"Leitlinien Müdigkeit" - und wie geht es weiter?

  • Themenstarter castor
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danke, castor und boooooa, für diese beiträge. es ist echt nicht zu fassen, was für ein sumpf sich da auftut! leider kann man nicht betroffenen die krankheit incl. der politik dahinter nicht in ein paar worten erklären. deshalb ist es so schwierig, m.m.n., politiker darauf aufmerksam zu machen.

ich habe die erfahrung gemacht, dass es vorteilhaft ist, cfids erst gar nicht zu benennen, sondern nur von einer schweren multisystemerkrankung zu sprechen, die sich von speziellen ärzten auch durch blutparameter diagnostizieren lässt. allerdings haben die meisten mediziner davon keinen schimmer - deshalb finden sie nichts und weichen auf die psyche aus. irgendeine diagnose muss ja her...

lg

aspi
 
Wuhu,
Neues zum Thema "Leitlinien - wie weiter" via cfs-aktuell.de:
Stellungnahme zur Leitlinie Müdigkeit der DEGAM
eine Initiative von Priv.Doz. Dr. med. WP Bieger

Helfen Sie, weitere Unterschriften für diese Stellungnahme zu sammeln:
Sie können diese Stellungnahme Ihrem Arzt vorlegen, zur Information und mit der Bitte, diese auch zu unterzeichnen. Die Liste der Unterzeichner wird hier aktuell ergänzt, auch eventuelle weitere Stellungnahmen durch andere Ärzte oder Institutionen.

  • Drucken Sie für Ihren Arzt diese pdf-Datei der Stellungnahme aus und/oder verweisen Sie auf diesen Weblink.
  • Das unterschriebene Dokument bitte senden an: Regina Clos, Eberleinstraße 1, 65195 Wiesbaden.
Weitere Informationen zu den Leitlinien Müdigkeit siehe Artikel des Monats Februar 2012.
Quelle: april12_1 (dort ist die Initiative auch als jpg abgebildet)
 
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Hallo CFS Zombie,

ich bin zwar nicht direkt angesprochen, versuche aber trotzdem mal zu antworten.

Leider ist es aber tatsächlich so. Es liegt mir eine Publikation des Fatgatio vor, die aus der Feder des Psychiaters Nix stammt.

Welche Publikation meinst du? Bitte belegen!
 
Ist schon andernorts im Forum belegt. Aber bitte, für Dich nochmals. (s. Anhang)
 

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  • Nix - Fatigatio e.V..pdf
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Jo, genau diese wars.

Beachtenswert in dieser Publikation ist sicherlich auch der Hinweis, dass der angesprochene Psychiater zudem auch noch Leiter einer "Arbeitsgruppe CFS - beratend tätig für das Bundesministeruim für Gesundheit" war. Heute ist er zudem Direktor der "Akademie für ärztliche Fortbildung". Man muss sich also über Nix mehr wundern...

Mir sind persönlich mehrere Patienten bekannt, die aufgrund seiner gutachterlichen "Empfehlungen" ihre notwendigen Immuntherapien abbrechen mussten, weil die Kassen die Erstattungen daraufhin einstellten. Klar, warum auch aufs Immunsystem setzen. Es geht ja auch mit "Verhaltenstherapien"...

Obwohl er im Zusammenhang mit CFS bereits 1997 vom Landgericht Mönchengladbach als Befangen eingestuft wurde (LG Mönchengladbach, Beschluss v. 14.08.1997, Az.: 5 T 415/97, liegt mir vor) scheint er auch heute noch ein von Gerichten gerne gefragter (Ab-)Gutachter zu sein. Einem MCS-Forum ist das jedenfalls so zu entnehmen. klick

CFS, MCS und andere Erkrankungen stuft er demnach noch immer gerne als eine Art "Sissi-Syndrom" ein.



Nachtrag vom 20. 4.: Ich habe hier im Anhang nochmal einen Screenshot-Ausschnitt der angesprochenen Nix/Fatigatio-Publikation angehängt. Die gesamte Publikation umfasst insgesamt 6 Seiten und auf jeder einzelnen Seite prangt - in leuchtenden Farben - das Logo des Fatigatio. Also wenn das dann keine "Fatigatio-Publikation" ist, dann weiß ich auch nicht mehr...
 

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  • fatigatio-nix-auszug-broschur-boooooa.JPG
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Es liegt mir eine Publikation des Fatgatio vor, die aus der Feder des Psychiaters Nix stammt.

