Oh.... worauf antworte ich jetzt zuerst?
Aus aktuellem Anlass wurde ich mit der Frage konfrontiert, wer ist heute der, der noch am ursprünglichsten das tut, was der Mensch bereits in seiner frühesten Sesshaftigkeit tat. Und so bin ich drauf gekommen: der Bauer. Er ist noch am ehesten der Alleskönner, am unmittelbarsten an der Quelle des Lebensmittels, oftmals auch noch fähig selber ein Haus zu bauen.
Hallo Phil,
ich stamme aus einer bäuerlichen Familie (und mein Erstberuf, Gärtner gehört ja auch zu der agraischen Berufsgruppe - die strikte Trennung vollzog sich erst langsam im Mittelalter). Ich kann voll und ganz bestätigen, dass es auch heute noch Bauern gibt (vor allem die "kleinen" und Nebenerwerbsbauern), die zumindest noch sehr viel selber machen können und können müssen, weil es sonst zu teuer wird. Ein Bauer ist oft Maurer, Maler, Glaser, Ofensetzer, Maschinenmechaniker, Schlachter, etc. . In manchen bäuerlichen Familien wurde so altes Wissen, zum Beispiel die Lehmbaukunst, bewahrt, aber auch alte Land- und Gartenbautechniken.
Natürlich sollte man nicht vergessen, dass es daneben in der Landwirtschaft auch grausame Spezialisierungen, monokulturellen Wahnsinn und industrielle Produktionsmethoden bis hin zur übelsten Massentierquälerei gibt.
Die Spezialisierungen, Phil, die Du ansprichst, begann ja schon sehr früh, ich würde sagen, bereits in der Steinzeit sind Anfänge von Arbeitsteilung zu beobachten (und sei es nur die zwischen Mann und Frau), das setzte sich fort über die Antike und das Mittelalter, bis zur "industriellen Revolution".
Immer mehr Aufgaben wurden innerhalb der damals rein agraisch strukturierten Gesellschaft an "Spezialisten" übertragen. So entstanden Berufe, wie Müller, Bäcker, Schmied, etc. . Die wachsende Mobilität der Gesellschaft brachte den Handel in Schwung. Die Spaltung zwischen "Wehrstand" und "Nährstand" wurde immer deutlicher vollzogen.
Trotzdem blieben, bis ins 18. Jahrhundert hinein, viele Aufgaben im Haushalt, im bäuerlichen, aber auch im Arbeiter- und Bürgerhaushalt.
Ein wunderbares Beispiel dafür ist das Brauen. Bis über das Ende des Mittelalters hinweg war das Bierbrauen eine reine "Frauensache". Gebraut wurde in der Regel ein Mal die Woche und es fiel in die Kompetenz der Frauen, weil es im Bereich der Nahrungszubereitung, wie Kochen und Konservieren, angesiedelt war. [Nun dürfen wir uns nicht vorstellen, dass das Gebräu Beckbier - Qualität hatte, sondern es waren mehr oder weniger "Zufallsprodukte", mal besser, mal schlechter, mal ober- mal untergährig, je nach Temperatur und Witterung. (Zwar konnten bereits die antiken Römer Speiseeis herstellen, aber ganzjährig funktionierende Kühlmethoden gab es nicht.) ]
Ähnliches gilt zum Beispiel auch für die Schlachterei. Zwar gab es ab der Stadtentwicklung bereits den Metzgerberuf, dennoch verblieben Schlachtung und Zubereitung der Produkte vielfacht in den Händen der Haushalte. Kleinvieh wurde von den Frauen geschlachtet und verarbeitet, Rinder, Schweine und Wild von den Männern.
Die Arbeitsteilung und Spezialisierung wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein perfektioniert. Es gab Jahrzehnte, da war es - zumindest in städtischen Strukturen, geradezu verpönt, Obst oder Gemüse selbst einzukochen.
Warum ich das alles erzähle?
Eigentlich dachte ich bis vor kurzem, dass eine gute Ausbildung dazu dient etwas möglichst gut zum Wohle der Allgemeinheit tun zu können. Heute sehe ich das etwas differenzierter: bei Maturanden habe ich beobachtet, dass sie kaum mehr fähig sind, etwas anderes zu lernen und anzunehmen, als das was ihnen doziert wird. Sie vertrauen kaum mehr in ihre eigene Wahrnehmung, erst recht nicht, wenn diese dem an der Schule dozierten widerspricht.
Auch hier sei die Frage erlaubt - wem und wozu dient dieses ganze hirngewaschene Volk? Wie Mike so treffend beschreibt: studierte Taxifahrer. Nun, das kann man auch billiger haben.
Es hat eine umfassende
"Entselbständigung" stattgefunden (für das Wort will ich 'nen Literaturpreis!

). Wir bräuchten gar nicht die Pisatudien, weil wir ja den Phil haben

: Durch die beschriebene Spezialisierung findet nicht nur eine Verarmung an (praktischem wie theoretischem) Wissen statt, sondern - schlimmer noch, eine Verödung der Kreativität und des selbständigen Denkens. (Lasst die Abiturienten erst mal einen handwerklichen, besser noch einen landwirtschaftlichen Beruf erlernen, bevor sie auf die Hörsääle los gelassen werden!)
