Ich habe vor vielen Jahren eine Zeit lang Aikido gemacht und wurde bald in dieser Verteidigungskampfsportart mit meinen eigenen Problemen konfrontiert. Einmal erlitt ich beinahe einen Zusammenbruch, als es darum ging, den Gegenüber gezielt mit einem Hieb in Richtung Kopf zu treffen. Konnte ich nicht. Ich wollte NIE einen Menschen schlagen und hatte eine Schlaghemmung, schlug immer weit daneben. Der Trainer "zwang" mich dann, auf so ein gepolstertes Ding zu schlagen, was er vor sich hielt, mit all meiner Kraft. Ich kann Dir sagen, dass ich das getan habe - aber unter Tränen und ich war in den Tagen danach zu nichts mehr zu gebrauchen.

Aber es hat geholfen! Es war die Art Konfrontation, die ich gebraucht hatte, um einen Teil der Mauer in mir zu brechen.

Ich denke, es braucht bei dieser Art "Hemmung" jemanden einen Hieb am Kopf zu schlagen, nicht unbedingt ein Trauma.

Ich hoffe mal, jeder Mensch hat dahingehend so eine innere Hemmung.

Das Verhalten des Trainers kann ich für mich garnicht nachvollziehen und hätte mich persönlich auch nicht zwingen lassen, sondern den Unterricht sofort verlassen.

Soetwas kann ganz arg "nach hinten" losgehen.

Liebe Grüße von Kayen

(die diese Art Hemmung auch nie verlieren möchte)
 
hallo Kayen , hemmungen andern an den kopf zuschlagen ,wohl wahr , sie wären wünschenswert ,aber immer ?!
manchmal führt so etwas dazu , das man sich hemmungslos an dem selbst vergeht .
LG kopf.
 
Hallo Udo,

ich erzähle Dir meine Geschichte, vielleicht hilft diese Deiner Freundin und auch Dir weiter.

Auch ich wurde vergewaltigt, allerdings GottseiDank nicht in der Kindheit. Ich zeigte ihn an und da es mitten in der Nacht und nicht gerade in einer Großstadt war, kam ich von einer Polizeistation zur nächsten. Untersuchungen wurden natürlich auch durchgeführt. Bis ich dann endlich zur Kripo gefahren wurde und dort von Frauen "vernommen" wurde. Was ich innerhalb Polizeistationen und auch bei der Untersuchung - natürlich alles Männer, erfuhr, glich einer weiteren Vergewaltigung.

Dann wieder zuhause angekommen, war es mir überhaupt nicht mehr möglich, überhaupt mit jemanden - selbst mit der besten Freundin, darüber zu sprechen. Also schottete ich mich völlig ab. Jeden Morgen fuhr ich ins Büro, als wäre null geschehen. Allerdings konnte ich nicht mehr essen - sobald ich Essen sah, wurde mir speiübel. Und so betrank ich mich jeden Abend - um zu vergessen. Keine harten Spirituosen sondern Rotwein, der reichte bei mir. 2 Gläser, und ich war betrunken. Betrunken genug, um zu vergessen; um schlafen zu können. Dies wiederholte sich von Tag zu Tag. Büro, trinken, schlafen...und zwischendurch eine neue Flasche Rotwein kaufen.

Irgendwann, als ich mal wieder für Nachschub an Betäubungsmittel sorgte, begegnete mir meine Hausärztin. Natürlich war ich schon stark abegemagert. Und sie befahl mir regelrecht, am nächsten Nachmittag ihre Praxis aufzusuchen.

Dies tat ich sogar. Ich deutete nur an - mehr nicht. Sie schrieb mich sofort krank und telefonierte mit einer psychosomatischen Klinik und meldete mich als Notfall an. Am übernächsten Tag schon fuhr ich mit dem Wagen Richtung Sauerland, in die Klinik.

Nie, nie sprach ich mit den Psychologen über das, was geschah. Jeden 2. Abend ging ich tanzen. Und DAS tat mir unendlich gut. Natürlich durften wir keinen Alkohol trinken. Ein Glas Sekt ließ ich mir allerdings nicht nehmen. Und, diese andere Umgebung, heraus aus meinem Umfeld, half mir zusätzlich. 3 Monate blieb ich dort und reiste dann freiwillig wieder ab. 6 Monate hätte ich bleiben können.

