Eine Säule stürzt ein: Fußballlaufbahn vorbei nach zwei Kreuzbandrissen

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Es heißt ja, es hilft, wenn man darüber spricht. Aus diesem Grund schreibe ich diesen Text nieder und möchte damit ein Kapitel meines Lebens abschließen.

Wie viele habe ich mit jungen Jahren angefangen Fußball im Verein zu spielen. Meine Jugendlaufbahn durfte ich bei der Jugendspielgemeinschaft Benefeld-Bomlitz bestreiten. In dieser Zeit habe ich bereits gemerkt, was mir diese Sportart bietet und habe eine Leidenschaft für den Fußball entwickelt. Wenn ich konnte, bin ich zu jedem Fußballtraining erschienen und habe abseits davon viele Tage auf dem Sportplatz verbracht und gekickt. Ich habe jeden freien Tag jemanden gesucht, der mit mir zum Bolzplatz fährt, um Fußball in irgendeiner Form zu spielen. Das hat meine Fähigkeiten ausgebaut und so kam es dazu, dass ich für die damalige Kreisauswahl spielen durfte. Das hat nochmal einen neuen Ehrgeiz in mir entfacht, da hier viele gute Spieler aufeinander trafen und somit jedes Spiel eine Herausforderung darstellte, auf die ich mich jedes Mal freute. Ich hatte bereits in der Jugend mit vielen kleineren Verletzungen wie Bänderrissen, Verstauchungen oder leichten Brüchen zu tun, aber während der Zeit innerhalb der Kreisauswahl musste ich zum ersten Mal spüren, dass eine Verletzung auch zu weiteren Schmerzen und Folgen als nur die Auszeit vom Fußball spielen führen kann. Ich gehörte zum Stamm der Kreisauswahl und startete jedes Spiel von Beginn an, bis ich aufgrund einer Verletzung mehrere Spiele aussetzen musste. Aufgrund dieser Auszeit wurde ich nicht zum letzten Spiel der Kreisauswahl berufen, was mich damals innerlich sehr verletzte, auch wenn ich die Entscheidung komplett nachvollziehen konnte. Ich war wütend auf die Verletzung.

Als für mich klar war, dass ich im nächsten Jahr für die 1. Herren in Benefeld spielen würde, traf ich die für mich damals schwer gefallene Entscheidung, mein letztes Jahr vor dem Herreneinstieg beim VfB Vorbrück Walsrode zu spielen. Der Hintergedanke dabei war, in einer höheren Liga auf stärkere Spieler sowie Gegner zu treffen und so eine gewisse Vorbereitung auf den Herrenbereich zu schaffen. Zudem konnte ich nochmal mit Freunden aus meiner Schulzeit zusammen kicken. Auch wenn wir nicht ein Spiel in dieser Saison gewinnen konnten, bin ich zu jedem Training gefahren, ganz gleich, ob wir nur zu fünft waren, denn ich hatte einfach Lust auf Fußball.

Im Anschluss an diese Saison durfte ich also bei den 1. Herren von Benefeld mittrainieren und am 30.07.2017 mein erstes Pflichtspiel im Herrenbereich spielen. Die erste Saison spielten wir in der 1. Kreisklasse und sicherten den Aufstieg. Ich erspielte mir früh einen Stammplatz und habe jedes Spiel mitgespielt. Ich war fit und heiß auf die nächste Saison sowie die neue Herausforderung in der Kreisliga. Als Vorbereitung auf die Saison nahmen wir an einem kleinen Turnier teil, bei dem ich einen Schlüsselbeinbruch erlitt und somit noch vor dem ersten Pflichtspiel in der Kreisliga ausfiel. Ich benötigte keine OP und konnte nach einigen Wochen wieder in die Saison einsteigen. Am Ende der Saison durften wir die Relegation zur Bezirksliga spielen, was mir für immer als positive Erinnerung in meinem Kopf bleiben wird. In der Mitte meiner 3. Saison bei den Herren ist mein anderes Schlüsselbein gebrochen. Nach der Winterpause wurde der Spielbetrieb aufgrund der Pandemie eingestellt, was sich in der darauffolgenden Saison wiederholte. Mit großer Vorfreude startete dann die Saison 21/22. Ich fühlte mich gut und freute mich nach der langen Pause auf jedes Spiel. Ein regnerisches Flutlicht-Derby-Spiel am 08.10.2021 sollte meine Fußballlaufbahn und mein ganzes Leben verändern. Wir starteten gut ins Spiel und ich gab unfreiwillig die Vorlage zum Führungstreffer. Mit jeder Minute kamen wir als Mannschaft und auch meine Wenigkeit immer besser ins Spiel. In der gegnerischen Hälfte rannte ich dem ballführenden Gegenspieler hinterher, der eine Bewegung nach links machte, der ich folgte, aber im Rasen hängen blieb, sodass er an mir vorbeilaufen konnte. Ich ärgerte mich, da ich mir fast sicher war, ihm gleich den Ball abnehmen zu können. Mein Gedanke war im ersten Moment, warum ich ausgerechnet jetzt hängen bleiben muss. Gleichzeitig fragte ich mich, wie ich hängen bleiben konnte und was mich so plötzlich aufgehalten hat. Darüber hinaus spürte ich kurz darauf einen merkwürdigen Schmerz im Knie und lag auf dem Boden.

Im nächsten Moment merkte ich, dass ich nicht aufstehen konnte. Was war los, warum konnte ich nicht aufstehen? Der Schmerz intensivierte sich und ich begann langsam zu verstehen, dass ich mich verletzt haben könnte. So langsam konnte ich den Schmerz lokalisieren, aber ich konnte mir selbst nicht glauben. Mein Knie tat weh. Mein Knie hat noch nie wehgetan. Der Schiedsrichter kam bei der nächsten Unterbrechung zu mir und ein Gegenspieler wollte mir hochhelfen. Ich sagte sofort, dass das nicht klappen wird und ich mich verletzt habe. Mein Trainer half mir vorsichtig hoch und ich humpelte vom Platz. Ich ahnte in diesem Moment noch nicht, wie stark ich mich verletzt hatte. In der Halbzeit ging ich duschen und beobachtete den Rest des Spiels von außen. Wir gewann das hitzige Derby mit 1:3, so richtig freuen konnte ich mich aber nicht mit der Ungewissheit über die Schwere der Verletzung im Hinterkopf. Ein Freund lud ein zu sich nach dem Spiel, was ich nach dem Spiel absagte. Ich konnte mein Bein kaum bewegen und zu groß war die Sorge um die Verletzung. Meine Stimmung war getrübt. Wenige Tage später wurde ich beim Orthopäden geröntgt. Die Ärztin sagte etwas, was ich kaum glauben konnte - Verdacht auf Kreuzbandriss.

