🎓 Medizinische Wissenschaft - Fehler in Design / Auswertung von Studien

Medizin. Wissenschaft - Fehler in Design / Auswertung von Stu

Hallo,

01.08.2015
Kommentar Tot schweigen
Weil Pharmafirmen Daten vertuschen, müssen Patienten leiden.

Herzpatienten wiederum bekamen nach einem Infarkt bestimmte Mittel gegen Rhythmusstörungen, um ihr Leben zu verlängern – tatsächlich rafften die Medikamente Zehntausende von ihnen dahin. Dabei hatte eine Studie genau diese Gefahr offenbart – doch diese war 13 Jahre lang nicht zugänglich gewesen. All dies kam nur heraus, weil Forscher ihre Daten freiwillig herausrückten oder sich durch kritische Nachfragen zur Freigabe genötigt sahen.
Kommentar: Tot schweigen - DER SPIEGEL 32/2015
Hintergrund dazu:
Neun Todesfälle bei 49 Patienten mit Lorcainide, aber nur einer in der Placebogruppe.
nine deaths among the 49 patients treated with lorcainide compared with only one in the patients given placebo
The effect of lorcainide on arrhythmias and survival in patients with acute myocardial infarction: an example of publication bias. - PubMed - NCBI

Nachschlagen welche Patientenorganisationen von der Pharma finanziell unterstützt werden - hilft bei der Bewertung, was deren Aussagen Wert sind.
Spenden der Pharmaindustrie: Die fürsorgliche Belagerung der Patienten - SPIEGEL ONLINE

Hier kann man nachschlagen wer wen unterstützt - Beispiel Glaxco-Smith-Kline:
Patienten-Datenbank: Pharmaindustrie spendete Millionen an Organisationen - SPIEGEL ONLINE
Glaxco streut kleine Beträge an viele Organisationen...
Andere klotzen und beschränken sich auf weniger Gruppen, wie Boehringer Ingelheim International:
Patienten-Datenbank: Pharmaindustrie spendete Millionen an Organisationen - SPIEGEL ONLINE

Gruß,
Clematis
 
Medizin. Wissenschaft - Fehler in Design / Auswertung von Stu

Hallo,

ein weiteres Beispiel, wie Studien manipuliert werden, um in diesem Falle die Ärzte und Eltern weiterhin anzuhalten die Kinder zu impfen. Die TOKEN Studie untersuchte Todesfälle von Kindern vom 2. bis 24. Monat, die mit dem Sechsfach-Impfstoff Infantrix Hexa von GlaxoSmithKline und Hexyon von Sanofi-Pasteur (Kinderlähmung, Diphterie, Tetanus, Keuchhusten, Hämophilus Influenza B, Hepatitis B) in Verbindung stehen.

Das RKI und die o.g. Impfstoffhersteller als Finanziers und federführend beim Verfassen des veröffentlichten Berichts, sind dafür verantwortlich, daß aus den bewiesenen ca. dreimal so zahlreich auftretenden Todesfällen letztlich eine völlige Unbedenklichkeit der 6-fach Impfung publiziert wurde. Die Nebenwirkung TOD wurde einfach nicht mehr erwähnt, nachdem man die Daten "bereinigt" hatte. Die zahlreichen neurologischen Schäden noch lebender Kinder fanden selbstverständlich auch keine Erwähnung.

Siehe Details und Links zu den Dokumenten hier:
https://www.symptome.ch/threads/kindersterbefaelle-2-24-monat-token-studie-2005.130073/#post-1119771

Gruß,
Clematis
 
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Hallo zusammen,

ich bin per PN von einem Mitglied gefragt worden nach dem Umgang mit statistischen Fachbegriffen beim Lesen von Studien und ob Fragen dazu hier platziert werden könnten. Die Antwort ist auf jeden Fall: ja. Das ist sicherlich für Viele interessant.

Wenn jemand wirklich Studien mitsamt der Zahlen liest (und nicht nur die Abstracts, wie viele das tun), dann Hut ab. Das ist zäh, und um sich eine fundierte Meinung zu bilden, müsste man aus meiner Sicht fachkompetent in Statistik und teils auch Labortechnik sein.

Daher meine ich: Kaum jemand kann da "ganz"(!) durchsteigen. Ich habe mir in den letzten Jahren einmal die Mühe gemacht, die Mathematik einer Studie grob zu überprüfen. Damit meine ich: ich habe geschaut, ob das Verfahren nach gängigen Kritierien für die Fragestellung korrekt ausgewählt wurde und korrekt gerechnet wurde. (Ich habe NICHT die Plausibilität des Verfahrens selbst überprüft - das ist das Metier von spezialisierten Mathematikerin, die bei länger existierenden Verfahren hoffentlich Fehler inzwischen aufgedeckt hätten).

