Unverträglichkeitsreaktionen auf Nahrungsmittel können vielfältig sein. Nicht alle Speisen sind gleich gut “verdaulich". So lösen manche Lebensmittel übermäßiges Völlegefühl aus, “liegen schwer im Magen", führen zu Aufstoßen oder Gasbildung im Darm. Jeder kennt hier sein eigenes Spektrum an unverträglichen Nahrungsmitteln.
Hinlänglich bekannt sind außerdem allergische Reaktionen auf Lebensmittel. Die Diagnostik gehört inzwischen zur Routine in der Allergologie.
Vergleichsweise unbekannt und wenig erforscht sind dagegen pharmakologische Unverträglichkeitsreaktionen auf Nahrungsmittelinhaltsstoffe, wie die bio-genen Amine oder speziell das Histamin. Erst in den letzten Jahren wurde das Krankheitsbild der enteralen Histaminose erkannt und definiert. Noch immer wird die Diagnose viel zu selten gestellt. Wir müssen davon ausgehen, dass zahlreiche Patienten unter den oft diffusen Beschwerden leiden und sich einer aufwendigen Diagnostik unterziehen, ohne die eigentliche Ursache zu finden.
Bei Patienten mit Mastozytose kann durch den Verzehr histaminreicher Lebensmittel oder Lebensmittel mit einer histaminfreisetzenden Wirkung eine Verschlechterung des Krankheitsbildes hervorgerufen werden. So gilt das folgende Kapitel gleichermaßen für die enterale Histaminose und die Mastozytose.
Was sind biogene Amine?
Biogene Amine sind natürlich vorkommende Stoffwechselprodukte in menschlichen, pflanzlichen und tierischen Zellen. Im menschlichen und tierischen Organismus sowie in Lebensmitteln erfüllen biogene Amine viele Funktionen. Sie wirken z.B. als Hormone, als Aroma- und Geschmacksstoffe sowie als Verderbnisindikatoren.
Sie werden vorrangig aus den kleinsten Bausteinen der Eiweiße, den freien Aminosäuren (durch eine Decarboxy-lierung), gebildet. Durch mikrobiell bedingten Verderb von Lebensmitteln (Fisch, Fleisch und Wurst), sowie durch mikrobiell hergestellte Lebensmittel (Käse, Wein, Sauerkraut und Hefeextrakte) können hohe Konzentrationen biogener Amine entstehen.
Was ist Histamin?
Histamin gehört zu den bedeutendsten biogenen Aminen. An der Ausbildung vieler Allergiesymptome ist vor allem das Histamin beteiligt. ,
Histamin wird vom Körper selbst produziert und in den Mastzellen gespeichert. Eine Freisetzung aus diesem Speicher kann durch verschiedene innere (endogene) und äußere (exogene) Faktoren erfolgen. Zu diesen Faktoren (Histaminliberatoren) zählen z.B.
Entzündungen, allergische (IgE-vermittelte) Reaktionen, Gewebshormone, bestimmte Lebensmittel und verschiedene Medikamente. Auf der anderen Seite kann Histamin auch von außen durch Lebensmittel zugeführt werden.
Merke: Biogene Amine und Histamin sind in frischen Lebensmitteln praktisch nicht vorhanden. Erst durch die. Lagerung, mikrobiellen Verderb oder die Verarbeitung von Lebensmitteln mit Mikroorganismen (wie z.B. Milchsäurebakterien) können biogene Amine in Lebensmitteln entstehen.
Symptome einer enteralen Histaminose
Histamin kann eine ganze Bandbreite an allergieähnlichen Symptomen hervorrufen. Bei einer enteralen Histaminose treten meist nur einige dieser Symptome auf.
Wichtig:
Häufig beobachtet werden
Rötungen der Haut, Flush, Fliesschnupfen, Juckreiz, Verschlechterung einer Neurodermitis, Quaddeln, Übelkeit, Erbrechen, Magenkrämpfe, Darmkoliken, Asthma, Kopfschmerzen, Migräne, Steigerung der Herzfrequenz, Blutdrucksenkung und Kreislaufprobleme bis hin zum Kollaps.
