zum einen oft argumentiert, dass bereits vor dem Unfall eine psychisch-psychiatrische Störung vorgelegen haben soll, auch wenn diese vorher nicht aufgefallen ist bzw. dokumentiert wurde. Zum anderen sei es ein häufig gebrauchtes Argumentationsmuster, dass gutachterlicherseits gesagt würde, dass die Verunfallten ja offensichtlich psychisch-psychiatrisch gestört sein müssten, da sie nicht einmal einen Bagatellunfall, bei dem keine schwer wiegendenkörperlichen Schäden festgestellt werden könnten, seelisch verkraften könnten.
Prof. B. meinte, dass die faktischen Gutachterstrukturen fast mafiös seien.
Somatische Schäden seien i.d.R. im Upright-MRT und ggf. in weiterführenden statischen MRT-Untersuchungen bei einer sehr guten Auflsösung heutzutage sehr gut nachweisbar. Deshalb sei es grotesk, dass wenn solche Schäden gefunden werden, diese vor Gericht kaum Gewicht hätten.
In der Schweiz sei etwa 2 Wochen vor diesem Vortrag ein Urteil ergangen, dass aufgrund der noch bestehenden wissenschaftlicher Unsicherheiten bildgebende Verfahren grundsätzlich vor Gericht nicht mehr berücksichtigt werden sollen. Damit hätte Geschädigte i.d.R. gar keine Möglichkeiten mehr, faktisch vorhandene Schäden zu beweisen.
Die auch bei uns extrem geringe Anerkennungsrate sei zuletzt auch politisch gewollt, da nur so die unrealistisch geringe Höhe von Versicherungsbeiträgen gehalten werden könne.
Bei Unfällen ist v.a. ein überraschender Heckaufprall gefährlich, da dann die Nackenmuskeln nicht angespannt sind, und noch gefährlich ein seitlicher Aufprall. Ist der Kopf beim Aufprall auch noch gedreht erhöht sich das Risiko einer schweren Verletzung. Betroffen ist dann v.a. das gestreckte Band der Lig. Alaria.
Geschwindigkeit und Schadensgröße korrelieren nicht, auch nicht unbedingt das Maß der sichtbaren Verletzung mit den Symptomen. Auch nur "kleine" Verletzungen können ein vielfältiges und schweres Kranksheitsbild auslösen.
Da nur bei ca. 1% diese Verletzungen sofort tödlich sin, ist diese Art von Verletzung kaum per Obduktion überprüfbar.
Anatomisch handelt es sich um 4 vollständige Gelenke um den dens, die jeweils eigene Bursae (Schleimbeutel), Kapsel, Synovia haben.
Ca. 4-8 Wochen nach dem Unfall ist der Schaden (dann auch rechtlich) auf den konkreten Unfall zurückzuführen (sichtbare Flüssigkeit).
Viele Verletzte ließen erst nach vielen Jahren ein Upright-MRT machen. Dann konnten die Schäden nicht mehr zweifelsfrei auch den Unfall zurückgeführt werden, da eine frische Verletzung nur ca. 4-8 Wochen zweifelsfrei auf einen bestimmten Unfall zurückzuführen ist.
Im Bereich der Lig. Alaria sind auch einige / viele anatomische Varianten möglich. In seltenen Fälle könnten auch völlig gesunde Menschen mit anatomischen Besonderheiten Symptome bei Extrembewegungen haben.
Bei Verunfallten ist der Rückenmarkskontakt beim Nicken wesentlich häufiger als beim Biegen des Kopfes nach hinten.
Aktuell könnte eine Bewegung angestoßen worden sein, dass auch GKVs ein Upright-MRT tragen würden, um nach Aussteuerung seitens der Unfallkassen nicht auf dem Schaden sitzen zu bleiben. In einem Einzelfall sei dies Prof. Beyer im Gespräch mit einer GKV gelungen. Er hofft, dass sich hier ein solcher Trend etablieren könnte, da die Krankenkassen sehr wohl ahnen, welche enormen Folgekosten ein HWS-Trauma machen kann. Prof. B. sieht hier, wenn es so kommt, eine ganz große Chance für Patienten, dass überhaupt erst einmal wissen, was sie wirklich haben.
Eine Hirnbeteiligung ist meistens auch mit dabei. Laut Dr. Kerneck von Hands On zeigt sich dies durch ein schlechtes Schlafen seit dem Unfall.
Brennpunkt der Debatte sei, dass für die med. Anerkennung Kliniker eine Instabilität fordern. Dies stimmt nach Prof. Beyer aber nicht. Nur 1/3 sind wirklich instabil, aber dennoch trotzdem verletzt. Oft ist es "nur" eine Zerrung. Für eine echte Instabilität fordert Prof. Beyer 6 Kriterien, die ich leider nicht mitschreiben konnte. Prof. Beyer verwies hier auf Hawkins / Fielding. Für mich war interessant, dass ich selbst m.W. keines dieser 6 Kriterien erfülle, obwohl Dr.V. bei mir eine Instabilität diagnostiziert hat.