In dieser Zeit fing ich langsam an, zu verarbeiten. In Ruhe, ohne das mich jemand drängte, fernab von allem. Ich fing an, wieder zu fühlen. Das "Geschehen" rief ich langsam wieder in Erinnerung und ging es alleine für mich durch. Erstaunlicherweise stellte ich dabei fest, das dass Schlimmste daran das Gefühl war, dass mein Rückrat/mein Wille gebrochen wurde. Natürlich, war anderes ebenfalls traumatisierend. Dennoch...es geschah etwas gegen meinen Willen und ohne das ich die Chance hatte, aus dieser Situation heraus zu kommen.

Noch nie in meinem Leben zuvor geschah etwas gegen meinen Willen. Aus dieser Erkenntnis heraus, entwickelte sich mein Wille noch stärker; mein Rückrat schiente ich wieder und versah es mit doppelter Verstärkung. Und seitdem darf niemand ankommen und mir seinen Willen versuchen aufdrängen. Entweder gehe ich Dinge/Veränderungen von alleine an oder lasse es. Wenn der Druck eines anderen Menschen zu stark wird und trotz meiner Aussage, im letzten Satz, nicht Rücksicht genommen wird, so trenne ich mich eher von diesem Menschen.

So merkwürdig es sich vielleicht für andere anhören mag, unser Körper und gerade unsere Zellen besitzen ein Gedächnis. Es ist mitunter nicht der Verstand, unser Hirn, welches Veränderungen herbei führt, sondern es ist der Körper; jede einzelne Zelle - das Gefühl. Von daher sehe ist eine Verhaltenstherapie als völlig indiskutabel an. EMDR zusammen mit anderen Traumatherapien kann sicherlich hilfreich sein und dennoch, sinnvoll wäre zusätzlich eine Körpertherapie. Von einer Sexualtherapie ist völlig abzuraten.

Und drängen, worauf auch immer, ist vielleicht auch bei Deiner Freundin völlig kontraproduktiv. Sie wurde oft genug "gedrängt". Lasse Sie sein, wie sie ist und biete ihr einfach "nur" Deine Unterstützung an, wie auch immer diese Aussehen mag. So meine Empfehlung.

Schöne Grüße
1Gisa
 
Hallo Kayen,

prinzipiell stimme ich mit Deiner Aussage überein. Dennoch, was das Verletzen eines anderen Menschen betrifft, bin ich mittlerweile, aus Erleben, anderer Meinung.

Auf der Strasse hatte ich urplötzlich ein Messer am Hals. Instinktiv wehrte ich den Angreifer mit dem Arm ab. Es kam dabei zu einem, wie mir schien langen Moment, wo der Angreifer und ich uns in die Augen sahen. Ich hätte zuschlagen können, tat es aber nicht, da mir der Gedanke, das Gewissen sagte, ich dürfe keinen Menschen schlagen.

Mit dem Ergebnis, dass mir das Messer hart an die Wange gerammt wurde.

Ich dachte lange über mein Empfinden nach, analysierte es, fragte mich, woher es kommt.

Heute würde ich gnadenlos zuschlagen, wenn ich bedroht werde, um ein Übel, welches mir durch andere entstehen mag, abzuwenden.

Schöne Grüße
1Gisa

P.S.: Den Angreifer stellte ich übrigens kurze Zeit später und übergab ihn der Polizei.
 
@1gisa
ich habe aktuell darüber nachgedacht .über das , was mir passierte .
wie soll ich das benennen . ich dachte über die beiden frauen nach und empfinde so etwas wie mitleid . ich dachte :"das sind ja nur zwei arme würstchen ".die tun mir leid !
ich würde sie ,glaube ich ,freundlich grüßen ,begegnete ich ihnen .
wer weiß was noch geschah ? es ist mir egal und interessiert mich null !
wie ist das zustande gekommen ,diese gelassenheit und Freiheit ?
durch therapien ,welche sich nicht speziell mit dem thema beschäftigten ?

Vergebung ? die tun mir einfach leid und ich empfinde sogar wärme bei den gedanken .

das ist mein empfinden , aktuell!

LG kopf .
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Kopf, ich verstehe Dich nicht so recht.
Meinst Du mit den "beiden Frauen" Udo's Freundin und mich?
Beziehen sich Deine Fragen auf mich?

Schöne Grüße
1Gisa
 
nein ,nichts bezieht sich auf dich .es geht um missbrauch und die verarbeitung meines erlebten .
ich weiß nicht ,warum ich das @ gesetzt habe ,vielleicht will ich dir etwas sagen !
ich finde meine geschichte überwältigend schön und wünsche , das es jedem so ergehen mag .