Und ich habe dabei aus meiner Sicht(!) einen Fehler gefunden: Eine Prüfgröße wurde nicht normiert. Als ich sie normiert hatte, war das Ergebnis nicht mehr signifikant! Das wirft natürlich Fragen auf... Auch die, ob ich mich vertan habe. Ich würde mich nämlich keinesfalls soweit aus dem Fenster lehnen, dass ich richtig liege.

Statistische Begriffe sind oftmals kaum "anschaulich" und für die Allgemeinheit verständlich zu definieren. Man kann sich auch bei einfach klingenden Begriffen nicht unbedingt an Alltagssprache und Menschenverstand orientieren. Wer da tiefer einsteigen möchte, dem empfehle ich dazu am ehesten, nach Websites für Schüler oder fachfremde Studienanfänger (also keine Mathematik-Studenten) zu suchen und diese zu lesen oder sich entsprechende Bücher zuzulegen.

Zur "statistischen Signifikanz" hatte ich mich meine ich hier schon mal ausgelassen. Das kann man aus meiner Sicht auch als Nicht-Mathematiker noch so halbwegs begreifen.

Ansonsten darf hier wie gesagt gern gefragt werden und vielleicht kommen ja gute Antworten zustande - hier lesen ja viele mit :) Und wenn der Effekt nur sein sollte, den "Respekt" vor der Materie oder die Vorsicht beim Umgang mit Studienergebnissen zu erhöhen, wäre das auch schon eine gute Sache.

Gruß
Kate
 
Zuletzt bearbeitet:
Finde ich eine gute Idee.

Ich habe zwar schon etwas an statistischem Wissen, aber die Verfahren, die ich kenne, werden in medizinischen Fragestellungen oftmals nicht verwendet, sondern eher andere (z.B. odd-Ratio). Vor vielen Jahren hab ich mich mal durch mehrere Artikel gequält, um herauszufinden, wie ich das Risiko einschätze, dass durch Einnahme von Antidepressiva das Risiko für Diabetes erhöht wird. Da war das genau das Problem. Es ging schon, ist aber schon ein ziemlicher Aufwand. Aber vielleicht kann man sich hier auch zusammentun. Das, was die einen nicht verstehen, verstehen vielleicht andere und umgekehrt.

Auch ohne statistische Kenntnisse finde ich es aber hilfreich, mehr als den Abstract zu lesen, auch da können manchmal Ungereimtheiten zu Tage treten. Oder man findet raus, dass die Aussage nicht so stark ist, wie im Abstract suggeriert. Man muss die Dinge halt kritisch lesen.

Zur Signifikanz finde ich noch wichtig zu sagen, dass das keine Aussage darüber trifft, wie STARK die Unterschiede zwischen 2 Gruppen sind, sondern nur DASS es Unterschiede gibt, die auf die Gruppenzugehörigkeit zurückzuführen sind (und nicht zufällig sind). Viele, die sich nicht näher damit beschäftigt haben, scheinen unter "signifikant" aber genau das zu verstehen.

Viele Grüße
 
Hallo damdam,

danke - da sind wir also schonmal zwei, die hier versuchen können, Antworten zu geben.

... eher andere (z.B. odd-Ratio).
Ja, die ist mir auch schon mehrfach untergekommen - z.B. beim Vergleich von verschiedenen diagnostischen Markern, wenn ich es recht erinnere.

Vor vielen Jahren hab ich mich mal durch mehrere Artikel gequält, um herauszufinden, wie ich das Risiko einschätze, dass durch Einnahme von Antidepressiva das Risiko für Diabetes erhöht wird. Da war das genau das Problem. Es ging schon, ist aber schon ein ziemlicher Aufwand. Aber vielleicht kann man sich hier auch zusammentun. Das, was die einen nicht verstehen, verstehen vielleicht andere und umgekehrt.
Ich habe das Gleiche in Bezug auf ein anderes Thema getan. Allerdings nicht bei allen Studien alles gelesen. Und das Ergebnis war auch nicht so eindeutig zu interpretieren. Aber je mehr von uns draufschauen, desto besser - wie Du auch sagst.