Ich? Kreuzbandriss? Ich hatte noch nie etwas am Knie. Nach MRT und dem Besuch eines erfahrenen Orthopäden bewahrheitete sich der Verdacht. Ich erlitt in diesem Spiel also einen Kreuzbandriss. Die wohl schlimmste Verletzung, die ein Sportler erleiden kann. Es dauerte etwas, bis ich die Diagnose im vollem Umfang verarbeitet und realisiert habe. Mir gingen tausend Gedanken durch den Kopf, allen voran natürlich, ob ich mich davon erholen werde und jemals wieder Fußball spielen kann. Im Januar des nächsten Jahres ließ ich mich operieren. Kurz vor der OP konnte ich bereits viele Tätigkeiten wieder ausüben und sogar joggen gehen. Es fühlte sich für mich etwas paradox an, mich jetzt operieren zu lassen, anschließend auf Krücken angewiesen zu sein und den wiedererlangten Fortschritt zurückzusetzen, aber in mir saß der Gedanke fest, dass ich ohne OP nie wieder Fußball spielen könnte - was ich mit heutigem Wissensstand vielleicht anders entschieden hätte. Während der OP stellte sich dann auch heraus, dass das Band nur angerissen ist und ein Ersatz des Kreuzbandes wie ursprünglich vorgesehen daher nicht vorgenommen wurde. Stattdessen wandte der Arzt die Healing Response Methode an, bei der das Knochenmark am oberen Ansatz des Kreuzbandes angeregt wird, um Stammzellen rund um den Kreuzbandansatz wachsen zu lassen. Direkt nach der OP verspürte ich bereits nur geringe Schmerzen, insbesondere im Vergleich zu meinen Zimmerkollegen während des Klinikaufenthaltes und fühlte mich schnell besser. Ich ging zur Physiotherapie, machte eigenständige Rehaübungen und der Zustand meines Knie verbesserte sich mit jedem Tag. Ich ging früh wieder joggen, zu früh für das Empfinden meines Arztes. Für mich fühlte es sich richtig an und ich verspürte keinerlei Schmerzen. Ich erklärte mir den raschen Fortschritt mit meiner Vorarbeit vor der OP und für mich persönlich konnte es sowieso nicht schnell genug gehen.

Im September fragte mich unser Trainer, ob ich für ihn einspringen und das Training leiten konnte. Ich hatte diesbezüglich keine Erfahrung und sah mich selbst nicht in dieser Rolle, vermisste aber die regelmäßigen Trainingsabende und sagte zu. Außerdem wollte ich nicht, dass das Training dann gar nicht stattfindet und sprang über meinen eigenen Schatten. Ich leitete das Training und nutzte jede Möglichkeit, langsam zu joggen und ebenfalls ins Schwitzen zu kommen. Irgendwann nahm ich dann beim Torschuss teil und so kam es dann, dass ich im September locker und langsam mit ins Mannschaftstraining einstieg. In einer Einheit war die Spieleranzahl ungerade und die Teams nicht ausgeglichen, sodass ich mich als letzter Mann dazu stellte. Ich machte keine Sprints, Zweikämpfe oder dergleichen, ich spielte nur die Bälle zum nächsten Mann. Und dann geschah es, ich rutschte leicht weg. Für einen normalen Fußballer nicht der Rede wert, aber für mein Knie ein echter Test, den es ohne Probleme meisterte. Ich war erstaunt, dass mein Knie dieser Bewegung stand hielt, obgleich ich mein Knie ja genau für solche Situationen monatelang vorbereitet hatte. Und so kam es dann, dass ich in der ersten Einheit unter der Leitung unseres wiederkehrenden Trainers mitmachte und sogar locker beim Schlussspiel mitspielte.

Wenige Trainings später machte ich mit voller Intensität mit und spielte Fußball. Ich war glücklich. Ich genießte jede einzelne Minute des Trainings. Immerhin konnte es jederzeit mein letztes Training für immer sein, da ich nicht wusste, ob ich nach einer erneuten Ruptur oder einer anderen großen Verletzung nochmal zurückkommen würde. Bis hierhin hatte ich nur meine allererste Saison im Herrenbereich ohne Verletzung durchgespielt. Nach Ende des Trainings freute ich mich bereits auf das nächste Training und konnte es kaum erwarten. Für den Moment war wieder alles normal. Ich kam, wie nach jeder Verletzung, wieder zurück und hatte Spaß am Fußball. Über einen Monat lang hatte ich bei 100 % Einsatz und maximaler Intensität nicht den geringsten Ansatz von Schmerzen oder Problemen. Zweimal die Woche war ich beim Training, am Wochenende weiterhin joggen und Reha. Ich war mir sicher, dass der Heilungsprozess abgeschlossen ist und entfernte meinen „verletzt“ Status und stand im Kader für das nächste Spiel. Die Woche vor dem Spiel war ich bei den Willkommenstagen meiner neuen Werkstudententätigkeit in der Zentrale des Unternehmens im Süden, sodass ich beide Trainingseinheiten vor dem Spiel nicht wahrnehmen konnte. Ich dachte mir noch, dass sei sogar gut so, um meinem Körper nochmal eine Pause zu gönnen vor dem Spiel. Das Aufwärmen verlief normal, ich war aufgeregt, aber mein Knie fühlte sich gut an.

In der zweiten Halbzeit wurde ich schließlich eingewechselt. Ich kam zeitnah in eine Situation, in der der Ball über Umwege unkontrolliert zu mir kam und ich den Ball nur irgendwie knapp berühren konnte, sodass er weiter ungewollt in irgendeine Richtung flog. Mein erster Ballkontakt in einem Pflichtspiel nach über einem Jahr Zwangspause. Ich war in Euphorie. Wir kamen in den Ballbesitz und ich machte einen Tiefenlauf. Direkt ein Tor oder zumindest ein guter Torabschluss, das wäre jetzt ein super Einstieg, dachte ich mir. Ich lief in die Tiefe, aber der Pass kam nicht. Also folgte ein Richtungswechsel - und ich rutsche weg und lag auf dem Boden.

Ich verspürte einen Schmerz, den ich nicht kannte. Ich dachte mir sofort, okay, das Kreuzband kann es nicht sein, das hat sich bei der Verletzung anders angefühlt. Ich lokalisierte den Schmerz auch eher etwas oberhalb und ging von einer muskulären Verletzung aus, was für mich Sinn gemacht hat nach so einer langen Pause. Dennoch verspürte ich ein mulmiges Gefühl. Über mehrere Wochen hinweg konnte ich mit maximaler Intensität Fußball spielen auf dem B-Platz im Rahmen des Trainings. Kaum stehe ich auf dem A-Platz, muss ich das Spielfeld nach gerade mal 5 Minuten mit einer Verletzung verlassen. Das zog mich direkt in die Realität zurück und zeigte mir, dass das Thema noch nicht durch ist. Wird mich das noch länger verfolgen? Ich beobachtete mein Knie und ging nicht zum Arzt, da der Schmerz nach wenigen Tagen nachließ. Ich entschied mich dazu, die laufende Saison abzuwarten und im Sommer mit in die Vorbereitung einzusteigen, um nichts zu überstürzen und dem Knie mehr Zeit zu geben.

Im Sommer fand die übliche Saisonabschlussfeier im Juni 2023 statt. Das Knie fühlte sich normal an, ich nahm am Elferschießen teil und hielt mit einem Mannschaftskollegen den Ball hoch. Für einen kurzen Moment stand ich nur auf dem verletzten Bein - und knickte nach innen weg.

