Bei über 2000 Kommentaren zu meinen Rezensionen über „MMS-Literatur“ scheint es angebracht zu sein, einmal die diskutierten Fakten nach bestem Wissen und Gewissen zusammenzufassen.
1.) MMS-1, sowie CDS bestehen hauptsächlich aus Chlordioxid, was industriell zum Bleichen von Recyclingpapier eingesetzt wird. MMS-2 ist Calcium- oder Natriumhypochlorit, was u.a. zum Reinigen von Sanitäranlagen und zum Wäschebleichen Einsatz findet (Handelsname „Eau de Javel“ oder „DanKlorix“). Beide sind zweifelsfrei Chlorbleichmittel.
2.) Werbung und Verkauf von MMS ist illegal und zieht empfindliche Strafen nach sich.
MMS wird von den Behörden als gefährliche Quacksalberei eingestuft und es wird dringend davor gewarnt, MMS einzunehmen. Wenn etwas schiefgeht gilt das als Körperverletzung, für die der Verabreicher verantwortlich ist.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stuft MMS als (nicht zugelassenes) Arzneimittel ein. Damit können in Zukunft die Strafen noch deutlich höher ausfallen und die Strafverfolgungsbehörden erhalten ausgedehnteren Handlungsspielraum.
In Deutschland wurden bereits empfindliche Geldstrafen verhängt, Herr Kalcker laut eigenem Interview auf Youtube auf der Bühne verhaftet und in den USA wurden jüngst schuldig gesprochene MMS Anbieter/Bewerber zu über 4 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt.
3.) Da MMS offiziell als gefährliche Quacksalberei eingestuft ist und Warnungen aller relevanten Behörden existieren, ist fraglich, ob die Berufshaftpflichtversicherungen von Ärzten oder Heilpraktikern für Schäden aufkommen, die durch MMS verursacht werden. Im Schadensfall bliebe dann vermutlich nur der Weg einer Privatklage.
4.) MMS enthält erhebliche Mengen an gesundheitsschädlichen Verunreinigungen.
Bei der MMS Herstellung entsteht im ersten Schritt HClO2, die chlorige Säure, die sich dann sofort in ClO2, Chlor und Chlorat zersetzt. Man muss also davon ausgehen, dass MMS zu mindestens 30% auch das Giftgas Chlor und den Unkrautvernichter Chlorat enthält.
CDS wird mittlerweile mit dem Hinweis beworben, dass man damit nicht die Nebenprodukte der MMS Herstellung zu sich nimmt, offensichtlich wurde inzwischen diese Problematik erkannt. Dass MMS „ungefährlich und ungiftig“ ist, sollte nach diesen Fakten gründlich überdacht werden.
5.) Chlordioxid, Chlorat, Chlor und Chlorit verursachten in Tierversuchen bei Überdosierung gegenüber der erlaubten Trinkwasserkonzentration erhebliche toxische Wirkungen.
Daten über die Toxizität am Menschen sind rar und die vorliegenden Ergebnisse sind laut den Studien nicht eindeutig.
Interessant ist aber das Ergebnis einer Studie, bei der auch das Auftreten von „Standarderkrankungen“ wie z.B. Erkältungen, etc. erfasst wurde. Es wurde festgestellt, dass die Probanden statistisch genauso oft während der Tests erkrankten, wie die Placebo Gruppe. Eine protektive oder kurative Wirkung von MMS ist damit widerlegt.
6.) In großer Verdünnung eignet sich ClO2 hervorragend zur Trinkwasserbehandlung und gilt als sicher. Die erlaubten Mengen entsprechen etwa einem Glas MMS in einer Badewanne voller Wasser. Das ist die einzige „ungiftige“ oder „ungefährliche“ Konzentration von ClO2 die existiert.
Industriell werden ganz andere Verfahren eingesetzt, um ClO2 herzustellen (z.B. das Peroxid-Verfahren), weil die erheblichen Mengen an Nebenprodukten beim Chlorit/Säure Verfahren unerwünscht sind.
7.) Eine Wirkung als Desinfektionsmittel bedeutet nicht, dass die betreffende Substanz auch antibiotisch wirkt.
Ein oft gemachter Fehler in der MMS-Szene ist die Verwechslung von Desinfektion mit antibiotischer Wirkung. Chlordioxid vernichtet Ebola, Malaria, Herpes und andere Erreger als Flächendesinfektionsmittel, genauso wie Hygienereiniger, Alkohol, UV Strahlung oder Radioaktivität. Niemand würde aber bei einer Lungenentzündung erwarten, dass ein Sonnenbad, Schnaps, „Sagrotan“ oder ein Besuch im Kernkraftwerk eine geeignete antibiotische Maßnahme darstellt. Leider hält sich dieser Irrglaube in der MMS-Szene trotzdem hartnäckig.
Ein Kommentar: „Wie dumm sind Sie eigentlich? Es ist doch ganz einfach. Chlordioxid ist ein Wasserdesinfektionsmittel, der Körper besteht zum größten Teil aus Wasser, also kann ich durch Chlordioxid mein Körperwasser desinfizieren“… bleibt zu hoffen, dass der Kommentator gegen Adernverkalkung nicht auch noch Rohrreiniger trinkt.