LG kopf
 
Hallo Kayen,

Auf der Strasse hatte ich urplötzlich ein Messer am Hals. Instinktiv wehrte ich den Angreifer mit dem Arm ab. Es kam dabei zu einem, wie mir schien langen Moment, wo der Angreifer und ich uns in die Augen sahen. Ich hätte zuschlagen können, tat es aber nicht, da mir der Gedanke, das Gewissen sagte, ich dürfe keinen Menschen schlagen.

Mit dem Ergebnis, dass mir das Messer hart an die Wange gerammt wurde.

Ich dachte lange über mein Empfinden nach, analysierte es, fragte mich, woher es kommt.

Heute würde ich gnadenlos zuschlagen, wenn ich bedroht werde, um ein Übel, welches mir durch andere entstehen mag, abzuwenden.

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Liebe 1gisa,

aber natürlich darfst Du Dich aus der Not heraus wehren, um Dich "bestmöglich" zu schützen.
Verzeiht!, dass ich hier Gefühle geweckt habe, sich dahingehend zu rechtfertigen, dies gilt ebenso für Sternlicht85.

Es ging mir einzig und allein um diese Scheu oder Hemmung im Aikido auf einen Kopf des Menschen zu zielen bzw. zu schlagen aus dem Sport heraus, also ohne Not.
Ich habe mir im nachhinein überlegt, ob man, wie beim Boxen, richtig zuschlägt, oder diesen Schlag hier nur andeutet, also übt, das weiß ich leider nicht.

Jedoch würde ich eine normale Hemmung/Scheu als Trainer respektieren und den Abstand Schlag/Mensch vergrößern, wenn man sich dadurch als "übender Schlagender" besser fühlt und nicht denjenigen noch auf einen dargestellten Pseudomenschen/gepolstertes Ding einschlagen lassen.
Dabei gehe ich jedoch auch davon aus, dass der Trainer von der geschehenen argen Verletzung nichts wusste, aber selbst dann, darf man bei so einem Trauma nur behutsam vorgehen.
Wahrscheinlich sehen es aber diese Kampfsporttrainer wiederum ganz anders.

Du hast meinen vollen Respekt, 1gisa, bei diesen argen Verletzungen und Sternlicht85 ebenso.

Ganz herzliche Grüße
Kayen
 
Liebe Kayen, lieber Kopf,

morgen/übermorgen schreibe ich mehr; antworte Euch - wenn es mir wieder besser geht.
Übernahm mich heute leider völlig und habe mittlerweile arge EHS-Probleme. Ich muss besser auf mich aufpassen - selbst, wenn mich ein Thema mehr als interessiert. Aber, dies ist meine Sache und mein Lernen (müssen).

Liebe Grüße
1Gisa
 
Guten Morgen!

Keine Sorge, Kayen. Ich bin "übern Berg", wie man so schön sagt. :D

Bei der Sportart geht es ja um Verteidigung. Man übt den Ernstfall im Training, man lernt, wie man im Ernstfall handelt bzw. handeln kann. Diese Schritte werden immer und immer wieder geübt und einstudiert, damit sie dann im Falle eines Angriffes automatisiert ablaufen und man nicht erst noch über die Situation und sein Handeln nachdenken muss (in der verlorenen Zeit könnte der Gegenüber schon längst mit dem Messer eingestochen oder mit der Faust zugeschlagen haben).

Es war ein hartes Training. Schon alleine vom Aufwärmen bekamen wir Anfänger übelsten Muskelkater. Wobei der Trainer, wie sich viele Jahre später herausstellte, ein Betrüger war und es bis heute unklar ist, ob er überhaupt als Trainer hätte fungieren dürfen. Aber der zweite Trainer, der ihm unterstellt war, hatte definitiv eine gute Ausbildung und mit ihm habe ich auch das gezielte Schlagen geübt.

Bei der Übung sollte ich als Angreifer auf seinen Kopf zielen und mit der Handkante zuschlagen, während der Gegenüber dem Schlag ausweicht und mich überwältigt (unter Ausnutzung der angreifenden Kraft und in fließenden Bewegungen). Mein Gegenüber wäre nicht wirklich von mir getroffen worden, aber diese Schlaghemmung saß so tief in mir, dass ich überhaupt garnicht für diese Übung zu gebrauchen war. :)

Und ich habe schon oft in meinem Leben die Erfahrung gemacht, dass man am besten und effektivsten lernt/verarbeitet, wenn man ins kalte Wasser geworfen wird. Natürlich gilt das jetzt nicht für jeden. Aber ausprobieren kann man es ja, wenn man schon gewissermaßen "feststeckt".

LG
 
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