Ich lag auf dem Boden. Dieser Schmerz war mir bekannt und ich wusste sofort was passiert war. Mir läuft es kalt den Rücken herunter, wenn ich heute an diesen Moment denke. Ich rief direkt am Montag beim Arzt an, der mich damals operiert hatte, machte ein MRT und fuhr zum Arzt. Erneuter Kreuzbandriss. Erneute OP. Diesmal mit Sehnenersatz. Alles von vorne. In mir brach eine Welt zusammen. Nach der Diagnose ging ich mit meiner Partnerin über den Schützenplatz, obwohl ich geistlich ganz woanders war. Jetzt hätte ich gerne einen Freund, mit dem ich spontan ein Bierchen trinken kann und etwas Ablenkung bekomme, der mich vielleicht auch etwas beruhigt. Am größten war zunächst die Trauer darüber, dass ich nach dieser kurzen Zeit erneut raus bin und das mindestens für 1 Jahr.
Ich wusste ja bereits, was auf mich zukommen wird. Erneut auf Krücken angewiesen sein, die Schmerzen, Nächte ohne Schlaf, Thrombosespritzen, Physiotherapie, Reha. Kein Fußball, kein Joggen, stattdessen tägliche Alltagseinschränkungen.

Ich hatte mich wenige Wochen zuvor im Fitnessstudio angemeldet und bereits eine Routine entwickelt. Erschwerend kam hinzu, dass ich Vater werden würde mit Stichtag im Oktober. Kann ich mich davor überhaupt noch operieren lassen? Ich kann mein Kind im Krankenhaus nicht auf Krücken empfangen. Wenn ich mit der OP bis auf nach der Geburt warte, ist die Situation auch nicht besser, ganz abgesehen von der Zeit, die ich bis dahin verliere. Wir überlegten bis wann die OP stattfinden müsste, damit genug Zeit bleibt, in einen alltagstauglichen Zustand kommen zu können, immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, was ist, wenn er viel zu früh kommt? Ich fragte beim Arzt nach, wann der nächste OP Termin frei wäre. Er operiert normalerweise nur freitags, sodass man erst spät Termine bekommt. Hin und wieder macht er an einem Montag einen zusätzlichen OP-Termin, so auch am 31. Juli und es gab hierfür noch einen Platz, den ich sofort in Anspruch nahm.

Nach der OP teilte mir der Arzt mit, dass ich einen zusätzlichen Knorpelschaden hatte, den er etwas bearbeitet hat. Dadurch war ich 4 Wochen lang auf Krücken angewiesen statt 2 und irgendwie hatte ich ein Gefühl, dass das auch die Reha verzögern würde. Ich setzte mir Februar 2025 als Comeback Ziel in Hinsicht auf Mannschaftstraining. Im Amateurbereich ist die Empfehlung mindestens 1 Jahr Pause zu machen. Ich sah dieses Comeback als letzte Chance an und wollte mir daher ein halbes Jahr extra Pause nehmen. Ich wollte auf gar keinen Fall erneut zu früh einsteigen, wie nach dem ersten Riss. Außerdem konnte ich so dann im vollem Umfang die Vorbereitung mitmachen.

Zweiter Kreuzbandriss also. Ich sah diesen zweiten Unfall nicht als vollwertigen zweiten Kreuzbandriss, da das Band beim ersten Unfall nur angerissen war und es zu keinem Ersatz kam. Gleichzeitig sah ich den erneuten Riss als neue Chance, da ich mir nach dem ersten Riss und während der Reha viel biomechanisches Wissen zum Thema Knie aneignete, was ich jetzt praktisch umsetzen konnte. Diesmal sollte alles perfekt ablaufen, damit ich wieder in alte Form komme und meiner Leidenschaft wieder nachgehen kann. Diese OP war deutlich anders als die erste OP. Ich hatte viel mehr Schmerzen und ich merke direkt nach der OP, dass etwas anders ist im Knie, aber auch im Oberschenkel, wo die Ersatzsehne entnommen wurde. Die Tage danach musste ich auf jede Bewegung achten und ich wusste gar nicht, in welche Stellung ich mein Bein legen soll. Noch schlimmer als ins Bett oder ins Auto zu steigen, war es, auf die Toilette zu gehen. Das ist gar nicht so leicht, wenn man sein Bein nicht beugen kann. So eine Verletzung kann einen in Alltagssituationen einschränken, über deren Ausführung man sonst nie wirklich nachdenkt. Das wurde mir nach dieser OP nochmal bewusst.

Während der Zeit mit Krücken schleppte ich mich ins Fitnessstudio, um einfach in irgendeiner Form sportlich aktiv zu sein. Allgemein war der Sport im gym eine gute Möglichkeit, um den Kopf frei zu kriegen und nicht wahnsinnig im Reha-Alltag zu werden. Zudem bauten sich dort bestehende Freundschaften weiter aus. Aber vor allem fühlte es sich gut an, sportlichen Ehrgeiz zu spüren. Ich steigerte mich in dieser Zeit in den Kraftsport und sorgte für eine ausreichende Aufnahme von Proteinen. Ich baute viel Muskelmasse auf, was mir nach langer Zeit mal wieder einen sportlichen Erfolg gab. Es gab mir aber dennoch nicht diesen Ausgleich, den einem der Fußball gibt. Vor allem aber, ist es nicht vergleichbar mit den Emotionen, die man verspürt, wenn man mit seiner Mannschaft einen 2:0 Rückstand aufholt und das Spiel schließlich gewinnt. Die Emotionen, die man im Fußball bekommt, kann man nirgendwo anders kriegen.

Nach den 4 Wochen Krücken-Zeit absolvierte ich also meine Reha, suchte mir tägliche Übungen raus und nahm meine Physiotherapie Termine weiterhin wahr. Ich war auf einem guten Kurs und das Knie fühlte sich langsam wieder gut an, auch wenn alles deutlicher zäher war und auch länger zog als im Vergleich zum ersten Unfall. Ich wagte mich immer mehr, wurde im Kopf klarer, aber stets mit der Vorsicht, nicht zu weit zu gehen. Nach dem Jahreswechsel begann ich langsam wieder mit dem Joggen auf dem Laufband und spürte ein neues Gefühl von Freiheit. Ich steigerte allmählich das Tempo und die Distanz. Es tat alles weh im Körper - nur nicht das Knie. Die Oberschenkel machten früh dicht und meine Schienbeine schmerzten etwas, aber das Knie meldete sich in keinster Weise, nicht mal in den darauffolgenden Tagen. Das motivierte mich. Ich joggte immer wieder kleine Runden in regelmäßigen Abständen, um den Körper nach und nach an die Intensität zu gewöhnen. Alles lief nach Plan.