Wie wir alle wissen kommt der Begriff Unversität von universitas, was ich jetzt mal mit allumfassend übersetze.
www.ib.hu-berlin.de/~pz/zahnpage/librdisc.htm
https://www.tu-harburg.de/~vbp/docs/medi.html
Die heutige Universität ist aber genau das Gegenteil. Die Studenten an der mittelalterlichen Unversitas beschäftigten sich noch mit den sieben, bzw. 10 "Freien Künsten" in gleichberechtigtem Umfang, die Spezialisierung erfolgte dann erst später, bzw. auch in der Praxis, zum Beispiel in der Juristerei oder der Medizin. Die Spezialisierung, bzw. die Ausrichtung, findet heute bereits viel früher statt. (Beispiel: Die Entscheidung: lerne ich Latein oder nicht!).
Im Umgang mit Ämtern aller Art stelle ich immer wieder fest, dass man sich entschuldigt nicht anders zu können, selbst wenn man es einsähe, aber so sei nunmal das Gesetzt. Wenn das geschriebene Wort über das Wohlergehen des Menschen gestellt wird, dann stimmt etwas nicht mehr.
Die Angst vor mangelnder Ausbildung wird von allen Seiten geschürt. Und so läuft man in die nächste Ausbildung genannte Hirnwäsche hinein. Und hat der Mensch einmal intus, dem auf dem Papier gedruckten mehr zu vertrauen als seiner eigenen Wahrnehmung... :schock:
Nun Ausbildung ist schon wichtig, Die Frage ist, worin. Ich versuche, meiner Tochter ein möglichst umfassendes Allgemeinwissen zu vermitteln. Theoretisches wie praktisches. Vor allem auch von Dingen, die man in der Schule eben nicht lernt. Zum Teil ganz banale Sachen, zum Beispiel wie man Kräutersamen erntet und aufhebt, frische Kräuter (ohne tiefzufrieren) konserviert usw. . Außerdem finde ich es wichtig zu lernen wie man lernt: Durch ausprobieren, nachlesen, selbständig nach Wissen suchen und so weiter.`
Mann, war ich wieder geschwätzig.
Aus purer Gemeinheit, weils nämlich sowieso keinen interessiert
, stelle ich mal die Darstellung der Sieben Freien Künste, hinten dran:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sieben_Freie_Künste
Sieben Freie Künste
Septem artes liberales: Die Sieben freien Künste (lat. Septem artes liberales) sind die in Antike und Mittelalter gelehrten sieben Studienfächer, die nach römischer Vorstellung die 'einem freien Mann' ziemende Bildung umschreiben und im mittelalterlichen Lehrwesen als Vorbereitung auf die wissenschaftlichen Studienfächer Theologie, Jurisprudenz und Medizin gelten.
Die Freien Künste, die gegenüber den praktischen Künsten (Artes mechanicae) als höherrangig bewertet wurden, waren:
Grammatik
Rhetorik
Dialektik
Arithmetik
Geometrie
Musik
Astronomie
Sie wurden in der Tradition von Martianus Capella personifiziert in Form von weiblichen Allegorien und häufig mit folgenden Attributen dargestellt:
Grammatik - Rute
Rhetorik - Tafel und Griffel
Dialektik - Schlange oder Hundekopf
Arithmetik - Rechenbrett oder Rechenseil
Geometrie - Zirkel oder Staubtafel
Musik - Musikinstrument
Astronomie - Astrolabium
Die griechische Tradition bildete noch keinen Kanon der Freien Künste heraus. Die vier mathematischen Fächer wurden jedoch bereits von Platon in der Politeia im Zusammenhang mit der Ausbildung des idealen Staatsmannes nächst der Philosophie als diejenigen Lehrgegenstände angeführt, die zur Vernunfterkenntnis führen, wobei sich Platon seinerseits bereits auf die Pythagoräer bezieht.
Die Sieben Freien Künste erfuhren eine enzyklopädische Behandlung erstmals in den Disciplinae des römischen Gelehrten Varro im 1. Jahrhundert v. Chr., der im 8. und 9. Buch außerdem noch Medizin und Architektur behandelt. Die auch bei Cicero und Vitruv noch uneinheitliche Zählung hat sich dann ab der Zeit Senecas des Jüngeren in der seither üblichen Form gefestigt.
Dem Mittelalter wurden die Sieben Freien Künste in enzyklopädischer Form vor allem durch Martianus Capella vermittelt, in dessen Lehrgedicht Von der Hochzeit Merkurs und der Philologie diese Künste als Brautjungfern auftreten und ihr Lehrwissen als Hochzeitsgaben ausbreiten, sowie durch Cassiodor und durch Isidors Einarbeitung des Lehrstoffs in seine Etymologiae. Hinzu kamen in einzelnen Fächern als grundlegende Lehrwerke der Antike etwa für die Grammatik die Ars minor und Ars maior von Donatus, für die Rhetorik die (fälschlicherweise) Cicero zugeschriebene Rhetorica ad Herrenium, für die Arithmetik und Musik die beiden Institutiones von Boëthius und für die Dialektik dessen Übersetzungen und Kommentare zu Schriften aus dem aristotelischen Organon.