Auch ohne statistische Kenntnisse finde ich es aber hilfreich, mehr als den Abstract zu lesen, auch da können manchmal Ungereimtheiten zu Tage treten. Oder man findet raus, dass die Aussage nicht so stark ist, wie im Abstract suggeriert. Man muss die Dinge halt kritisch lesen.
Das sehe ich ganz genauso!! (Ungereimtheiten können z.B. schon bei der Auswahl der "Untersuchungsobjekte" auftreten, siehe Thread-Titel und Anfangsbeiträge; da reicht dann auch normaler Menschenverstand, um das zu sehen).

Zur Signifikanz finde ich noch wichtig zu sagen, dass das keine Aussage darüber trifft, wie STARK die Unterschiede zwischen 2 Gruppen sind, sondern nur DASS es Unterschiede gibt, die auf die Gruppenzugehörigkeit zurückzuführen sind (und nicht zufällig sind). Viele, die sich nicht näher damit beschäftigt haben, scheinen unter "signifikant" aber genau das zu verstehen.
Das liegt womöglich u.a. daran, dass der Begriff im Alltag eben anders (und sowieso weit gefasster, im Sinne von "deutlich") verwendet wird. Ist auf jeden Fall ein guter Hinweis von Dir!

Viele Grüße
Kate
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe mal kurz gesucht, was in diesem Thread schon zum Thema "Signifikanz" kam (siehe aktuelle Hervorhebungen von mir). Außerdem kam dabei der Buchtipp zutage, den ich sowieso noch einmal wiederholen wollte.

Die Wissenschaftler sind mit ihren vagen Formulierungen nicht die Schuldigen an einer Berichterstattung, die daraus Tatsachen macht. Im Gegenteil tragen sie hier ihrer Verantwortung Rechnung, indem sie nicht mehr draus machen, als sie tatsächlich sagen können. Und die induktive Statistik liefert eben immer nur Korrelationen (keine Kausalzusammenhänge) und dies leider auch nur mit einer gewissen "Signifikanz" (manche übersetzen dies laienhaft mit "Fehlerwahrscheinlichkeit"). Damit sind es eben nie Tatsachen und dies muss in einer seriösen Zusammenfassung klar werden.

Will man Fehler der Wissenschaftler finden, muss man tiefer einsteigen, das ist aufwändig und erfordert Fachkenntnisse (mindestens in Mathematik, meist auch noch in Labormethoden, die einem starken Wandel unterliegen und auch heute noch oftmals Schwächen haben). Fehlern bei der Auswahl der "Untersuchungsobjekte" kann man allerdings teils auch schon mit Menschenverstand auf die Spur kommen.

... spannenden Vortrag zum Thema gehört... von Hans-Peter Beck-Bornholdt, Professor am Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf. Seit Jahren versucht Beck-Bornholdt, studierter Physiker, auf gravierende Missstände in der klinischen Forschung aufmerksam zu machen. Sein gemeinsam mit einem Kollegen verfasstes Buch
Bücher von Amazon
ISBN: 3499614502
führt die gängige Praxis in der medizinischen Wissenschaft laut meiner Quelle (siehe unten) schonungslos vor.

In seinem Vortrag erzählte er, dass er durch eigene Fehler, die er als Physiker bei statistischen Auswertungen gemacht hat (seine Schiffe seien alle gesunken... ;) ) motiviert wurde, sich mit den grundsätzlichen Fehlern zu befassen, die in diesem Bereich gemacht werden. Aus einem weiteren Buch:
Bücher von Amazon
ISBN: 3499621967
(...) zitierte er einige Beispiele, die leicht verständlich und trotz der ernsten Thematik auch recht lustig waren.

Viele der Entscheidungen im Gesundheitssystem basieren auf Studien. Eine Studie wurde von ihm speziell erwähnt, samt der Fehler und "Aussage-Verzerrungen" bei der Auswertung: Die HOT-Studie zum Bluthochdruck. Auf dieser Studie basieren, so wie ich es verstanden habe, die heutigen Blutdruck-"Sollwerte".

Fehler in Design und Auswertung der HOT-Studie:

(...)

Es handelt sich nach Aussage Bornholdts und anderer um verbreitete Fehler. Weitere grundsätzliche Fehler, die er erwähnte:

(...)

Ein weiterer Fachmann, der sich beruflich durch die medizinische Weltliteratur kämpft, ist Dr. Gerd Antes aus Freiburg. Er ist der Vorsitzende des deutschen Zentrums der Cochrane-Collaboration, eines weltweiten Experten-Netzwerkes mit dem Ziel, bei den weltweit schätzungsweise 1 Million Fachartikeln über die Ergebnisse klinischer Studien die Spreu vom Weizen zu trennen - ein "desillusionierendes Geschäft". In der riesigen Menge der Veröffentlichungen ertrinken Mediziner nach seiner Aussage förmlich.

