...dass nicht ernsthaft nach unter Umständen sehr kostspieligen Lösungen zur Senkung des "Restrisiko" geforscht wird.
Das spezielle am "Restrisiko" der Kernenergie-Technologie, ist dass es sich nicht reduzieren lässt:
Ein Risiko ist das Produkt von befürchtetem Schadenausmass mal Eintretenswahrscheinlichkeit.
Wenn das befürchtete Schadenausmass unbegrenzt ist, bleibt das Restrisiko auch bei einer massiven Senkung der Eintretenswahrscheinlichkeit unendlich gross.
Daher befasst sich die Technik ausschliesslich mit dem GAU, dem grössten anzunehmenden Unfall.
Steigert man die angenommenen Einwirkungen, wird der GAU als Auslegungsgrundlage anspruchsvoller, das Risiko, dass er eintritt, geringer.
Der GAU bewirkt wohl den Untergang der Anlage, hat aber nach Aussen keine oder allenfalls beherrschbare Auswirkungen.
Was "Restrisiko" heisst, wird man in Japan dann sehen, wenn es nicht gelingt alle Reaktoren und Abklingbecken erfolgreich und dauerhaft zu kühlen, also das Ereignis (mehr oder weniger) im Rahmen des GAU zu halten. Ob das gelingen wird, bezweifle ich zufolge der äusserst misslichen Verhältnisse am Schadenort (Auslösung durch auslegungsübersteigende Einwirkungen und zudem die nicht bedachte Kumulierung von Erdbeben und Tsunami. Massive Behinderung durch Kälte, Nachbeben, Trümmer und Strahlung ...).
Für die 35 Millionen Menschen in Tokyo, 100 Millionen in Japan, besteht eine ernsthafte Gefahr unbekannter Grösse.
Das seit Tschernobyl nicht mehr theoretische "Restrisiko" schickt sich erneut an, seine reale Fratze zu zeigen.
Nur jene, die schon vor Jahrzehnten gewarnt haben sind draussen:
Die Versicherungsgesellschaften.
Schon bei der Einführung der Kerntechnologie haben die Münchner und die Schweizer Rück die Versicherung des Risikos aus der Kernenergieerzeugung strikt begrenzt, weil andernfalls nicht nur die Existenz der Welt, sondern - horribile dictu - der Versicherungswirtschaft gefährtet wäre.
Reaktion der Politik: Das "Restrisiko", also finanztechnisch alles, was die Deckungssumme übersteigt, wurde der Gesellschaft überbunden, die im übrigen mit Vergnügen die produzierte faustische Energie konsumiert.
Nur bedenkt: Versicherungsgesellschaften rechnen Risiken in Dollar, Franken, Euro und Yen, für die Gesellschaft geht es um das "Restrisiko", und das rechnet sich in Leben, Krankheit und Tod.
In Deutschland werden ca. 23% des Energiebedarfes durch Atomstrom gesichert. Das bedeutet im Umkehrschluss, wenn wir bereit und in der Lage sind täglich 4 Stunden ohne jede elektrische Versorgung zu leben, dann können wir sofort den Stecker ziehen.
Das ist Unsinn. Ein Kühlschrank oder ein Boiler ist ein thermischer Speicher. Wird ihm 4 Stunden lang der Strom abgedreht, arbeitet er eben in den restlichen 20 Stunden mehr, der Energieverbrauch bleibt in etwa konstant.
In Deutschland werden grad mal 5 % des Energiebedarfs durch Atomstrom "gesichert", der grosse Teil ist Öl und Gas, die verfeuert und verfahren werden.
Die 23% betreffen nur den Anteil an der elektrischen Energie. Und da gilt es kurzfristig, nicht abzuschalten, nicht den Stecker zu ziehen, sondern einzusparen:
"23%" kürzer duschen, Kühlschrank "23%" weniger kalt fahren, Licht nicht mehr thermisch erzeugen und nur dort, wo man es braucht, Raumwärme reduzieren und nur dort und dann, wo und wann man sie braucht.
Den Desktop ausgeschaltet lassen und das Netkook (ca. 80% weniger!) nutzen. Die Vorräte in der Gefriertruhe im Keller aufbrauchen und die Kiste ausschalten. Microwelle statt Backofen nutzen wo möglich. Die Liste lässt sich beliebig verlängern, ohne die geringste Einbusse von Lebensqualität.
Jetzt, heute!
Mittelfristig den Kühlschrank von 1992 durch einen neuen ersetzen, der grad mal einen Viertel der Energie braucht für gleiche Nutzleistung. Die Gebäude wärmedämmen, Warmwasser solarthermisch erzeugen (wenn die Sonne mal scheint), kontrollierte Lüftung für alle Bauten ...
Langfristige Investitionen in erneuerbare Energieproduktion samt den entsprechenden Verteilsystemen (Fernleitungen, Wasserstoffzyklus) statt Ersatzbau von fossilen oder Kernkraftwerken.
Dabei sind diese Investitionen dort sinnvoller, wo Wind und Sonne in grösserer Energiedichte zu nutzen sind, also nicht im Odenwald oder auf den Jurahöhen:
Nordsee für Wind, die Libyibsche Wüste für die Sonne.ybien? Da wütet doch ein Despot!
Ja, klar, Libyen und die wenig besiedelten Wüstengebiete des übrigen Nordafrika, wo denn sonst? Es ist die Aufgabe Europas, in der Transmittelmeerischen Nachbarschaft politische und wirtschaftliche Verhältnisse zu fördern, die Recht und Stabilität bieten. Das Mittel ist, wie stets wenn es um Stabilität geht, die Integration in die EU, die Euro-Zone.
Dann können wir dort nicht nur unsere KKWs mit Sonnenenergie substituieren, sondern auch das Öl, das Erdgas und die Kohle.
Die Photovoltaik wird für die Stromproduktion keine Rolle spielen, sondern ausschliesslich solarthermische Systeme, denn Wärme lässt sich speichern, die Kraftwerke können also auch nachts Strom produzieren und über HGÜ gegen gutes Geld nach Europa liefern.
Photovoltaik ist sinnvoll zur Erzeugung von Wasserstoff, der sich speichern und transportieren lässt zur Nutzung in mobilen Systemen (Auto, Flugzeug, Schiff ...)
Dies ist die grössere Aufgabe, als KKWs eben mal abzuschalten.
Mit dem "Restrisiko" werden wir noch einige Zeit leben müssen, Japan und Nachbar Frankreich ohnehin, die je etwa 80% der elektrischen Energie in KKWs erzeugen. Aber in der Zeit bis zur gestaffelten Abschaltung der KKWs ist daran zu arbeiten, dass auch grössere als bisher vorgesehene Ereignisse als GAU (Auslegungsereignis) beherrscht werden können.
Ein GAU ist ein Betriebswirtschaftliches Ärgernis, weil das KKW dabei kaputtgeht, aber definitionsgemäss keine Katastrophe.
Die Grenze zwischen diesen möglichen Ausgängen von Kernunfällen ist derzeit in Japan erreicht. In einigen Tagen wissen wir mehr, aber unsere Entscheidungen dürfen dadurch nicht beeinflusst werden:
Ein geordneter Ausstieg aus der Sackgasse der Kernenergie ist das Ziel. Doch das ist erst erreicht, wenn der weltweit letzte Brennstab in einem sicheren (?) Endlager ruht.
Puistola