Hallo Udo,
ich erzähle Dir meine Geschichte, vielleicht hilft diese Deiner Freundin und auch Dir weiter.
Auch ich wurde vergewaltigt, allerdings GottseiDank nicht in der Kindheit. Ich zeigte ihn an und da es mitten in der Nacht und nicht gerade in einer Großstadt war, kam ich von einer Polizeistation zur nächsten. Untersuchungen wurden natürlich auch durchgeführt. Bis ich dann endlich zur Kripo gefahren wurde und dort von Frauen "vernommen" wurde. Was ich innerhalb Polizeistationen und auch bei der Untersuchung - natürlich alles Männer, erfuhr, glich einer weiteren Vergewaltigung.
Dann wieder zuhause angekommen, war es mir überhaupt nicht mehr möglich, überhaupt mit jemanden - selbst mit der besten Freundin, darüber zu sprechen. Also schottete ich mich völlig ab. Jeden Morgen fuhr ich ins Büro, als wäre null geschehen. Allerdings konnte ich nicht mehr essen - sobald ich Essen sah, wurde mir speiübel. Und so betrank ich mich jeden Abend - um zu vergessen. Keine harten Spirituosen sondern Rotwein, der reichte bei mir. 2 Gläser, und ich war betrunken. Betrunken genug, um zu vergessen; um schlafen zu können. Dies wiederholte sich von Tag zu Tag. Büro, trinken, schlafen...und zwischendurch eine neue Flasche Rotwein kaufen.
Irgendwann, als ich mal wieder für Nachschub an Betäubungsmittel sorgte, begegnete mir meine Hausärztin. Natürlich war ich schon stark abegemagert. Und sie befahl mir regelrecht, am nächsten Nachmittag ihre Praxis aufzusuchen.
Dies tat ich sogar. Ich deutete nur an - mehr nicht. Sie schrieb mich sofort krank und telefonierte mit einer psychosomatischen Klinik und meldete mich als Notfall an. Am übernächsten Tag schon fuhr ich mit dem Wagen Richtung Sauerland, in die Klinik.
Nie, nie sprach ich mit den Psychologen über das, was geschah. Jeden 2. Abend ging ich tanzen. Und DAS tat mir unendlich gut. Natürlich durften wir keinen Alkohol trinken. Ein Glas Sekt ließ ich mir allerdings nicht nehmen. Und, diese andere Umgebung, heraus aus meinem Umfeld, half mir zusätzlich. 3 Monate blieb ich dort und reiste dann freiwillig wieder ab. 6 Monate hätte ich bleiben können.
In dieser Zeit fing ich langsam an, zu verarbeiten. In Ruhe, ohne das mich jemand drängte, fernab von allem. Ich fing an, wieder zu fühlen. Das "Geschehen" rief ich langsam wieder in Erinnerung und ging es alleine für mich durch. Erstaunlicherweise stellte ich dabei fest, das dass Schlimmste daran das Gefühl war, dass mein Rückrat/mein Wille gebrochen wurde. Natürlich, war anderes ebenfalls traumatisierend. Dennoch...es geschah etwas gegen meinen Willen und ohne das ich die Chance hatte, aus dieser Situation heraus zu kommen.
Noch nie in meinem Leben zuvor geschah etwas gegen meinen Willen. Aus dieser Erkenntnis heraus, entwickelte sich mein Wille noch stärker; mein Rückrat schiente ich wieder und versah es mit doppelter Verstärkung. Und seitdem darf niemand ankommen und mir seinen Willen versuchen aufdrängen. Entweder gehe ich Dinge/Veränderungen von alleine an oder lasse es. Wenn der Druck eines anderen Menschen zu stark wird und trotz meiner Aussage, im letzten Satz, nicht Rücksicht genommen wird, so trenne ich mich eher von diesem Menschen.
So merkwürdig es sich vielleicht für andere anhören mag, unser Körper und gerade unsere Zellen besitzen ein Gedächnis. Es ist mitunter nicht der Verstand, unser Hirn, welches Veränderungen herbei führt, sondern es ist der Körper; jede einzelne Zelle - das Gefühl. Von daher sehe ist eine Verhaltenstherapie als völlig indiskutabel an. EMDR zusammen mit anderen Traumatherapien kann sicherlich hilfreich sein und dennoch, sinnvoll wäre zusätzlich eine Körpertherapie. Von einer Sexualtherapie ist völlig abzuraten.
Und drängen, worauf auch immer, ist vielleicht auch bei Deiner Freundin völlig kontraproduktiv. Sie wurde oft genug "gedrängt". Lasse Sie sein, wie sie ist und biete ihr einfach "nur" Deine Unterstützung an, wie auch immer diese Aussehen mag. So meine Empfehlung.
Schöne Grüße
1Gisa