Bornholdt weist darauf hin, dass - vor allem junge - Wissenschaftler heute aufgrund des enormen Druckes, der auf ihnen lastet (Beispiel aus der Uniklinik Eppendorf: 12 Publikationen pro Jahr für einen Assistenzarzt mit 10- bis 12-Stunden-Tag, vom Chef so "gefordert"), in eine Publikationswut fallen, die ihnen zum Lesen von Fachartikeln keine Zeit lasse. Dies gehe auch auf Kosten der Qualität der Publikationen. Die Arbeiten ließen sich meistens trotzdem in einem medizinischen Fachblatt veröffentlichen, da die Latte für die Annahme eines Artikels niedrig sei und häufig nur die statistische Signifikanz der Studie ausschlaggebend. (Kriterium dafür ist der p-Wert, auch "Irrtumswahrscheinlichkeit" genannt, das ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Ergebnis reiner Zufall war. Ist p < 5 %, gilt das Ergebnis als statistisch signifikant). Bei einer signifikanten Studie handelt es sich jedoch um ein Indiz, nicht um einen Beweis. Bei vielen Studien seien die Fallzahlen zudem viel zu niedrig, um den Effekt, der nachgewiesen werden sollte, zu messen (für die minimale Fallzahl für ein aussagekräftiges Ergebnis gibt es mathematische Verfahren).

Quellen:
Vortrag Prof. Hans-Peter Beck-Bornholdt (nach meiner Erinnerung!!!)
Wissen | SWR2 | SWR.de (db.swr.de/upload/manuskriptdienst/wissen/wi0920032166.rtf)

Dass die als Kriterium teils überbewertete Signifikanz dann je nach Zielstellung auch mal unter den Tisch gekehrt wird, war hier Thema:
Quelle:
https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/atomkraftwerke_machen_kinder_krank.pdf
(Broschüre von IPPNW und .ausgestrahlt über die Kinderkrebs-Studie KiKK)

Orginal-Studie: https://web.archive.org/web/2008031...bfs/druck/Ufoplan/4334_KIKK.html/printversion

So kann es auch gehen:

Die KiKK-Studie ist die "bislang umfangreichste, aufwändigste und sorgfältigste Untersuchung zum Thema Krebs um Atomkraftwerke". Wie es aussieht, gibt es am Studiendesign auch kaum etwas auszusetzen. (Auf einer Website, die ich kürzlich besuchte und leider nicht mehr parat habe, wurde neben anderem bemängelt, man hätte Krümmel heraus nehmen müssen aus der Betrachtung. Eine "unerklärliche" Leukämiehäufung um Krümmel sei schon länger bekannt. Allerdings hängt das Ergebnis der KiKK-Studie nach meinen Informationen nicht davon ab, ob man den Standort Krümmel einbezieht oder nicht.)

Die Ergebnisse waren statistisch hoch signifikant:

Dennoch:

Die AutorInnen verdächtigten statt dessen "noch unbekannte Faktoren", "Selektionsmechanismen" und den statistischen Zufall.
Besonders das letztere verwundert – angesichts der von den AutorInnen selbst festgestellten hohen statistischen Signifikanz.

(...)

Gruß
Kate
 
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... von Hans-Peter Beck-Bornholdt, Professor am Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf

Hallo Kate und damdam,
die beiden Bücher gehören seit Jahren zu meiner Lieblingslektüre. Dort gab es einen Artikel über Mammografie, der mich angeregt hatte weitere Nachforschungen im Internet anzustellen. Das Ergebnis war ernüchternd, denn alle offiziellen Aussagen zum Screening stellten sich als leere und falsche Behauptungen heraus. Das ist aber auch schon wieder eine Weile her und ich müsste die Notizen dazu erst wieder heraussuchen.

Zitat von Kate
Quelle:
https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs...nder_krank.pdf
(Broschüre von IPPNW und .ausgestrahlt über die Kinderkrebs-Studie KiKK)

Orginal-Studie: https://web.archive.org/web/2008031...bfs/druck/Ufoplan/4334_KIKK.html/printversion

Die Studie war ist bei mir leider nicht mehr verfügbar, aber die pdf-Datei war noch vorhanden. Nach meiner Einschätzung sind alle Aussagen in diesem Artikel schwammig, nicht nachprüfbar und tendenziös. Der Artikel fällt bei mir in die Kategorie "Lügenpresse".