Jo, genau diese wars.
Beachtenswert in dieser Publikation ist sicherlich auch der Hinweis, dass der angesprochene Psychiater zudem auch noch Leiter einer "Arbeitsgruppe CFS - beratend tätig für das Bundesministeruim für Gesundheit" war.

Es ist nicht wahr, dass a) es sich um eine Publikation des Fatigatio e.V. handelt und b) dass die Publikation "aus der Feder des Psychiaters Nix" stammt. Dass das angehängte Blatt diesen "beachtenswerten... Hinweis" enthält, ist insofern richtig, als es sich um das Vorblatt einer Veröffentlichung der "Arbeitsgruppe CFS im Bundesgesundheitsministerium" handelt.

Diese Arbeitsgruppe entstand u.a. aufgrund von Eingaben an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages (1992), in denen von CFS-Kranken mehr Forschung und bessere Versorgung von CFS-Patienten gefordert wurde. (1995 kam es nach drei Jahren zu einer Beschlussempfehlung des Deutschen Bundestages zum CFS.)

Vorsitzender der Arbeitsgruppe, die 1994 im BGM eingerichtet wurde, war im ersten Jahr Prof. Dr. med. Gerhard R.F. Krueger (Universität Köln). Der hatte schon früher zum Thema CFS veröffentlicht und konnte, auch wegen seiner wissenschaftlichen Kontakte in die USA, als ausgewiesener Experte gelten. Im Oktober 1994 veröffentlichte die Arbeitsgruppe im "Deutschen Ärzteblatt" (Heft 43) den Artikel "Chronisches Erschöpfungssyndrom: Eine Standortbestimmung", Rüdiger R.F. Fock, Gerhard R.F. Krüger. Zugleich fand eine erste wissenschaftliche Tagung zum CFS in der Kölner Universität statt. Die Veröffentlichung eines "Leitfadens für Betroffene" der gleichen Arbeitsgruppe, also auch unter Teilnahme von Prof. Krueger u.a., folgte. Dieses Mal unter dem Vorsitz von Prof. Dr. med. W. Nix. Auf diese Publikation wird in dem Blatt hingewiesen.
Der Fatigatio hat diesen Artikel zusammen mit weiteren Veröffentlichungen (z.B. Übersetzung der Fukuda-Definition) in einer Informationsmappe weitergegeben.
 
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Es ist nicht wahr, dass a) es sich um eine Publikation des Fatigatio e.V. handelt und b) dass die Publikation "aus der Feder des Psychiaters Nix" stammt. Dass das angehängte Blatt diesen "beachtenswerten... Hinweis" enthält, ist insofern richtig, als es sich um das Vorblatt einer Veröffentlichung der "Arbeitsgruppe CFS im Bundesgesundheitsministerium" handelt.

Zu a)
Wenn der Fatigatio die Broschüre mit dem bekannten Vorblatt herausgibt und auf jeder weiteren Seite oben nochmal "Fatigatio e.V." prangt, darüber hinaus selbst an der Arbeit der Arbeitsgruppe des BMG beteiligt war, dann ist es selbstverständlich eine Publikation des Fatigatio.

Zu b)
Zweifelsohne hat der Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Prof. Nix, der Fassung maßgeblich seinen Stempel aufgedrückt. U.a. wegen des dort getätigten Statements zu Blutspenden von CFS-Kranken, hat das Landgericht Mönchengladbach Prof. Nix als befangen erklärt (Az.: 5 T 468/97)

Insider wissen auch, warum der hoch geschätzte Fachmann Prof. Krueger nicht den Vorsitz der Arbeitsgruppe des BMG behalten hat. Er paßt nicht ins System und wird, wie andere Fachleute, marginalisiert. Außerdem steht er nicht dem Verband der Ersatzkassen und dem BMG nahe. Ich könnte noch weiter ins Detail gehen, aber dann macht der Fatigatio wieder Stress. (Die Einladung - siehe Anhang - wird ihm auch geschadet haben!)