In dieser ganzen Zeit konnte ich eine gute Verbindung zur Mannschaft wahren, da ich Teil des Mannschaftsrates war und es viel zu diskutieren gab. Außerdem schaute ich mir jedes Spiel an, auch wenn mir das sehr schwer fiel, da es jedes Mal in den Beinen kitzelte. Es gehörte irgendwie dazu, sich die Spiele der Mannschaft anzuschauen, aber ich verließ den Sportplatz auch jedes Mal mit einer trüben Stimmung. Ich fuhr meistens bereits kurz nach Abpfiff nach Hause, da ich es nicht ertragen konnte, die Jungs beisammen zu sehen und nicht zum Spielausgang beigetragen zu haben. Mir war in diesen Momenten überhaupt nicht nach Konversation halten oder irgendeiner sozialen Gesellschaft. Ich konnte nicht in die Gesichter sehen, für die es das normalste der Welt war, sonntags Fußball zu spielen und danach über das Spiel zu sprechen. Für mich war dieser Teil aus meinem Leben gerissen worden und teilweise verspürte ich sogar das Gefühl, dass die Leute um mich herum nicht wertschätzten, dass sie heute Fußball spielen durften. Wie auch, es ist die übliche Ausübung eines Hobbys. Dadurch verspürte ich Wut und sogar ein Gefühl von Hass. Ich lernte erst nach diesen beiden Verletzungen, wie viel es eigentlich bedeutet, einer Sportart und seiner Leidenschaft nachgehen zu können.

Am Ende des Monats Januar 2024 machte ich mit der Mannschaft bei einem Spinning Kurs mit. Im Verlauf des Kurses wurde der Widerstand und die Intensität des Ergometers erhöht. Die Mannschaftskollegen sagten mir, ich solle nur so weit gehen, wie es geht, aber mein Ehrgeiz wollte nicht zurückstecken und so zog ich mit bis ich einen Punkt erreichte, an dem mein Körper nicht mehr mitmachen wollte. Ich hatte ein komisches Gefühl im Anschluss, bin ich zu weit gegangen? Die nächsten Tage spürte ich meine Beine noch etwas. Wie üblich, joggte ich eine kleine Runde durchs Dorf. Mit jedem Meter merkte ich, dass ich immer unrunder laufe und es sich nicht so anfühlt, wie sonst, daher brach ich frühzeitig ab. Wenige Tage später wollte ich erneut joggen gehen und merke schon beim Start, dass etwas nicht stimmt. Nach wenigen Metern musste ich abbrechen. Mein Knie tat weh.

Zum ersten Mal beim Joggen tat mein Knie weh. Ich konnte nicht weiter laufen. Traurig ging ich wieder nach Hause, aber vorerst nicht besorgt, da ich aus meinen bisherigen Erfahrungen und Auseinandersetzungen mit dem Thema wusste, dass man auch mal zwei Schritte zurück gehen muss, um wieder einen nach vorne setzen zu können. Dass das aber genau nach dem intensiven Spinning Kurs passierte, machte mir dennoch etwas Sorge. Ich drehte die Belastung erstmal runter und konzentrierte mich wieder auf meine Rehaübungen. Aber auch diese liefen nicht so geschmeidig wie sonst. Ich spürte einen Widerstand im Knie, konnte diesen aber nicht genau beschrieben. In diesem Zeitraum hatten wir einen Mannschaftsabend und besuchten einen Escape Room, wo wir in mehreren Teams gegeneinander antraten. Mein Team beendete die ersten beiden Räume vergleichsweise schnell und wir entwickelten den Ehrgeiz das Ding zu gewinnen. Es entstand eine gewisse Euphorie und im Escape Room entwickelte sich ein Ansatz von Adrenalin, man wollte den Raum so schnell wie möglich verlassen. Ich hatte ein Objekt gefunden, das zu einem Teammitglied musste. Ich wollte schnell loslaufen und zuckte kurz zusammen als ein kurzer intensiver Schmerz wie eine Art Blitz durch mein Knie schoss.

Dieser Schmerz war so kurz, dass ich nicht anhalten musste und mir nur kurz ans Knie fasste, niemand bemerkte diesen Vorfall. Ich hatte anschließend keine Schmerzen oder Beschwerden und konnte den Abend weiter mitmachen, auch wenn ich durchgehend an diesen kurzen Moment denken musste und überlegte, was dort wohl gerade passiert ist. Nach Kreuzband fühlte es sich nicht an, ich konnte diesen kurzen Schmerz nicht richtig interpretieren. Am nächsten Werktag rief ich meinen Arzt an, schilderte die Situation und bekam eine Überweisung zum MRT, es war sowieso Zeit für eine Kontrolle. Ich bekam bereits am nächsten Tag einen Termin, jemand hatte seinen Termin abgesagt. Der Arzt wollte das Ergebnis mit mir telefonisch besprechen. Jedoch bekam ich bis Freitag keinen Anruf und so hieß es, das Wochenende mit Ungewissheit abzuwarten. Ich besorgte mir am Freitag von der MRT Praxis den Befund, sechs Ergebnispunkte waren aufgeführt. Kreuzband intakt. Sehr gut. Auffällig sind jedoch Knochenmarködeme… gleich mal nachgucken was das ist. Außerdem, ganz am Ende: Signalanhebung am Innenmeniskushinterhorn mit horizontalen… Riss.

Ich konnte meinen Augen nicht glauben. Riss? Innenmeniskus?War das der kurze intensive Schmerz im Escape Room? Okay und was ist dieses Ödem? Okay eine Flüssigkeitsansammlung, die von innen Druck auf den Knochen ausübt, was zu Schmerzen führt. Das beschreibt meinen aktuellen Zustand sehr gut. Ich spürte, dass mein Kreuzband sich gut anfühlt, aber dass dort irgendwas anderes im Knie war, was nicht richtig war. Ich wusste dennoch nicht so richtig, wie ich dieses Befund interpretieren sollte und schon gar nicht, wie ernst das ist und was das für mich bedeutet. Waren dies schlechte Nachrichten? Aber so schlimm kann es eigentlich nicht sein, ich hatte ja keine durchgängigen Beschwerden und musste nicht humpeln oder Ähnliches. Laufen gehen konnte ich aber auch nicht. Ich machte mich verrückt und fragte meine Physiotherapeutin, ob sie ihre Einschätzung zum Befund geben könnte. Außerdem kam ich über Umwege an eine weitere Meinung. Beide machten nochmal deutlich, dass der Befund das Knochenmarködem, einen Knorpelschaden und den Meniskusschaden hervorhebt. In der darauffolgenden Woche rufte ich den Arzt an und fragte nach seiner Einschätzung. Er stufte die Bilder als gut ein, der Meniskus sieht in Ordnung aus, das Kreuzband so wie man es erwarten würde. Das Ödem liegt vor, kommt von zu hoher Belastung. Da hilft nur Zeit und eventuell Vitamin D supplementieren, ist aber nicht weiter schlimm. Okay Klasse, aufgelegt. Aber Moment mal. Im Befund wird ein Riss am Meniskus sowie ein Knorpelschaden beschrieben. Was genau ist damit?