Kate schreibt weiter:
Die Ergebnisse waren statistisch hoch signifikant:

Dennoch:

Die AutorInnen verdächtigten statt dessen "noch unbekannte Faktoren", "Selektionsmechanismen" und den statistischen Zufall.
Besonders das letztere verwundert – angesichts der von den AutorInnen selbst festgestellten hohen statistischen Signifikanz.


Nach meiner Erfahrung sind beide Aussagen falsch (nicht die von Kate, sondern von den Autoren):

1. "statistisch hoch signifikant"

Leukämie ist eine sehr seltene Krankheit. Die notwendige Anzahl an Fällen, um signifikannte Aussagen zu erhalten, dürfte nicht erreicht werden. Eine Überprüfung der Behauptungen in der pdf-Datei ist nicht möglich, da es keine sachlichen Angaben gibt. Auf S.4 wird erklärt:

".. zeigten bei Kindern unter fünf Jahren im Fünf-Kilometer-Nahbereich erneut eine ... um 76 Prozent erhöhte Leukämierate."

Aus den Krebregisterdaten des RKI kann man entnehmen, dass es als Beispiel in den Jahren

1998: weiblich 14 und männlich 12, Gesamt: 26
2002: w 12, m 12, Gesamt 24

Leukämiefälle in ganz Deutschland in der Altersgruppe von 0 bis 85+ gab.

Krebsfälle in ganz Deutschland in der Altersgruppe 0 bis 4 Jahre, lt. RKI:
1998: w-46, m-42
2002: w-58, m-39

Die Anzahl der Krebsfälle insgesamt ist bereits so niedrig, dass nach meiner Meinung daraus keine signifikanten Aussagen abgeleitet werden können.

2. Die AutorInnen verdächtigten statt dessen ... den statistischen Zufall.

Klar, die Autoren kennen die o.g. Zahlen.


3. Die AutorInnen verdächtigten statt dessen "noch unbekannte Faktoren" ...

Dieser Satz enthält zwei Aussagen: "unbekannte" und "Faktoren"

zu "unbekannt"
Selbst mir als Laien fallen immer wieder Artikel auf, die die Ursachen von Krebs nachvollziehbar darlegen. Beispiel: Nobelpreis 1932 für Otto Warburg für die Entdeckung der Entstehung von Krebs. 1952 wurde von Budwig nachgewiesen, dass gehärtete Fette die Ursache von Krebs sind.

zu "Faktoren":
Eine Studie setzt eine wissenschaftliche Theorie über die Ursachen voraus. Diese Theorie müsste in dem betrachteten Fall stichhaltig darlegen, warum die AKWs die Ursachen für die Erkrankungen sein sollen und gleichzeitig alle anderen Ursachen dahingehend bewerten, dass sie als Ursachen ausscheiden. Beispiel:
Ursache für die Zunahme der Krebserkrankungen sind die Strahlen der Mobilfunksender, sind Impfungen mit Quecksilber und/oder Aluminium, sind Mängel in der Ernährung (Muttermilch, Kuhmilch, Soja). In einem Artikel von Walter Last wird Schleimsäure als Ursache für Leukämie genannt.
 
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Noch eine Ergänzung:
Auf S.5 sind die Gebiete eingezeichnet, die untersucht wurden:
- Großraum Hamburg
- Großraum Hannover
- Großraum Frankfurt
- Großraum München

In bevölkerungsreichen Gebieten wird man generell mehr Kranke finden, als in ländlichen Gebieten.
 
Noch zwei weitere Ergänzungen. Solche Studien enthalten viele Aussagen/Behauptungen und wenn man darüber nachdenkt, fallen einem immer wieder neue Aspekte auf.

S.3 die Grafik oben rechts
"Selbst im Abstand von 50 Kilometern von einem AKW ist das Krebsrisiko bei Kindern noch erhöht. Die Ergebnisse der epidemiologischen Untersuchung sind im Nahbereich statistisch sogar hoch signifikant. Das bedeutet, dass die nachgewiesene Häufung von Krebsfällen rings um Atomkraftwerke nicht durch Zufall erklärt werden kann."

Der Leser soll offensichtlich die Aussage "nicht durch Zufall erklärt werden können" ergänzen durch: sondern durch Strahlung.

