Mal was eher Kabarettistisches...
Der Nächste bitte!
Schon in der Bibel steht geschrieben, man solle seinen Nächsten lieben.
So wie ich dieses Wort verstehe, meint es den Mensch in nächster Nähe,
das ganze Individuum, wie's eben ist - ob grad, ob kumm.
Drum ist der Fall ein so Vertrackter: Der Einzelmensch ist ein Charakter,
und willst du diesem Freude schenken, empfiehlt sich's dringend, mitzudenken.
Du musst dich mit der Frage schlauchen: "Was will er, und was kann er brauchen?"
Man schätzt dies einzeln recht gering; für Gruppen heisst es Marketing.
Hier sind wir schon bei den Tendenzen, die an den Übernächsten grenzen.
Es gibt ihn, je nach Ziel, in Gruppen - er kauft, zum Beispiel, Tütensuppen.
Der Marketer, wir merken's schon, schafft nicht mehr nur für Gottes Lohn:
Im Gegenteil, das Pekuniäre gereicht persönlich ihm zur Ehre.
In dieser Hinsicht zu gesunden nennt er den Übernächsten "Kunden"
und überlegt sich unter Qualen: "Was will er, wofür wird er zahlen?"
Kauft Freiheit er und Abenteuer, auch inclusive Luxussteuer,
und gibt sich nachher, selbstbeschieden, mit etwas Tabakrauch zufrieden,
dann setzt es einen schönen Lenz: Man lebt ja von der Differenz
von Anspruch und von Surrogat. - Die Wirtschaft boomt, es blüht der Staat.
Hier wird man allzuleicht verleitet, dass man zur "Menschheitsliebe" schreitet.
Verdient man erst gernügend Geld, vergrössert man sein Wirkungsfeld,
auf dass auch andere auf Erden des grossen Geists teilhaftig werden,
der in dem Handeln wirkt und webt, von dem man so vergnüglich lebt.
Man hat sich schliesslich schon bewiesen: Was einen Preis hat, sei gepriesen,
und schliesst daraus, so kurz wie nie, auf wahres! eigenes! Genie!
Man oktroyiert' so gern der Welt, was selber man für richtig hält
und stürzt sich folglich knüppeldick auf allerhöchste Politik,
auf dass ein Publikum man fände. Doch schnell ist das Latein am Ende,
wenn da kein Wähler war darunter. Da fangen müde Herren munter
sich mit der Frage an zu quälen: "Was will er hör'n, um mich zu wählen?"
Rhetorik schiesst fortan ins Kraut, man redet schön und möglichst laut,
um alle Welt zu überzeugen, nur einem Mann sich zuzuneigen,
nur seinem Weitblick zu vertrauen, kurz, auf sein Wort allein zu bauen.
Nur gilt dies Wort, einst hoch und hehr, schon nach dem Wahlkampf gar nichts mehr.
Von nun an, sind wir uns im Klaren, gilt's nur noch das Gesicht zu waren,
sonst klagt das Stimmvolk ungeniert, dass wirklich, faktisch --- nix passiert...
Besonders die ganz alten Hasen, die schwätzen nur noch Seifenblasen.
Wo ein Polit-Ballon verpufft, zeigt sich, was drin ist: Warme Luft.
Hier fragt der Leser leicht beklommen: "Wo ist die Liebe hingekommen,
mit der das Ganze angefangen? Ja ist sie denn verschütt gegangen?"
Zwei Gründe gibt's, soviel ich sehe, denn erstens starb sie mangels Nähe,
und zweitens schadet allemal auch das Gesetz der grossen Zahl.
So blieb von Denken, Schenken, Glück nur schnöder Eigennutz zurück,
gehüllt in Kaisers neues Kleid aus einem Schein von Heiligkeit...
Ganz parallel zum Mass an Lügen sind die Gehälter mitgestiegen,
was die Erkenntnis uns beschert: EIN PREIS IST LANGE NOCH KEIN WERT.