Für die Gelenke sei, um eine Verdachtsdiagnose des Upright-MRTs in einen eindeutigen Nachweis zu überführen, zusätzlich eine statische Untersuchung mit einem 3,0 Tesla-Gerät notwendig.
Für die Untersuchung der Gelenkflächen sei vielleicht ein CT noch besser.
Woher die Muskelatrophie kommt ist oft nicht sicher: Führt die Irritierung / das Zerreißen der Nerven zu dem Muskelschaden / der Atrophie oder die Schonung aufgrund der Schmerzen?
Prof. verfüge über ein Erfahrungsspektrum von ca. 200 Untersuchungen in 3 Jahren. (In Klammern gesagt: Dr. Volle, der in dem Vortrag m.E. manchmal in Nebensätzen und zwischen den Zeilen dezent kritisiert worden zu sein scheint, sagte mir im letzten Jahr, dass er mit damals ca. 4000 Untersuchten weltweit am meisten Erfahrungen habe.)
Statistisch sah Prof. B.:
Totalruptur der Lig. Al. 4%
Teilruptur der Lig. Al. mit tanzendem dens; also Instabilität ca. 12 %
In den meisten Fällen liege nach Prof. B. eine "Mikroinstabilität", aber keine echte Instabilität vor. Ich vermute, dass Prof. B. sich hier von Dr. Volle abgrenzen möchte, obwohl dieser Name in diesem Zusammenhang nicht fiel. Ob es hier nur um den akademischen Streit darum geht, welchen Namen das Kind bekommen soll, oder ob gravierende Unterschiede zwischen einer Instabilität im Sinne Dr. Volles oder einer Mikroinstabilität im Sinne Prof. Beyers bestehen, vermag ich nicht zu sagen.
Die weiteren Differenzierungen konnte ich leider nicht mitschreiben. Auch mir nicht klar, ob Prof. B. hierzu die Ergebnisse der anschließend von ihm vorgestellten Studien zusammengerechnet hat oder ob er sich auf die Statistik seiner eigenen ca. 200 Unterschungen bezieht.
Die vor Gericht noch immer wichtige Einteilung von Schweregraden nach Erdmann sei wissenschaftlich schon längst überholt und wurde von ihm selbst auch nicht star gesehen, was Gutachter aber gern weglassen.
Eine Harmlosigkeitsgrenze bzgl. der Geschindigkeit gibt es nicht. Der Versuch, bei dem junge gesunde Probanden mit verbundenen Augen unter Beschallung von Rockmusik im Autoscooter gerammt und bei denen keine Schäden etc. nachgewiesen wurden, wurde von Institutionen mit einseitigem Interesse finanziert. Die Probanden wussten, dass jederzeit ein Unfall erfolgen kann. Deshalb sei dies beispielsweise mit einem Heckaufprall, bei dem der Unfall für den Vordermann völlig überraschend kommt und seine Nackenmuskel deshalb nicht angespannt sind, überhaupt nicht zu vergleichen. In einem Fall habe ein kluger Richter nachgefragt, wer diesen Versuch finanziert habe, was dann für den Richter entscheidend war, dieses Argument für die Harmlosigkeitsgrenze nicht anzuerkennen.
Prof. Beyer stellte einige wichtige Studien vor (ich stelle die Namen mal rein, auch wenn ich mich teilweise bestimmt verschrieben haben werde; wenn Ihr es nachrecherchiert könnt Ihr die richtige Schreibweise bitte hier posten):
Krakenis: sehr gute Forschungen
Swenson 1998
Panjabi / Crauer: sehr gut
Krafft 2002
Bogduk
Quinn
Ito: argumentiere ähnlich wie Kuklinski: Nervenenden werden gereizt
Elliot
Keidel
Krakenis (2006): Sei die einzig wirklich validierte Studie (Spine: Volume 31, Jahrgang ?)
Das Upright-MRT in Köln sei ein 0,6 Teslagerät, sei aber besser /schärfer als ein normales 1,0 Tesla-Gerät.
Er zeigte und erklärte sehr viele Verletzungsmöglichkeiten an Beispielbildern.
So konnte er eindeutig die Folgen nachweisen, als ein Manualtherapeut "brüsk" versucht hatte, den Schiefhals eines Mädchens zu richten. Der ehemalige Schiefhals sei dann zwar gerade gewesen, allerdings habe das Mädchen die dadurche entstandene Verletzung einer Vertebralarterie mit schwerer Blutung nur knapp überleben können.
Nachdem es auch Prof. Beyer naturgemäß nicht unbegrenzt gelingen konnte, nach knapp 2 Stunden das drohende Ende seines Vortrags immer wieder erneut hinauszuzögern, erwachten die weggeschnarchten Betroffenen allmählich zu neuem Leben und es ergab sich eine kurze, knackige Diskussion.