Mir liegt auch das Manuskript zu der erwähnten vorangegangenen "Standortbestimmung" vor - noch unter Vorsitz von Krueger. Der später erschienene Leitfaden (nun unter dem Vorsitz von Nix) weicht in maßgeblichen Punkten davon ab. Bspw. erwähnt die Nix-Variante keine Störungen der Lymphozytenstimulierbarkeit, IGG-Subklassendefizienzen sowie quantitative oder funktionelle Defekte der Natürlichen Killerzellen. Auch den Satz "Als Arbeitshypothese ergibt sich hieraus für die Pathogenese des CFS, daß es sich wahrscheinlich um eine Störung der komplexen Regulation des psychoneuro-endokrinen-immunologischen Netzwerks handelt." hat Nix in seiner Fassung gestrichen. Gleichfalls findet sich bei Nix plötzlich keine Empfehlung mehr, Mangelzustände (Vitamine, Hormone, Spurenelemente) auszugleichen. Das hat der Fatigatio genau so mitgetragen, obwohl Frau Uhlisch das Manuskript von Krueger kannte, ja sogar neben Krueger et al. erwähnt wurde.

Bemerkenswert ist die Doppelzüngigkeit des Fatigatio. Aus der Kooperation gegen die Leitlinien Müdigkeit, unter dem Dach des Bündnis ME, ist er mit fadenscheinigen Begründungen ausgestiegen. Die Äußerungen zu Blutspenden (Bestandteil des Leitfadens) wurden 1995 jedoch nur kritisiert. Wäre man konsequent, dann hätte man sich seinerzeit auch von der Arbeitsgruppe des BMG/Prof. Nix distanzieren müssen. Stattdessen verteilte der Fatigatio das Werk von Nix und präsentierte sich zudem voller Stolz als Mitglied des Arbeitsstabs.
 

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  • Einladung durch Prof Krueger.pdf
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Hui,

Professor Nix, hat die Befindlichkeitsstörung CFS als "Sissi Syndrom" bezeichnet.

Der ICD Schlüssel der WHO, gibt dieses Syndrom leider nicht aus.

Kennt jemand die Schlüsselnummer vom Sissi Syndrom??

Ich habe etwas im Internet gefunden, die steht aber in der Leitlinie "Mein Kampf" das muss aber eine alte Leitlinie sein. Die ist in den 1920igern erschienen.

Sollte jemand eine neuere Leitlinie vom "Sissi Syndrom" finden, bitte hier posten....
 
Sorry, wen interessiert eine Abhandlung von Prof. N. aus dem Jahre 19hundertx ?

Der jetzige, amtierende Vorstand vom Fatigatio teilte kürzlich den Mitgliedern mit,
dass sie mit einer Psychogruppe zusammen arbeiten ( Landau od. sonstwo ).

Im Sept. findet in Dortmund neben der Mitgliederversammlung des Fatigatio eine
groß aufgezogene Fachvortragsveranstaltung statt.

Wenn von den jetzigen verbleibenden Vorstandsmitgliedern (3) dann jemand sagt, er
hat sooooooooo viel in den letzten Jahren geleistet, dann kann er sich
entsprechend gut "verabschieden"
Bekanntlich möchte mit den verbleibenden Vorständlern offenbar keiner
den Verein weiter fortführen. Ein altes Vereinsproblem!
Fähige, neue Mitglieder sind nach der Satzung jedoch nicht wählbar.

Nach der Dortmund-Jahresversammlung 2012 könnte sich dann der Fatigatio in
einer außerordentlichen Versammlung insgesamt auflösen.
 
Hallo,

ich bin auf einen interessanten Artikel im Deutschen Ärzteblatt gestoßen: Ärztliche Professionalität und Komplementärmedizin: Was ist seriöses Therapieren?

Das Wesen ärztlicher Professionalität wurde in den vergangenen Jahren weltweit reflektiert. Nach der Charta der medizinischen Professionalität orientiert sich die Arztprofession an drei Zielprinzipien: dem Wohl des Patienten, der Patientenautonomie und der medizinisch-sozialen Gerechtigkeit. Um diesen Idealen zu genügen, gehen Ärzte folgende Verpflichtungen („commitments“) ein: fachliche Kompetenz, Ehrlichkeit gegenüber dem Patienten, Schweigepflicht, gute Patient-Arzt-Beziehung, Verbesserung der Behandlungsqualität, Abbau von Versorgungsbarrieren, Kosteneffektivität, Wissenschaftlichkeit, Offenlegung von Interessenkonflikten, Kollegialität. Ähnliche Idealsetzungen findet man im International Code of Medical Ethics des Weltärztebundes, in der Europäischen Berufsordnung („Grundsätze ärztlicher Ethik“) und in der Berufsordnung der Bundesärztekammer.