8.) Chlordioxid ist ein starkes Lungengift.
Die Toxizität von gasförmigem ClO2 ist um ein Vielfaches größer als die einer Lösung, weil das Lungengewebe sehr viel empfindlicher auf den chemischen Angriff reagiert, als die Schleimhäute des Magen/Darmtraktes. Ein Lungenödem kann durch das Einatmen der bei der MMS-Mischung entstehenden Gaswolke (ClO2 und Chlor) entstehen und noch nach bis zu 24 h auftreten. Ohne Übertreibung besteht hier Lebensgefahr!
9.) MMS-2 wird von J. Humble als „das wichtigste Arzneimittel, das je der Menschheit vorgestellt wurde“ beworben. Die von ihm vertretene Hypothese ist, dass MMS-2 (bestehend aus Calcium- oder Natriumhypochlorit) im Körper die Hypochlorige Säure freisetzt, die u.a. auch von den körpereigenen Abwehrzellen genutzt wird, um z.B. Bakterien zu bekämpfen.
Beim Kontakt der Hypochlorite mit der Magensäure entsteht aber sofort das Giftgas Chlor.
Dieser mehr als peinliche und gefährliche Fehler zeigt deutlich den wissenschaftlichen „Kenntnisstand“ in der MMS Szene auf und sollte jedem zu denken geben, der überlegt, dieser Gruppe zu folgen.
Theresa Forcades, eine der Leitgestalten der MMS-Szene, warnt in dringlichen Worten vor Hypochlorit. Natriumhypochlorit ist unter dem Namen „Eau de Javel“, oder „DanKlorix“ Toilettenreiniger bekannt.
10.) Jim Humble war laut Spiegel Recherche mehr als 20 Jahre Scientology Mitglied und hat seine eigene Kirche gegründet, in der MMS als heiliges Sakrament eingestuft ist. Er ist selbsternannter Erzbischof und behauptet(e?) auf seiner Website, dass die Legitimation für sein Amt bis auf die 12 Apostel nachvollzogen werden könne. Die Kirche finanziert sich u.a. durch die Bewerbung und den Verkauf von MMS und von in Deutschland nicht anerkannten Doktor-, Reverend- und „Gesundheitsminister“-Titeln.
11.) Auch wenn es in den Büchern und Vorträgen so klingt, ist noch niemals ein Nachweis einer Heilwirkung von MMS erfolgt. Alles was darüber geschrieben und erzählt wird, hat den Charakter von Anekdoten, unnachprüfbar, subjektiv, unkontrolliert.
Als Nachweis würde z.B. gelten, wenn man eine Heilwirkung, die deutlich über dem Placebo-Effekt liegt, zeigen könnte. Das ist aber nicht der Fall, trotz der angeblich vielen „geheilten“ Krebs- oder Malariapatienten.
Auf der weltweit größten Sammlung von Berichten zur pharmazeutischen Wirkung von Substanzen, pubmed.com, finden sich Artikel zur toxischen Wirkung von ClO2, Chlorat und Chlor und zu Anwendungen von ClO2 als Flächendesinfektionsmittel, aber nichts zu einer positiven Wirkung bei einer Krankheit.
Fakt ist: Weltweit gibt es tausende Forscherteams an Universitäten, die alles dafür tun würden, um die Ersten zu sein, die eine Wirkung von ClO2 auf Krebs, Malaria, multiresistente Keime etc. berichten zu können, weltweiter Ruhm und ewige Anerkennung wären garantiert. Was ist aber die Realität? Nichts. Kein Hinweis in Millionen von publizierten Artikeln über „das wichtigste Heilmittel, das je der Menschheit vorgestellt wurde“. Nun, entweder sind die Forscher weltweit seit mehr als 3 Jahrzehnten alle zu dumm, diesen ultimativen Karrierekick zu erkennen, oder an der ganzen Sache ist einfach nichts dran.
12.) Die zahlreichen Heilsberichte von MMS Anwendern werden als Beweis für die angebliche Wirksamkeit aufgeführt. „Wer heilt hat Recht“ ist ein beliebtes Zitat der MMS Anhänger.
Zur Aufklärung dieses Mythos: Erstens ist es eine Tatsache, dass ein Placeboeffekt, d.h. ein „echtes“ Verschwinden von Symptomen, ohne dass die Behandlung wirkt, in bis zu 40% der Fälle auftritt und zwar bei jedem Medikament und jeder Behandlung. Zweitens kommt es immer, bei jeder Krankheit, auch zu Spontanheilungen ohne dass überhaupt etwas getan wird. Drittens ist die subjektive Bewertung einer Heilwirkung stark von der persönlichen Einstellung und Vorgeschichte abhängig (Sunk cost fallacy, Halo Effekt, Verwechslung von Korrelation mit Kausalität, usw.) und viertens findet man in den Foren, in denen MMS beworben wird, nur die positiven Berichte und nicht die negativen (availability bias).