Hallo an alle,
sorry, dass ich erst jetzt zum Antworten komme. Ich versuche, auf jeden einzelnen hier einzugehen, der seit meinem letzten Mal hier kommentiert und Tipps gegeben hat. Ich schreibe nun mal meine ganzen Hintergründe hier nieder - eventuell lässt sich damit ja was anfangen bezüglich meinen Beschwerden und meinen Krankheitsängsten:
Wie kam es zum Lehramtsstudium?
Nach dem Abi wusste ich erst mal nicht so recht, wie es weitergehen sollte. Eine für mich sichere und notwendige Konstante ist weggebrochen mit dem Ende der Schule und es musste nun also was Neues folgen. Da ich aber überhaupt nicht wusste, in welche Richtung es gehen könnte und ich mich ohnehin mit Entscheidungen (langfristigen Entscheidungen) sehr schwer tue, weil ich möglichst immer alles bis ins kleinste Detail abwägen, gegenüberstellen und austarieren muss, war das für mich schon mal eine sehr schwierige Situation.
Es folgte dann sehr spontan und eher aus der Not heraus, ein Jahr gar nichts zu tun, die Entscheidung für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Dies in einem nahe gelegenen Kinder- und Jugendheim. Dieser Bereich war so überhaupt nicht auf meinem Schirm und es war ja, wie gesagt, auch eher nur eine Überbrückung, um dann hoffentlich im Jahr darauf schlauer zu sein, in welche Richtung es gehen sollte.
Entgegen meiner Skepsis stellte sich die Arbeit dort mit den Jugendlichen / Kindern für mich aber überraschend als sehr positiv heraus. Es war keine überaus anstrengende Arbeit (körperliche Arbeit wie bei Fließband-Jobs oder auf dem Bau schon mal gleich gar nicht) und es war auch jeder der dort arbeitenden Betreuer/Erzieher sehr zufrieden mit meiner Arbeit. Ich hatte zu der Zeit noch ein sehr sehr niedriges Selbstbewusstsein, hatte Minderwertigkeitskomplexe wegen früherem Mobbing aus der Schulzeit und war sehr unsicher. Dort musste ich allerdings Authorität zeigen, musste Entscheidungen und erzieherische Maßnahmen treffen gegenüber Jugendlichen, die manchmal teils nur wenige Jahre jünger waren als ich selber (ich war 20 zu dem Zeitpunkt) und ich glaube, dies war eine Art Läuterung, denn es verhalf mir wieder zu mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen. Ich hatte nicht mehr direkt Sorge, dass völlig Fremde auf der Straße schlecht von mir denken oder reden könnten, so wie das teilweise während der Schulzeit war. Und die Erzieher waren, wie gesagt, auch sehr zufrieden mit meiner Arbeit, so sehr sogar, dass man mir anbot, eine duale Ausbildung/Studium zum Sozialpädagogen zu machen.
Ich war kurz davor, dies anzunehmen, aber wie immer kann ich Entscheidungen nicht einfach so hoppla-hopp treffen, sondern musste auch da wieder endlos abwägen. Und natürlich fand ich Punkte, die ich zum damaligen Zeitpunkt nicht ganz optimal fand: erstens ist leider die Bezahlung im sozialen Bereich ungerechtfertigterweise sehr mies. Da hangelt man sich im deutschen Durchschnittseinkommen eher an der unteren Grenze entlang und damals dachte ich: wenn ich mal irgendwann auch mal eine Familie habe und einen ähnlichen guten Lebensstil leben möchte, wie ich es selber von meinen Eltern gewohnt war, dann sieht es mit dieser Tätigkeit wirklich nicht sonderlich gut aus. Dazu kamen Schichtarbeit, sowie Wochenend- und auch Feiertagarbeit, denn natürlich müssen die Jugendlichen auch an solchen Tagen betreut werden in einem Heim.
Ich lehnte daher ab und war daher auf der Suche nach etwas, das auch eine Arbeit mit Jugendlichen darstellt, womit ich aber bessere finanzielle Sicherheiten haben würde und was generell auch wesentlich familienfreundlicher sein würde. Und so kam ich dann aufs Lehramt: Verbeamtung (dies würde mir Sicherheit und eine Konstante geben), gute Bezahlung, geregelte Arbeitszeiten, familienfreundlich.
Allerdings war ich von Anfang an auch hier wieder unsicher, ob diese Entscheidung denn nun langfristig die Richtige war. Erschwert wurde das alles noch dadurch, dass ich leider nicht meine gewünschte Lieblings-Fachkombination studieren konnte, da eines meiner Wunschfächer ein künstlerisches Fach gewesen wäre und das sehr kompliziert geworden wäre an 2 verschiedenen Hochschulen parallel zu studieren. Heute bereue ich es, dass ich es nicht wenigstens probiert hätte. Damals habe ich mich vor diesen Komplikationen abschrecken lassen. Und so nahm ich anstelle des künstlerischen Faches ein anderes "Notfach" mit dazu, denn man braucht fürs Lehramt leider mindestens 2 Fächer.