Das steht da ja nicht einfach so. Ich rief nochmal an und bat nach einem genauen Blick auf Bilder, speziell bezüglich der beiden Schäden. Aber erneut war die Aussage, dass das nicht so schlimm sei und dass sich das nach einiger Zeit wieder einpendeln wird. Ich holte mir eine zweite Meinung. Aber auch hier die gleiche Antwort mit der Empfehlung, hochdosiertes Vitamin D zu nehmen, um den Prozess zu fördern. Der Schaden am Meniskus sei normale Abnutzung von der Belastung der letzten Jahre. Ist eben so. Ich dachte mir daher erstmal, okay, es liegt aktuell nur das Knochenmarködem vor und der Rest sind eben Auffälligkeiten auf den MRT Bildern, die der Radiologe vermerkt. Auf Wunsch bekam ich nochmal Physiotherapie, ich wollte jemanden, der sich mein Knie und dessen Zustand einschätzen kann. Ein erfahrener und kompetenter Therapeut schaute sich mein Gangbild und die Ausprägung meiner Muskeln rund ums Knie an. Siehe da, ich gehe seit über 20 Jahren falsch. Die Stellung meiner Füße belastet meine Knie zu sehr. Er zeigte mir das korrigierte Gangbild, was ich die nächsten Tage umsetzte und ich merkte sofort, wie meine Knie mir dankten. Zusätzlich zeigte er mir, welche Muskeln ein Defizit aufweisen und wie ich sie gezielt ansteuern sowie trainieren kann. Ich verspürte neue Hoffnung und dachte mir, wenn ich diese Muskeln trainiere, wird mein Knie sich wieder wie früher anfühlen.

Ich machte die in der Physiotherapie durchgegangenen Übungen und stärkte mein Knie. Es dauerte zwar, aber nach einiger Zeit hatte ich wieder ein besseres Gefühl und traute mich langsam an höhere Belastungen ran. Dennoch war da so ein merkwürdiges Flitschen im Knie, als wenn dort Knochen, Knorpel oder Gelenke hin- und herspringen würden, was sich auch akustisch durch Knacken bemerkbar machte, was von Therapeuten als normale Gelenkreibung gedeutet wurde. Es begann mich zu nerven, da dieses Flitschen sowohl körperlich als auch psychisch eine Blockade für mich war und ich deswegen keine Steigerungen in meinen Übungen vornehmen konnte. Der Schweregrad der Übungen passte nicht zu dem Stadium, in dem ich eigentlich schon war. Ab und zu, wenn ich eine falsche Bewegung und einen zu starken Reiz ausübte, spürte ich einen kurzen aber durchaus starken Schmerz. Ignoriert man das Ödem und übt zu hohe Belastung aus, kann es zu Mikrofrakturen im Knochen kommen und genau so fühlte es sich in solchen Momenten an. Aus diesem Grund wollte der Kopf nicht so richtig mitmachen. Was ist, wenn ich wieder zu viel Belastung eingehe und das Ödem sich wieder meldet und schlechter wird? Oder schlimmer, ich wieder diesen kurzen intensiven Schmerz spüre, immerhin hat mein Meniskus ja einen vermeintlichen Schaden und der Knorpel scheint ja auch beschädigt zu sein. Ich kämpfte mich dennoch durch diese Gedanken und fing an, den Ball etwas im Garten kicken zu lassen. Ganz einfache Pässe ohne hohe Belastung. Was ein geiles Gefühl. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich mal darüber freuen würde, körperlich in der Lage zu sein, Pässe spielen zu können.

Die Saison war zu Ende und bald sollte das erste Training der neuen Saison wieder starten. Ich nahm mir vor dabei zu sein und einfach abseits des Geschehens Pässe zu spielen, Übungen im Freien zu machen oder vielleicht sogar lockere Runden um den Platz zu drehen. Später wären dann fortgeschrittene Übungen im moderaten Tempo und Torschuss drin. Hauptsache bei der Mannschaft sein, das Gefühl von Zugehörigkeit verspüren und vielleicht den notwendigen Motivationsschub mitnehmen. Passenderweise bot mir der neue Co-Trainer Einzeltraining vor dem Mannschaftstraining an, was ich sofort annahm. Wir machten lockere Übungen, trainierten das Gleichgewicht und machten kurze Schritte. Wann immer es ging, mit Ball. Ich war sehr eingerostet, es war alles sehr unrund und sah von außen bestimmt auch etwas merkwürdig aus, aber ich zog mit. Ich war nach einigen Minuten aus der Puste. Dieses Gefühl habe ich lange nicht mehr gespürt. Die Sonne schien und in meiner Nase lag der typische unvergleichbare Geruch des Sportplatzes. Ich war einfach glücklich. Nach der Einheit setze ich mich auf eine Bank und genoss den Moment. Ich dachte an die alte Zeit zurück und war mir sicher, dass ich bald wieder auf diesem Rasen Fußball spielen werde. Am liebsten wäre ich in diesem Moment auf das Tor zugelaufen und hätte einfach drauf geschossen.

Aber in der Realität hatte ich die Grundlagen der Grundlagen gemacht. Und wenn ich ehrlich zu mir war, so richtig einwandfrei hat sich das im Knie auch nicht angefühlt. Ich hatte keine großen Schmerzen, aber irgendwas war da im Knie, was nicht richtig ist. Es fühlte sich nicht so an, als wäre da irgendwas mit dem Kreuzband oder anderen Bändern, aber ich spürte diesen Schmerz der von innen aus dem Knochenmark ausging. Es war einfach nicht das Knie, dass ich von früher kannte. Und mein Kopf wollte sowieso nicht mitmachen. Bei jedem Schritt achtete ich auf meine Stellung der Beine, versuchte auf meinen Körper zu hören und drosselte das Tempo. Wenn ich merkte, dass meine Konzentration nachließ, mache ich sofort eine Pause. Wenn ich jetzt Schmerz spüren würde, würde mein Kopf sofort zumachen. Das durfte nicht passieren. Dennoch wurde es mit jeder Einheit besser, ich konnte das Tempo allmählich erhöhen und traute mich mehr. Trotzdem blieb dieses merkwürdige Gefühl im Knie und sobald ich auch nur einen Hauch zu viel machte, spürte ich ein kleines Ziehen im Knie. Ich wusste, mein Kreuzband würde höherer Belastung standhalten, das war meine geringste Sorge. Aber auf gar keinen Fall wollte ich so einen Schmerz wie im Escape Room fühlen. Das würde mein Kopf nicht mitmachen.

Ich machte mir in dieser Zeit, noch viel mehr als sowieso schon seit dem ersten Kreuzbandriss, Gedanken darüber, ob ich überhaupt wieder im Fußball angreifen kann. Ich guckte mir Videos von ähnlichen Geschichten an und verglich sie mit meiner Situation. Bei jedem Video mit positivem Ausgang verspürte ich wieder Hoffnung und kam mir fast doof vor, nicht an das Comeback zu glauben, haben es doch andere schon vor mir geschafft. Wahrscheinlich liegt es an mir, ich mache zu wenig und mein Kopf blockiert mich einfach nur. Aber tatsächlich gibt es deutlich mehr Videos, bei denen die verletzte Person ihre früher ausgeübte Sportart nicht mehr ausüben kann. Oft gab es dabei Übereinstimmungen bei der Diagnose dieser Person und meiner und meine Stimmung und Motivation sanken. Wozu investiere ich hier so viel Zeit, wenn ich am Ende sowieso nicht Fußball spielen kann? Ich könnte diese Zeit lieber für mein Studium, mein Gewerbe oder meinen Sohn aufwenden. Die Zweifel wurden stärker.