Zurückgeführt werden können diese Symptome an den verschiedenen Organen auf die Wirkung des Histamins mit Kontraktion (Zusammenziehen) der Muskulatur von Atemwegen, Darmtrakt oder Gebärmutter sowie Dilatation (Erweiterung) und erhöhter Durchlässigkeit der Blutgefäße.
Die Vielzahl der möglichen Symptome erschwert oftmals die Diagnose einer enteralen Histaminose. Im Rahmen einer Histaminose kann beispielsweise als einziges Symptom ein isolierter Kopfschmerz auftreten. Bei Patienten mit chronischen Kopfschmerzen werden daher häufig Fehldiagnosen hinsichtlich psychosomatischer, neurologischer oder psychiatrischer Störungen gestellt.
Ursachen einer enteralen Histaminose
Die enterale Histaminose kann als allergieähnliches Erscheinungsbild aufgrund des erhöhten Plasma- oder Gewebehistaminspiegels definiert werden. Der Normwert für den Histamingehalt im Blut beträgt bis zu 1ng/ml.
Ursächlich beruht der erhöhte Histaminspiegel auf vermehrter Histaminaufnahme/-produktion und/oder einem verminderten Histaminabbau. Das mit der Nahrung zugeführte Histamin wird im Darm durch ein Enzym, die
Diaminoxidase (DAO), abgebaut.
Ein weiteres Enzym, welches für den Histaminabbau zuständig ist, findet sich in der Leber (Histaminmethyltransferase). Zum Erscheinungsbild der enteralen Histaminose kommt es, wenn eine größere Menge Histamin in das Blut gelangt.
Risikofaktoren der Histaminose sind Magen-Darm-Erkrankungen, eine verlangsamte Verdauung, Lebererkrankungen, allergische Grunderkrankungen, bei denen erhöhte Histaminspiegel im Blut gefunden werden (Heu schnupfen, atopische Dermatitis, allergisches Asthma), Urtikaria (Nesselsucht), Mastozytose, Alkoholkonsum und bestimmte Medikamente Ursachen der Histaminose können sein
eine übermäßige Zufuhr von Histamin mit der Nahrung
gesteigerte Mengen an Histamin im Darm (z.B. durch Blutung oder Bakterien)
ein verminderter Abbau vor» Hislamin (aufgrund eines wahrscheinlich erblich bedingten Enzymmangels oder einer Enzymblockade z.B. durch Medikamente oder Alkohol)
eine nicht IgE-vermittelte (nicht allergische) Histaminfreisetzung aus den Mastzellen und den basophilen Leukozyten (das ist eine bestimmte Form weißer Blutkörperchen) durch bestimmte Lebensmittel (Histaminliberatoren)
ein zusätzlicher Verzehr weiterer biogener Amine, wie die in Käse und Rotwein vorhandenen Amine Putrescin und Tyramin, die das histaminabbauende Enzym DAO im Darm blockieren können
Kombisiitionen der genannten Punkte.
Diagnostik einer enteralen Histaminose
Unverträglichkeitsreaktionen auf biogene Amine, insbesondere auf Histamin, werden auch als pseudoallergische Reaktionen bezeichnet. Die Symptome gleichen dabei einer klassischen IgE-vermittelten Sofortreaktion (z.B. Nesselsucht nach einem Wespenstich bei Wespengiftallergie). Dennoch ist das Immunsystem nicht daran beteiligt. Entsprechende Allergietests, die auf Nahrungsmittelallergien ausgerichtet sind (z.B. Hauttests), bleiben zumeist negativ. Die klassische Allergiediagnostik kann nur zum Ausschluss einer echten allergischen Reaktion herangezogen werden. Die Bestimmung des Plasmahistaminspiegels, Hauttestungen oder die Entnahme von Gewebeproben (z.B. Dünndarmbiopsie) sind für die Routinediagnostik der enteralen Histaminose zu aufwendig und werden allenfalls für Forschungszwecke herangezogen.