Strahlung nimmt mit dem Quadrat der Entfernung ab. Das kann man überprüfen:

5 km: 31 Fälle (Mittelwert von 29 bis 33). Fläche: 78,5 km² (r² * Pi)
pro km²: 1,24 Fälle

30 km: 172 Fälle, Fläche 2.827 km²
pro km²: 0,061 Fälle

50 km: 198 Fälle, Fläche 7.854 km²
pro km²: 0,025 Fälle

Die Fälle müssten, wenn Strahlung aus einem AKW die Ursache wäre, bei 50km gegenüber 30 km um den Faktor 2,77 abnehmen, d.h. auf 0,022 sinken. Das trifft etwa zu.

Bei einer Abnahme nach dem Quadrat der Entfernung bezüglich der hochsignifikanten 5 km Zone ergeben sich die Werte:

30 km: 1,24/r² = 0,0014 (Ist: 0,061)
50 km: 0,0005 (Ist: 0,025)

Diese Diskrepanz beweist, dass eine Strahlung der AKWs nicht die Ursache ist.

S.5
"Für jedes erkrankte und jedes gesunde Kind ermittelten die WissenschaftlerInnen unter anderem auf 25 Meter genau den Abstand zwischen Wohnung und Abluftschornstein des Atomkraftwerks. Dieser
Abstand sollte als Ersatzgröße für die im Bereich der Wohnungen zu erwartende durchschnittliche radioaktive Strahlung dienen, weil es schlicht nicht möglich ist, in 6.327 Wohnungen rund
um die Uhr und über Jahre hinweg die Radioaktivität direkt zu messen bzw. sogar nachträglich zu bestimmen."

Hoppla, "weil es schlicht nicht möglich ist, in 6.327 Wohnungen ... die Radioaktivität direkt zu messen"

Was soll denn das? Natürlich ist es möglich die Strahlung direkt zu messen, auch in 6.327 Wohnungen. Das ist doch die wichtigste Voraussetzung für eine derartige Studie!!! Die Werte ändern sich doch nicht. Solange das AKW ohne Umbauten und Erweiterungen läuft z.B. 20 Jahre, bleiben die Werte konstant, abgesehen von Wartungsarbeiten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo vigesimo,

danke für Deine Ausführungen. Ich konnte diesen - jedenfalls ohne größeren Zeitaufwand - nur teilweise folgen. Aber womöglich steckst Du ja auch viel tiefer in der Materie als ich (ich lehne mich gerade auf dem Gebiet nicht so sehr weit aus dem Fenster). Umso dankenswerter, dass Du uns teilhaben lässt.

Es gibt übrigens auch Signifikanz bei niedrigen Fallzahlen. Dies sind m.E. zwei verschiedene Kriterien, die in die Aussagekräftigkeit mit einfließen (s.o.). Aber auch da müsste ich mich erst wieder reinvertiefen, um Quellen, Links, vertiefte Aussagen zu bringen.

Konzentrieren sollten wir uns hier aus meiner Sicht idealerweise auf

- Klärung bestimmter Begriffe
- am besten anhand von Studien aus dem Bereich des Rubriken-Themas

Sonst wird es denke ich arg unübersichtlich hier.

Gruß
Kate
 
Learning by doing: Mein Vorschlag wäre, dass wir hier gemeinsam mal eine Studie auf Herz und Nieren versuchen zu prüfen. Also auch soweit möglich die mathematischen Methoden verstehen und nachprüfen, Studiendesign, Fallstricke mitbetrachten. Natürlich vorab Begrifflichkeiten wie Konfidenzintervall, Signifikanz, etc. klären.

Bedingung wäre halt, dass sich einige Interessierte finden und auch bereit erklären etwas Zeit zu investieren (zumindest mal die Studie überhaupt lesen). Es müsste halt ein Thema sein, das auch auf allgemeines Interesse stößt. Mein Vorschlag wäre diese hier: Elevated Plasma Vitamin B12 Levels as a Marker for Cancer: A Population-Based Cohort Study

Da zeigte sich, dass erhöhtes Serum-B12 (ohne vorangegangene parenterale Substitution), mit zum Teil beträchtlich erhöhtem Krebsrisiko assoziiert ist: "Eine dänische Studie zeigt: Bei unerwartet hohen Vitamin-B12-Werten ist das Risiko für Leukämie im nächsten Jahr 100-fach erhöht, das für Leberkrebs 40-fach."

Diese Studie wäre relativ kurz, die Mathematik vermutlich recht simpel. Die Studien sind aber praktisch immer auf Englisch, da wird man nicht drum rum kommen.

Also wer macht mit? Die Studie wäre jetzt nur ein Vorschlag, wir können auch eine andere nehmen, die auf allgemeines Interesse stößt.
 