Die nächsten Wochen regnete es viel und für nassen Untergrund war ich nicht bereit. Sowieso konnte ich mir zu diesem Zeitpunkt gar nicht vorstellen, jemals wieder auf nassen Rasen Fußball zu spielen, zog ich mir doch meinen ersten Kreuzbandriss auf einem durchnässten Rasen zu. Und so verging die Zeit, ich machte sporadisch ein paar Übungen, ließ den Ball hin und wieder rollen und fuhr vor allem viel Fahrrad. Ich wollte die Belastung vorerst nicht steigern, da ich ja noch nicht wusste, wie es um mein Ödem aussah. Anfang Juli hatte ich einen erneuten MRT Termin zur Kontrolle, ob sich das Ödem zurückgebildet hat bzw. nicht mehr so präsent ist. Diesmal war ich in einer moderneren Praxis, da die Praxis, in der ich sonst die Bilder habe machen lassen geschlossen wurde und der Arzt aussagte, dass die Bilder nicht so gut waren. Daher hatte ich auch die Hoffnung, dass mit besseren Bildern eine genauere Aussage zu dem Knorpelschaden und vor allem dem Meniskusschaden, die noch im Raum lagen, getroffen werden könnte. In erster Linie interessierte mich aber, wie es mit dem Ödem aussieht. Ich hatte diesbezüglich eine positive Einstellung, da sich der Zustand meines Knie schon gebessert hatte, ich war dennoch nervös vor dem Ergebnis. Eine Woche nach dem Termin kann ich das Ergebnis über einen Link abrufen. Ich hasse dieses Warten. Bei der CD stand der Vermerk, dass der überweisende Arzt den Befund bereits nach 2 bis 3 Tagen erhält. Ich rief ihn also an und bekam den Befund per Email zugesandt. Ich öffnete den Befund und konnte die Tränen kaum zurückhalten.

Intakte VKB-Plastik. Deutliche Chondropathie (Knorpelschaden) mit begleitendem Ödem, Chondropathie Grad 4 nach ICRS. Riss des Innenmeniskus Hinterhornes. Ich konnte es nicht glauben. Auch dieser Befund beschrieb den Riss und diesmal wirkte es einfach wie ein Fakt für mich, da zwischen den Bildern Monate vergangen sind, zwei unabhängige Radiologen dieselbe Einschätzung trafen und diese Bilder aus einer moderneren Praxis stammen und ich dadurch von einer gewissen Kompetenz des beurteilenden Radiologen ausgehe. Dann war da noch dieser Knorpelschaden. Das Ödem, für das ich eigentlich in die Röhre gegangen bin, wird nur in einem Nebensatz als begleitend erwähnt. Beim Nachschauen, was Grad 4 nach IRCS bedeutet, hatte ich bereits ein schlechtes Gefühl. Beim Lesen des Ergebnisses rutschte mein Herz in die Hose. Grad 4 ist die höchste der 4 vorliegenden Grade in dieser Einteilung und sagt aus: die gesamte Knorpelschicht fehlt, der unter dem Knorpel gelegene Knochen liegt frei.

Wie bitte? Meine Knorpelschicht fehlt und der Knochen liegt frei? Mir schossen tausend Gedanken gleichzeitig durch den Kopf. Wo kommt das auf einmal her? Ist genau das der Grund für mein Gefühl der Instabilität im Knie? Aber würde es dann nicht deutlich mehr weh tun? Vielleicht stimmt die Einschätzung des Radiologen ja gar nicht, beruhig dich erstmal. Aber da steht ja nicht so etwas wie „Auffällig“ wie bei dem ersten Befund mit dem Ödem, sondern direkt Grad 4, den schwersten der möglichen Grade. So stark kann sich der Radiologe ja nicht verschätzen und selbst wenn er sich nur leicht verschätzt, sind da immer noch Grade 3 bis 1. Irgendein Knorpelschaden wird also vorliegen. Und da ist auch immer noch der Riss am Meniskus, der ja von zwei Ärzten als normale Abnutzung deklariert wurde. Wenn ich in diesem Moment nichts als die komplette Wahrheit sagen dürfte - das war’s mit Fußball. Ich wusste bereits aus anderen Erfahrungsberichten, dass Knorpelschäden sich nur sehr schwer bis gar nicht heilen lassen, da der Knorpel selbst nicht regenerationsfähig ist. Und für den Meniskusriss, falls er vorhanden ist, würde eine OP notwendig sein. Das käme nicht in Frage. Auf Krücken und andere Menschen angewiesen und für andere eine Last zu sein ist nicht der Weg, insbesondere mit Kind. Ganz abgesehen von den Kosten und dem Zeitaufwand, der dann auf mich zukommen würde. Ich ging aber erstmal davon aus, dass die Einschätzung der beiden Ärzte stimmte und versuchte mir nicht zu große Sorgen um den Meniskus zu machen.

Zwei Wochen später hatte ich den ersten Orthopäden Termin. Es war spät nachmittags und ich wartete nur kurz im Wartezimmer, nachdem ich am Empfang meine CD mit den MRT Bildern und den entsprechenden Befund abgegeben hatte. Im Zimmer des Arztes angekommen, erzählte ich mein Problem und fragte nach einer Einschätzung des Befundes und der Bilder. Um es vorwegzunehmen, der Arzt guckte sich die Bilder nicht an. Zu den Diagnosen im Befund sagte er nur, dass man einen Knorpelschaden bzw. allgemein einen Knorpel nur sehr schwer im MRT beurteilen kann. Was man gut einschätzen kann, sind zum Beispiel Bänder und daher würde er sich mehr Sorgen um den erwähnten Meniskusriss machen. Auf einmal ist also der Meniskus die große Baustelle und nicht das Ödem oder der Knorpelschaden. Der Arzt verwies mich für eine bessere Einschätzung zu einem Knieexperten, bei dem ich später einen Termin haben würde. Ich fühlte mich etwas abgefrühstückt vom Arzt, der dann noch vor mir die Praxis Richtung Feierabend verlassen hatte. Am Empfang holte ich mir meine CD wieder ab. Die Dame sagte, dass die Bilder noch gar nicht hochgeladen und fragte, ob der Arzt sie nicht brauche. Nach meiner Antwort und nachdem sie den Arzt die Praxis herausspazieren sah, bekam ich einen mitleidigen Blick und verließ die Praxis ebenfalls mit einem mulmigen Gefühl. Entgegen der bisherigen Meinungen stuft dieser Arzt den Riss als kritisch ein und nicht den Knorpelschaden. Ich bildete mir zunächst keine Meinung auf diese Einschätzung, mittlerweile hatte ich sowieso das Gefühl, dass es bei diesem Knie nicht die eine Wahrheit gibt.

