Hallo Datura,
danke für den Vorschlag und Deine Hinweise!
Das Problem scheint darin zu liegen, dass vermutlich jeder Patient solche Situation etwas anders erlebt und auch das Erinnerungsvermögen sicher unterschiedlich ausgeprägt ist.
Bei mir war die Sedierung (der Begriff "künstliches Koma" ist ja unrichtig) mit Sicherheit sehr flach. Ich kann es verstehen und finde es auch richtig, dass man diese möglichst flach hält - besonders wenn die Dauer nicht absehbar ist. Es ist nicht nur die schädigende Wirkung auf das Gehirn und Gedächtnis. Bei mir fehlten in der Erinnerung zumindest 2 ganz Jahre, konnte mich nicht mehr an 2, jeweils 14-tägige Bootsurlaube in Holland erinnern. Erst durch das Betrachten der Fotos kam dann später etwas zurück. Neben solchen Schäden hatte ich lange Zeit Wortfindungsstörungen.
Eine andere Nebenwirkung ist der Gewöhnungseffekt. Der Körper spricht nach gewisser Zeit nicht mehr tief genug auf ein Mittel an. Es muß entweder höher dosiert oder ein anderes Mittel eingesetzt werden. Letztlich kommt es trotz Ausschleichen zu Entzugserscheinungen. Sicher werden auch noch andere schädliche Nebenwirkungen (Leber, Niere usw.) auftreten. Aus diesem Grunde halte ich eine flache Sedierung für das kleinere Übel. Es erfordert nach meiner Meinung dann aber ein entsprechendes Verhalten am Bett sowohl vom Personal als auch von Besuchern. Auch letztere sollten aufgeklärt werden, dass das Gehör auch beim Fehlen jeder Regung noch funktionieren kann und teilweise sogar die Sicht möglich ist.
Völlig unerheblich schien mir in dieser Situation die Dauer der Behandlung zu sein. Bei mir war das Zeitempfinden völlig eingefroren, es gab auch keine "Lange Weile", während das Schmerzempfinden manchmal stark ausgeprägt war. Ich erinnere mich noch an einen sehr unangenehmen Schmerz im Hals, als dort mit einem größeren Gegenstand (ich sah einen Winkelschleifer - nehme an, dass es ein Tubus war) manipuliert wurde. Auch Ekel wurde empfunden, den ich heute mit dem Absaugen von Schleim aus der Lunge erkläre. Alle Erinnerungen sind episodenhaft.
So bemerkte ich einmal, dass ich nass im Bett lag. Nach meiner Meinung hatte ich ins Bett gemacht und schämte mich, dass mir so etwas passiert. In Wirklichkeit hatte ich einen Katheter, es war also gar nicht möglich.
Ich lag angeschnallt in einem Rotationsbett, welches wirklich extrem steile Winkel annehmen kann. In fast senkrechter Stellung hielt ich mich für ein "Ausstellungsstück", welches zusammen mit anderen "Bildern" zur Werbung benutzt und von Passanten begafft wurde. Da der Chefarzt dabei war, denke ich heute dass es eine Visite war.
Kurz vor der Verlegung kam eine Pflegerin in das Zimmer und wollte sich mir vorstellen. Ich fiel ihr ins Wort und sagte; "Aber Schwester ..., wir haben uns doch neulich unterhalten, weil ich fragte woher sie stammen". "Und woher komme ich?" "Na, aus Süd-Korea, das kleine Dorf ....in den Bergen. Da liegt im Winter bis zu 2 Meter Schnee". Weiter kam ich nicht, denn die Schwester schrie auf, machte auf dem Absatz kehrt und die Tür knallte zu. Völlig verwundert fragte ich mich, was ich wohl so schreckliches gesagt haben könnte...Kurze Zeit später kam eine andere Schwester herein und sagte" Was haben sie denn blos mit Schwester ... gemacht?. Die sitzt im Dienstzimmer und heult!". Ich war mir keiner Schuld bewusst und gab das kurze Gespräch wieder. Großes Kopfschütteln, denn die asiatische Pflegerin war zuvor noch nie auf der Intensivstation, sie war vertretungsweise aus der Gyn gekommen. Ich hatte keinen Kontakt mit ihr. Sie hat sich dann geweigert auf der Intensiv zu arbeiten, weil dort ein "Hexer" sein Unwesen treibt.
Da ich selbst nicht an solche Dinge glaube, nehme ich an, dass ich die Fakten (die alle stimmten!) aus einem Gespräch zwischen Pflegepersonen entnommen habe.
In einer anderen Situation glaubte ich, dass ich tot sei, denn einer meiner Hunde, der vor Jahren gestorben war lag an meinem Fußende. Es stimmt also doch, dachte ich verwundert, dass die Seele unsterblich ist, machte mir aber zugleich Sorgen, wie meine Leute aus Familie und Betrieb ohne mich zurecht kommen sollen...
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So viel braucht also gar nicht geändert werden, zumal man von ärztlicher Seite kaum vorher einen Patienten aufklären kann. Ich halte besonders 2 Dinge für notwendig:
1. Das Verhalten am Bett von Personal und Besuch muß der Situation entsprechen:
keine "negativen" Gespräche und laute Geräusche. Da Besuch sehr anstrengt und man schnell erschöpft ist, möglichst wenige Personen und kurze Sprechdauer. Den Patienten immer mit Namen ansprechen und möglichst ankündigen, dass man was macht (Verband wechseln, drehen...).
2. Nach dem Aufwachen und Verlegung in den Normalbereich mit dem Patienten sprechen und wenn nötig aufklären, so dass eine Verarbeitung eines möglichen Horrortrips beginnen kann und wenn so ein Zusammenhang erkennbar ist einen Psychologen hinzuziehen.
Eventuell kann Ezra oder ebenfalls Betroffene hier noch ihre Meinung und ihre Erfahrungen zufügen. Wir könnten auch zum Thema eine Wiki-Seite anlegen. Es geht ja besonders auch um die Tatsache, dass Menschen (sei es selbst erlebt oder Angehörige) diese Dinge abrufen und sich informieren können.