Anhänge

  • djt315.pdf
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Hallo,

ich hätte grundsätzlich Interesse, mitzumachen - ich schule gerne mein kritisches Denken, und der Austausch untereinander ist sicherlich eine super Übung dafür. Allerdings habe ich in den nächsten Tagen nicht viel Zeit.

Den Vorschlag der Studie finde ich gut; B12 ist ja ein wichtiges Thema, mit dem viele hier sicher schon zu tun hatten. In Zusammenhang mit erhöhtem Krebsrisiko ist mir das neu und ich bin erstaunt, das zu hören; insofern finde ich die Idee, diese Studie kritisch zu betrachten, gut.

Viele Grüße,
odyssina
 
Ich hatte es schon gesagt, aber nochmals zur Klarstellung: Es geht hier nicht um Krebsrisiko im Zusammenhang mit B12 Substitution, sondern darum, dass wenn das B12 hoch ist OHNE Substitution, dass dann ein erhöhtes Risiko vorliegt. Das dürfte weniger am B12 selbst liegen, sondern das hohe B12 ist wohl eher Ausdruck einer wie auch immer gearteten metabolischen Störung.

@Kate: Macht es Sinn, falls dieses "Projekt" zustande kommt, es in einen neuen Thread auszulagern?
 
Hallo,

ich hatte das schon auch so verstanden, das hattest Du gut verständlich formuliert. :) Trotzdem könnte ich mit meinem bruchstückhaften Wissen zu B12 jetzt keine Hypothese aufstellen, was die Gründe dafür sein könnten. Insofern bin ich gespannt auf die Discussion der Publikation.

Viele Grüße,
odyssina
 
Hallo Markus,

grundsätzliches Interesse ja, als Thema fände ich etwas spannender, was mich (oder einen der Mitdiskutanten) betrifft, wenigstens weitläufig, dann hat man konkret was davon. Aber vielleicht kommmt der Appetit beim Essen, aus Lust an der Wissenschaft.
Zeit: In der nächsten vermutlich gar keine, da es mir momentan nicht gut geht und ich es schon nicht schaffe, mich um die für mich wichtigen Infos zu kümmern. Aber ich hoffe, dass es besser geht, wenn mir demnächst ein Zahn gezogen wird (vorauss. in 2 Wochen).

Meine Meinung bzgl. Auslagern: Wenn wir das umfassend auseinandernehmen, würde ich eher hier einen Link setzen auf einen extra Thread. In dem neuen Thread ginge es dann schwerpunktmäßig um die Methodik, in diesem hier wäre eher eine ergebnisorientierte Sammlung, was Studie xy angeblich rausgefunden hat, was man aber gar nicht stehen lassen kann (manchmal reichen ja Kleinigkeiten, dass eine Studie Unfug ist). Macht das Sinn?
Allerdings könnte man auch hier erstmal anfangen und gucken wie es sich entwickelt und dann immer noch auslagern...

Viele Grüße
 
Wie gesagt, die Studie war nur ein Vorschlag. Wenn du andere Vorschläge hast, her damit. Die Studie wäre halt insofern praktisch: Kurz zu lesen, frei verfügbar, Datenmaterial mit dabei und mathematisch gut nachvollziehbar. Also für den Einstieg nicht schlecht.

Was für mich persönlich viel interessanter wäre, ist das Thema Krebs und Vitamin D. Das wäre aber bestimmt ein riesen Aufwand, den wir nicht betreiben können.
 
Ich bin dabei, allerdings nur an einer sinnvollen Studie, ansonsten ist mir die Zeit zu schade.

Das Problem sind nicht die Berechnungen in den Studien. Die mathematischen Methoden sind bekannt und bei richtiger Anwendung stimmen auch die Ergebnisse. Problematisch ist die wissenschaftliche Theorie, die durch eine Studie unterstützt werden soll. Wenn die Theorie falsch ist, kann die Studie trotzdem zu einem richtigen Ergebnis führen. Beispielstudie von Kate zum Nachweis, dass in der Nähe von AKWs die Leukämie ansteigt. Die Fehler sind: keine Messung der Strahlungen in den Wohnungen!

Damit ist die Studie wertlos.

Studien sind deshalb so beliebt, weil man damit alles beweisen kann. Man kann insbesondere beweisen, dass giftige Medikamente (bzw. je nach Bedarf unwirksame Medikamente) angeblich helfen.

Irgendwo in der Studie gibt es einen versteckten Satz, der die Täuschung aufzeigt. Um diese Lücken zu finden sind englischsprachige Studien ungeeignet, da man jeden Satz auf die Goldwaage legen muss.