Diese Kodizes berühren allerdings nicht das Spannungsfeld des sogenannten medizinischen Pluralismus mit der gleichzeitigen Existenz von „schulmedizinischen“ und alternativen, speziell „komplementärmedizinischen“ Therapieansätzen. Die Frage ist deshalb, wie sich ärztliche Professionalität in pluralistischem Kontext realisieren lässt: Was ist seriöse ärztliche Therapie?

Therapeutische Seriosität
Allgemein gesprochen ist eine Therapie seriös, wenn ihre Anwendung beziehungsweise Durchführung in Einklang steht mit den oben genannten Idealen und Verpflichtungen, die zur ärztlichen Professionalität gehören. Im Einzelnen zeichnet sich therapeutische Seriosität durch folgende Kriterien aus:

• gewissenhafte medizinische Arbeitsweise (etwa sorgfältige Anamnese und Befunderhebung), einschließlich Dokumentation
• kontinuierliches Bemühen um profundes medizinisches Wissen und Erkenntnisfortschritt
• Kenntnis der eigenen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten und Grenzen; hierzu ist der Patient angemessen zu informieren
• Kenntnis der wichtigsten diagnostischen und therapeutischen Alternativen und ihrer Möglichkeiten und Grenzen; hierzu wird der Patient ebenfalls angemessen informiert
• keine polemisch überzogenen Äußerungen gegenüber therapeutischen Alternativen
• Bereitschaft zur Offenlegung und Nennung der theoretischen und empirischen Grundlagen für die eigenen Ansichten
• Respekt gegenüber der autonomen, individuellen Erkenntnisperspektive, Prioritätensetzung und freien Entscheidungsmöglichkeit des Patienten
• keine unverhältnismäßigen finanziellen Forderungen
• keine Vorspiegelung falscher Erfolgsaussichten zum Zweck eines finanziellen Vorteils oder andersartigen Profits.
Mit Veröffentlichungen zum Verhältnis von Komplementär- und Schulmedizin wurde im Deutschen Ärzteblatt seit 2004 ein Diskurs auf Augenhöhe in Gang gesetzt.

Diese Kriterienliste, die nicht abschließend ist, gilt für die Schulmedizin und die Komplementärmedizin gleichermaßen. Sie kann ein hilfreiches Maß zur Unterscheidung seriöser und unseriöser Therapien sein. Mögliche weiterführende Präzisierungen und Ergänzungen der Kriterien sind von den jeweiligen konkreten Gegebenheiten des betreffenden medizinischen Ansatzes abhängig zu machen.

Im Kontext des Pluralismus der Medizin ist ein besonders zu diskutierendes Professionalitätskriterium das der ärztlichen Wissenschaftsverpflichtung. Sie hat sich an dem spezifischen Wissenschaftscharakter der Medizin als einer praktischen Erfahrungswissenschaft mit zusätzlicher Verwendung anderer Wissenschaften zu orientieren. Nach der genannten Professionalitätscharta gründet sich das wissenschaftliche Wissen des Arztes auf externe Evidenz und ärztliche Erfahrung.

Medizinpluralismus und die Verpflichtung zu Wissenschaftlichkeit können auf den ersten Blick als ein Widerspruch erscheinen. Jedoch ist die Wissenschaft selbst schon pluralistisch in folgender Hinsicht:

Es beruhen die logisch-mathematischen Wissenschaften auf axiomatischen Festsetzungen, und es sind hierbei Alternativsysteme möglich; es bestimmen in den empirischen Wissenschaften nicht nur die Fakten die Theorien, sondern umkehrt auch die Theorien die Fakten (Einstein: „Erst die Theorie entscheidet darüber, was man beobachten kann.“); es gibt einen Pluralismus von Erklärungsmöglichkeiten mit komplementären und konkurrierenden Erklärungsmodellen und verschiedenen Modellebenen sowie auch einen Pluralismus der Evidenzarten; und es gibt in der Gemeinschaft der Wissenschaftler unterschiedliche Denkstile und Denkkollektive. Es können deshalb in mathematischen wie auch in empirischen Wissenschaften jeweils mehrere konkurrierende oder sich ergänzende Systeme und Perspektiven existieren. Dieser pluralistische Charakter der Wissenschaft erfuhr eine allgemeine Beachtung, nachdem Thomas S. Kuhn in den 1960er Jahren den Begriff des Paradigmas in das Zentrum der Wissenschaftsdiskussion gestellt und Imre Lakatos von konkurrierenden Forschungsprogrammen gesprochen hatte. Danach wurden die Pluralismen ausgerufen: 1974 deklarierte Helmut Spinner für die Wissenschaft den „Pluralismus als Erkenntnismodell“; 1976 wurden mit dem Arzneimittelgesetz der Bundesrepublik Deutschland die „Besonderen Therapierichtungen“ wie Homöopathie, Phytotherapie und Anthroposophische Medizin und damit der medizinische Pluralismus anerkannt. Seither haben auch das Sozialgesetzbuch sowie die Rechtsprechung und das juristische Schrifttum die Bedeutung des Pluralismus in der Medizin betont. Auf globaler Ebene wird der Pluralismus auch von der Weltgesundheitsorganisation gewürdigt, hier besonders die „traditionelle Medizin“, die den unterschiedlichen kulturellen Traditionen in verschiedenen Regionen der Welt Rechnung trägt.