Bis zum nächsten Termin verging ein Monat. Diesmal bei einem komplett unbekannten Arzt. Um es kurz zu machen, hätte ich mir diesen Termin, bei dem ich über 2 Stunden im Wartezimmer wartete, sparen können, da bei diesem Arzt keine Kompetenz und kein souveränes Auftreten vorhanden war. Glücklicherweise hatte ich direkt am nächsten Tag einen Termin bei einem bekannten renommierten Arzt. Auf dem Hinweg bekam ich Bauchschmerzen aus Angst vor der Antwort des Arztes. Er schaute sich die Bilder an und bestätigte im Großen und Ganzen die Aussagen des Befundes. Gegen den Knorpelschaden könne man, wie ich bereits wusste, nicht viel machen. Es gäbe theoretisch operative Möglichkeiten, aber nur für den Knorpelschaden wäre eine OP nicht sinnvoll. Bei dem Meniskusriss machte er eine ähnliche Aussage wie letztes Mal. Als ich nachhakte, sagte er, da könnte vermutlich ein oberflächlicher Riss vorhanden sein, für den eine OP aber ebenfalls nicht zielführend wäre aufgrund der Konsequenzen, die eine OP mit sich zieht. Er empfahl mir eine weitere Meinung zu holen, aber mir keine OP auftischen zu lassen. Ich fragte ihn, wie ich mit dem Zustand des Knies umgehen solle und wie es mit Fußball spielen aussieht. Er sagte aus, dass Fußball spielen an sich möglich ist, aber die Wahrscheinlichkeit, den Zustand des Knies in welcher Weise auch immer zu verschlechtern ist eben sehr hoch. Er erzählte mir ein wenig von seiner Leidensgeschichte und seinen drei Op‘s. Er sagte einen für mich entscheidenden Satz: Er könne theoretisch wieder Basketball spielen, habe es auch kurz wieder angefangen, aber er merkte schnell, dass er nicht mehr in der alten Verfassung sei, dass alle um ihn herum schneller und wendiger seien und es habe dann letztlich auch nicht mehr so viel Spaß gemacht wie früher, sodass er dann, auch aufgrund der Gesundheit, aufgehört hat. Schließlich sagte er, dass ich es entweder nochmal versuchen kann, mit dem Wissen, dass es durchaus schlimmer werden oder sogar zu einer erneuten Verletzung kommen könnte oder ich soll es akzeptieren und froh sein, dass ich vieles noch machen kann und manches wie Fußball spielen oder ähnliche Sportarten eben nicht.

Dieses „es akzeptieren“ brannte sich in mein Gehirn. Ich dachte später an diese Situation und genau diesen Satz und konnte die Tränen nicht zurückhalten. Allgemein war meine Stimmung die Tage danach auf einem Tiefpunkt. Mir war in diesem Zeitraum vieles egal und ich konnte mich für nichts motivieren, nicht mal für andere Hobbys, die ich sonst gerne ausübte. Manchmal konnte ich mich für etwas aufraffen oder machte zumindest etwas Haushalt, ich fühlte mich aber nach wenigen Minuten als hätte ich schon stundenlang etwas gemacht und war fertig. Ich machte mir ernste Gedanken zu einer Entscheidung, ob es mit dem Fußball weiter geht oder nicht. Wenn ich ehrlich zu mir war, wusste ich die Entscheidung bereits, vielleicht wusste ich sie schon viele Wochen vorher, zumindest als Bauchgefühl. Die nächsten Tage zockte ich viel, da dies der einzige Zeitraum war, in dem ich nicht durchgehend an mein Knie und meine düster wirkende Fußballzukunft denken musste. Ich konnte in eine Welt schlüpfen, in der es für den Moment keine Sorgen gab. Ich zockte tief in die Nacht rein, weil ich wusste, dass ich sowieso nicht einschlafen würde, bis ich kurz davor wäre im Sitzen einzuschlafen. Teilweise schaute ich im Bett weiter Videos zum Einschlafen, zum Teil auch andere Leidensgeschichten.

Eine Woche später nach dem letzten Termin, stand der Termin bei dem erwähnten Knieexperten an, an den ich vor einiger Zeit überwiesen wurde. Bei der Hinfahrt bekam ich wieder leichte Bauchschmerzen, aber diesmal nicht aus Angst vor der Antwort, sondern vielmehr, weil ich nicht bestätigt haben wollte, was ich eh schon wusste. Es fühlte sich paradox an, eine solche Strecke auf sich zu nehmen, um nochmal indirekt die Aussage einer weiteren Person zu erhalten, dass Fußball nicht mehr drin ist. Der Arzt wirkte kompetent auf mich und schaute sich die Bilder an. Er sagte, dass ein Knorpelschaden vorhanden sei, würde diesen aber nicht als Grad 4 einstufen, da durchaus noch eine Knorpelschicht vorhanden sei. Er bestätigte den Riss, könne aber keine Aussage zu der tatsächlichen Ausprägung geben. Er emphal mir eine OP, bei der man direkt etwas den Knorpel glätten und reizen könnte, sodass dieser sich etwas regenerieren würde. Bei der OP würde man sehen, wie stark der Riss des Meniskus ist und ihn dann bei Bedarf nähen. Falls der Riss nur schwach ist, würde er eher von alleine wieder zusammenwachsen. Aber diese Gewissheit erlangt man eben nur durch eine OP. Es gäbe alternative Methoden, deren Effektivität aber fraglich seien. Nach dem Verlassen der Praxis hatte ich also eine weitere Meinung, die mir zu einer OP rät. Da meine Entscheidung im Prinzip bereits fest stand, war dies der letzte Punkt, der mir fehlte, damit meine Entscheidung endgültig war. Meine Stimmung war natürlich etwas getrübt, aber ich spürte keine richtige Trauer, da ich schon begonnen hatte, mit dem Fußball abzuschließen und meine Entscheidung richtig wahrzunehmen. Diesmal konnte mir meine Hoffnung nicht genommen werden, da keine mehr vorhanden war. Am kommenden Sonntagabend nach dem letzten Arzttermin hatte ich meine Entscheidung der Mannschaft bekannt gegeben und damit meine Fußballlaufbahn offiziell beendet. Bereits nach dem bloßen zweiten Kreuzbandriss war es eine Frage der Zeit, wann ich aufhören müsste, da mir die Verletzungen, die ich mir durch den Fußball zugezogen habe, bereits ein Stück meiner Gesundheit nahmen. Ich habe leicht herausstehende Schlüsselbeine, die manchmal stören und irreparable Schäden im Knie. Zudem wird sich meine Verantwortung zeitnah verdoppeln und ich möchte auch später noch mit meinen Kindern im Garten Fußball spielen können. Ich hätte mir nur gewünscht, dass ich noch das ein oder andere Jahr mehr Fußball gespielt hätte und nicht mit 22 mein letztes Spiel hatte.