Nun hatte ich durchweg immer gute bis sehr gute Noten im Studium, ich habe 2 reine geisteswissenschaftliche Fächer, also in meinen Augen jetzt auch nichts wahnsinnig forderndes, so wie etwa Physik oder Chemie es wäre. Leider aber ist der Bedarf an geisteswissenschaftlichen Fächern mehr als gedeckt und das wusste ich natürlich bereits damals schon, das wurde uns direkt in der ersten Veranstaltung eingebläut. Aber was hätte ich machen sollen? Abbrechen und eine Ausbildung (wenn ja, welche überhaupt?). So studierte ich halt einfach meine Fächer auf Lehramt vor mich hin und das Studium war nach einer Weile eine ähnliche alltägliche Konstante wie es damals die Schulzeit gewesen war.
Die wenigen mit dem Studium verbundenen Praktika an Schulen etc liefen auch ohne Probleme. Auch da war man zufrieden mit mir - mein Unterricht muss also nicht komplett grottenschlecht gewesen sein. Andererseits sind solche Praktika aber auch keinesfalls vergleichbar mit dem Referendariat oder dem Schulalltag danach. Vom Referendariat hört man regelmäßig regelrechte Horrorgeschichten - das ist wohl so eine Art spanische Inquisition: da wird die Spreu vom Weizen getrennt und man wird absichtlich psychisch an seine Belastungsgrenzen gebracht, weil man eben testen will, wieviel hält so ein Lehramtsanwärter emotional aus. Und oftmals geht es da nicht mit konstruktiver, sondern manchmal auch persönlicher Kritik zu, die wirklich unter der Gürtellinie sein kann. Zu einer Studien-Freundin, die das Referendariat schon angegangen ist, wurde mal gesagt, sie sei eine Zumutung und man könne sie ja nicht auf Schulklassen loslassen.
Diese "Horrorgeschichten", gepaart mit der Tatsache, dass ich ohnehin nicht meine Wunschkombi an Fächern studieren konnte und für mein hinzugefügtes "Notfach" eigentlich gar kein wirkliches intrinsisches Interesse habe, haben meine Zweifel, ob Lehramt denn der richtige Weg gewesen war, weiterhin am Leben erhalten.
Irgendwann war ich allerdings mit dem Studium auch schon so weit fortgeschritten, dass ich nicht einfach mehr abbrechen wollte, denn ich dachte mir, ich zieh es jetzt einfach durch, selbst wenn ich danach nicht im Lehramt landen werde, aber ich habe dann zumindest einen Studienabschluss und keinen Abbruch.
So kam es dann aber auch, dass sich mein Studium ziemlich in die Länge zog: nicht aus Faulheit oder Nichtstun, sondern ich hatte zu Beginn des Studiums erst einmal mit Wunschfach 1 alleine begonnen mit dem ursprünglichen Plan, das künstlerische Wunschfach dann mit dazuzupacken. Als klar wurde, dass dies wohl nichts werden würde, hatte ich bereits 3 Semester das Wunschfach 1 studiert und stand immer noch mit nur einem Fach da. Dann entschloss ich mich für das Notfach und startete das Notfach eben im Versatz zum ersten Fach.
Dann war ich noch ein Semester im Ausland, habe dort studiert und dies macht sich auch gut auf dem Lebenslauf.
Irgendwann erfuhr ich dann, dass ein neuer Studienabschluss eingeführt wurde, mit welchem man sowohl die Lehramtsschiene fahren konnte, aber nicht nur darauf festgelegt sein würde. Dies erschien mir in meiner ohnehin sehr zweifelhaften Lage dann sehr willkommen: ich wechselte also auf das neue System: vieles vom alten Studiengang wurde mir anerkannt, sodass ich da nicht noch einmal komplett von vorne anfangen musste, allerdings warf mich dieser Wechsel auch wieder zeitlich etwas zurück, aber es war es mir wert, denn ich erhoffte mir mit dem neuen, moderneren Abschluss breiter aufgestellt zu sein und mich nicht nur auf Lehramt alleine versteifen zu müssen.
Und nun, heute, stehe ich vorm endgültigen Abschluss: im Juli endet das letzte Semester, dann hat dieses unfassbare, nie-geradlinige Studien-Chaos endgültig ein Ende. Nun stellt sich mir wieder die Frage: wie soll es danach weitergehen? Soll ich es wagen, das Referendariat anzugehen, denn nur damit wäre letztlich die Lehramtsausbildung komplett. Oder soll ich erst einmal noch versuchen mir weitere Standfüße aufzubauen für den Fall, dass ich es nicht durch das Referendariat schaffe aufgrund dieser irrsinnigen psychischen Belastungsprobe..
Ich suche deshalb momentan bereits nach stinknormalen, herkömmlichen Ausbildungen, um nach Beendigung des Studiums erstmal durch eine Ausbildung noch ein weiteres Sicherheitsnetz aufzubauen. Das Referendariat läuft eigentlich nicht davon - mein Uni-Abschluss verfällt nicht, ich könnte jederzeit das Referendariat angehen, wenn ich mich bereit fühle. Aber eine Ausbildung zu finden wird mit steigendem Alter eher schwieriger und ich bin jetzt eh schon 30.
Dies alles bereitet mir wirklich große Sorgen, ich befinde mich sozusagen in einer Art Identitäts- und Existenzkrise, habe das Gefühl, von Anfang an versagt zu haben, weil bei mir eigentlich seit Abschluss der Schule überhaupt kein geradliniger und von mir überzeugter Weg vorhanden war. Es war bislang einfach alles eher ein unsicherer von Zweifeln geprägter Schlingerkurs und auch jetzt, wo das ewige Kapitel Studium endlich fertig ist, stehe ich praktisch wieder wie nach der Schulzeit da und weiß nicht: wie weiter?!