Zu beachten ist, dass die Anerkennung des Medizinpluralismus historisch und sachlich der des Wissenschaftspluralismus nachfolgte. Gerade deshalb darf der Pluralismus der Medizin nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden. Medizinischer Pluralismus stellt zwar das Deutungsmonopol des wissenschaftlichen Mainstreams infrage, hebt aber nicht die Wissenschaftsverpflichtung auf; er erfordert, die Prämissen und Konsequenzen des jeweiligen Konzepts offenzulegen, sie dem kritischen Diskurs auszusetzen und sie zu prüfen.

Pluralismus in der Evaluation
Ein wichtiges Prüfmittel der Medizin – für Diagnostik, Prognostik und Therapie – ist die Evaluation durch klinische Studien. Bezugsrahmen ist heute die Hierarchie der evidenzbasierten Medizin mit ihren höheren Evidenzebenen, das heißt randomisierten kontrollierten Studien (RCT) und deren Meta-analysen, und mit den tieferen Evidenzebenen, wie Beobachtungsstudien, Erfahrungsberichten, Expertenmeinungen. Allen diesen Ebenen wird eine gewisse Evidenzkraft zugesprochen. Zur Validierung diagnostischer Verfahren und zur Prädiktoranalyse werden auch andere Studien als RCT akzeptiert. Für Therapieevaluationen werden zumeist RCT gefordert, oft auch zusätzliche Evaluationen der Alltagspraxis im Sinne der Versorgungsforschung.

Angesichts des Pluralismus therapeutischer Konzepte könnte man die Auffassung vertreten, die ärztliche Wissenschaftsverpflichtung solle zumindest hinsichtlich der Evaluation einheitlich sein und sich auf RCT stützen. Nicht selten steht man allerdings vor der Situation, dass RCT nicht durchführbar sind, zum Beispiel aus ethischen oder wirtschaftlichen Gründen oder wegen unzureichender Patientenzahl oder starker Therapiepräferenz bei Ärzten oder Patienten, oder dass gerade RCT zu falschen Ergebnissen führen können, speziell in Behandlungen, die von spezifischen professionellen Fertigkeiten abhängig sind, oder dass die vorhandene Evidenz auch schon ohne RCT überzeugend ist. Es ist deswegen in einem pluralistischen Spektrum von Therapiemöglichkeiten die best evidence nicht zwangsläufig der Ausweis für best therapy. Dies gilt nicht nur für viele Teilbereiche der Komplementärmedizin, sondern auch der Schulmedizin, vor allem bei Therapien, die aus der Praxis entstanden, wie Chirurgie, Physiotherapie, Psychotherapie. Naturgemäß folgt deshalb auch die Evaluation einem eigenen Pluralismus („diversity, rather than a hierarchy“). Ob solcher Evaluationspluralismus eine Notwendigkeit ist und wie er seriös gestaltet werden könnte, ist Gegenstand kontroverser Diskussion, nicht zuletzt in Bezug auf die Komplementärmedizin.

Klinische Evaluationen und ihre systematische Auswertung (Reviews, HTA-Berichte) sind wichtig und werden zunehmend auch in der Komplementärmedizin durchgeführt (zum Beispiel 41–44), bieten aber nur eine begrenzte Urteilsgrundlage für die Therapieentscheidungen der Ärzte. Kriterien einer wissenschaftlichen Ausrichtung des konkreten Behandlungsfalls sind die rationale Erfassung der Situation des betreffenden Patienten, die ärztliche Erfahrung, die externe Evidenz und die kritische Verlaufsbeurteilung. Des Weiteren erfordert die Behandlung auch Empathie und die Berücksichtigung der Patientenperspektive.