So beruht die Diagnostik in erster Linie auf drei Säulen:
1. Erhebung der Vorgeschichte (Anamnese)
Aus der Vorgeschichte mit einer detaillierten Eigen- und Familienanamnese gehen häufig bereits die verdächtigen Nahrungsmittel hervor. Erfasst werden sollten die Symptome, Beschwerden und zugeführten Nahrungsmittel (einschließlich alkoholischer Getränke) und Medikamente (Art und Dauer der Medikamenteneinnahme). Manchmal kann schon bei der Anamnese ein Zusammenhang zwischen den geschilderten Symptomen und der Nahrungsmittelzufuhr hergestellt werden. Erfasst werden sollten Risikofaktoren wie allergische Erkrankungen oder Magen-Darm-Erkrankungen.
2. Provokation mit potentiell histaminhaltigen Lebensmitteln
Voraussetzung für eine Provokation ist Symptomfreiheit unter einer histaminarmen Diät. Vor der Provokation werden oral zugeführte Antihistaminika abgesetzt. Antihistaminika der ersten Generation, z.B. Tavegil® (Clemastin), müssen für 5-7 Tage vor der Provokation abgesetzt werden, Antihistaminika der zweiten und dritten Generation, z.B. Zyrtec® (Cetirizin) und Telfast® (Fexofenadin),für3Tage. Immunsupprimierende systemische Medikamente, wie z.B. Kortison, müssen ebenfalls entsprechend der Applikationsform mindestens 1 Woche vor der Provokation abgesetzt werden. Andere systemische Medikamente können nach Rücksprache mit dem Arzt während der Provokationsdiät weiter eingenommen werden.
Können die Symptome gezielt durch den Verzehr histaminhaltiger Lebensmittel provoziert werden, so erhärtet sich der Verdacht einer enteralen Histaminose. Die Provokation kann entweder offen oder doppelblind und placebokontrolliert erfolgen.
3. Doppelblinde und placebokontrollierte Nahrungsmittelprovokation
Bei einer offenen Provokation ist Patienten und behandelndem Arzt bekannt, dass an einem bestimmten Tag histaminreiche Lebensmittel getestet werden. Im Gegensatz dazu ist bei einer doppelblinden Provokation weder dem Patienten noch dem Arzt bekannt, an welchem Tag histaminreiche Lebensmittel getestet werden. Der Patient erhält dazu an 2 - 4 aufeinanderfolgenden Tagen ein von der (Ernährungswissenschaft zusammengestelltes Menü. Der Histamingehalt der Speisen ist dabei entweder den ganzen Tag über hoch (Histaminprovokation) oder ausgesprochen niedrig (Placebokontrolle). Die Provokation ist zeitlich aufwendig, dafür können andere mögliche Auslöser, wie z.B. die “Angst", auf histaminhaltige .Lebensmittel zu reagieren, reduziert werden».
Beispiel für eine Histaminprovokation:
(die histaminreichen Lebensmittel wurden fett und kursiv gekennzeichnet)
Frühstück:
Brot/Brötchen mit 1 Scheibe Emmentaler, 1 Scheibe Bergkäse, 1 Scheibe Salami, 1 Scheibe geräuchertem Schinken, Butter oder Margarine, 200 g frische Erdbeeren (oder Tiefkühlware), 1 Glas Orangensaft, Kaffee oder Tee
Mittagessen:
1 Schweinesteak mit Käse überbacken, Spinat, Kartoffeln, Reis oder Nudeln
Tomatensalat mit Rotweinessig, Sauerkrautsalat
2 Kiwis, Schokolade
Rhinomanometrie:
Bei dieser Untersuchung werden inhalative Allergene (z.B. Hausstaubmilben, Pollen) in niedriger Konzentration in die Nase appliziert. Anschließend wird die Reaktion der Nasenschleimhaut gemessen. Generell wird eine Änderung (z.B. Schwefelung der Nasenschleimhaut, Schwierigkeiten beim Atmen durch die Nase) über 40 ' % gegenüber dem Ausgangszustand als allergische Reaktion gewertet. Auf diese Weise kann beispielsweise ein Heuschnupfen diagnostiziert werden. Bei der Diagnose der enteralen Histaminose kann die Rhinomanometrie vor und nach einer Provokation mit histaminhaltigen Lebensmitteln als Parameter eingesetzt werden
Ausschluss anderer Ursachen für die Symptomatik
Um festzustellen, ob die Symptome eine allergische Ursache haben, wird das Patientenserum auf inhalative und nahrungsmittelspezifische IgE-Antikörper untersucht. Zu den häufigsten inhalativen Allergieauslösern aus der Luft gehören z.B. Pollen, Tierhaare und Hausstaubmilben. Bei den Nahrungsmitteln stellen Kuhmilch, Hühnerei, Weizenmehl, Fisch, Sojabohne und Erdnuss häufige Auslöser einer Allergie dar. Ein wichtiger Parameter ist zudem das Gesamt-lgE, welches generell bei einem Wert über 100 kU/l Hinweis auf eine allergische Beteiligung geben kann.
