Alles was Leòn hier geschrieben hat, möchte ich ganz dick unterschreiben.
Allerdings bin ich im Gegenteil zu manchen anderen hier sicher, dass es ganz schnell geht, dass Kinder/Jugendliche pathologisiert werden und die Eltern und betroffenen Kinder davon überzeugt werden, dass hier eine Krankheit vorliegt. Der elterliche Glaube an die angebotene medizinische Hilfe dürfte für viele Kinder und Jugendliche der Hauptgrund sein, warum sie in der Psychiatrie landen oder Psychopharmaka nehmen.
Da muss man nicht über die speziellen Probleme von Randgruppen sprechen.

Dazu sind diese Verordnungen viel zu zahlreich.
Ich hatte an anderer Stelle von meiner Tochter geschrieben, die heimlich anfing sich zu ritzen. Ich war damals fassungslos, denn sie war ein ganz normales Mädchen, ohne irgendwelche dramatischen Hintergründe. Allerdings hatte ihr Freund einige Zeit vorher mit ihr Schluss gemacht.
Bei der Beratungsstelle, die ich dann sofort mit ihr aufsuchte, wurde nach einem Test sofort mit Borderline pathologisiert und ihr die Psychiatrie angeboten.
Genau da wollte sie dann auch hin, denn bei den Gesprächen während der Tests, die sie alleine machen sollte, hatte man ihr die Psychiatrie wohl wie einen Ort der Rettung und Zuflucht geschildert. Denn es war offensichtlich welch große Erwartungen sie an einen dortigen Aufenthalt hatte.
Ich musste mich sehr ins Zeug legen, ihr da die Augen zu öffnen. Ihr erklären, dass sie auch dort nicht vor dem Weglaufen kann, was sie im Inneren quält und dass es für viele junge Jugendliche nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie viel schlimmer wurde als es vorher war. Glücklicherweise gibt es das Internet.
Das ist leider voll von Horrorgeschichten solcher Jugendlicher, die dort vergebens auf Hilfe vertraut haben. Die habe ich ihr gesucht und gezeigt.
Auch wenn Asmodea die Kinderpsychiatrie in der Schweiz in den tollsten Farben schildert, so habe ich meine Zweifel. Für Deutschland kann ich das jedenfalls nicht erkennen.
Ich habe mich damals sehr intensiv informiert. Alleine dass eine Beratungsstelle gleich mit einer Schlagtod-alle-Probleme-auf-einmal-erfassenden Diagnose Borderline (genau so praktisch wie AD(H)S) daher kam, ist für mich schon ein Skandal.

Wir sind einen anderen Weg gegangen, ohne Medikamente und ohne Psychiatrie, mit vielen Eltern-Tochter Gesprächen, Gesprächstherapie und Schul-Mädchengruppe (die von einer hervorragenden Therapeutin betreut wurde). Sie selbst hat sich damals mehrere Blogs zugelegt, die sie schon lange wieder gelöscht hat, wo sie sich alles von der Seele schrieb.
Sie ritzt sich schon lange nicht mehr.:freu: Sie bedauert heute nur noch, mit den Narben leben zu müssen.
Wir hatten immer ein gutes Verhältnis zu unserer Tochter, dass danach noch besser geworden ist.
Sie ist ein tolles Mädchen und wir lieben sie sehr.:kiss:
Als das damals passierte, musste ich oft an die länger zurückliegende Geschichte denken, die mir eine Bekannten Jahre zuvor (da war ihre Tochter schon lange ausgezogen) erzählt hatte.
Die Tochter meiner damals alleinstehenden Bekannten wurde von einem Familienangehörigen missbraucht. Im Anschluss entwickelte sie dann Verhaltensauffälligkeiten. Man empfahl ihr die Kinder-und Jugendpsychiatrie. In gutem Glauben und selbst ratlos stimmte sie zu, da sie dachte, das wäre das Beste und Richtige. Ihre Tochter bekam nicht nur Psychopharmaka, sondern entwickelte dort viele weitere Verhaltensauffälligkeiten, die sie von anderen dort untergebrachten Jugendlichen zu übernehmen schien. Die Herausgabe ihrer Tochter wurde meiner Bekannten schließlich verweigert (Argumentation weiß ich nicht mehr) und sie musste damals gerichtlich gegen die Psychiatrie vorgehen, um ihre Tochter da raus zu holen.
Ich denke zwar nicht, dass sie so etwas heute noch machen können, die Herausgabe verweigern, aber das ist für mich schon genug Hintergrundinfo, um zu wissen, dass dies ein Irrweg ist.