Fachkompetenz und Dialog
Der Pluralismus der Medizin benötigt die Verpflichtung zu fachlicher Kompetenz. Hierzu gehören multidisziplinäre Kenntnisse, unter anderem aus Naturwissenschaft, Psychologie, Soziologie, Methodologie, Pathologie, aber auch Fertigkeiten in Diagnose und Therapie sowie spezialisiertes Fachwissen. Zur ärztlichen Kompetenz gehören auch die Fähigkeit zur Erzeugung einer vertrauensvollen Arzt-Patient-Beziehung, die Kooperation mit Kollegen (nicht zuletzt, wenn eigene Kompetenzgrenzen erreicht sind) und die kontinuierliche Weiter- und Fortbildung. Dies alles gilt in gleicher Weise für schul- und komplementärmedizinisch tätige Ärzte. Therapeutische Seriosität ist erst möglich auf der Basis von Fachkompetenz.

Zu einer Kompetenzsteigerung führen fachärztliche Spezialisierungen. Auch komplementärmedizinische Weiterbildungen können als ein Zugewinn an Kompetenz verstanden werden, eine Ansicht, die verbreitet sein dürfte im Bereich der ambulanten medizinischen Versorgung, wo der Einsatz von Komplementärmedizin heute von ungefähr der Hälfte der Ärzte befürwortet wird. Andererseits aber erzeugt die ausgeprägte Unterschiedlichkeit der schul- und komplementärmedizinischen Positionen nicht selten gegenseitige Abwehr und Grabenkämpfe innerhalb der Profession. Was bei fachlichen Differenzierungen innerhalb der Schulmedizin eine natürliche Folge ist – Kommunikation und Kooperation –, ist im Kontext des medizinischen Pluralismus keine Selbstverständlichkeit.

Da ärztliche Kompetenz nicht zuletzt von der Kenntnis der Reichweite und Limitierung auch anderer als nur der eigenen Perspektiven abhängt, ergibt sich aus dem medizinischen Pluralismus die Aufforderung, sich über die anderen Perspektiven und deren Leistungsfähigkeit zu informieren und den intra- und interprofessionellen paradigmenüberschreitenden Dialog einzugehen. Geeignete Orientierungsfragen hierfür sind:

• Auf welchen theoretischen Grundlagen, einschließlich Menschen- und Naturverständnis, beruht der betreffende Therapieansatz, und in welchem Verhältnis steht er zu anderen Therapiesystemen?
• Wie sehen die Vertreter dieses Therapieansatzes die Evaluationsmöglichkeiten?
• In welchem Maß bestehen Diskursfähigkeit und intersubjektive Vermittelbarkeit?

Autonomie der Patienten
Das erste Leitprinzip ärztlicher Professionalität ist das Patientenwohl (salus aegroti suprema lex), als zweites kam in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts die Beachtung der Patientenautonomie hinzu. Die Autonomie der Patienten bedeutet, dass auch deren Blick auf die Komplementärmedizin eine Berücksichtigung finden muss: Nach Umfragen wünscht sich die Mehrzahl der Patienten eine aus Schul- und Komplementärmedizin integrierte Versorgung; in der Schweiz wurde im Mai 2009 per Volksabstimmung ein Zusatz zur Verfassung beschlossen, wonach die Staatsorgane für eine angemessene Berücksichtigung der Komplementärmedizin im Medizinsystem zu sorgen haben. Wenn der künftige Ausbau der Gesundheitsversorgung diesem Patientenwillen Rechnung trägt, werden Professionalitäts- und Seriositätsgesichtspunkte vorrangige Bedeutung haben.

Die hier aufgelegte Messlatte wird im klinischen Alltag und bei der Verfassung von Leit- und Richtlinien eindeutig gerissen. Gäbe es Pluralismus in der geschilderten Art, dann wären alle Probleme vom Tisch.