Zur Bewertung der Reaktionslage der Hautmastzellen wird ein Prick-Test mit relevanten inhalativen Allergenen, ggf. ein Prick-zu-Prick Test mit frischen Nahrungsmitteln durchgeführt.
Prick-Tests
Hauttest, bei dem der fragliche Allergieauslöser (z.B. Pollen, Tierhaare, Hausstaubmilben) in Form einer käuflichen Allergietestlösung als Tropfen auf die Haut aufgetragen wird. An der Stelle des Tropfens erfolgt mit einer Prick-Lanzette ein kurzer Einstich in die Haut. Nach 20 Minuten kann anhand der Hautreaktion eine allergische Reaktion beurteilt werden.,
Prick-zu-Prick-Tests
Hauttest, bei dem der fragliche Allergieauslöser (in der Regel Lebensmittel) mit Hilfe einer Prick-Lanzette direkt auf die Haut aufgetragen wird. Mit einer Prick-Lanzette wird dabei zuerst in ein frisches Lebensmittel und anschließend sofort in die Haut eingestochen (= Prick-zu-Prick). Nach 20 Minuten kann anhand der Hautreaktion eine allergische Reaktion beurteilt werden.
Therapie der enteralen Histaminose
Abendessen:
Brot/Brötchen, Salat aus Tomaten, Käsestreifen und Thunfisch, 1-2 Gläser Rotwein (Chianti), evtl. zusätzlich geräucherter Schinken, Emmentaler oder Bergkäse
In der Regel werden biogene Amine in geringen Mengen gut vertragen, erst eine massive Zufuhr löst Symptome aus. Dies muss bei der Provokation bedacht werden. Herzfrequenz, Blutdruck, Lungenfunktionstest, Rhinomanometrie (siehe oben, rechts) oder die Bestimmung der Hauttemperatur können zur objektiven Interpretation der Suchdiät beitragen.
Wichtig:
Die wichtigsten therapeutischen Maßnahmen sind
eine histaminarme Diät
Meidung von alkoholischen Getränken
Meidung von Lebensmitteln, die Histamin freisetzen können (Histaminliberatoren)
Einnahme von Antihistaminika (vor dem Essen)
Meidung von Medikamenten, die Histamin freisetzen und/oder die Diaminoxidase hemmen können
Wichtigstes Standbein in der Therapie bleibt die histaminarme Diät. Die Einnahme von Antihistaminika sollte Einladungen oder Essen außer Haus mit unbekannter Zusammensetzung vorbehalten bleiben. Bei einer sehr ausgeprägten enteralen Histaminose kann eine Dauertherapie mit Antihistaminika notwendig werden.
In der Schwangerschaft sind Patientinnen mit Histaminintoleranz häufig völlig beschwerdefrei. Ursache ist eine starke Produktion von Diaminoxidase in der Plazenta (Mutterkuchen). Das werdende Baby soll vor Histamin geschützt werden, da die Gebärmutter sehr histaminsensibel ist. Bereits der Verzehr von Emmentaler Käse könnte zum Zusammenziehen der Gebärmutter mit der Gefahr einer Frühgeburt führen. Nach der Entbindung kommt es häufig zur Rückkehr der Histaminintoleranz
Behandlungsmöglichkeiten
Bitte wenden Sie sich an die PsoriSol Fachklinik 09151-7290 oder
https://www.psorisol.de/de/startseite.html