Ein im Pubklikum anwesender Neurootologe begrüßte Prof. Beyer als Mitstreiter im nun gemeinsamen Kampf gegen die Mafia. Im Unterschied zu Prof. Beyer, der wiederholt etwa von quasi mafiösen Strukturen, Verhältnissen beinahe wie bei organisierter Kriminalität und dergleichen sprach, fehlten diese sprachlichen Einschränkungen bei dem Neurootologen.
Letzterer beklagte, dass der von ihm offensichtlich sehr geschätzte Dr. Volle von einem sehr großen deutschen Versicherungskonzern wegen angeblicher Falschbegutachtung zivilrechtlich weggedrückt und weggeklagt worden sei.
Es sei ungerecht, dass jemand in einem Urteil trotz eindeutiger Befundung durch Dr. Volle und ihn selbst vor Gericht verloren hatte. Mein Eindruck war, dass dieser Arzt Untersuchungen durch Dr. Volle und ihn selbst für das absolute Nonplusultra hält.
Besonders kritisiert wurde der Gutachter Dr. C., der eigenlich ein ganz guter Arzt und ziemlich anerkannt sein soll, allerdings habe er wohl noch nie einen HWS-Patienten behandelt und auch keine diesbezüglichen Bilder zu lesen gelernt. Die Versicherungen würden sich um seine HWS-Gutachten reißen, doch leider würde er aufgrund seiner fehlenden Erfahrung im HWS-Bereich fast nie irgendwas Auffälliges finden können. Außerdem kenne er sich auch mit der Forschungsliteratur kaum aus. Prof. B. meinte, dass er immerhin ein guter Verlierer sei. So habe er ihm, nachdem Prof. B. jüngst einen Richter vom faktisch vorliegenden Krankheitsbild des Klägers überzeugen konnte, fair gratuliert. Herr Dr. C. sei sehr beindruckt gewesen, was Prof. B. alles wisse.
Versicherungen würden oft bestimmten Ärzten ganze Pakte von Begutachtungen zusichern (10 im Monat oder 60-100 im Jahr). Diese Ärzte würden sehr gut daran verdienen, bräuchten keine Patienten mehr zu behandeln und nur darauf achten, dass sie diese Pakete auch weiterhin bekämen.
Prof. B. meinte, dass für einen eindeutigen Nachweis einer Verletzung der Lig. Al. und auch der Lig. Transversa ein statisches 3,0 Tesla MRT weltweit am besten ist. Dies sei sicherer als ein Upright-MRT. Dann sei der Schaden aber absolut eindeutig bewiesen.
Für Haftungsklagen nach Unfällen solle man unbedingt solche Rechtsanwälte nehmen, die medizinisch super Ahnung haben. Davon gebe es in Deutschland leider nur 3-4. "Normale" Anwälte würden meist über den Tisch gezogen. Zum einen weil sie den Sachverhalt medizinisch nicht ansatzweise überblicken könnten, zum anderen weil sie nicht wirklich mit solch eigentlich kriminellen Gutachterstrukturen rechnen würden,wie sie faktisch seien.
Wenn man nach dem Unfall schlecht schlafen kann, sei dies ein Indiz für eine Hirnstammschädigung.
Die bisher höchste Abfindung nach einem Unfall mit 500.000 € habe eine Hamburger Jura-Studentin bekommen, die in Hamburg bei einer Karusell-Fahrt schwer verletzt worden sei. Bei einem Karusell, das explosionsartig senkrecht nach oben beschleunigt, habe sie kurz davor gemerkt, dass ein Schnürsenkel offen ist. Da sie ihn vor Fahrtbeginn zubinden wollte, beugte sie sich etwas seitlich nach unten zum Schuh. Dies sei eine ganz gefährliche Position auch bei Auffahrunfällen, wenn man beispielsweise gerade im Handschufach kramt oder was vom Boden aufheben will (nach unten gebeugt, schräge / seitliche Kopfposition). In diesem Moment schoß das Karusell ohne Vorwarnung nach oben, was zu einem sehr schweren Genickschaden führte. Wohl zur Überraschung aller Anwesenden, sagte Dr. Montazem, dass er die Dame operiert, aber keinen Kontakt mehr habe und nicht wisse, wie es ihr aktuell gehe.
Der Radiologe Dr. Schulze / Upright-MRT Hannover trug durch seine positive, beinahe jugendliche Ausstrahlung und v.a. durch sein Feingefühl, nach der doch etwas erschöpfenden Anatomie-Vorlesung nicht noch einen weiteren Vortrag über HWS-MRTs anzuschließen, ganz wesentlich zum Erfolg des Abends bei.
Nachdem ich mir also den inneren Angstschweiß von der Stirn wischen konnte, begann der Neurochirurg Dr. Abbas Montazem seinen locker-flockigen Vortrag, indem er sich als "der Schrauber von Schwaben" (so der Titel eines Spiegel-Artikels aus dem letzten Jahr) vorstellte.
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