Hervorzuheben ist, dass einer der Autoren des Artikels, Prof. Hermann Heimpel, große Schuld an der katastrophalen Situation ME/CFS-Kranker trägt. Prof. Heimpel ist (neben Prof. Nix) Autor des Positionspapiers „Diagnostik und Therapie des chronischen Müdigkeitssyndroms (CFS) und verwandter Erkrankungen“ der Ärztekammer Nordrhein, herausgegeben im Jahr 2000. Dies, obwohl er im Vorfeld mehrere denkwürdige Äußerungen zum Besten gab. So war er 1990 für die KV Aachen als Parteigutachter zum Themenkomplex Chronic Fatigue Syndrome und Therapieverfahren tätig. Dort ist er wie folgt zu zitieren:

Ich habe mich mit diesem ganzen Komplex, abgesehen von meinem Interesse für die psychosozialen und kulturanthropologischen Aspekte derartiger Therapieverfahren, nicht beschäftigt und habe auch nicht vor, dieses in Zukunft zu tun. Meines Erachtens gehören sie in den großen Bereich der Diagnostik und Therapieverfahren mit unbewiesener Wirksamkeit. Ich bin weder kompetent [sic!] noch habe ich die Zeit, zu den von Ihnen angeschnittenen Fragen in der Standespresse Stellung zu nehmen, noch ein Gutachten zu erstatten.

Diese selbst zugegebene Inkompetenz hielt ihn jedoch nicht davon ab, mit Datum 7.12.1992 zur gleichen Sache tätig zu werden. In dieser "Ausarbeitung" für den MDK Nordrhein - basierend auf höchst dürftigen Daten, die eines Wissenschaftlers unwürdig sind - ist bspw. dies zu lesen:

Erwachsene Patienten mit rezidivierenden Infekten über Jahre, bei denen sich keine Grunderkrankung gezeigt hat und bei denen keine chronisch-entzündlichen Organveränderungen eingetreten sind, sind meist Hypochonder oder anderweitig psychotherapiebedürftige, organisch gesunde Menschen.

Logischerweise hat Heimpel im ÄK Positionspapier z.B. von einer neuroradiologischen Diagnostik abgeraten. Ganz einfach, weil damit seine durchweg unhaltbaren Thesen (z.B. bzgl. Organveränderungen) zu widerlegen wären.

Genau dieses Verhalten setzt sich bei den Autoren der neuen DEGAM Leitlinien zum Thema CFS fort. Dahinter steckt also ganz offensichtlich Systematik und Tradition.

Grüsse!
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Dahinter steckt also ganz offensichtlich Systematik und Tradition.

Logisch!
Denn wer möchte bzw. brauch denn in unserem Krankheitssystem gesunde Menschen?
Etwa Ärzte, die Pharmaindustrie, .... ???

Nur an kranken Menschen ist Geld verdient!

Gruß
Rübe
 
Leider gibt es wenige Ärzte, die diese ethischen Maßstäbe haben.
Es wird doch überwiegend routiniert und nach Schema gearbeitet.
Da wird man mit ME/CFIDS doch eher falsch eingeordnet, als dass sich der Arzt die Mühe macht, gewissenhaft zu handeln oder ehrlich zu sein, dass er nicht auf dem neuesten Stand ist.
 
Wuhu,
erneut möchte ich darauf aufmerksam machen:
Stellungnahme zur Leitlinie Müdigkeit der DEGAM
eine Initiative von Priv.Doz. Dr. med. WP Bieger

Helfen Sie, weitere Unterschriften für diese Stellungnahme zu sammeln:
Sie können diese Stellungnahme Ihrem Arzt vorlegen, zur Information und mit der Bitte, diese auch zu unterzeichnen. Die Liste der Unterzeichner wird hier aktuell ergänzt, auch eventuelle weitere Stellungnahmen durch andere Ärzte oder Institutionen.


  • Drucken Sie für Ihren Arzt diese pdf-Datei der Stellungnahme aus und/oder verweisen Sie auf diesen Weblink.
  • Das unterschriebene Dokument bitte senden an: Regina Clos, Eberleinstraße 1, 65195 Wiesbaden.
...
Quelle: april12_1 (dort ist die Initiative auch als jpg abgebildet)

Die Unterzeichnerliste (Link wie vorher) ist schon etwas mehr gewachsen... :)

Passend, und nicht weil andernorts über ein "Bieger-Video" so viel diskutiert wurde/wird, das Video dazu:
 
Sehr auffällig bei dieser Liste ist, das sich eine Vielzahl von
Psychotherapeuten dort eingetragen haben.

Ein Schelm der hier was böses denkt...
 
Wuhu,
mag womöglich
Sehr auffällig bei dieser Liste ist, das sich eine Vielzahl von
Psychotherapeuten dort eingetragen haben.