Ein Beispiel für die Goldwaage:

aus RKI - Krebs in Deutschland (156 S, 2015).pdf

S.132 Risikofaktoren

Zu bekannten Risikofaktoren, die akute Leukämien auslösen können, gehören unter anderem ionisierende Strahlen bei einer Strahlentherapie, Zytostatika im Rahmen einer Chemotherapie bei Krebs und mit Wahrscheinlichkeit auch verschiedene Chemikalien, z. B. am Arbeitsplatz. Eine durch berufsbedingten Kontakt mit Benzol ausgelöste Leukämie kann zum Beispiel als Berufskrankheit anerkannt werden.

Soweit ist alles klar?
Wir lesen es nochmal (Goldwaage) und noch einmal. Was wird gesagt: "Zu bekannten Risikofaktoren, die akute Leukämien auslösen können, gehören unter anderem ionisierende Strahlen"

Die Rede ist von Risikofaktoren, nicht von Ursachen!!!

Risikofaktoren dienen der Verdummung, wichtig sind die Ursachen.

Aber jetzt kommt es:
Bei den meisten Patienten findet sich in der Vorgeschichte jedoch keiner dieser Risikofaktoren, insbesondere Ursachen chronischer Leukämien sind weitgehend ungeklärt.

Bevor sich eine Leukämie entwickelt, müssen vermutlich verschiedene Faktoren zusammenwirken.

Noch einmal "Bei den meisten Patienten findet sich in der Vorgeschichte jedoch keiner dieser Risikofaktoren"

Also die Risikofaktoren sind eine reine Erfindung des RKI!!!
 
Zuletzt bearbeitet:
Risikofaktoren dienen der Verdummung, wichtig sind die Ursachen.

Da lehnst du dich aber sehr weit aus dem Fenster. Rauchen ist z. B. ein Risikofaktor für Krebs und Kreislauferkrankungen. Das heisst, nicht jeder Raucher stirbt daran, trotzdem kann man das allgemeine Risiko berechnen, wenn man genügend Daten zur Verfügung hat.

Es kommt eher selten vor, dass man eine 1:1-Ursache in der Medizin findet, wie etwa einen Kometeneinschlag direkt auf die Birne.
 
Oder wir schauen uns Studien an, die die Wirksamkeit der FSME-Impfung belegen soll. Das RKI hat mir da einige genannt:

- Heinz FX, Holzmann H, Essl A, Kundi M. Field effectiveness of vaccination against tick-borne encephalitis. Vaccine 2007;25:7559-67.
- Heinz FX, Stiasny K, Holzmann H, Grgic-Vitek M, Kriz B, Essl A, Kundi M. Vaccination and Tick-borne Encephalitis, Central Europe. Emerg Infect Dis 2013;19:69-76.
 
Hallo miteinander,

für mich wäre englisch oder deutsch beides okay. Die meisten wissenschaftlichen Publikationen (peer-reviewed) sind aber auf englisch, und ich denke, es ist schon sinnvoll, eine peer-reviewed study mit Rohdaten zu wählen. Einen Gegenvorschlag habe ich nicht, finde den Vorschlag gut, bin aber auch offen für andere Vorschläge.

Noch ein paar Inputs von meiner Seite:

Zum Thema wissenschaftliches Denken in der Medizin finde ich folgenden TED-Talk (englisch) sehr gut:
https://www.ted.com/talks/kevin_b_jones_why_curiosity_is_the_key_to_science_and_medicine

Vom Redner gibt es auch ein Buch, das einen interessanten Einblick in die Denkweise von Ärzten gibt und vieles gut hinterfragt und reflektiert:
https://www.amazon.de/What-Doctors-Cannot-Tell-You/dp/0985245476/ref=sr_1_1?s=books-intl-de&ie=UTF8&qid=1499346418&sr=1-1

Ansonsten war für mich der Ansatz des Falsifikationismus, der durch Karl R. Popper entwickelt wurde, interessant und überzeugend. https://de.wikipedia.org/wiki/Falsifikationismus

Dem ensprechend, vigesimo, denke ich, dass die von Dir zitierte Studie keine Aussagen über Ursachen erlaubt, sondern nur Korrelationen und damit verbundene erhöhte Wahrscheinlichkeiten (also Risikofaktoren) festgestellt werden können. Dies kann ein Hinweis auf Kausalität sein, aber kein Beweis. "Correlation doesn't equal causation".

Viele Grüße,
odyssina
 
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