Stattdessen werde ich durch den Zustand meines Knies jeden Tag daran erinnert, dass ich nicht mehr Fußball spielen kann und das wird mich mein Leben lang traurig machen. Ich werde durch jede Treppenstufe, durch jedes Hinhocken und durch jeden falschen Ausfallschritt und das anschließende Knacken im Knie daran erinnert. Ich hasse es, Treppen zu gehen. Das Knie knackt dabei mindestens einmal und das ist ein Trigger in meinem Kopf. Ist mein Knie länger als 5 Sekunden in der Beugung, knackt es mehrmals beim Strecken. Ich habe den Großteil meiner in 16 Jahren antrainierten Beinmuskulatur verloren, es ist bedrückend, wenn 20 Kilo Beinpresse schwer und mit Angst verbunden sind. Ich kann nicht ohne Probleme joggen gehen, ich kann nicht mal eben ein paar Meter laufen, um den Bus nicht zu verpassen. Wenn ich mit jemanden über Amateuerfußball spreche, verspüre ich mit großer Wahrscheinlichkeit im Anschluss Trauer. Wenn es dabei noch um mich geht, ist der Tag quasi im Eimer. Manchmal denke ich an die alte Zeit, manchmal auch die Jugendzeit zurück und möchte zurück in diese Zeit, ich möchte wieder Fußball spielen. Ich möchte jeden Dienstag und Donnerstag den Schweißgeruch in der Kabine riechen, ein Getränk mit den Jungs genießen, ausgepowert ins Bett fallen und am nächsten Tag mit einem leichten Muskelkater aufwachen. Bis Sonntag die Vorfreude auf dem Spieltag fühlen und am Sonntag dann auf dem Platz alles geben, um mit der Mannschaft den Sieg einzufahren und gemeinsam zu jubeln. Ein paar kühle Getränke nach dem Spiel runden den Tag ab. Am Montag wird dann das Spiel analysiert und Noten vergeben. All das ist nicht mehr und wird auch nie mehr sein und es fällt mir weiterhin schwer damit klarzukommen. Immer, wenn ich nicht wusste, wozu man das Ganze macht, war Fußball etwas, in das ich mich reinhängen konnte und währenddessen war alles andere für den Moment komplett ausgeblendet. Mit diesem Ausgleich sah der nächste Tag nur noch halb so schlimm aus und Sonntag war sowieso Matchday und damit ein guter Tag. Stattdessen überlege ich mir jetzt jeden Sonntag, ob ich zum Sportplatz fahren soll und die depressive Laune in Kauf nehmen soll.

Vor kurzem hatte ich meinen vorerst letzten Termin bei dem Arzt, der mich zweimal operiert hat. Das rundet es ab. Er sagte, dass der Knorpelschaden da ist, aber im Rahmen der Gesamtgeschichte gut aussieht und man sich dort keine Gedanken machen muss. Die Blockade, die ich bei höherer Belastung habe, kann durchaus der Meniskus sein. Er wird sich nun im Laufe der Woche die alten MRT Bilder angucken und überprüfen, ob der Schaden am Menikus schon vorher da war oder ob er durch den Zwischenfall im Escape Room, also nach den beiden OPs entstanden ist. Falls er vorhanden ist, müsse man sich nochmal austauschen über das weitere Vorgehen. Aber da meine Entscheidung feststeht, interessiert mich das nicht wirklich mehr. Mich interessiert jetzt im Prinzip nur noch, woher der Schaden kommt.

Ich habe diesen Text geschrieben, um mit diesem Kapitel, das sich schließlich über insgesamt 3 Jahre erstreckt hat, abzuschließen und es hinter mir zu lassen. Vielleicht werde ich irgendwann nochmal Fußball mit niedriger Intensität und ohne Ehrgeiz spielen, aber niemals wieder auf dem Niveau von früher. Vielleicht in einer niedrigen Liga und nur, wenn der Körper zustimmt und es sich gut anfühlt. „DS18“ gibt es nicht mehr.

Zum Schluss noch ein paar Sätze, die mich stets motiviert haben oder mich heute noch aufmuntern:
„Vielleicht ist Fußball nicht der richtige Sport für dich“
„Vielleicht solltest du einen Sport machen, der nicht so gefährlich ist“
„Vielleicht suchst du dir lieber eine andere Sportart“
„Wenn’s nicht geht, dann geht’s nicht“
„Soll wohl nicht sein“
„Ist auch besser so, man verletzt sich ja nur“
„Ist vielleicht besser so, für deine Gesundheit“
Ich berühre einen Ball: „Pass auf verletzt dich nicht!“ / „Gleich kommt der nächste Kreuzbandriss!“
 
Weise Schlusssätze, beim lesen deines Verletzungskatalog hatte ich auch fast Schmerzen bekommen.

Gut, dass du es von der Seele geschrieben hast und ich wünsche dir, dass du gute Entscheidungen triffst, was dein Sportsleben der Zukunft anbelangt. :)
 
Zum Schluss noch ein paar Sätze, die mich stets motiviert haben oder mich heute noch aufmuntern:
„Vielleicht ist Fußball nicht der richtige Sport für dich“
„Vielleicht solltest du einen Sport machen, der nicht so gefährlich ist“
„Vielleicht suchst du dir lieber eine andere Sportart“
„Wenn’s nicht geht, dann geht’s nicht“
„Soll wohl nicht sein“
„Ist auch besser so, man verletzt sich ja nur“
„Ist vielleicht besser so, für deine Gesundheit“
Ich berühre einen Ball: „Pass auf verletzt dich nicht!“ / „Gleich kommt der nächste Kreuzbandriss!“
Hallo Danjo, als ehemalige Sportlerin leide ich beim Lesen deiner Zeilen so richtig mit.
Ich wünsche dir, dass dir deine Gedanken wirklich helfen, mit dem Fussball einen guten Abschluss zu finden.
Wobei ich mir sehr gut vorstellen kann, dass du mit deiner Leidenschaft ein guter Trainer wärst.:)

Egal wie dein zukünftiger Weg sich gestalten wird, alles Liebe und Gute von mir und ganz viel Freude und Glück mit deiner kleinen Familie.🍀🍀🍀
Wildaster
 
Hey Danjo18,

noch ein Spruch für deine Sammlung: Kopf hoch, das Leben geht weiter. :) Da gibt es noch sehr viel zu entdecken und auszuprobieren.

Ich hatte auch lange Zeit Knieprobleme, die vom Skateboard- und Skifahren kamen, und bin kaum noch die Treppe hochgekommen. Der Körper braucht MSM (organischen Schwefel), um beschädigten Knorpel wieder aufbauen zu können, und regelmäßige - tägliche - Gymnastik, damit der Schwefel auch ins Gelenk gelangen kann. Damit konnte ich über einen längeren Zeitraum mein kaputtes Knie wieder vollständig heilen.

Leistungssport führt zu frühem Verschleiß und ist daher nicht zu empfehlen. Trotzdem würde ich Sport und Bewegung nicht aufgeben, denn ein gesunder Körper und Geist brauchen das. Neben den Wettkampfsportarten, die du nun hinter dir lassen musst, gibt es noch Ausdauersportarten und 'meditative' Bewegungstechniken wie etwa Yoga, die die Gesundheit nicht ruinieren, sondern dich heilen können. Da ich von Natur aus eher faul bin, habe ich mich für Kraftgymnastik entschieden und mache jeden Tag 10 Minuten meine Übungen - mehr ist gar nicht nötig, um Gesundheit, Kraft und Beweglichkeit bis ins hohe Alter zu erhalten. :cool: Das empfehle ich auch dir. Anregungen findest zu z. B. hier.

Gute Besserung und wie gesagt Kopf hoch! :)
 
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