Ein Schelm der hier was böses denkt...
aber auch daran liegen, dass einige Psychotherapeuten (selbstständig) erkennen, dass es bei CFidS/ME ursächlich NICHT an der Psyche hapert ;)
 
Professor Nix, hat die Befindlichkeitsstörung CFS als "Sissi Syndrom" bezeichnet.

„Bedenken gegen die Verlässlichkeit der Einschätzung des Sachverständigen Professor Dr. Nix ergeben sich zunächst daraus, dass er in seinem schriftlichen Gutachten vom 24. 06.1998 zumindest teilweise Maßstäbe an die medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung angelegt hat, welche nicht den Kriterien der Rechtsprechung entsprechen.“ (Landgericht Karlsruhe Geschäftsnummer: 7 0 481/97)

Damit ist Prof. Nix als Leiter des Curriculum Medizinische Begutachtung der Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland-Pfalz (23./24. April 2012) offensichtlich fachlich "hervorragend prädestiniert".

Vielleicht werden demnächst auch Drogendealer und Ex-Knackis für den Sozialkundeunterricht an deutschen Schulen rekrutiert. Mit charakterbildender Erziehung durch lebenserfahrene Ausbilder kann man schließlich nicht früh genug beginnen. :rolleyes:

Grüsse!
 
Der Thread ist zwar schon etwas älter, aber dennoch sehr spannend zu lesen!

Vielen Dank für die vielen Hintergrundinfos

hitti
 
Auch ich sage: Der Thread ist zwar älter, aber wegen der aktuellen Vorgänge brandaktuell!


Wir, dh. wir nicht-Ärzte und offiziellen "Nicht-Experten", kommen nicht weiter, wenn wir mit sog. "Experten" argumentieren. Die fachliche Ebene führt hier zu nichts. Wir müssen die Machtstrukturen erkennen und akzeptieren und gemäß dieser Informationen Strategien suchen. Das heißt nicht, dass man uninformiert sein soll und fachlich anfechtbar.

Das Problem ist halt das gedachte Gefälle zwischen "Experten" und "Nicht-Experten". Gedacht deshalb, weil viele von uns ja faktisch besser informiert sind als sog. "Experten". Gedacht auch deshalb, weil "Experten" nicht unbedingt intelligenter sind.

Autorität ist ein gedanklicher Konstrukt. Es sei denn, Autorität wird mit Gewalt durchgesetzt. Aber ich glaube, streng genommen ist das dann nicht mehr Autorität.

Was macht der Begriff "Experte"? Wie reagiert jeder einzelne hier, wenn er "Experte" hört, einen Titel nach dem andern liest und ne ellenlange Vita? Genau das wird genutzt, um "Nicht-Experten" mundtot zu machen. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wer wirklich mehr weiß, sondern wer die Macht hat.

"Übermächtige" müssen nicht mit uns verhandeln, sie haben es nicht nötig. Sie holen uns, zb. die Patientenorganisationen, aber trotzdem an den Tisch, um den Schein zu wahren. Sonst könnte man ihnen noch vorwerfen, sie verhielten sich "undemokratisch".
Man muss die "übermächtige" Seite in eine Situation bringen, wo sie selber - zb. zum Erhalt ihrer Position und Macht - verhandeln möchte und Zugeständnisse macht.

Ich glaube deshalb, dass zumindest am Anfang die fachliche Ebene nicht zum Erfolg führt, es sei denn, man hat ebenso Experten, die dagegen halten.
Aber ich weiß, dass es hier andere Überzeugungen gibt. Dies müsste man diskutieren, und so würde man vielleicht eine gemeinsame Vorgehensweise finden.

Meiner Meinung nach ist es unabdingbar, die Machtstrukturen zu verstehen.

In unserem Fall: Ärztekammern, Krankenkassen, Versicherungen, ggf. Pharmaindustrie, und in beschränktem Umfang das Gesundheitsministerium und die Gesetzgebung. Und das sind "Übermächte".

Am Beispiel Degam sieht man das alles sehr gut.
Die Degam ist zwar mächtig - deren Leitlinien zb. werden von Gerichten zitiert, Ärzte saugen deren Inhalte auf - aber letzten Endes sind auch sie nur Vasallen; und Menschen mit bestimmten Bedürfnissen und Ängsten (Status, Prestige, Besitz, Macht...).

Ich glaube, wenn man versteht, kann man Lösungen finden. U.a. muss man die Interessen und Motivationen der Gegenseite verstehen.

Nur wenn es für den Menschen unangenehm wird, ändert er was und wird aktiv.
 
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