Man unterschied bei den Freien Künsten das Trivium (Dreiweg) der sprachlich und logisch-argumentativ ausgerichteten Fächer, die die Voraussetzung für jede Beschäftigung mit der (lateinischen) Wissenschaft bilden, und das weiterführende Quadrivium (Vierweg) der mathematischen Fächer.
Zum Trivium gehörten:
Grammatik: Lateinische Sprachlehre und ihre Anwendung auf die Werke der klassischen Schulautoren
Rhetorik: Redeteile und Stillehre, ebenfalls mit Beispielen aus den Schulautoren
Dialektik bzw. Logik: Schlüsse und Beweise auf der Grundlage des Organons
Zum Quadrivium gehörten:
Arithmetik: Zahlentheorie (Zahlbegriff, Zahlenarten, Zahlenverhältnisse) und z.T. auch praktisches Rechnen
Geometrie: euklidische Geometrie, Geographie, Agrimensur
Musik: Musiktheorie und Tonarten u.a. als Grundlage der Kirchenmusik
Astronomie: Lehre von den Sphären, den Himmelskörpern und ihren Bewegungen, unter Einschluß der Astrologie (Auswirkungen auf die sublunare Sphäre und den Menschen)
Der Unterricht in den Artes liberales stand als ein Propädeutikum zwischen dem Elementarunterricht (Lesen und Schreiben mit elementaren Lateinkenntnissen, Rechnen, Singen) und den eigentlichen wissenschaftlichen Studien, bei denen im Frühmittelalter die Theologie im Vordergrund stand. Den Stoff der Artes oder Teile davon vermittelten zunächst die Kloster-, Dom- und Kathedralschulen sowie städtische Bildungseinrichtungen und freie Magister. Mit der Entstehung der Universitäten wurde die Artistenfakultät (Facultas Artium) als eine der vier Fakultäten (zusammen mit Theologie, Recht, Medizin) in das Studium Generale integriert und wurde damit zur Vorläuferin der Philosophischen Fakultät, unter deren Namen sie zum Teil schon seit dem 15. Jahrhundert weitergeführt wurde.
Bereits im Lehrbetrieb der scholastischen Artistenfakultäten veränderte sich der Lehrstoff der Artes liberales erheblich und nahm vor dem Hintergrund neuer Übersetzungen der Schriften von Aristoteles und seiner arabischen Kommentatoren vor allem philosophische Inhalte auf. Rhetorik und Musik traten in den Hintergrund, desgleichen Grammatik, sofern sie nicht im Rahmen der Beschäftigung mit den modi significandi als eine Art Sprachlogik weitergeführt wurde, während die Dialektik an Bedeutung gewann und die im weitesten Sinn naturwissenschaftlichen Artes zu einem Studium in theoretischer (Physik, Metaphysik) und praktischer (Ethik, Ökonomie, Politik) Philosophie ausgebaut wurden.
Das Studium an der Artistenfakultät blieb Vorbedingung für das Studium an den anderen drei Fakultäten. Als akademische Grade vergab die Artistenfakultät nach einem Zwischenexamen den Titel des Baccalaureus Artium und -- sofern der Baccalaureus nicht an einer der anderen Fakultäten sein eigentliches Studium aufnahm -- nach erneutem Examen den Abschluss des Magister Artium. Die Lehrerlaubnis (licentia docendi) in den Artes liberales war mit Einschränkung zum Teil schon im Rahmen des Bakkalaureats zu erwerben, die volle Lehrbefähigung aber erst mit dem Magister Artium, an dessen Stelle dann seit dem 15. Jahrhundert, im Zuge der allgemeinen Ablösung des Magisters durch den Doktor, der Titel des Doctor philosophiae treten konnte.
Unter dem Leitbegriff der Studia humanitatis, der nicht an einen bestimmten antiken Fächerkanon, sondern an die Formulierung allgemeiner klassischer Bildungsziele bei Cicero anknüpfte, erfuhren die Artes im Humanismus des 15. und 16. Jahrhunderts nochmals eine Neubewertung, die nicht nur das Artes-Studium an der Universität, sondern auch die vor- und außeruniversitären Bildungsbestrebungen in Schule und Privatunterricht betraf. Hierbei wurden einerseits die Fächer des Triviums durch das Studium eines teilweise neuen Kanons klassischer, nun nach Möglichkeit auch griechischer Musterautoren mit Schwerpunkt auf dem Bereich der Dichtung, andererseits in der Philosophie die praktische gegenüber der theoretischen Philosophie, und außerdem das Studium der Geschichte in den Vordergrund gestellt.
Merksatz [Bearbeiten]Gram. loquitur, Dia. verba docet, Rhe. verba ministrat
Mus. cantat, Ar. numerat, Geo. ponderat, Ast. colit astra
"Grammatik spricht, Dialektik lehrt Worte, Rhetorik richtet sie her,
Musik singt, Arithmetik zählt, Geometrie wägt, Astronomie beackert die Sterne"
Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende von
Leòn